Originaltitel: Riot__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1969__Regie: Buzz Kulik__Darsteller: Jim Brown, Gene Hackman, Mike Kellin, Gerald S. O’Loughlin, Ben Carruthers, Clifford David, Bill Walker, Michael Byron, Jerry Thompson, Ricky Summers, Mr. Gerri, John Neiderhauser, Warden Frank A. Eyman u.a. |
Sind die Eltern aus dem Haus, erproben die Kinder den Aufstand. Für Direktoren und Häftlinge in Gefängnissen scheint diese Faustregel ebenfalls zu gelten. Es dauert keine fünf Minuten, da ist die Randale bereits in vollem Gange, obwohl man sie eigentlich eher zum Ende hin erwartet hätte, als Startschuss für den finalen Akt vielleicht. Aber wenn der Direx eben aus dem Haus ist, ist er aus dem Haus.
Nun ist es ja nicht überraschend, dass Kriminelle gegen Gesetze verstoßen. Diesmal verstoßen sie vor allem gegen die wasserdichte Rezeptur, die schon Prison-Escape-Klassikern wie „Das Loch“ (1960) oder „Gesprengte Ketten“ (1963) zu ihrem Status verhalf, die aber auch lange danach nicht aus der Mode kam, wenn man sich etwa „Flucht von Alcatraz“ (1979) oder „Die Verurteilten“ (1994) mal so anschaut. All diese Schwergewichte des Genres haben zumindest eines miteinander gemeinsam: Ihre Schlüsselfiguren besitzen nichts, außer den Wunsch nach Freiheit und Unmengen von Zeit. Diese Ressourcen nutzen sie im Verborgenen, um raffinierte Ausbruchspläne zu schmieden, während sie vor den Wärtern und Direktoren den Anschein des Alltags bewahren… bis zum großen Moment der Überrumpelung. Eine bestechend einfache und somit zeitlose Formel, die untrennbar mit den grundlegenden Mechanismen des Spannungskinos verknüpft ist und deswegen über Jahrzehnte hinweg immer zuverlässig funktionierte.
Die Story von „Riot – Ausbruch der Verdammten“ wählt da eine andere Strategie. Basierend auf den Erfahrungen von Frank Elli, der den zugrundeliegenden Aufstand als Häftling persönlich miterlebte und ihn in einem Roman dokumentierte, ist die Drehbuchadaption von James Poe am „Anschein des Alltags“einen feuchten Kehricht interessiert. Von der ersten Minute an deutet alles auf volle Konfrontation mit offenem Visier. Dabei ist das Ergebnis im Endeffekt das gleiche wie bei den namhaftesten Vertretern des Gefängnisfilms. Hier wie dort geht es letztlich um Täuschung. Wie der Unauffällige ist auch der Krawallmacher nur eine Ablenkungstaktik für die üblichen Tunnelgrabungen, die heimlich in den Eingeweiden der Einrichtung vonstatten gehen. Nur müssen die Häftlinge diesmal eben den Laden an der Front aktiv schmeißen… und da geht die Rechnung, zumindest in der Verfilmung, aus dramaturgischer Sicht nicht immer ganz auf.
B-Horror-Entertainer William Castle auf Abwegen
Der Vorspann weist nicht nur Gimmick-Horrorkönig William Castle als Produzenten aus, sondern brüstet sich zugleich mit seinem eigenen mitgebrachten Gimmick, das im Setting und der Randbesetzung zu finden ist. „Riot – Ausbruch der Verdammten“ wurde vor Ort im Arizona State Prison mit einem echten Gefängnisdirektor in der Rolle des Gefängnisdirektors und echten Häftlingen in der Rolle der Häftlinge gedreht. Was hier als authentisch angepriesen wird, fühlt sich zugleich immer ein Stück weit nach Kulisse an, auch wenn es sich ideal als Bühne eignet für Jim Brown und Gene Hackman, zwei Schauspieler, die maßgeblich das politisch motivierte Kino des Folgejahrzehnts mitprägen sollten, namentlich die Black-Power- und die New-Hollywood-Bewegung.
An ihnen liegt es also, den wilden Hühnerhaufen aus Insassen zu koordinieren, und so stellt sich Hackman mit dem Megafon auf den Hof und diktiert die Forderungen seiner Mitstreiter wie ein motivierter Gewerkschaftsvorsteher in den Himmel, von wo aus die Uniformierten mit Waffen über die Mauer lugen wie übertölpelte Gesetzeshüter aus einem Lucky-Luke-Comic. Diese Kommunikation auf Distanz ist nahezu der einzige Kontakt zwischen den Verhandlungsparteien, der im Film dargestellt wird. Ergänzend schleicht höchstens mal die ein oder andere Geisel unterwürfig durchs Bild, ihrer Uniform und ihres Stolzes beraubt, während die ehemaligen Gefangenen kurzzeitig die Rolle der Wärter übernehmen. Nie hingegen wird die Perspektive der Staatsdiener eingenommen. Solche aus psycho- und soziologischer Sicht oftmals sehr ergiebigen Konflikte zweier Seiten innerhalb des Zweiklassen-Mikrokosmos bleiben in diesem Film also unterentwickelt. Es geht fast ausschließlich um die Dynamik innerhalb der Gruppe der Gefangenen, die ausführende Hand des Gesetzes agiert dagegen zumeist offscreen.
Wo die Studie der Machtspiele zwischen Wärter und Gefangenen also zwangsläufig ins Wasser fällt, ist „Riot – Ausbruch der Verdammten“ zumindest darum bemüht, als Ersatzprogramm eine Hierarchie unter den Insassen auszuarbeiten. Neben dem charismatischen Hackman, der als emotional intelligenter Anführer vor allem in den Momenten voller Selbstzweifel überzeugt, liefert Jim Brown quasi eine Art Proto-Vorstellung für Nicolas Cages Rolle in „Con Air“, denn auch Browns Figur Cully wird kurz vor seiner vorzeitigen Entlassung wegen guter Führung nur widerwillig in den Aufruhr gezogen und tritt fortan als Vermittler zwischen den Parteien auf. In zweiter Reihe überzeugt noch Ben Carruthers als tickende Zeitbombe, ansonsten bleibt der Cast allerdings relativ gesichtslos.
Sie lieben es, wenn ein Plan funktioniert. Doch was fehlt, ist der Plan.
Anstatt das Figurenrepertoire noch weiter auszuarbeiten und die Spannungen zwischen den Individuen hervorzuheben, werden wertvolle Minuten in Nebenschauplätze investiert, in denen die Gruppe, die von Anfang an orientierungslos wirkte, vollständig im Chaos versinkt. Unerfüllte Träume und Bedürfnisse ergießen sich vorzeitig und unkontrolliert in die fensterlosen Kammern der Anstalt anstatt in die Freiheit: Es wird Rosinenschnaps gebrannt, es wird getrunken, getanzt und Trieben gefrönt. Ein unbefriedigender Anblick für jeden, der filigran geschmiedete Pläne und ihre elegante Ausführung liebt, um stattdessen auf undisziplinierte Amateure zu stoßen, ein Fest aber womöglich für jene, die Chaos als Ausdruck einer von Unwägbarkeiten gespickten Realität zu schätzen wissen, die selten etwas mit den perfekt inszenierten Ausbrüchen zu tun hat, die man von Steve McQueen und seinesgleichen gewohnt ist.
Tatsächlich hat es etwas faszinierend Ungeschöntes, wenn man den wackligen Schritten des strukturlosen Drehbuchs folgt und sich immer wieder Verzweiflung und Resignation auf den Gesichtern der beiden Hauptfiguren breitmacht, die das große Ganze als einzige überblicken. Man könnte also sogar sagen, dass „Riot – Ausbruch der Verdammten“ eine Facette von Realismus bietet, die anderen, auch gerade größeren Gefängnisfilmen fehlt, mögen diese auch packender inszeniert und geschrieben sein. Vielleicht kommt hier auch die Handschrift von Frank Elli durch. Obwohl dieser auch Fiktives in sein Buch mischte, sind es die situativen Beobachtungen, die sich mit objektivem Auge auch in der Verfilmung niederschlagen; so etwa die deutlich sichtbare Klassenteilung der Häftlinge in jene, die sich aktiv an der Revolte beteiligen, und jene, die passiv in den Zellen zurückbleiben und vor der Kamera zur Hintergrunddekoration erstarren. Oder die Andeutungen von Homosexualität und deren Liberalisierung, die schlussendlich auch die gesellschaftlichen Entwicklungen während der 60er Jahre spiegeln.
Spätestens mit dem eigentlichen Ausbruch fallen die dokumentarischen Qualitäten allerdings in sich zusammen, denn wer ausbrechen möchte, muss sich vorher über einen längeren Zeitraum in Akribie, Geduld, Athletik und strategischem Denkvermögen bewiesen haben. Weil im Trubel des Gefechts kaum etwas von den Vorbereitungen gezeigt wird, kommt der finale Akt wie aus dem Nichts. Für eine letzte dramatische Wende ist zwar noch Platz, die emotionale Beteiligung des Betrachters beschränkt sich aber auf ein Minimum, weil vorher einfach zu wenig in die Figuren investiert wurde.
Riot – Ausbruch der Verdammten: Eine Alternative zu den Klassikern
Als ein Ausbruchsfilm, der mal etwas andere Schwerpunkte setzt als die großen Klassiker, bewahrt sich „Riot – Ausbruch der Verdammten“ seinen Wert, selbst wenn der Tunnel mit dieser Strategie nicht so weit führt wie bei der namhaften Konkurrenz. Die Geschichte aus der Feder eines ehemaligen Insassen und die realen Drehorte mit echten Gefangenen als Statisten sorgen immerhin für einen Hauch Authentizität, auch wenn es gerade in diesem Genre nicht immer unbedingt der Realismus ist, der die Zuschauer an die Leinwand bannt, sondern vielleicht eher das Erstaunen darüber, zu welch außergewöhnlichen Mitteln der Mensch in der Lage ist, wenn sein Freiheitsdrang nur stark genug entwickelt ist.
Gute
Informationen zur Veröffentlichung von “Riot – Ausbruch der Verdammten”
Black Cinema Collection #12
Jim Brown macht gerade mit Volldampf das Rennen in der „Black Cinema Collection“ von Wicked Vision. Während Kaliber wie Sidney Poitier oder Pam Grier momentan auf zwei Titel kommen, ist „Riot – Ausbruch der Verdammten“ nach „Slaughter“, „Ghettobusters“ und „Visum für die Hölle“ bereits der vierte Film in der Kollektion mit dem Ex-Footballer. Im Mai diesen Jahres starb Brown 87-jährig, nur wenige Wochen nach Erscheinen der vorliegenden Blu-ray-DVD-Ausgabe zu einem Film, der die Weichen legte für seine weitere erfolgreiche Karriere.
Deutschlandweit ist es die erste Edition auf einem digitalen Medium überhaupt, im Ausland sind zumindest vereinzelt bereits DVDs und Blu-rays erschienen; in den USA etwa 2013 von Olive Films (inzwischen oop) oder kürzlich in Frankreich von BQHL unter dem Titel „La Mutinerie“. Insofern können wir auch hier wieder von einer Rarität sprechen, die auf Anhieb in einer höchst ansprechenden Edition ihre deutschsprachige Heimkinopremiere feiert und die frisch eröffnete zweite Staffel der Sammlerreihe nach „Cotton Comes to Harlem“ fortführt.
Das Artwork
Während Design und Layout aus dem Hause Kreative Medien selbstverständlich wieder eine Einheit mit den bisherigen Editionen bildet, wird als Cover-Artwork das kraftvolle deutsche Kinoplakat aus dem Erscheinungsjahr verwendet. Kraftvolle Orangetöne verteilen sich symmetrisch über die Fläche und sorgen auch für die Schattierungen in der ansonsten nach Schwarzweiß-Skizze anmutenden Illustration, die den bärigen Hauptdarsteller mit erschöpftem Gesichtsausdruck in den Mittelpunkt stellt und so das Urwüchsige des Genres betont. Man möchte am liebsten wissen, wohin er da schaut. Es ist ein fast schon monumental wirkendes Motiv, das in gewisser Weise wie eine Reminiszenz an die großen Studiofilme der 50er gelesen werden kann. Thematisch macht es dadurch natürlich ein wenig den Eindruck, als würde Jim Brown in einer großen Arena den Löwen zum Fraß vorgeworfen werden. Den Gefängniswärtern wird da ein Maß an Kontrolle unterstellt, das sie im eigentlichen Film nicht haben, so dass die wahren Verhältnisse nicht adäquat abgebildet werden, aber sei’s drum. Das Verlangen, den zugehörigen Film zu sehen, weckt das Poster allemal, besser auch als das US-Motiv, das eine Collage der Hauptfiguren in einer grubenförmigen Anordnung unterbringt. Beim Filmtitel wurde ebenfalls die deutsche Variante mit Zusatz gewählt, wobei das originale „Riot“ in großen roten Militärbuchstaben mittig eingestampft ist und das Gefüge „Riot – Ausbruch der Verdammten“ in dünnen weißen Großbuchstaben darunter positioniert ist.
Das Booklet
Auf der Innenseite des Sleeves ist wie üblich eine Szene in Schwarzweiß abgedruckt, harmonierend mit dem Schwarzweißdruck des Booklet-Covers. Das finden wir links eingeklammert, während rechts die beiden inhaltlich identischen Datenträger aufgesteckt sind. Mit 40 Seiten Gesamtumfang wird mal wieder der Durchschnitt der Seitenzahlen nach oben verschoben. Dafür ist diesmal gar nicht mal der Autor verantwortlich, dessen Text mit ein wenig Streckung „nur“ bis Seite 27 reicht; auf den Seiten 28 bis 36 folgt noch eine Galerie mit deutschen Kinoaushängen (jeweils zwei auf einer Seite), sowie anschließend noch über je eine volle Seite das deutsche Kinoplakat und ein alternatives deutsches Kinoplakat mit einer stark abstrahierten Montage, die fast schon wie ein Sidney-Poitier-Drama wirkt. Das US-Plakat wiederum ist auf Seite 26 zu finden, kurz vor dem Fazit des Textes.
Dieser wurde ein weiteres Mal von Christoph N. Kellerbach verfasst. Gerade die Parallelen zwischen dem Film und den gesellschaftlichen Entwicklungen der 60er Jahre gehen ihm sehr gut von der Hand. Es ist nicht nur interessant zu lesen, wie die Geschehnisse im Film die große Welt außerhalb der Mauern widerspiegeln, sondern der Text wirft auch ein ganz neues Licht auf ein Werk, das zwischen all den Meisterwerken des Genres von der Filmgeschichte irgendwann vergessen wurde. Nicht minder erkenntnisreich sind die sehr detaillierten biografischen Ausführungen zu Frank Elli, dem Autoren hinter der Romanvorlage, der als Ex-Häftling aus eigener Erfahrung schrieb. Wer er genau war, woher er die Motivation bezog, mit dem Schreiben anzufangen, wie er dabei von einem Professor der Universität von Minnesota unterstützt wurde und was sich schließlich aus der Karriere ergab, wird in einem ausführlichen Kapitel erläutert. Die nachfolgende Biografie zu William Castle fällt in dem Zusammenhang aber vielleicht ein wenig zu ausführlich aus, zumal es hier zwangsläufig stark in den Bereich Horror geht; auch wenn gerade dadurch verdeutlicht wird, dass Castle manchmal auch außerhalb seines angestammten Wirkungsbereichs tätig war. Und speziell „Rosemaries Baby“ fungiert da auch ein wenig als Verbindungspunkt, was die Besetzung der Crew hinter der Kamera angeht. Die Darsteller Gene Hackman, Jim Brown, Gerald S. O’Loughlin und Ben Carruthers kommen ebenso noch kurz zu Ehren wie Drehbuchautor James Poe, Komponist Krzysztof Komeda, Kameramann Robert B. Hauser und natürlich Regisseur Buzz Kulik. Außerdem werden Dreharbeiten, Premiere und Wirkung des Films beleuchtet.
Bild und Ton
Der Hauptfilm präsentiert sich im Standard-Breitbildformat 1,78:1 in 1080p und lässt die erdigen Technicolor-Farben mit voller Kraft leuchten. In Kauf genommen wird dabei, dass gerade die Hauttöne auch mal ins Orangene tendieren. Sand-, Ocker- und Pastellfarben bestimmen im Zusammenspiel mit dem Silber von Metall die Kompositionen, da die kargen Mauern und Böden der Einrichtung die Hintergrundflächen dominieren. Korn gibt es reichlich, hier und da flackern auch mal deutlich sichtbar weiße Schmutzpartikel auf. Der Glanz der Schweißperlen auf der Haut der Insassen und die Spiegelungen der Gitterstäbe verleihen dem Ganzen aber eine herrlich fiebrige Atmosphäre.
Der deutsche Ton hat leider mit einem permanenten Hintergrundrauschen zu kämpfen, das sich konstant über die komplette Laufzeit legt. Die Dialoge wirken ein wenig stumpf und tendieren beim „S“ zu Zischlauten, allerdings noch ohne unnatürliche Übersättigung. Die Soundtrack-Passagen leiden unter ähnlichen Problemen, sind aber dennoch im Soll-Bereich. Die Synchronisation selbst ist über alle Zweifel erhaben, selbst in kleinen Nebenrollen tummeln sich da noch Namen wie Manfred Lehmann (Bruce Willis) oder Wolfgang Draeger (Woody Allen). Gene Hackman hat den altehrwürdigen Arnold Arquis (Bud Spencer) abbekommen, Jim Brown wird von Edgar Ott (Telly Savalas) gesprochen. Auch Randolf Kronberg (Eddie Murphy) ist zu hören. Die englische Synchronisation weist das Hintergrundrauschen der deutschen Spur nicht auf und ist auch sonst in allen Kategorien viel präziser, die Soundtrack voluminöser, die Stimmen klarer, die Abmischung ist feiner aufgelöst. In beiden Fällen handelt es sich um Zweikanal-Mono-Spuren (DTS-HD Master Audio auf der Blu-ray, Dolby Digital auf der DVD). Untertitel sind in Deutsch und Englisch mit dabei.
Der Audiokommentar
Wie Christoph Kellerbach haben auch Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese längst noch nicht genug vom schwarzen Kino und sind erneut in einem Audiokommentar mit an Bord, um für „Riot – Ausbruch der Verdammten“ eine Einordnung ins Black-Cinema-Feld vorzunehmen, selbst wenn sie gleich zu Beginn völlig berechtigt ein Fragezeichen hinter diese Einordnung setzen, denn: Black Cinema im eigentlichen Sinne ist das hier nicht. Rassenthemen werden nicht explizit zur Sprache gebracht, selbst Jim Browns Rolle sollte ursprünglich mit einem weißen Darsteller besetzt werden. Wenn man aber die Parallelen zu den gesellschaftlichen Entwicklungen berücksichtigt, die den Film als Kind seiner Zeit ausweisen, beginnt man die Verbindungen zu ziehen. An diesen Aspekten arbeitet sich das Duo hochkonzentriert ab und lässt sich auch weniger von Nebenschauplätzen ablenken als noch im letzten Kommentar zu „Cotton Comes to Harlem“. Für den Kommentar kann man somit eine unbedingte Empfehlung aussprechen, auch weil er sich so wunderbar mit dem Booklet-Text ergänzt und sich Informationen kaum wiederholen.
Die Extras
Erstmals nicht im Kader der Black-Cinema-Experten ist Dr. Andreas Rauscher, mit dem es erst im nächsten Kapitel „Hit!“ ein Wiedersehen im Bonusmaterial geben wird, wenn er seine ergiebige Diskussionsrunde mit Dr. Marcus Stiglegger weiterführt. Dass die Doku-Reihe mit dem Titel “There’s a Riot Goin’ On“ ausgerechnet bei einem Film mit dem Namen „Riot – Ausbruch der Verdammten“ ausgesetzt wird, ist natürlich ein Frevel, aber es wird sehr ergiebiger Ersatz geboten, und zwar in Form eines Radio-Interviews mit Romanautor Frank Elli, der im Gespräch mit dem Moderatoren Studs Tenkel noch vor Release des Films 1968 auf seine eigenen Hintergründe eingeht. Etwas bildhafter und konkreter werden diese eigentlich sogar noch im Booklet beschrieben; was sich dagegen in dem Gespräch als besonders wertvoll herausstellt, das sind die Einblicke in die Routinen des Gefängnisalltags und die Politik hinter dem System. Elli argumentiert hier nicht lediglich aus der Perspektive eines Ex-Sträflings, sondern beweist einen weiten Blick über die Strukturen des amerikanischen Justizsystems hinaus. Beinahe könnten seine Ausführungen auch aus dem Munde eines Direktors stammen, der aus dem Nähkästchen plaudert. Das ist aus historischer Sicht unheimlich interessant zu verfolgen und hilft auch sehr bei der weiteren Einordnung des Hauptfilms.
Wer die bisherigen Teile der Black Cinema Collection verpasst hat, kann sich anschließend in einer Trailershow mit der stattlichen Länge von 24 Minuten ordentlich Appetit holen. Die Trailer zu insgesamt zehn bereits veröffentlichten Titeln werden hier am Stück abgespielt – eine kleine Zeitreise in eine politisch aufwühlende Zeit, die noch einmal verdeutlicht, was für ein reichhaltiges Programm sich jetzt schon in der Kollektion angesammelt hat.
Ein wenig wird dadurch auch davon abgelenkt, dass offenbar für „Riot – Ausbruch der Verdammten“ kein eigener Trailer aufgetrieben (oder verwendet) werden konnte. Da wieder alles im Zeichen von Jim Brown steht, dachte man sich also kurzerhand, man packt außerdem noch zwei Radiospots zu den Jim-Brown-Actionstreifen „Slaughter“ und „Black Gunn“ hinzu. Beide waren übrigens auf den vorherigen Editionen der beiden Filme noch nicht enthalten, es handelt sich also nicht um Zweitverwertungen.
Eine 8-minütige Bildergalerie mit Postern, Lobby Cards, Stills, Pressematerial und Mediencovern, begleitet von dem beruhigenden Soul von Bill Medleys Titelsong „100 Years“ und eher beunruhigenden Soundtrack-Schnipseln von Krzysztof Komeda.
Fazit
Dank der Stammkräfte Christoph Kellerbach, Gerd Naumann, Christopher Klaese und dem Audio-Interview mit Romanautor Frank Elli ist also mal wieder eine hervorragend kuratierte und mit wertvollen Originaldokumenten angereicherte Edition gelungen, die auch gerade aufgrund der Seltenheit des Films sehr wichtig ist. Gerade auch Actionfreunde, die wissen wollen, wo die Wurzeln für Knastfilme wie „Lock Up“, „Undisputed“ oder „Escape Plan“ liegen, sollten auf jeden Fall mal einen Blick riskieren, denn es sind weniger Klassiker wie „Gesprengte Ketten“ sondern eher kleine Filme wie „Riot – Ausbruch der Verdammten“, in deren Tradition sie stehen.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie
Die Black Cinema Collection bei den Actionfreunden:
01: Slaughter [1972]
02: Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs [1970]
03: Strasse zum Jenseits [1972]
04: Ghetto Busters [1988]
05: Die Organisation [1971]
06: Foxy Brown [1974]
07: Car Wash [1976]
08: Coffy [1973]
09: Visum für die Hölle [1972]
10: Black Caesar – Der Pate von Harlem [1973]
11: Cotton Comes to Harlem [1970]
12: Riot – Ausbruch der Verdammten [1969]
13: Hit! [1973]
14: Vampira [1974]
15: Sugar Hill [1974]
16: Hell Up In Harlem [1973]
17: Friday Foster [1975]
18: In the Heat of the Night [1967]
19: Cooley High [1975]
20: Hammer [1972]
Sascha Ganser (Vince)
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