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Scream VI

Ähnlich wie schon seinen Bruder im Geiste Jason Vorhees verschlägt es nun auch Ghostface nach New York. In „Scream VI“ macht der maskierte Mörder Jagd auf die Überlebenden des Vorgängers, die in den Big Apple gezogen sind. Vor allem Samantha steht im Visier des Killers, unter dessen Maske sich mal wieder Menschen aus ihrem engsten Umfeld befinden könnten.

Originaltitel: Scream VI__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett__Darsteller: Melissa Barrera, Jenna Ortega, Courteney Cox, Jasmin Savoy Brown, Mason Gooding, Skeet Ulrich, Dermot Mulroney, Hayden Panettiere, Liana Liberato, Jack Champion, Josh Segarra, Devyn Nekoda, Tony Revolori, Samara Weaving, Henry Czerny u.a.
Scream VI

In “Scream VI” bekommen die Überlebenden des Vorgängers in New York mit Ghostface zu tun

Die ersten drei „Scream“-Filme bildeten in kurzem Abstand eine Trilogie, anschließend gingen jeweils elf Jahre ins Land ehe „Scream 4“ und das Requel „Scream 5“ erschienen. Doch nachdem letzterer rund das Sechsfache seiner Produktionskosten an der Kasse einspielte, witterte Paramount Kohle und ließ binnen Jahresfrist „Scream VI“ anrollen.

Dieses Mal geht es in den Big Apple, was jetzt keine so große Neuerung ist, spielte doch bereits „Scream 2“ am Windsor College und „Scream 3“ in Hollywood, zumal der ikonische Schauplatz nur selten in diesem sechsten Teil zur Geltung kommt. Zu ersten Überraschung kommt es, wenn sich Ghostface nach dem Auftaktmord vermeintlich demaskiert, doch das ist noch nicht das Ende der Szene, die mit einigen Verweisen arbeitet: Eine Figur trägt nicht nur ein Shirt mit dem Titel des Giallo „Vier Fliegen auf grauem Samt“ und schaut mit „Freitag, der 13te – Todesfalle Manhattan“ den wohl bekanntesten New-York-Trip des Slasherfilms, sondern eine Figur in dem Opening wird von Samara Weaving gespielt, welche die Hauptrolle in „Ready or Not“ vom „Scream VI“-Regieduo aus Tyler Gillett und Matt Bettinelli-Olpin innehatte. Trotz etwas dummen Figurenverhaltens an einer Stelle (welches der Film auch kommentiert) ein durchaus vielversprechendes Opening.

Die Neuigkeit der jüngsten Bluttat erreicht auch die Schwestern Samantha (Melissa Barrera) und Tara Carpenter (Jenna Ortega), die beide nach New York gezogen sind und gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin Quinn Bailey (Liana Liberato) in einer WG leben. Sam arbeitet und versucht das Trauma des vorigen Überlebenskampfes (siehe „Scream 5“) durch Therapiestunden zu bekämpfen, während Tara zur Uni geht, gemeinsam mit den Zwillingen Mindy (Jasmin Savoy Brown) und Chad Meeks-Martin (Mason Gooding), die ebenfalls zu den Überlebenden des Vorgängers gehören. Die Staffelstabübergabe an die neue Generation geht also weiter, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich Neve Campbell mit den Produzenten nicht über ein Honorar einig wurde – ihre Sidney Prescott taucht daher nur in einem Dialog auf.

Sam will sofort die Stadt verlassen, doch der Ghostface-Killer hat ihren Führerschein am Tatort hinterlassen, weshalb die Polizei ihr die Abreise verbietet und sie als Zeugin befragt. Das gehört zum Plan des Mörders, der anscheinend noch eine Rechnung mit Sam offen hat und sich mal wieder in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis verbergen könnte…

Schaut euch den Trailer zu „Scream VI“ an

Scream VI

Der neue harte Kern der Reihe: Die Geschwisterpaare Samantha (Melissa Barrera) und Tara Carpenter (Jenna Ortega) sowie Mindy (Jasmin Savoy Brown) und Chad Meeks-Martin (Mason Gooding)

Die ersten drei „Scream“-Filme hatten bekannte Topoi von Horrorfilmen über Fortsetzungen bis hin Schlusspunkten abgearbeitet, im Fall von Teil 4 und 5 war genug Zeit ins Land gegangen, um über die Entwicklung des Horrorgenres und Dinge wie Reboots und Requels zu philosophieren. Dass „Scream VI“ dieser Luxus fehlt, merkt man dem Film leider merklich an. Es gibt nur eine Lagebesprechung, in der Mindy irgendwelche willkürlichen Regeln zu Franchises aufstellt, die nun gelten sollten. Allerdings besitzt „Scream“ den Franchise-Status eh schon längst, zum anderen sind einige dieser Regeln ziemlicher Bullshit. Mindy hat zwar ein paar Beispiele parat, in denen Hauptfiguren bekannter Franchises ins Gras beißen mussten, jedoch fallen dem geneigten Publikum zig Gegenbeispiele ein. Wenn in „Scream VI“ dann auch noch jene Figuren, von denen man es auch erwartet, tatsächlich die Endcredits erleben, dann will der Film das auch noch als Twist und nicht als Mutlosigkeit verkaufen.

Dadurch, dass ein großes filmisches Oberthema fehlt, dreht sich „Scream VI“ dann auch weniger um das Horrorgenre an sich, sondern vor allem um die eigene Reihe. Zwar gehören Verbindungen in die Vergangenheit seit jeher zu den „Scream“-Filmen, doch nie in so penetrant aufdringlicher Form wie hier. Besonders übel merkt man das im letzten Drittel des Films, das zu Teilen einem Kino voller „Scream“- bzw. „Stab“-Memorabilia spielt. Man merkt, dass das Autorenduo aus James Vanderbilt („Independence Day: Wiederkehr“) und Guy Busick („Urge“), das auch schon den direkten Vorgänger verantwortete, kein Kevin Williamson und auch kein Ehren Kruger ist – gerade im späteren Verlauf des Films wirkt ihr Drehbuch regelrecht selbstbesoffen von der eigenen (vermeintlichen) Genialität und dem achso wichtigen Erbe, dass man verwaltet. Der Twist bezüglich des oder der Killer in diesem Film ist nur begrenzt revolutionär, die Motivation zu den Standards des Slasher-Genres im Allgemeinen und der „Scream“-Filme im Speziellen.

Scream VI

Kirby Reed (Hayden Panettiere) kehrt in personam zurück

Das ist schade, denn „Scream VI“ besitzt durchaus gelungene Passagen. Da wäre beispielsweise der Opener, der geschickt mit Erwartungen spielt. Da wäre der Überfall auf Gale Weathers (Courteney Cox), die erstmals in der Reihe persönlich mit Ghostface telefoniert. Gale hat zwar nur eine größere Nebenrolle und macht Platz für die nächste Generation, aber daraus kann der Film Spannung generieren: Erwischt es wieder einen der Legacy-Charaktere? Innerhalb dieser Szene schwingt das Pendel im Kampf Gale vs. Ghostface mal in die eine, mal in die andere Richtung, wodurch sie unberechenbar bleibt. Und da wäre eine Sequenz in der U-Bahn, in der die Charaktere eventuell von Ghostface belauert werden. Neben dem Spiel mit Spannungsaufbau und Andeutungen erfreut diese Passage durch eher subtile Referenzen. Es ist Halloween, also sind viele der Besucher horrormäßig kostümiert, sodass es viel zu erblicken gibt, manchmal nur als Detail am Rande. Neben Standards wie Michael Myers und Pinhead wuseln jede Menge Gestalten aus Wes-Craven-Filmen, aber auch Figuren wie der Babadook, Pennywise aus „Es“ (inklusive rotem Luftballon) oder die Doppelgänger in roten Overalls aus „Wir“ herum.

Wesentlich weniger gut schlägt sich „Scream VI“ bei der Einführung neuer Charaktere. Natürlich sind Neulinge in jedem Slasher-Sequel in erster Linie als potentielle Täter oder potentielle Opfer dabei, doch die besseren Vertreter ihrer Art können diesen Umstand gut verschleiern und dem neuen Personal Persönlichkeit verpassen. In „Scream VI“ wären da neben Quinn noch deren Polizistenvater (Dermot Mulroney), Mindys Freundin Anika Kayoko (Devyn Nekoda), Chads Zimmernachbar Ethan Landry (Jack Champion) und Sams attraktiver Nachbar Danny Brackett (Josh Segara) zu nennen. Dummerweise entwickelte keine einzige dieser Figuren ein Profil über Standards wie Love Interest, schüchterne Jungfrau oder freizügige, lebenslustige Freundin hinaus. Dementsprechend ist es dann auch egal, wenn irgendwer draufgeht, da sich „Scream VI“ auch gar nicht groß mit einer Einführung der Figuren aufhält, was gerade angesichts der Länge verwundert: Mit etwas über zwei Stunden auf der Uhr ist „Scream VI“ der bisher längste Film der Reihe, verbringt aber viel weniger Zeit mit der Etablierung seiner neuen Figuren.

Scream VI

Einziger Legacy-Charakter im sechsten Teil: Gale Weathers (Courteney Cox)

Auch die Dynamik zwischen den Schwestern Sam und Tara spielt in erster Linie am Anfang eine Rolle, wenn es um unterschiedliche Arten der Vergangenheitsbewältigung geht, und dann nochmal im Finale, wenn Sam lernt in gewisser Weise loszulassen. Gleichzeitig versucht der Film immer wieder mit der Option zu spielen, dass doch etwas von den mörderischen Genen von Papa Billy Loomis, der erneut in digital verjüngter Skeet Ulrich („Soul Assassin“) spielt, in Sam steckt. Das ist aber eher halbgar, da der Film jede dieser Andeutungen spätestens zwei Szenen wieder negiert. Auch die Tatsache, dass eine Online-Kultur von Sams Mordlust und Schuld überzeugt ist, spielt nur am Rande eine Rolle, wäre aber ein großer Ansatzpunkt zu Verschwörungs- und Fantheorien gewesen. Auf letzteres in Bezug auf die „Scream“-Reihe wird immerhin an einigen Stellen angespielt: Fan-Favoritin Kirby Reed (Hayden Panettiere), bereits im Vorgänger für nicht tot erklärt, taucht wieder auf, Ghostface sagt am Telefon, dass Gales Karriere durch die Bluttaten beflügelt wurde und sie daher auch eine gute Tatverdächtige sei, über ein mögliches Überleben von Stu im Erstling wird philosophiert.

Doch das sind nur kleine Boni in einem Film, der leider oft wie ein Standardslasher daherkommt. Daher gibt es mehr Set Pieces und mehr Tote, wenn Ghostface bei seinen Auftritten teilweise drei Leute auf einmal über den Jordan schickt. Bei einer Attacke in einem Laden greift der Mörder erstmals in der Reihe vor seiner Demaskierung zu einer Schusswaffe, wenn er die Pumpgun des Besitzers an sich bringt. Der Härtegrad gehört zu den oberen der Reihe, wenn man zersäbelte Leichen findet oder 20 Mal auf manche Opfer eingestochen wird, dafür ist in Sachen Creative Killing wenig los: Das Kanonenfutter wird in der Regel schnöde abgestochen. Erschwerend kommt dazu, dass die Figuren eher egal sind und meist gemäß den erwarteten Überlebenspotential draufgehen, sodass „Scream VI“ nur hin und wieder durch die Inszenierung Oberflächenspannung aufbauen kann. Dummerweise werden viele Opfercharaktere so schnell dahingemetzelt, dass dies nicht in jeder Mordszene gelingt. Und aus dem New-York-Setting wird weder bei den Ghostface-Attacken noch bei anderen Szenen viel gemacht: Die erwähnte U-Bahn-Szene bezieht als einzige die Metropole und die großen Menschenmassen auf deren Straßen mit ein, sonst könnte der Film fast überall spielen.

Scream VI

Auch im Big Apple lässt Ghostface gern das Messer sprechen

Melissa Barrera („In the Heights“) spielt überzeugender als im Vorgänger, reift aber erst so langsam in die Rolle der Leading herein – vielleicht auch ein Grund, warum man Shooting-Star Jenna Ortega („American Carnage“) mehr Raum im Sequel gab, den diese dankend nutzt. Jasmin Savoy Brown („Yellowjackets“) und Mason Gooding („Fall“) sind okay, die Neuzugänge Liana Liberato („The Beach House“), Devyn Nekoda („Sneakarella“), Jack Champion („Avatar: The Way of Water“) und Josh Segara („Overboard“) blass wie uninteressant. Schon mehr Eindruck hinterlässt Dermot Mulroney („The Courier“), verfällt aber gelegentlich ins Overacting und Posing, ähnlich wie Hayden Panettiere („Heroes“), deren Toughness gelegentlich übertrieben gespielt ausfällt. Courteney Cox („Hetzjagd in St. Lucas“) ist souverän, aber wenig im Film, während an der Gastrollenfront neben Samara Weaving („Babylon“) auch noch Tony Revolori („Spider-Man: No Way Home“) vorbeischaut.

Mit der schnell beorderten Fortsetzung hat sich Paramount nur bedingt einen Gefallen getan: Die Meta-Ebene des Films bleibt lediglich unterentwickelt, die neuen Figuren noch schwerwiegender. Im Finale schwanken Anspruch auf Wichtigkeit und banale Filmrealität auseinander, sodass in erster Linie ein Standardslasher mit etwas Ironie übrig bleibt, der sein Genre im Gegensatz zu den Vorgängern kaum seziert und parodiert. Dank eines hohen Bodycounts und starker Einzelszenen, vor allem jener in der U-Bahn, kommt zwar auch „Scream VI“ noch auf einen gewissen Unterhaltungswert, bleibt aber klar der schwächste Film der Reihe.

Paramount brachte „Scream VI“ am 9. März 2023 in die deutschen Kinos, wo er ungekürzt ab 18 Jahren freigegeben wurde. Neben der 2D-Fassung läuft er dort teilweise auch in 3D. Mit einer DVD- und Blu-Ray-Veröffentlichung ist später in diesem Jahr zu rechnen.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Paramount__FSK Freigabe: ab 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, seit 9.3.2023 in den deutschen Kinos

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