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Red Riding Hood – Unter dem Wolfsmond

Originaltitel: Red Riding Hood__Herstellungsland: USA/Kanada__Erscheinungsjahr: 2011__Regie: Catherine Hardwicke__Darsteller: Amanda Seyfried, Gary Oldman, Billy Burke, Shiloh Fernandez, Max Irons, Virginia Madsen, Lukas Haas, Julie Christie, Shauna Kain, Michael Hogan, Darren Shahlavi u.a.
Red Riding Hood

“Twilight”-Abklatsch mit Amanda Seyfried, Gary Oldman, Shilo Fernandez, Max Irons und einer Minirolle für Darren Shahlavi: “Red Riding Hood”

Nach dem durchschlagenden Kassenerfolg der „Twilight“-Saga schossen die Plagiate zwar wie Pilze aus dem Boden, wenn Young-Adult-Romanzen mit Fantasy- und Horrormotiven angereichert wurden, aber selten waren diese so dreist wie „Red Riding Hood“, für den die Produzenten mit Catherine Hardwicke auch gleich die Regisseurin des ersten „Twilight“-Films engagierten.

Im Gegensatz zum Vorbild spielt „Red Riding Hood“, grob nach Motiven des titelgebenden Märchens der Brüder Grimm gestrickt, jedoch nicht in der Gegenwart, sondern in einer Märchenversion des Mittelalters. Hier sind alle Dorfbewohner nicht nur stets frisch gewaschen, top frisiert und adrett gekleidet, sondern anscheinend auch alle Vegetarier. Anders kann man es sich nämlich kaum erklären, wenn die Landkinder großes Gewese darum machen, dass ein Ferkel zur Besänftigung des großen bösen Wolfs geopfert und über Nacht draußen gelassen wird. Denn so läuft der Pakt zwischen Dorf und Wolf: In der Vollmondnacht kriegt dieser Happa-Happa vorgesetzt und tötet keine Menschlein. Warum der Wolf immer nur bei Vollmond Appetit hat, das fragt sich freilich keiner.

Über Jahre hinweg läuft der Deal eigentlich ganz gut, bis der Wolf in einer Vollmondnacht ganz unfein die ältere Schwester von Valerie (Amanda Seyfried) totmacht. Dabei hat die eigentlich genug andere Sorgen: Eigentlich ist sie ihrem besten Freund, dem Holzhackerbuam Peter (Shilo Fernandez), romantisch zugetan, ihre Eltern Cesaire (Billy Burke) und Suzette (Virginia Madsen) wollen sie aber lieber an Henry (Max Irons) verheiraten, weil dessen Daddy ordentlich Knete auf der hohen Kante hat. Damit ist das Liebesdreieck, ohne das seit „Twilight“ augenscheinlich keine Young-Adult-Romanze mehr auskommen darf, auch bedient. Damit es funktioniert, ist auch Henry ein verständnisvoller, nur etwas schüchterner Verehrer, der wie Valeries Eltern an die Richtigkeit des Systems der Verheiratung glaubt. Man könnte erwarten, dass er ein selbstgerechter Arschkrampen ist, aber dann könnte sich die anvisierte Zielgruppe nicht in Team Peter und Team Henry aufteilen.

Das Business mit dem großen bösen Wolf packt die Vermählung jedoch sowieso erstmal in die Warteschleife. Bei der Wolfsjagd stirbt zwar Henrys Vater, doch immerhin wird ein Tier getötet. Während die Dörfler feiern wollen, warnt der eintreffende Großinquisitor Solomon (Gary Oldman), dass das erlegte Tier nicht der Täter sein kann, sondern ein Werwolf, der mitten unter ihnen lebt…

Schaut euch den Trailer zu „Red Riding Hood“ an

„Red Riding Hood“ kann seine „Twilight“-Rezeptur kaum verbergen: Ein adrettes Mädel zwischen zwei Posterboys, von denen sie einen liebt, den anderen eher weniger, etwas äußere Bedrohung durch eine Horrorgestalt und dazu noch die Zwänge der Gesellschaft für eine Portion „Schöner leiden“. Immerhin sind diese durch das Märchen-Mittelalter-Setting halbwegs verständlich, andrerseits erscheinen diese überraschend sekundär dafür, dass dies mit der Hauptkonflikt ist. Aber Henry ist so nett die Verheiratung angesichts der mörderischen Ereignisse nicht so schnell voranzutreiben und auch Mutter Suzette hat kaum mehr als die Plausch-aus-dem-Nähkästchen-Story beizusteuern, dass es ihr mit Cesaire damals ähnlich ging wie Valerie mit Henry, aber am Ende alles gut wurde. So fühlt sich das Thema wie ein Nachgedanke an, auch wenn es gegen Filmende auf einmal von zentraler Bedeutung ist.

Wie ein Nachgedanke erscheint auch Vater Solomon, der wie die Weichspülvariante von Inquisitoren aus Werken wie „Der Hexenjäger“ und „Hexen bis aufs Blut gequält“ auftritt. Sicher, er und seine Leibgarde stopfen ohne viel Federlesen den erstbesten Verdächtigen in ihr Foltergerät, einen Ofen in Elefantenform. Aber natürlich wird der arme Tropf, ein geistig zurückgebliebener Junge, befreit, ehe er ernsthaft angeschmort wird. Außer sich an Schwächeren zu vergreifen kriegen die Leibwächter fast nix auf die Kette und werden beim nächsten Wolfsangriff fast alle dahingemetzelt, da sie mit ihren Armbrüsten bevorzugt daneben schießen und im Nahkampf Luschen sind. Da ist es eine ziemliche Verschwendung, dass man den talentierten B-Action-Kicker Darren Shahlavi („The Package“) als einen der Leibgardisten castete, denn von dessen Nahkampffähigkeiten gibt es hier nichts zu sehen. Immerhin liefert Solomon ein paar Erklärbärmonologe zum Thema Werwolfmythologie in diesem Film und hat eine ansatzweise gelungene Backstory zum werwolfbedingten Tod seiner Frau, die aber auch relativ wenig Widerhall findet.

In der Rolle betreibt Gary Oldman („Crisis“) dann geiferndes Overacting, das manchmal am Rande der Peinlichkeit laviert, aber immerhin Leben in die Bude bringt. Amanda Seyfried („Ted 2“) starrt als Bella 2.0 mit großen Augen in die Gegend, kommt damit aber immer noch etwas besser weg als ihre boygroupartigen Verehrer Shilo Fernandez („Wie ein weißer Vogel im Schneesturm“) und Max Irons („Seelen“), die noch hölzerner als der Märchenwald um sie herum spielen. Virginia Madsen („The Devil’s Light“) und Billy Burke („Kalifornia Nightmare“) – letzterer übrigens in den „Twilight“-Filmen ebenfalls als Vater der Protagonistin zu sehen – liefern Gutes ab, stehen aber meist nur im Hintergrund herum, während Julie Christie („Dragonheart“) als Großmutter mit Hütte im Wald nur für wenige Szenen dabei ist. Lukas Haas („Midnight in the Switchgrass“) bleibt blass als ortsansässiger Priester ohne Durchsetzungsvermögen, während der Rest der Belegschaft kaum mehr als bewegbare Hintergrunddekoration ist, die unter anderem in einer überlangen Tanzszene teilnehmen darf.

Das Märchenland schaut derweil porentief rein wie eine Clearasil-Werbung aus, weshalb selbst die angeblich gar schröcklich zugerichteten Werwolfopfer einfach nur mit drei dekorativ aufgeschminkten Kratzern rumliegen. Nun stand großes Gemetzel eh von Anfang an nicht auf dem Programm, doch das Grauen vor dem Wolfe kauft man den Dörflern unter diesen Umständen nur so semi ab. Daran ändert sich noch nicht mal was, als der Wolf über ein Dorffest herfällt und diverse Einwohner (blutfrei) weghäckselt. Die Bestie selbst zeichnet sich durch ein wenig aufregendes Design und eine deutlich sichtbare CGI-Herkunft aus, die ihre Auftritte dann auch nicht gerade aufregend machen. Andrerseits sind die meisten Opfer des Biests sowieso nur irgendwelche Statisten oder Charaktere, die dem Publikum gepflegt am Pöter vorbeigehen.

Der Werwolf ist in diesem Film mal keine animalische Kraft und keine Metapher für rebellierende Sexualität, sondern hat seine eigene Agenda und kann mit Valerie sogar mittels Telepathie reden. Das ist ein etwas anderer, gar nicht so verkehrter Ansatz im Genre, der sogar in einer überraschend schlüssigen Auflösung nach überraschendem Twist gipfelt. Dummerweise kann das Drehbuch das Werwolf-Whodunit im vorigen Film nie wirklich spannend gestalten: Die offensichtlichen Verdächtigen können es nach Thrillerlogik natürlich nicht sein, andere Verdachtsmomente werden dagegen so künstlich herbeigeführt, dass das Publikum nie auf die falsche Fährte zu geraten droht. Natürlich geraten so gut wie alle wichtigen Charaktere, darunter die Heldin, ihre Verehrer und ihre Großmutter, alle in Verdacht, doch nicht alle davon kann „Red Riding Hood“ überzeugend als potentielle Schnetzelmaschinen verkaufen. Dabei kann Drehbuchautor David Leslie Johnson es besser, wie er mit „Orphan“ oder Scripts zu diversen James-Wan-Filmen (z.B. „Conjuring 2“ oder „Aquaman“) bewies.

Ansonsten gibt es noch ein paar stimmige Bilder von Catherine Hardwicke („Miss Bala“), immer wieder Anspielungen auf Rotkäppchen (bis zu den Steinen im Wolfsbauch) und viele Dialoge des Grauens aus der Seifenopernhölle. Darunter leidet gerade das intendierte Liebesdreieck, wenn sich die drei Hauptfiguren immer wieder belanglosen, mit viel Pomp vorgetragenen Schwulst um die Ohren hauen, bis das Publikum sich fragt, ob der Tod durch den Wolf nicht vielleicht die gnädigere Alternative ist. So hat „Red Riding Hood“ den meisten Nachhall in dieser Hinsicht, wenn Valerie und einer ihrer Verehrer sich zu den Klängen von Fever Rays „Keep the Streets Empty for Me“ näherkommen, doch der Koitus Interruptus kommt, ehe das Lied halb durchgelaufen ist. Blöd für die beiden und fürs Publikum, das danach wieder den Dialogen anstelle der Musik zuhören muss.

„Red Riding Hood“ will das „Twilight“-Rezept durch den Wolf drehen, kommt dabei aber nur auf den Hund: Eine überraschend gelungene Auflösung, ein paar hübsche Bilder und ein guter Fever-Ray-Song können dieses vollkommen aseptische, porentief reine und vollkommen langweilige Young-Adult-Horrormärchen nicht retten. Peinliche Dialoge, größtenteils grottige Darstellerleistungen, eine niemals überzeugende Märchenwelt, versaubeutelte und der unbeholfene Versuch einer tragischen Romanze lassen dieses Zielgruppenkino einfach absaufen.

Warner hat „Red Riding Hood“ hierzulande auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben. Der auf Blu-Ray veröffentlichte angebliche Extended Cut wurde in den USA als Alternate Cut vermarktet und nimmt nur minimale Änderungen an der Kinofassung vor, in erster Linie in der Endszene. In Sachen Bonusmaterial gibt es auf der DVD Trailer und entfallene Szenen, auf der Blu-Ray zusätzlich noch Musikvideos, ein Making Of, verpatzte Szenen und einen Bild-in-Bild-Kommentar.

© Nils Bothmann (McClane)

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Categorised in: Reviews, the Horror Pit

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