Baltasar Kormákurs „Beast“ ist eine Mischung aus Tierhorror und Survivalthriller. Bei einem Afrikatrip werden Idris Elba und seine Familie in der Savanne von einem Löwen attackiert, der nach der Tötung seines Rudels durch Wilderer zur menschentötenden Bestie wurde.
Originaltitel: Beast__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Baltasar Kormákur__Darsteller: Idris Elba, Sharlto Copley, Iyana Halley, Leah Jeffries, Mel Jarnson, Kate Grisley, Billy Gallagher, Damon Burtley u.a. |
Egal ob „The Deep“, „Everest“ oder „Die Farbe des Horizonts“ – Regisseur Baltasar Kormákur ist inzwischen eine Art Spezialist für Survivalstorys. Spielten die Quasi-Vorgänger jedoch in Eis und Wasser, schickt er seine Figuren in „Beast“ in die Hitze der Savanne.
„Beast“ besitzt zudem Elemente des Tierhorrors, wobei genregerecht menschliches Fehlverhalten und menschliche Gier die Wurzel des Übels ist. In diesem Falle ist es die Wilderei, denn skrupellose Jäger locken die Löwen gleich rudelweise in die Falle, um sie mit Automatikwaffen wegzuballern. Damit verweist „Beast“ nicht nur auf tatsächliche Missstände, sondern sorgt auch für einen actionreichen Opener. Ein männliches Tier erwischen die Wilderer nämlich nicht, mit schweren Konsequenzen. Denn der rachsüchtige Löwe killt einen Teil der Truppe und hat damit erst so richtig Blut geleckt, womit die Bedrohung schnell etabliert wäre.
Fehlen also noch die menschlichen Hauptfiguren und die kommen in Form des Arztes Nate Samuels (Idris Elba) und seiner Töchter Norah (Leah Jeffries) und Meredith (Iyana Halley) an. Der Afrikatrip soll die Mädchen in die Heimat ihrer kürzlich an Krebs verstorbenen Mutter führen, doch birgt Konfliktpotential. Nate, eigentlich schon von seiner Frau geschieden, war während der Krankheit nicht für die Sterbende da und hat nicht den besten Draht zu seinen Töchtern. Die Fotographie-interessierte Meredith lässt ihn das deutlich spüren, Norah ist um Harmonie bemüht, bemängelt aber das fehlende WLAN-Netz in der Savanne, was natürlich schon mal die horrortypische Abgeschiedenheit etabliert.
Gemeinsam mit Martin Battles (Sharlto Copley), einem alten Freund und Wildhüter, bricht die Samuels-Familie zu einer Fotosafari in die Savanne auf. Dummerweise laufen sie dabei dem Löwen aus der Eingangsszene über den Weg, der inzwischen Jagd auf Menschen macht…
Schaut euch den Trailer zu „Beast“ an
„Beast“ nimmt eine eigenwillige Zwischenposition ein. Einerseits will er sich als geerdeter Tierhorrorfilm geben, der den Löwen nicht dämonisiert, sondern als Ausnahmeerscheinung präsentiert, die durch das Gemetzel der Wilderer geschaffen wurde. Andrerseits scheint das Tier durch den Verlust seines Rudels gleich ein Aggressions-, Durchhalte- und Intelligenz-Update bekommen zu haben: Der Löwe stellt Fallen wie die Wilderer, indem er verletzte Menschen als Köder benutzt, rottet ganze Dörfer aus, verfolgt Opfer aus Rachsucht über Kilometer und steckt Betäubungsmittelmengen weg, die andere Löwen ausknocken würden. Mit Ausnahme von ein paar Prosthetics kommt das titelgebende Biest komplett aus dem Rechenknecht, teilweise auf Motion-Capture-Basis und sieht meist recht gut aus, auch wenn an einigen Stellen Schwächen bei den Tricks zu vermelden sind. Gerade mancher Bewegungsablauf legt nahe, dass das Tier am PC entstanden ist.
Gleichzeitig sieht man das Tier nur gelegentlich in voller Pracht, was auch am Kamerakonzept von „Beast“ liegt: Es gibt mehrere längere Plansequenzen, in denen die Kamera eher den menschlichen Figuren als dem Löwen folgt, der dann aus unerwarteten Ecken zuschlägt und oft nur schemenhaft zu sehen ist. Das ist kameratechnisch von Philippe Rousselot („Interview mit einem Vampir“) hervorragend umgesetzt, hinterlässt aber auch einen etwas unbefriedigenden Eindruck, da viele Attacken außerhalb des Bildes stattfinden und man nur das Ergebnis zu sehen bekommt. Prächtig dagegen ist der Showdown geraten, der nicht nur mit einem schweißtreibenden Fight Mensch vs. Löwe, sondern auch einem zwar im Vorfeld stark angedeuteten, aber trotzdem coolen Twist aufwarten kann.
Allzu spannend ist das Ganze freilich nicht geraten, da die Rollenverteilung beim Drehbuch von Ryan Engle („Rampage – Big Meets Bigger“) in Sachen Überlebenschance so klar verteilt sind. Wilderer und Dorfbewohner sind wandelndes Löwenfutter, bei Nate und seinen Kindern kann man sich sicher sein, dass ihnen nichts passiert, sodass Martin eigentlich die einzige Figur ist, deren Schicksal nicht drehbuch- und genretechnisch vorherbestimmt ist. Zudem werden die Wilderer kaum als zusätzliche Gefahrenquellen genutzt, ihr Anführer ist kein Oberschurke, der nochmal zusätzlich Pfeffer ins Geschehen bringt, sondern nur ein Löwenhappen unter vielen.
Immerhin schafft Kormákur ein paar durchaus schweißtreibende Einzelszenen, etwa wenn der Löwe ein gestrandetes Auto belagert, was wiederum Erinnerungen an „Cujo“ weckt. Das Tempo ist hoch, die Laufzeit kurz, sodass „Beast“ durchaus Kurzweil beim Überlebenskampf bietet, auch wenn das Figurenverhalten manchmal schon recht blöd sind. Sicher, unter Stress trifft man nicht immer die logisch beste Entscheidung, aber manches ist schon sehr dämlich von den Samuels-Töchtern: Die rennen selbst bei drohender Gefahr aus dem Auto in die offene Landschaft, wo der Löwe lauert, oder funken den Daddy via Walkie-Talkie an, wenn dieser gerade auf Schleichmission in unmittelbarer Nähe der reißenden Bestie ist. Das ist bisweilen etwas ärgerlich, denn optisch macht dieser Survival-Tierhorror mit seinen Aufnahmen der Savanne durchaus etwas her.
Idris Elba („Tyler Rake: Extraction 2“) ist auch hier eine Bank, verausgabt sich darstellerisch nicht, aber reißt die Hauptrolle routiniert runter. Natürlich ist der ganze Figurenbackground der Samuels-Family bloß besseres Hintergrundrauschen, denn „Beast“ ist mal wieder einer jener (Horror-)Filme, in denen ein gemeinsamer Überlebenskampf als bestmöglichen Familientherapie taugt. Daddy lernt mit den Schuldgefühlen zu leben, aber auch mehr am Leben seiner Töchter teilzunehmen, diese wiederum vergeben ihm, Aus die Maus. Leah Jeffries („Percy Jackson and the Olympians“) und Iyana Halley („The Hate U Give“) verkörpern besagte Töchter ganz brauchbar, die einzige größere sonstige Rolle hat Sharlto Copley („Free Fire“), der noch ein paar Akzente setzen kann.
„Beast“ ist ein überraschend prominent besetzter Mix aus Tierhorror und Survivalthriller, sauber inszeniert, mit lobenswerter, nie zu aufgesetzter Tierschutz-Message und mit meist gut animierter Bestie. Dank knackiger Laufzeit und guter Kameraarbeit ist der Film auch halbwegs kurzweilig geworden, was aber nur teilweise über die vorhersehbaren Figurenschicksale, den 08/15-Plot und die Alibi-Charakterzeichnung hinwegtröstet. Immer wieder kann „Beast“ durch seine Inszenierung Oberflächenspannung erzeugen, aber nie ganz verhehlen, wie egal doch eigentlich diese Pappkameraden sind, da die im Löwengebiet festsitzen.
Universal hat „Beast“ in Deutschland auf Blu-Ray und DVD veröffentlicht, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. In Sachen Bonusmaterial gibt es eine entfallene Szene und mehrere Featurettes.
© Nils Bothmann (McClane)
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