Originaltitel: The Deep House__Herstellungsland: Belgien, Frankreich__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Alexandre Bustillo, Julien Maury__Darsteller: Camille Rowe, James Jagger, Eric Savin, Carolina Massey u.a. |
Alexandre Bustillo und Julien Maury hatten 2007 mit ihrem furchterregenden Regiedebüt „Inside“ eine echte Duftmarke im Horrorgenre hinterlassen. Danach kühlten beide ein wenig ab, legten mit „Livid“ und „Among the Living“ aber zumindest atmosphärisch starke Titel nach. Dann wurde viel spekuliert, ob sie die „Hellraiser“-Reihe mit neuem Blut versorgen würden. Allerdings kam dann erst einmal eine andere Horrorikone aufs Tableau. Mit ihrem „Leatherface“ nahmen sie sich des „Texas Chainsaw Massacres“ an.
Doch dieser Beitrag verpuffte wie der Genrestreifen „Kandisha“ ein wenig ungehört. Der darauf folgende „The Deep House“ geriet in Deutschland komplett unter die Räder. Zunächst von Universal auch für DVD und Blu-ray angekündigt, passierte plötzlich gar nichts mehr und der Film erschien klammheimlich auf diversen VoD-Plattformen. Erst jetzt tut sich etwas in Richtung einer physischen Veröffentlichung – und die könnte sich für Horrorfans durchaus lohnen.
Alles dreht sich um das Pärchen Tina und Ben. Beide haben eine Vorliebe für Lost Places, vor allem, wenn diese düstere Geschichten umgeben. Mit Go-Pro-Kameras und Drohnen werden die Ruinen inspiziert, immer auch in der Hoffnung, dass vielleicht etwas Unvorhergesehenes passieren könnte. Denn beide veröffentlichen ihr Filmmaterial in den sozialen Medien und hoffen auf den großen Durchbruch.
Das aktuelle Vorhaben bereitet vor allem Tina Kopfzerbrechen. Ben möchte nämlich am Boden eines gewaltigen, künstlich gefluteten Sees ein angeblich komplett unzerstörtes Haus in den Fokus nehmen. Das Vorhaben selbst fasziniert Tina, nur der Schauplatz, der Grund des Sees, ängstigt die in Tauchfragen wenig erfahrene junge Frau.
Vor Ort angekommen, stehen Tina und Ben vor einem total normal wirkenden Badesee und von einem Haus am Grund hat auch noch niemand gehört. Da trifft Ben auf den reichlich seltsam rüberkommenden Pierre. Und plötzlich scheint die ganze Aktion gerettet, denn Pierre kennt einen Ausleger des Sees, den sonst kaum einer kennt. Und genau dieser Teil des Sees soll auch das sagenumwobene Haus beherbergen. Die beiden Content Creator lassen sich den Weg zeigen und machen sich direkt ans Werk. Schnell entdecken sie das Haus, dringen in selbiges ein – und müssen schnell bemerken, dass sie hier nicht allein sind.
Haunted House Horror mit satter Atmosphäre
Alleine schon für das kongeniale Setting hätten Alexandre Bustillo und Julien Maury einen Horror-Oscar verdient. Das Haus am Grund des Sees ist ein einziger Atmosphäre-Hammer und wird vom Kamerateam des Streifens grandios in Szene gesetzt. Und auch wenn einem das Gesabbel von Tina und Ben schnell auf den Zünder gehen kann, wird man hier von den Schauwerten einfach nur eingelullt.
Mit jedem Zimmer, das die beiden erkunden, legt „The Deep House“ gefühlt an Atmosphäre zu. Präsentiert Bildinhalte, die physikalisch total unmöglich sind, und lässt die Hauptcharaktere selbige überhaupt nicht hinterfragen. Als hätten die direkt akzeptiert, dass sie sich in einer anderen Welt befinden. Auf das Faszinosum des komplett gefluteten Hauses in 30 Meter Wassertiefe stellen die beiden Regisseure sehr lange ab. Sie lassen zudem sehr lange kaum etwas passieren, das in Richtung Horror tendieren würde.
Nur Tina wird merklich immer nervöser und leitet so allmählich den Horrorpart ein. Der kommt dann in den letzten 30 Minuten ganz massiv auf und hat ein paar wirklich großartige Momente zu bieten. Momente, in denen Schnitt, Kameraarbeit und Musik ein Gefühl der totalen Panik generieren. Dabei jedwede Orientierung nehmen und damit ganz schön an den Nerven zerren. Leider bleibt es aber bei diesen punktuellen Momenten.
Natürlich besteht immer eine gewisse klaustrophobische Grundspannung, immerhin haben wir hier ein Haunted House am Grunde eines Sees, in dem unsere Helden mit begrenztem Luftvorrat eingesperrt werden. Das ist latent spürbar, keine Frage. Aber leider sind die beiden Hauptfiguren einfach nur stinklangweilig. Man connected leider nie mit Tina und Ben. Sie wirkt immer mal unangenehm zickig, er labert nur von Abonnenten. Beide haben keinerlei Chemie miteinander. Warum sollte man sich wünschen, dass sie den Trip überleben?
Hinzu kommt, dass beide natürlich Atemmasken aufhaben. Diese bedecken über die Hälfte des Gesichtes und lassen keinerlei Mimik erkennen. Last but not least sehen wir natürlich viel aus ihren Blickwinkeln, weil sie ja die meisten Kameras selbst bedienen (Ausnahmen bilden eine mitgeführte Drohnenkamera und einige wenige Spielszenen, in denen der POV-Ansatz aufgebrochen wird). Man sieht sie aufgrund dieses Inszenierungsstils also auch nie wirklich interagieren. Nur aufeinander einquatschen hört man sie und das nervt vor allem vonseiten der Hauptdarstellerin Camille Rowe irgendwann enorm. Das killt insgesamt eine Menge der Spannung. Leider.
„The Deep House“: Tolles Setting, starke Einzelmomente
Wenn im Finale des Streifens die Bedrohung wunderbar entrückt durchs Wasser schwebt und trotz niedrigen Tempos unsere Helden nicht entschwinden lässt, ist „The Deep House“ genau das, was er sein sollte: Ein enthemmtes Terrorstück in einem famosen Haunted House Setting, das man so noch nie zu sehen bekommen hat. Bis dahin bieten die Regisseure viel Atmosphäre, großartige Bilder und zumindest eine latent spürbare Grundspannung, die beim ersten Mal Schauen problemlos im Film hält.
Leider vernachlässigt der Horrorfilm seine Figuren eklatant, lässt sie häufiger sogar richtig nerven und hält den Zuschauer so nicht richtig im Film. Der hat dann durchaus auch mal Momente, wo er sich dann doch mehr greifbaren Horror in den ersten 60 Minuten wünschen würde, in denen de facto nichts passiert und Bustillo und Maury ausschließlich auf das Drumherum abstellen. Das ist beim ersten Sehen grandios, wie ein zweiter oder dritter Anlauf ausfallen würden, wage ich hier aber gar nicht erst zu vermuten. Da dürfte ziemlich brutal offensichtlich werden, dass der zumindest technisch saustarke Horrorfilm lange Zeit nicht so richtig zündet.
In Deutschland konnte man den Film lange nur streamen, doch inzwischen hat Turbine Medien Mediabooks zum Film angekündigt. Diese sollen am 23. Juni 2023 erscheinen. Wer kein Faible für Mediabooks hat, wird unter anderem in Großbritannien fündig, wo der Film von dem Label Dazzler auf DVD und Blu-ray erschien. Freilich ohne deutschen Ton.
In diesem Sinne:
freeman
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Turbine__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |