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Heart of Stone

Netflix hat erneut Franchise-Ambitionen im Agenten-Action-Genre. In „Heart of Stone“ spielt Gal Gadot eine Superagentin, die im Auftrag einer landesunabhängigen Geheimorganisation namens Charter Waffenhändler, Verschwörer und andere Schurken jagt.

Originaltitel: Heart of Stone__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Tom Harper__Darsteller: Gal Gadot, Jamie Dornan, Alia Bhatt, Jing Lusi, Paul Ready, Matthias Schweighöfer, Sophie Okonedo, Thomas Arnold, Enzo Cilenti, Glenn Close, BD Wong, Mark Ivanir u.a.
Heart of Stone

In dem Agenten-Actionthriller “Heart of Stone” jagt Gal Gadot nach Verschwörern

Skydance und die Agenten. Seit dem vierten Teil der „Mission: Impossible“-Reihe ist die Produktionsfirma gut drin im Genre und dieses Jahr mit gleich drei Vertretern am Start: Im Kino gibt es „Mission: Impossible – Dead Reckoning 1“, auf AppleTV+ „Ghosted“ und auf Netflix nun „Heart of Stone“.

Es beginnt mit einem klassischen Agenten-Setting: Irgendwo in einem Skiressort feiern böse Butzemänner eine Party, darunter auch ein gesuchter Waffenhändler. Ein vierköpfiges Team vom MI6 ist ebenfalls vor Ort. Im Van sitzen Hackerin Rachel Stone (Gal Gadot) und ihr Kollege Bailey (Paul Ready), undercover eingeschlichen haben sich Parker (Jamie Dornan) und Yang (Jing Lusi). Rachel ist ein Frischling, wird von der Truppe getrennt, als die Zielperson entkommt – und erweist sich dann als mit allen Wassern gewaschene Superagentin, die ihre Unerfahrenheit nur vorspielt. So beseitigt sie von ihren Kollegen unbemerkt eine Eingreiftruppe, womit schon für einen klassischen Agenten-Opener gesorgt ist, inklusive Fallschirmsprung, Schneemobileinsatz und Zweikampf zwischen Parker und dem Ziel in einer Seilbahn.

Dummerweise überlebt der Waffenhändler den Einsatz nicht. Klar ist zumindest für das Publikum, dass Rachel Charter angehört, einer Organisation von Ex-Geheimagenten, die ohne politische Ränkespiele für Gerechtigkeit sorgen wollen. Dabei hilft ihnen das Herz, eine künstliche Intelligenz, die stets die Wahrscheinlichkeiten in jeder Situation berechnet und in der Zentrale von einem Technikfachmann betreut wird, den man nur den Herzbuben (Matthias Schweighöfer) nennt. Die Plotidee mit der künstlichen Intelligenz als Objekt der Begierde fand man im Hause Skydance anscheinend so gut, dass man sie in einem Jahr gleich zwei Mal verbriet, in „Mission: Impossible – Dead Reckoning 1“ und in diesem Film. Hier ist die KI zwar auch das Objekt der Begierde, aber nicht der Schurke, wobei die Hörigkeit gegenüber dem Herz teilweise an die Killerbruderschaft und den Webstuhl des Schicksals aus dem Kokolores-Actionfilm „Wanted“ erinnert.

Der Tod des Waffenhändlers ist jedoch nicht der einzige Patzer bei der Operation: Die Hackerin Keya Dhawan (Alia Bhatt) konnte sich offensichtlich kurzfristig die Systeme des Charters einhacken. Dieses Sicherheitsleck muss geschlossen werden, weshalb Rachel und das MI6-Team nach Lissabon reisen, um sie ausfindig zu machen…

Schaut euch den Trailer zu „Heart of Stone“ an

Da Netflix nach seiner eigenen Agenten-Action-Franchise sucht, war die Kooperation mit Genreprimus Skydance durchaus sinnig. Immerhin war der ähnlich gelagerte „6 Underground“ nicht populär genug, um Sequels zu generieren, während das Schicksal von Fortsetzungen zu „The Gray Man“ noch nicht final geklärt ist, der Ursprungsfilm aber auch nicht der erhoffte Abräumer war. „Heart of Stone“ dürfte es allerdings kaum besser gehen, ist er doch abgesehen von ein paar Details vollkommen generisch 08/15-Ware, die man schon zigmal woanders gesehen hat. Die KI als MacGuffin liegt zwar im Trend, wurde aber schon ein paar Mal verbraten, ähnlich die Obrigkeitsglaube an eine vermeintlich unfehlbare Instanz, welche die Hauptfigur zu hinterfragen beginnt (mit Blick auf die wahrsagerischen Wahrscheinlichkeitskalkulationen des Herzens darf man sich unter anderem an „Minority Report“ erinnert fühlen). Auch die Geheimorganisation, die so geheim ist, dass andere Geheimdienste noch diskutieren, ob sie nun real oder ein Ammenmärchen ist, kennt man aus anderen Vorbildern, zumal das meiste an Charter so bekannt und austauschbar ist, dass das Drehbuchduo aus Greg Rucka („The Old Guard“) und Allison Schroeder („Hidden Figures“) einen fast identischen Film auch mit der CIA oder einer ähnlichen Truppe hätte schreiben können.

An der Cameo-/Nebenrollen-Front geben mit Glenn Close („What Happened to Monday?“), BD Wong („Jurassic World: Ein neues Zeitalter“), Mark Avenir („Delta Force 3“) und Sophie Okonedo („Hellboy – Call of Darkness“) bekannte Gesichter die vier Chefs der einzelnen, nach Kartenfarben benannten Charter-Unterabteilungen, wobei nur Okonedo als Herzkönigin und Rachels Vorgesetzte eine größere Nebenrolle hat. Der Fokus liegt natürlich auf Gal Gadot („Red Notice“), die nicht nur Action-Credibility mitbringt, sondern auch die Facetten ihrer Figur überzeugend verkörpert: Wie Rachel vom vermeintlichen Rookie zur One-Woman-Army switcht, ist überzeugend dargestellt. Als ihr wichtigster Teamkollege bleibt Jamie Dornan („A Haunting in Venice“) dagegen etwas farblos, auch wenn er sich im weiteren Verlauf etwas bessert, Matthias Schweighöfer („Army of the Dead“) als Beobachter in der Zentrale ist okay, was auch für Alia Bhatt („RRR“) gilt.

Anfangs läuft der Motor bei „Heart of Stone“ auch noch relativ gut, haut der Film doch seine beiden besten Set-Pieces früh heraus. Es beginnt mit dem stimmigen Auftakt im Skiressort, während in Lissabon eine Wohnungsbelagerung in eine blechschadenreiche Verfolgungsjagd mündet, an deren Ende auch noch inhaltlich eine dramatische Überraschung steht. Die Choreographie der Fights hat in diesen Szenen Schmackes, die Stunts sind Hingucker und einige nette Kamerafahrten (etwa ein panoramahafter Drohnen-Shot während der Verfolgungsjagd) peppen das Geschehen auf.

Dummerweise lassen die Actionszenen im weiteren Verlauf nach. Eine Sequenz in und um einen Zeppelin bietet zwar noch einen halbwegs sehenswerten Zweikampf, ansonsten aber viel erkennbares CGI und einen artifiziellen Look, der einer nominell spannenden Fallschirmeinlage schnell den Wind aus den Segeln nimmt. Noch schwächer wird es in dann in Sachen Showdown, wenn verhältnismäßig wenig Gegnermaterial für die tapfere Heldin aufgefahren wird und noch dazu der Finalkampf in Sachen Länge und Einfallsreichtum zu wünschen übrig lässt, denn dort ist die Fight-Choreographie schwächer als in anderen Nahkämpfen. Das ist an und für sich schon nicht dolle, in Sachen Action-Dramaturgie aber nochmal extra ärgerlich, da ja Ende tunlichst die besten Actionszenen kommen sollen.

Eingerahmt sind diese Szenen dann von etwas überlangen gut zwei Stunden aus dem Setzbaukasten für Agentengeschichten. Mag die Identität der Schurken zumindest teilweise überraschen, so sind ihre Motive kalter Kaffee und werden so spät in Rückblenden vorgeführt, dass sie kaum Wirkung zeigen. Auch die weiteren Aktionen wie Fallenstellen, Peilsender anbringen oder sich gegenseitig einen MacGuffin klauen entpuppen sich als biedere Routine, bei der Regisseur Tom Harper („Die Frau in Schwarz 2“) oft noch nicht mal oberflächliche Spannung aus dem Stoff kitzeln kann. Mit Lissabon, der Wüste Senegals und Island gibt es dann noch ein paar mehr oder minder exotische Locations, was ja auch zum Agentengenre irgendwo dazu gehört, doch auch diese bleiben oft seltsam austauschbar und verströmen weitaus weniger Flair als es bei der Konkurrenz um Bond, Bourne oder Hunt der Fall ist.

So kann sich „Heart of Stone“ auf seine patente Hauptdarstellerin, eine handfeste Überraschung und einige starke Actionszenen in der ersten Hälfte verlassen, was den neuesten Agenten-Franchise-Versuch von Netflix aber nur in den unteren Durchschnittsbereich rettet. Plot und Inszenierung sind biederer Standard und selten spannend, die Besetzung abseits der Hauptrolle bestenfalls routiniert und die Action in der zweiten Hälfte eher fade. Da können die offensichtlichen Vorbilder wesentlich mehr als dieser Agenten-Actionthriller von der Stange.

Als Netflix-Eigenproduktion ist „Heart of Stone“ nur dort zu sehen und wurde nicht von der FSK geprüft. Der Streamingdienst empfiehlt ihn ab 12 Jahren.

© Nils Bothmann (McClane)

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