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Alpträume

Originaltitel: Nightmares__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1983__Regie: Joseph Sargent__Darsteller: Cristina Raines, Anthony James, William Sanderson, Joe Lambie, Emilio Estevez, Moon Unit Zappa, Billy Jayne, Lance Henriksen, Tony Plana, Richard Masur, Veronica Cartwright, Bridgette Anderson, Albert Hague u.a.
Alpträume

In der Horror-Anthologie “Alpträume” spielen unter anderem Lance Henriksen und Emilio Estevez mit

Eigentlich sollte „Alpträume“ ja nur der Pilot für Horror-Anthologie-TV-Serie für NBC werden, wurde jedoch zu einem Kinofilm unter Universal-Flagge umgemodelt. Regisseur Joseph Sargent hatte zwar den Miniklassiker „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123“ im Actionthrillergenre verantwortet, sollte aber mit „Der weiße Hai – Die Abrechnung“ vier Jahre später zeigen, dass er fürs Horrorgenre nicht wirklich geeignet ist. Zudem sieht man „Alpträume“ seine TV-Herkunft durch und durch an, gerade im Vergleich zu Flagschiff-Horrorfilmen seiner Zeit; man denke an „Alien“, „Das Ding aus einer anderen Welt“ oder „Poltergeist“, gegen die „Alpträume“ in Sachen Inszenierung und Production Values hemmungslos altbacken wird. Doch auch die erzählerische Qualität der insgesamt vier Episoden schwankt stark.

„Terror in Topanga“

Der Auftakt der ersten Episode wurde nach Angaben mancher Quellen nachträglich eingefügt, um dem Film ein R-Rating zu verschaffen, da die Produzenten sich dadurch eine größere Anziehungskraft bei der Zielgruppe versprachen. Also sieht man zu Beginn, wie ein Polizist von einem Messermann verhackstückt wird, nachdem er eine junge, adrette Cabrio-Fahrerin mit einer Verwarnung hat davonkommen lassen. Beziehungsweise man sieht es mehr oder weniger, da der Schnitt des Mordes reichlich hakelig ist. Die TV-Nachrichten enthüllen mehr Details: Ein mörderischer Irrer ist aus einer Anstalt entkommen – entgegen der Urban Legends zwar nicht mit einer Hakenhand, aber mit gewetzten Messern. Die junge Mutter Lisa (Cristina Raines) beschließt trotz der Nachrichten noch Zigaretten holen zu fahren – doch auf dem Rückweg wird das Benzin knapp.

Bis die Tabaksüchtige allerdings in diese Situation kommt, ist bereits ein Großteil der Episode um. Wenn es dann soweit ist, kann „Terror in Topanga“ punkten: Jede geschlossene Tankstelle, jeder Blick auf die Tankanzeige lassen den Spannungspegel etwas ansteigen und verdeutlichen das Gefühl des Unwohlseins. Kurz darauf kommen dann auch das Finale und die recht gelungene Schlusspointe. Cristina Raines („Hexensabbat“) in der zentralen Rolle macht einen soliden Job, die markigen Gesichter von Anthony James („World Gone Wild“) als Verkäufer und William Sanderson („Blade Runner“) als suspekter Tankwart setzen ein paar Akzente in diesem soliden, aber etwas lahmarschigen Serienkiller-und-potentielles-Opfer-Stück.

Schaut euch den Trailer zu „Alpträume“ an

„The Bishop of Battle“

Die zweite Episode ist ein klares Kind des Post-„Star Wars“-Sci-Fi-Booms und dem Aufkommen der Videospielkultur. Nur ein Jahr zuvor kam „Tron“ heraus, ein Jahr nach „Alpträume“ erschien „The Last Starfighter“, gegen deren Tricktechnik diese Episode allerdings kaum anstinken kann. Erzählt wird von dem arcadesüchtigen J.J. Cooney (Emilio Estevez), der fast jedes Game gemeistert hat – nur nicht das titelgebende „The Bishop of Battle“, dessen mysteriöses 13. Level er erreichen möchte. Bei einer nächtlichen Zock-Session in der Spielhalle gelingt ihm dies – jedoch mit unerwarteten Auswirkungen…

„The Bishop of Battle“ braucht noch etwas länger als die vorige Episode, um letztendlich in die Puschen zu kommen. Nach relativ langer Anlaufphase gipfelt das Ganze in einer Art Real-Life-Version eines Videospiels zwischen „Pac-Man“ und „Space Invaders“, die schon wenig gruselig daherkommt, effektmäßig der Konkurrenz aber so unterlegen ist, dass sie auch nicht mit Oberflächenschauwerten punkten kann. Ironischerweise hätten selbst diese Tricksequenzen die Produktion in den Ruin getrieben. Am ehesten bleibt der rockige Soundtrack von Bands wie Fear im Gedächtnis bzw. Ohr, denn beim Zocken dreht der Protagonist gerne seinen Walkman auf. Besagte Hauptfigur verkörpert Emilio Estevez („Men at Work“) dann auch mit Draufgängercharme, während die restlichen Darsteller bessere Staffage bleiben.

„The Benediction“

In der dritten Episode geht es um den katholischen Priester Frank MacLeod (Lance Henriksen), der jedoch seinen Glauben verloren hat. Er will seine Gemeinde verlassen, wird jedoch auf der Fahrt von einem Pick-Up-Truck mit geschwärzten Scheiben angegriffen, der nicht von dieser Welt zu sein scheint.

„The Benediction“ ist eine Art Schmalspurvariante von Steven Spielbergs „Duell“, angereichert mit ein paar Teufelsmotiven on the road wie in „Vier im rasenden Sarg“. Größter Pluspunkt der Episode ist Lance Henriksen („Die Legende des magischen Helms“) in der Rolle des zweifelnden Glaubensmannes, dem man den inneren Konflikt abnimmt, obwohl das Drehbuch diesen kaum mit Leben füllen kann. Ein paar Rückblenden zum Quell der Sinnkrise (MacLeod musste den Tod eines Jungen mitansehen) können keine Tiefe schaffen. Auch „The Benediction“ hält sich mit viel mäßig interessantem Vorgeplänkel (darunter die obligatorische Traumsequenz mit anschließendem, schweißgebadetem Aufwachen) auf. Der eigentliche Überlebenskampf ist auf wenige Minuten am Ende konzentriert, die ein paar nette Fahrzeugstunts bieten – immerhin inszenierte Sargent in den 1970ern auch den Burt-Reynolds-Reißer „Der Tiger hetzt die Meute“. Mit Grusel ist da freilich wenig, für große Actionschauwerte ist das Ganze dann doch wiederum zu unspektakulär.

„Night of the Rat“

Die vierte und letzte Episode besitzt einen Plot, den George Pan Cosmatos in ähnlicher Form in „Unheimliche Begegnung“ im gleichen Jahr in Spielfilmlänge erzählte. Hier geht es um das Ehepaar Clair (Veronica Cartwright) und Steven Houston (Richard Masur), die ein Rattenproblem im Eigenheim haben. Aber nicht irgendein Rattenproblem, denn der übergroße Nager erweist sich als Teufelsratte, die das Leben des Paares und deren kleiner Tochter Brooke (Bridgette Andersen) erst zur Hölle macht und dann bedroht.

„Night of the Rat“ ist die längste, aber auch klar gelungenste Episode der kompletten Anthologie, auch wenn sie durch schlurige Effekte im Finale runtergezogen wird, wenn man die Teufelsratte erstmals in voller Pracht sieht. Denn dabei handelt es sich offensichtlich um eine vergrößerte einkopierte Ratte, was eher Trashcharme als Horrorfeeling erzeugt. Dafür baut diese Episode wenigstens von Anfang einen Spannungsbogen auf, wenn der Krieg Mensch vs. Ratte nach und nach eskaliert. Befeuert wird das auch durch paarinterne Konflikte, denn Richard Masur („Mörderischer Vorsprung“) – gerne mal auf unsympathische Charaktere abonniert – legt den Ehemann als selbstherrlichen Großkotz an, der auf der Arbeit gefühllos Leute feuert und daheim die Gattin anblafft. Diese wird von Veronica Cartwright („Warte, bis es dunkel wird“) vielleicht einen Ticken zu hysterisch verkörpert, doch sie bleibt die Identifikations- und Sympathiefigur, welche die richtigen Schlüsse zieht und Hilfe suchen will im Gegensatz zu ihrem Männe. Natürlich ist das Strickmuster bekannt (z.B. wird die Hauskatze zum frühen Opfer des Biests), doch „Night of the Rat“ erzählt durchaus stimmig davon, wie den Protagonisten die eigenen vier Wände unheimlich werden. Der Feind im eigenen Haus, ein klassisches, aber effektives Gruselmotiv.

Doch unterm Strich bleibt „Alpträume“ eine altbacken inszenierte, eher unspektakuläre Horror-Anthologie, bei der in erster Linie die letzte und mit Abstrichen die erste Episode funktionieren, wenngleich beide auch keine Innovationspreise gewinnen. Episode zwei und drei dagegen haben merkliche Schwächen. Immerhin ist es nett, dass sich die Einzelstorys in Sachen Sujet und Ansatz unterscheiden, doch Alpträume werden die wenigsten Zuschauer trotz des Filmtitels davon bekommen.


© Nils Bothmann (McClane)


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Alpträume

Deckblatt Cover C der Wicked-Vision-Edition.

Manch einer ist bekanntlich Gefangener seiner eigenen Zwänge. Und wie das mit Gefangenen so ist, sind sie üblicherweise in Zellen weggesperrt. Hat man gerade keine handfesten Gitterstäbe zur Hand, kann man im übertragenen Sinne auch Alpträume als Zellen nutzen: Sie sind unwirtlich, trostlos und beklemmend. Außerdem ist ihr Raum begrenzt, denn er wird durch die isolierte Situation definiert, in der sich der Träumende befindet. Also, wenn so ein Alptraum mal nicht die perfekte Räumlichkeit für einen Anthologie-Horrorstreifen ist!

Während andere Vertreter dieser Gattung wie „Monster Club“ (1981), „Creepshow“ (1982), „Screamtime“ (1983) oder „Unheimliche Schattenlichter“ (1983) traditionell eine Rahmenhandlung um ihre Episoden spannen, muss Joseph Sargents „Alpträume“ ganz ohne auskommen. Da nimmt er den Zwang als verknüpfendes Thema gerne an. Einfach eine Kapitelnummerierung an den Anfang jeder Folge gestempelt und schon wird aus einer TV-Miniserie ein abendfüllender Spielfilm mit einem roten Faden.

Terror in Topanga

Alpträume

“Oh Mann, für eine Kippe würd ich mich jetzt glatt abschlachten lassen!”

Wo wir gerade von Gefängnissen sprechen: Dem Gefühl, in einem Raum mit abgesteckten Grenzen eingesperrt zu sein, kommt die Auftaktepisode jedenfalls schon mal recht nah. Zwar spielt sich die Handlung von „Terror in Topanga“ überwiegend an der frischen Luft ab, aber die stockfinstere Umgebung erlaubt kein Abschweifen in die Ferne und verlegt den Fokus immer zentral auf das Set, in etwa so, als würde ein riesiger Scheinwerfer über einer Bühne schweben.

Cristina Raines spielt eine Frau, die sich abends noch einmal auf den Weg in einen Kiosk macht, um Zigaretten zu kaufen, und die Tatsache, dass diese fast schon als „all-american“ zu bezeichnende Situation gegen eine Radiowarnung vor einem wahnsinnigen Mörder ausgespielt wird, der sich in der Gegend herumtreiben soll, bringt auf perfide Weise das Thema Nikotinsucht auf den Plan: Rein stochastisch gesehen, leide ich mehr unter dem Mangel an Zigaretten im sicheren Heim oder unter den potenziellen Gräueltaten eines Psychopathen auf Streifzug?

Dass die Dame auf Risiko spielt, versteht sich von selbst, denn wir befinden uns ja immer noch in einem Horrorfilm. Fortan macht sich das Skript einen Spaß daraus, die Süchtige ihre Entscheidung mit jeder Minute mehr bereuen zu lassen: Passanten und selbst Angestellte wirken verdächtig (wann tat Anthony James das auch mal nicht), das Auto zickt herum und der Weg zur ersehnten Zigarette wird unnötig verkompliziert. Aus der egozentrischen, beengten Perspektive der Protagonistin auf ihre unwirkliche Umgebung, die auch der Twilight Zone entstammen könnte, wird durchaus ein solides Maß an Suspense gepresst, das sich allerdings durch eine alles entscheidende Eigenschaft wieder schnell auf dem Nullpunkt einpegelt: Die durchdringende Vorhersehbarkeit. Wie eine Lagerfeuergeschichte wirkt die Mär von dem Irren in der Dunkelheit, so alt und eingesessen wie ein Furz im Fernsehsessel. Den Rahmen um einen Erzähler, der sich eine Taschenlampe ins Gesicht hält, hat man praktisch jederzeit bildhaft vor Augen. Das muss nicht per se schlecht sein, mit dem Slasherfilm hat sich daraus schließlich ein komplettes Subgenre gebildet; hier jedoch unterstreicht es einfach bloß die simplen moralischen Implikationen, wie sie typisch sind für den gemeinen Episodenhorror. Aber immerhin: Wo die Kippe im Müll landet, ist ja womöglich der Startpunkt für den Fitness- und Gesundheitswahn der 80er gesetzt…

The Bishop of Battle

Alpträume

Emilio Estevez ist der King of Insert Coin.

Mit einer ganz anderen Besessenheit, wie sie charakteristisch für ihre Zeit ist, beschäftigt sich die zweite Episode. Sie erzählt im Kleinen von der Videospielsucht eines Jugendlichen, aber eigentlich geht es im übergeordneten Kontext um neon-durchtränkten Futurismus und die Schockstarre einer ganzen Zivilisation vor den Toren zu einer technisierten Zukunft, die fast schon zum Greifen nahe war.

Wer sich gerne von retrofuturistischer Videospielästhetik einlullen lässt, kommt dabei natürlich voll auf seine Kosten. Mit Einblendungen primitiver Computergrafiken wird man hier durchgehend versorgt, gegen Ende springen sie sogar als dreidimensionale Objekte aus dem Automaten und machen dabei als visuelle Spezialeffekte gar keine so schlechte Figur. Das grün fluoreszierende Drahtgittermodell des „Bishop of Battle“ nimmt sogar in gewisser Weise die Qualitäten späterer Horrorfilm-Ikonen wie Pinhead (in Bezug auf das Design) oder Freddy Krueger (als eine Art „Meister der digitalen Träume“) vorweg, was sowieso für die Gestalten aus thematisch ähnlich gelagerten Streifen zur Zeit des Erwachens der Computeranimation gilt, wie „Der Rasenmähermann“ (1992) oder „Der Killer im System“ (1993).

Darüber hinaus wird aus heutiger Sicht ein spannender Blick auf eine inzwischen erloschene Jugendkultur geworfen, wie sie sich immerhin noch ein knappes Jahrzehnt später in einem SciFi-Klassiker wie „Terminator 2“ widerspiegelte (man vergleiche die Spielhallensequenzen mit der Kaufhaussequenz um John Connor und seinen Freund). Wer damals selbst noch Kind war, wird sich an die magische Anziehungskraft der Spielhallen und ihre Verlockungen des Triumphs über das Unerreichbare vielleicht noch erinnern können. Mit Emilio Estevez in der Hauptrolle hat die Folge außerdem darstellerisch etwas zu bieten, zumal er als Co-Star auch noch den erst 13-jährigen Billy Jayne an die Seite gestellt bekommt, der sich einige Jahre später als Mikey aus „Parker Lewis“ (1990) einen Namen machte.

Das Drehbuch springt teilweise etwas unentschlossen zwischen den Schwerpunkten; was anfangs eine Abzocker-Geschichte der Marke „Weiße Jungs bringen’s nicht“ (1992) zu werden scheint, spielt am Ende eher mit Eroberer-Komplexen. Alleine schon die vielen Bezüge zu Filmen, die erst ein Jahrzehnt später im Kino landeten, zeigen aber, dass „The Bishop of Battle“ im Rahmen seiner Möglichkeiten durchaus innovativ war – dem vorangestellten „Tron“ (1982) zum Trotz.

Benediction

Alpträume

Wird der Gottesmann den lästigen Teufel abschütteln können?

Das kleine Alkoholfläschchen auf dem Nachttisch des Priesters deutet still und heimlich die nächste Abhängigkeit an. „Benediction“ ist aber nicht etwa ein rein mechanisches Trinkerdrama geworden, bei dem alle fünf Minuten ein Close-Up auf die Flasche eingeblendet wird,, sondern eher eine metaphorische Abhandlung über den Verlust des Glaubens an viele Dinge: das Rechtschaffene, das eigene Selbst, das Leben im Ganzen.

Niemand anders als Lance Henriksen geleitet als verlorener Sohn durch die Reise ins eigene Unterbewusstsein und ist natürlich schauspielerisch das größte Pfund in der gesamten Sammlung, weshalb man ihm auch zutraut, den Weg praktisch in einer One-Man-Show zu beschreiten.

Die Episode beginnt mit einem Alptraum (…in einem Alptraum, wenn man so will) voller biblischer Symbolik, angereichert mit Zeitlupe, surrealem Sounddesign und kontrastreichen Bildfiltern. Ein starker Auftakt, der in das visuell vielleicht interessanteste Kapitel einleitet, zumindest wenn man von den kalifornischen Staubflächen nicht genug bekommen kann. Im Gegensatz zu den ersten beiden Kapiteln sind die 80er hier vollkommen abwesend; vielmehr erweisen sich die 70er als stilprägend. Steven Spielbergs „Duell“ (1971) stand offensichtlich Pate für die Idee, einen schwarzen Chevrolet Pick-Up als Verkörperung des Teufels höchstpersönlich auf den Mann Gottes loszulassen. Das Skript klammert sich leider ein wenig zu sehr an diese Vorlage, so dass die Suspense-Einlagen, die von der Unberechenbarkeit der Bedrohung abhängig sind, ähnlich wie bei der Raucher-Episode in Berechenbarkeit versickern.

So muss es eben der charismatische Henriksen rausreißen, dessen Wirkung immerhin von den fiebrigen Bildern und der teils beeindruckenden Stunteffektarbeit verstärkt wird. Wenn der Pick-Up im Stil von „Der Weiße Hai“ (1975) auf einmal aus dem Sandmeer an die Oberfläche stößt, fühlt man sich kurz mittendrin in den Wurzeln des Sommer-Blockbuster-Effekts. Auch wenn der Nachhall eines echten Spielberg ausbleibt.

Night of the Rat

Alpträume

Eine amerikanische Bilderbuchfamilie.

Indirekt bleibt Spielberg auch in Teil 4 ein Einflussgeber, denn wie der von ihm geschriebene und produzierte „Poltergeist“ (1982) befasst sich auch „Night of the Rat“ mit dem familiären Konstrukt im suburbanen Vorort-Amerika, bei dem der Horror durch die Holzdielen und den Mauerstein des hübschen Eigenheims bricht. Richard Masur, Veronica Cartwright und Jungdarstellerin Bridgette Anderson verkörpern mit gebündelten Kräften ein idealisiertes Lebensmodell, das von einer mannshohen Ratte bedroht wird.

Der Zwang ergibt sich im Abschluss der Anthologie daraus, dass die Familie um jeden Preis intakt gehalten werden muss, obwohl sich schön früh Risse bilden, längst bevor sie sich an den Hauswänden manifestieren. Entsprechend verlegt sich der Fokus auf die Konflikte zwischen dem Mann, der einem archaischen Selbstverständnis nach alles selbst in die Hand nehmen möchte, und der Frau, die einfach nur den Familiensegen bewahren möchte – ein Konzept, das sich bis in Sitcom-Formate der 90er hinein wie „Hör mal, wer da hämmert“ gehalten hat.

Die Trickkiste war zu diesem Zeitpunkt der Produktion offenbar bereits völlig geplündert, denn die Kopiereffekte, mit denen sich die überdimensionale Ratte durch das Finale knabbert, hat mehr mit den B-Movies der 50er gemein als mit dem großen Jahrzehnt der praktischen Spezialeffekte.

„Alpträume“ arbeitet sich also vom konkreten Suchtverhalten zunehmend in abstraktere Gefilde vor, bleibt aber seinen Kernthemen treu. Insgesamt leidet die Kurzgeschichtensammlung unter ihrer akuten Ideenlosigkeit, greift sie doch überwiegend altbekannte Motive auf und klammert sich dabei ausgerechnet an Vorbilder wie „Duell“, die mit einer solchen Effizienz funktionieren, dass man sie unmöglich toppen oder auch nur sinnvoll variieren kann. Dennoch bekommt Joseph Sargent den Zeitgeist streckenweise zu packen und weiß zumindest mit den beiden mittleren Episoden ein paar Akzente zu setzen.

© Sascha Ganser (Vince)


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Informationen zur Veröffentlichung

Limited Collector’s Edition #63

Eine stattliche Alptraumsammlung hat sich da inzwischen in der „Limited Collector’s Edition“-Reihe angesammelt. Nach „Die Todeskarten des Dr. Schreck“, „Necronomicon“ und „Geschichten, die zum Wahnsinn führen“ ist „Alpträume“ bereits die vierte Horror-Anthologie in der langlebigen Reihe. Und die war mal wieder nötig, denn abgesehen von ein paar TV-Ausstrahlungen und einer geschnittenen Videokassette gab es bisher kaum Möglichkeiten, den Streifen zu sehen, es sei denn, man schaute sich im Ausland um. 2015 erschien über Shout die wohl erste Blu-ray in den USA, zuletzt hat sich die HD-Ausgabe dann wohl auch in Europa verbreitet (etwa bei der französischen 2022er-Version „En Plein Cauchemar“), seit Dezember 2022 gibt es sie nun auch über Wicked Vision in Deutschland.

Die Verpackung

Mediabooks

“Alpträume” erschien in drei Mediabook-Varianten mit einer Auflage von je 333 Stück.

Das Medium der Wahl ist für das deutsche Gewohnheitstier natürlich wieder das Mediabook, das erneut in drei verschiedenen Cover-Ausführungen mit einer Auflage von je 333 Stück gedruckt wurde. Wie so oft ist Motiv A für das Originalposter reserviert – oder zumindest eine Variation davon. Das Konzept ist nur allzu typisch für Fantasy-Horror der 80er: Man hat da im Hintergrund eine düstere Einöde mit diffusen Wolken und eintönigen Farben, und ein leuchtendes Augenpaar glotzt aus der Dunkelheit, während zwei ausgestreckte Hände nach dem Betrachter greifen. Aus dem Wicked-Vision-Bestand kennt man diese Art Poster zum Beispiel auch von „Gate II – Das Tor zur Hölle“. Hier wurden die Hände und Augenpaare gemäß der vier Kurzgeschichten kurzerhand vervierfacht, was einen durchaus interessanten psychedelischen Effekt ergibt und noch dazu den etwas leeren Hintergrund auffüllt. Bei der A-Variante entschied man sich zudem für den deutschen Titel „Alpträume“ in dicken weißen Lettern, unter denen außerdem noch die Tagline „Das Grauen ist unter uns“ abgedruckt wurde.

Auf den Originaltitel „Nightmares“ samt Tagline „Just Shut Your Eyes And… Scream!“ setzt hingegen das zur Ansicht vorliegende Cover B von Gilles Vranckx. Auch er ließ sich eindeutig von den 80ern inspirieren, steht der lediglich aus diffusen Lichtbündeln bestehende, ansonsten blauschwarze Hintergrund doch für dieselbe Art von 80er-Horrorfilm. Die vier Episoden werden symbolisch von vier Objekten repräsentiert, die sich vertikal im mittleren Drittel aufreihen: Das Hologramm des Videospiel-Antagonisten, die Silhouette des Serienkillers, das umgedrehte Kreuz des Pick-ups und die Ratte. Einerseits wäre es runder gewesen, den Pick-up selbst anstatt des Kreuzes aufs Motiv zu bringen (er hätte zum Beispiel über die Buchstaben des Titels schielen können), andererseits ergibt sich nun durch die Anordnung ein interessanter Dopplungseffekt: Durch die vertikale Anordnung und die Kreuzung mit dem horizontalen Titel entsteht dasselbe Kreuz-Muster, das der Serienkiller auch auf seiner Brust trägt.

Cover C stammt wieder von Timo Wuerz und bedient eher den Gemälde-Fetisch. Auch er versucht sich an einer kreuzförmigen Anordnung, die allerdings diffuser ausfällt als bei Vranckx. Die Episoden werden im Wesentlichen von den gleichen Symbolen repräsentiert, man könnte fast meinen, Vranckx und Wuerz hätten die gleichen Instruktionen bekommen und sie auf ihre Art interpretiert. Nur das kleine Mädchen aus „Night of the Rat“ ist exklusiv hier verteten und konterkariert in selig schlummernder Haltung gewissermaßen den übergeordneten Konzeptansatz.

Das Booklet

Das Booklet ist übrigens diesmal aufgrund seines Umfangs gebunden, denn satte 32 Seiten dick ist es geraten. Die aus sehr dickem Papier bestehende Front nutzt das Originalmotiv (hier allerdings nur mit einem Hand- und Augenpaar), der gähnende Schlund aus Wolken, trockenem Boden und Dunkelheit erstreckt sich bis hinter die Disc-Trays. Christoph N. Kellerbach, wer auch sonst, ist für die Buchstaben im Innenteil verantwortlich. Und der setzt recht interessant mit einer Einordnung der Funktionsweise und des Zwecks eines Alptraums für die mentale Gesundheit an – nicht etwa aus einer streng medizinischen Perspektive, sondern eher, um anschließend eine Parallele zum Zweck des Horrorfilms zu ziehen, der oft nach ähnlichen Prinzipien vorgehe. Erst danach schießt er sich wie gewohnt auf die Produktionshintergründe ein und leitet daraus Vergleiche zum Zeitgeschehen ab, inklusive einiger interessanter Diskurse rund um Gewalt in Kino und Fernsehen. Kernstück von Kellerbachs Text ist schließlich Kapitel 3, in dem er mit eigenen Unterkapiteln detailliert auf jede einzelne Episode eingeht und die jeweiligen Besonderheiten hervorhebt; etwa die Computereffekte von Bo Gehring in „The Bishop of Battle“, die Riesenratte aus „Night of the Rat“ oder den Chevrolet aus „Benediction“. Geschlossen wird mit ein paar Worten zur Veröffentlichung und einer Rückkehr zur Alptraumdeutung im Epilog. Sehr löblich: Nach dem Text bekommt der Leser noch alle drei Mediabook-Motive im Vollseiten-Format präsentiert. Egal also, für welches Motiv man sich entscheidet, man hat sie alle an Bord. Gerne öfter so!

Bild und Ton

Technisch war der Titel wohl eine gewisse Herausforderung. Für das Bild mag das womöglich noch nicht gelten; vermutlich hat man hier einfach auf ein HD-Master von Universal zurückgreifen können, das auch schon von Shout und anderen verwendet wurde. Die Bildeigenschaften unterscheiden sich je nach Episode deutlich; bei „Terror in Topanga“ kommen zum Beispiel viele Weichzeichner zum Einsatz oder auch die Kontraste aus hellen Leuchtquellen auf dunklen Hintergründen, bei „The Bishop of Battle“ bestimmen synthetische Grafiken und symmetrische Linien die Bildaufteilung und „Night of the Rat“ arbeitet mit erdigen Farben und viel Schattensetzung. „Benediction“ ist nochmal eine eigene Nummer, hier verfolgt selbst der Alptraum zu Beginn mit seinen Unschärfen und überdrehten Kontrasten eine eigene optische Linie, die dann von staubigem Realismus abgelöst wird. Insgesamt werden die unterschiedlichen visuellen Konzepte aber durchweg homogen auf den Bildschirm übertragen, alles wirkt wie aus einem Guss und man akzeptiert problemlos, dass man es mit einem Film und nicht etwa einem Zusammenschnitt aus vier Serien-Episoden zu tun hat. Besondere Highlights in Sachen Schärfe bleiben allerdings aus, insgesamt wirkt alles recht weich und grundsätzlich typisch eher für eine TV-Produktion dieser Zeit.

Die Baustelle lag eher im deutschen Ton, für den zwar dank vieler hilfsbereiter Zulieferer Dutzende von Quellen aus VHS-Bändern und TV-Mitschnitten existierten, von denen aber alle in einem schlechten Zustand waren. Vor Filmstart wird deswegen eine Texttafel mit einem Hinweis auf die Umstände eingeblendet, in der man auch erfährt, dass die größte Herausforderung die Asynchronität von Ton und Bild gewesen sei. Tatsächlich fällt dieses Problem in der ein oder anderen Szene immer noch ins Auge, wenn die Stimmen ertönen und sich die Münder nicht oder nur verzögert öffnen wollen; unter dem Strich scheint das Phänomen aber nur in kurzen Passagen wirklich offensichtlich zu sein, weil es ansonsten entweder behoben oder zumindest gut kaschiert wurde. Ansonsten ist der Ton aber in einem mehr als passablen Zustand: Die Abmischung aus Dialog, Effekt und Musik klingt organisch und störende Hintergrundgeräusche sind kaum bis gar nicht zu vernehmen. Wenig überraschend ist die englische Spur natürlich noch einmal einen guten Schlag druckvoller.

Schaut in den Trailer von “Alpträume”

Der Audiokommentar

Welch unerwarteten Nachhall eine damals zwischen TV und Kino pendelnde Produktion wie diese immer nach auslösen kann, darüber dürfen sich Cristina Raines, Hauptdarstellerin der ersten Episode, sowie ausführender Produzent Andrew Mirisch gemeinsam wundern. Beide wurden von „Hill Place“-Filmblog-Mitarbeiter Shaun Chang zum Audiokommentar eingeladen, der zu einem nicht geringen Anteil mit gemeinschaftlichem, herzhaft lauten Lachen gefüllt ist. Inhaltlich wird mit der weit streuenden Schrotflinte ausgeteilt, soll heißen, Themen werden über die vier Kurzfilme hinweg viele angerissen, die meisten davon allerdings klar auf die Produktion bezogen, da der Moderator versucht, dem Produzenten immer mal wieder Hintergründe zu entlocken. 33 Jahre sind allerdings eine lange Zeit, und so fehlt selbigem oft die Erinnerung an Details wie den damaligen Kritikerspiegel oder das Budget. Raines ist logischerweise noch am aktivsten in der Auftaktepisode ins Gespräch eingebunden, oft findet aber auch einfach ein Dialog zwischen Chang und Mirisch statt, der nur gelegentlich durch Einschübe von Raines unterbrochen wird. Der Informationsgehalt ist eher mäßig, Spaß scheint es dem Trio aber gemacht zu haben, nach all der Zeit nochmal einen Blick auf das eigene Frühwerk zu werfen. Deutsche Untertitel gibt es wie immer als Service dazu, für den Hauptfilm sind zudem neben deutschen Untertiteln auch englische dabei.

“Alpträume” in Vollbild

Beim Bonusmaterial sticht zunächst einmal die Bonus-Fassung in 1,33:1 hervor. Diese basiert ebenfalls auf einer restaurierten Bildquelle, ist aber leider an den Rändern beschnitten. Es handelt sich also nicht um eine native Open-Matte-Version mit mehr Bildinhalten, sondern wie schon bei der Shout-Disc um einen Zuschnitt auf das bei alten Röhrenfernsehern übliche Format und somit quasi „nur“ um eine Simulation. Wer so eine alte Kiste aber noch auf dem Speicher stehen hat, kann damit stilecht das komplette Bild füllen.

Die Extras

Diese Bonus-Fassung ist ausschließlich auf der Blu-ray enthalten. Selbiges gilt auch für die 13-minütige „Music-Suite“ mit folgenden Titeln:

Black Flag – Louie, Louie
Fear – I Don’t Care About You
Fear – Let’s Have A War
Fear – I Love Livin’ In The City
Negative Trend – Mercenaries
Negative Trend – Punkrock Forever

Wenig überraschend allesamt 80er-Punkrock-Titel, die auch auf Emilio Estevez’ Walkman liefen. Man merkt nicht nur hier, dass die Verantwortlichen bei Wicked Vision ziemliche Punkrock-Fans sein müssen, denn beim Menü-Soundtrack hat man es dezent übertrieben mit der Lautstärke, so dass man besser erst mal die Anlage eine Nummer runterdrehen sollte, um die Nachbarn nicht aus dem Bett zu rocken.

Christopher Crowe

Produzent und Drehbuchautor Christopher Crowe erinnert sich an den Anfang seiner Karriere.

Alle anderen Extras befinden sich sowohl auf der Blu-ray als auch auf der beigelegten DVD, angeführt von einem 16-minütigen Interview mit Christopher Crowe. Der Produzent und Drehbuchautor des Films erzählt nicht mehr viel Neues, wenn man sich vorher schon die anderen Extras zu Gemüte geführt hat, nimmt sich aber Zeit, um auf jede einzelne Episode zurückzublicken und die jeweiligen Herausforderungen zu umreißen. Crowe wirkt dabei sehr reflektiert und zeigt sich dankbar darüber, dass all die Mühen im Detail, die in einen Film geflossen sind, der Jahre in der Versenkung verschwunden war, nun im Zeitalter der Heimkinomedien wieder bemerkt und neu entdeckt werden.

Ansonsten findet man auf der Scheibe noch den alten deutschen VHS-Trailer (mit herrlich zotteligem 4:3-Bild und einem blechernen Off-Sprecher, der auf VHS-Jünger wie ein Rattenfänger von Hameln einwirkt), dann ein restaurierter Re-Cut des VHS-Trailers mit 1,78:1-Bild und aufpoliertem Master, den nicht minder atmosphärischen Originaltrailer in englischer Sprache und zwei wirklich putzige Radio-Spots, die vor dem Standbild eines Ghettoblasters abgespielt werden. Und als Rausschmeißer gibt es dann noch die mit „I Don’t Care About You“ von Fear untermalte Bildergalerie, in der man Poster und Stills zu sehen bekommt. Wenn das mal nicht zu seligen Alpträumen führt…

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Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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