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Ein Mann jagt sich selbst

Originaltitel: The Man Who Haunted Himself__Herstellungsland: Großbritannien__Erscheinungsjahr: 1970__Regie: Basil Dearden__Darsteller: Roger Moore, Hildegarde Neil, Alastair Mackenzie, Hugh Mackenzie, Kevork Malikyan, Thorley Walters, Anton Rodgers, Olga Georges-Picot, Freddie Jones, John Welsh, Edward Chapman, Laurence Hardy, Charles Lloyd Pack, Gerald Sim, Ruth Trouncer, Aubrey Richards, Anthony Nicholls u.a.

Ein Mann jagt sich selbst Banner

Cover

Das Deckblatt zu Mediabook Cover C von “Ein Mann jagt sich selbst”.

Da ist der Schirm, dort die Melone. Aber wo ist der Charme? Man sollte meinen, dass Roger Moore den automatisch mitbringt, nur diesmal wird man bei ihm nicht fündig. Ausnahmsweise ist er damit beschäftigt, bizarre Fratzen der Erregung, der Verwirrung und des Entsetzens zu ziehen – und das in einer überbordenden Intensität, die sein Gesicht, welches praktisch über die gesamte Karriere hinweg ein Synonym für den Lebemann James Bond war, bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen lässt.

Realitäten überlagern sich auch sonst permanent im Mystery-Thriller „Ein Mann jagt sich selbst“. Hauptfigur Harold Pelham (Moore) durchläuft gleich in der ersten Szene einen Schub in Richtung Persönlichkeitsveränderung, und das ausgerechnet am Steuer eines Autos. Das altmodische Vehikel des Engländers verwandelt sich per Überblendungseffekt für Sekunden in einen Sportwagen, gesteuert sozusagen von Mr. Hyde auf Speed. Von außen ist während der Aufnahme der Fahrt (beziehungsweise während der Rückprojektion) eine mobile Kamera installiert, die sich dynamisch vom Kühlergrill zum Fahrerfenster zu bewegen weiß, als wäre die Filmtechnologie schon ein paar Jahre weiter als 1970. Verschnitten mit Moores ekstatisch aufgerissenen Augen wird die Eröffnungsszene zum nicht enden wollenden Rausch auf dem Weg zur Nulllinie einer nahenden Kollision. Ein wahrer Fiebertraum einer aus den Fugen geratenen Ordnung. Welch tragische Ironie, dass Regisseur Basil Dearden, der all das mit so viel Inspiration dirigiert, kurz nach den Dreharbeiten auf derselben Autobahn tödlich verunglückte. Dies war seine letzte Regiearbeit.

Schon eine seiner ersten, die Auftaktepisode des Episoden-Horrorfilms „Traum ohne Ende“ (1945), drehte sich um einen Rennwagenfahrer, der nach einem Unfall im Krankenhaus erwacht und beim Blick aus dem Fenster feststellen muss, dass Vergangenheit und Gegenwart übereinander geschichtet sind wie mehrere Lagen transparentes Pauspapier. Nun geschieht selbiges mit den Identitäten einer Person. Das Agenten- und Paranoia-Kino der 60er wirft im thematischen wie ästhetischen Sinne offensichtlich seine Schatten voraus, doch irgendwas im Plot scheint sich dagegen zu sträuben, auf Vergangenes reduziert zu werden. Wenngleich der Rückbezug auf Hitchcocks „Vertigo“ (1958) und dessen Geltungsrahmen allgegenwärtig bleibt, steht das Doppelgänger-Motiv diesmal auch im Dienste einer neuen, progressiven Strömung des psychologischen Horrors, der bald darauf mit Robert Altmans „Spiegelbilder“ oder auch Brian de Palmas „Schwestern des Bösen“ (beide 1972) als intimes Invasionskino Fahrt aufnehmen würde, um ultimativ in der kollektiv erlebbaren Science Fiction von „Die Körperfresser kommen“ (1978) zu münden.

Eskapismus, der Ausbruch aus der grauen Realität, ist einmal mehr das Stichwort, denn wo Dearden bei der aus dem Nichts entstehenden Manifestation des mysteriösen Zwillings die Pferde durchgehen, inszeniert er den Alltag des Protagonisten so konservativ-altbacken wie nur möglich. Pelhams Firma „Freeman, Pelham & Dawson“ definiert sich durch eine anonyme Ansammlung alter Männer in grauen Anzügen (von Tarnanzügen könnte man bei der Möblierung der Büros gar sprechen), die an einem Versammlungstisch wirtschaftliche Strategien erörtern. Pelhams Frau (Hildegarde Neil) ist nicht nur sexuell, sondern auch auf jede andere erdenkliche Art frustriert mit ihrem Dasein an der Seite eines Mannes, der sie gar nicht richtig wahrzunehmen scheint. Sie selbst würde am liebsten genauso aus ihrer Hülle schlüpfen wie er es bald tut, und als sie zu spüren beginnt, dass ihr Mann ihr voraus ist, konkurrieren Eifersucht und Neid miteinander zu einem schmerzhaften Gemisch. Für die Antagonisten der hier konstruierten Realität endet die Sehnsucht nach einer Transformation stets zuverlässig an einer grauen Betonmauer, die sich als unbewegliches Hindernis standhaft weigert, sich zu entmaterialisieren. Ton in Ton wird die britische Wirklichkeit zwischen Tradition und Routine als etwas Steifes und Unverrückbares inszeniert, an dem Träume der individuellen Entfaltung zerschellen.

Schaut in den Trailer

Ein Loch in diese Wand weiß einzig die Hauptfigur durch ihren Unfall zu Beginn des Films zu schlagen, woraufhin sich die typischen Risse in der perfekten Oberfläche ergeben. Freunde und Bekannte wollen Pelham auf einmal in Situationen gesehen haben, an die er sich nicht erinnert, im Job gehen merkwürdige Dinge vor sich, eine fremde Frau im Schwimmbad nickt ihm wissend zu. Kurzum, das bis dato bekannte Universum bröckelt. Es sind die üblichen Zutaten vieler Psychothriller zum Thema Doppelidentität und Amnesie, die in dieser Phase des Drehbuchs ein wenig behäbig, wenn auch immer zumindest leidlich spannend abgearbeitet werden.

Was fehlt, ist eine gewisse Dichte im Subtext, die über die reine Spurensuche eines Mannes nach einer zweiten Identität seiner selbst hinausgeht. Nicht umsonst wurde der als Vorlage dienende Roman von Anthony Armstrong ursprünglich „nur“ als Episode der TV-Anthologie „Alfred Hitchcock Presents“ adaptiert, denn selbst der Roman geht letztendlich auf eine Kurzgeschichte desselben Autoren zurück. Dearden kann die fehlende Komplexität der Handlung mit seinem Drehbuch nicht kompensieren, vielmehr versucht er, aus der Anhäufung rätselhafter Situationen einen dramaturgischen Bogen zu gewinnen, versäumt dabei aber, die Psychologie der Hauptfigur in das Rätsel einzuweben, sozusagen die Soße zu verdicken.

So hat dann auch das merkwürdig konkrete, in gewisser Weise aber doch wieder nebulöse Ende den Charakter eines Kurzgeschichten-Twists oder vielleicht sogar des lösenden finalen Akts eines Theaterstücks. Kevin Billington würde zwei Jahre später mit „Voices“ eine im Aufbau sehr ähnliche Pointe als Abschluss inszenieren, obgleich er das Transzendentale mit der Hinwendung zum Geisterfilm noch inniger umarmen würde. Dennoch ist auch „Ein Mann jagt sich selbst“ dem uneindeutigen Erzählen spürbar angetan, versucht er doch der Dualität des moralischen Dilemmas gerade in den letzten Zügen vor dem Abspann noch zu entgehen, obwohl der Stoff selbst exakt nach einem solchen Muster gestrickt ist.

Man könnte das Vermeiden einer eindeutigen Auflösung als mutlos bezeichnen. Tatsächlich überwindet „Ein Mann jagt sich selbst“ aber gerade hier die Schatten der Vergangenheit und pflastert einen Teil des Wegs, den zu jener Zeit Regisseure wie Polanski und De Palma bereits beschritten oder bald beschreiten würden. Auch wenn der Stoff im Vergleich zu den wegweisenden Arbeiten der genannten Kollegen etwas dünner ausfällt, Basil Deardens Abschiedsbrief an die Welt besitzt eine Faszination, die weit darüber hinausgeht, dass der Tod des Regisseurs in diesem Abschiedsbrief bereits angedeutet wird. Britische Tristesse wurde selten so reizvoll verpackt wie in dieser Matrix’schen Scheinfassade der Gewöhnlichkeit, und wo das Auge infolge dessen auf Roger Moore fällt, sieht es den späteren Doppelnull-Agenten so ungesteuert und zügellos wie kaum jemals wieder.

06 von 10

Informationen zur Veröffentlichung von “Ein Mann jagt sich selbst”

2-Disc Limited Collector’s Edition Nr. 61

„Leben und sterben lassen“ von 1973 ist vermutlich der älteste Film mit Roger Moore, den viele Filmfans im Regal stehen haben. Um James Bond führt eben kein Weg vorbei. Was den zwei Jahre älteren „Ein Mann jagt sich selbst“ angeht, war es eben auch nicht immer so einfach, diesen aufzutreiben. Bis 2019 hätte man da schon den alten VHS-Player entstauben müssen. Dann erschien immerhin eine DVD von Pidax. Wer keinen Wert legte auf den deutschen Ton, konnte natürlich auch ins Entstehungsland schielen, wo bereits 2005 eine DVD erschien und 2013 sogar eine Blu-ray-Edition. Seit Ende des vergangenen Jahres ist eine solche auch in Deutschland erhältlich, denn die 61. Ausgabe der „Limited Collector’s Edition“-Reihe von Wicked Vision, die in Zusammenarbeit mit Pidax, StudioCanal und Birnenblatt entstand, enthält den doppelten Roger Moore.

Die Verpackung

Mediabook

“Ein Mann jagt sich selbst” erscheint in drei limitierten Mediabooks.

Die zur Ansicht vorliegende Covervariante C ist dabei die einzige, die den doppelten Moore auch auch optisch bewirbt. Es basiert auf dem originalen deutschen Kinoplakat. Vor einem einheitlich anthrazitfarbenen Hintergrund, der die Atmosphäre im Film im Grunde perfekt illustriert, finden wir eine simple Montage einer gedoppelten Fotografie des Hauptdarstellers, der so dreinschaut, als sei er gerade frisch von einer Klonfabrik ausgespuckt worden. Der überdrehte Kontrast, der die Hälfte des Gesichts im Dunkeln absaufen lässt und die andere in einen Pfirsichteint versenkt, ist dabei ebenso Absicht wie die Tatsache, dass das Schwarz der Anzüge zu einer Einheit verschmilzt. FSK-Logo, Werbebuttons und Limited-Edition-Banderole finden wir wie immer lediglich auf einem abnehmbaren Deckblatt, dennoch ist das Cover-Artwork aus einer künstlerischen Entscheidung heraus mit Taglines und weiterem gespickt: Oben stehen in Rot die Attribute „Unglaublich – Ungeheuerlich – Unvorstellbar“, gleich darunter in Weiß der Hinweis „Roger Moore in seiner ersten Doppelrolle“, ganz so, als sei es üblich, dass jeder Darsteller zumindest einmal eine Doppelrolle übernimmt. Dass es „2x Roger Moore“ zu sehen gibt, wird außerdem noch einmal in der Liste der wichtigsten Darsteller ganz unten in Blau betont. Der Filmtitel selbst ist in großen, kursiven Lettern in knalligem Gelb vierzeilig abgedruckt. „Ein Mann jagt sich selbst“ ist übrigens keine akkurate Übersetzung des Originaltitels „The Man Who Haunted Himself“, der ein „a“ zu viel an Bord hat, als dass man vom Jagen sprechen könnte. Akkurater wäre „Der Mann, der sich selbst heimsuchte“ gewesen, aber wer würde so schon einen Film taufen?

Hält man es eher mit der Heimsuchung aus dem Originaltitel, kann man auf Cover A von Gilles Vranckx zurückgreifen. Dieses bietet eine in Schwarzweiß illustrierte Büste Roger Moores im Halbprofil, die zwar grundsätzlich gut getroffen ist, allerdings in der Gesamterscheinung merkwürdig langgestreckt wirkt. Kein Wunder, dass der gesamte Titel inklusive Darsteller- und Regie-Credit auf Moores Wasserkopf Platz findet. Der Effekt könnte auch durch den psychedelischen Hintergrund begünstigt werden, der das eigentlich reizvolle Element an diesem Artwork ist. Moores Silhouette wird hier nämlich von mehreren Lagen ausgerissenen Papiers in olivegrün, mattgrau und orangegelb umschmeichelt. Das spiegelt nicht nur das Psychothriller-Genre jener Zeit auf den Punkt, sondern sieht reizvoll genug aus, dass auch der Innendruck des Mediabooks hinter den Disc-Tray mit diesem Muster versehen wurde.

Auch in Covervariante B, diesmal wieder mit dem deutschen Titel, basierend jedoch auf dem italienischen Poster, kommt das Spiralmuster wieder vor. Moore scheint es mit ausgestreckten Armen auszusenden, als sei er der Großvater von Doctor Strange. Wie die Fotografie auf Cover C arbeitet auch diese Zeichnung mit scharfen Kontrasten, die hier in Form irrealer blauer Schatten abgebildet sind. Ein asymmetrischer roter Quadrat vor schwarzer Fläche bildet den Hintergrund, womit auch hier die psychedelische Stimmung des Films aufgegriffen wird. Limitiert sind die ersten beiden Varianten auf 333 Stück, Cover C gibt es hingegen nur 222 Mal.

Das Booklet

Das macht in der Summe 888 Abdrucke des innen liegenden Booklets, das mit 32 Seiten überdurchschnittlich umfangreich geraten ist und infolge dessen ins Mediabook geklebt anstatt nur geklammert wurde. Gerahmt wird es von zwei extra dicken Umschlagseiten, so dass man die Wertigkeit eines gut gebundenen Softcover-Buchs für sein Geld bekommt. Auf Front hätte man sich vielleicht noch ein weiteres Motiv gewünscht, stattdessen bekommt man hier und auf der Rückseite einen relativ unspektakulären Filmausschnitt. Aber es kommt uns auf die Worte an, und derer gibt es im Inneren reichlich. Dr. Rolf Giesen eröffnet über neun Seiten hinweg mit einem kurzen Abriss der Umstände, die zur Entstehung von „Ein Mann jagt sich selbst“ führten. Eine erschöpfende Analyse wird nicht geboten, sondern eher eine assoziative Mischung aus biografischen Details, Zitaten und selbst geknüpften Querbezügen, die das Wesen des Films fast unmerklich charakterisieren. Giesen stellt hier durchaus gekonnt unter Beweis, dass man nicht immer alles ausformulieren muss, um viel sagen zu können.

Ein netter Nebeneffekt ist der, dass noch genug Platz ist, um eine zweite Stimme zur Sprache kommen zu lassen. Faye Hell, eine freie Journalistin und Redakteurin für Magazine wie VIRUS und DEADLINE, taucht anders als ihr Kollege sehr tief in die Doppelgänger-Materie, befasst sich mit Koyphäen der Psychoanalyse wie Otto Rank und Sigmund Freud, um zu veranschaulichen, woher die Besessenheit von Film und Literatur gegenüber Doppelgängern stammt und wie sie konkret auf „Ein Mann jagt sich selbst“ anzuwenden ist. Der eher interpretativ angelegte Essay ergänzt sich wunderbar mit Giesens eher filmhistorischem Abriss und sorgt insgesamt für eines der abwechslungsreichsten, informativsten und reichhaltigsten Begleitbücher unter den Wicked-Vision-Editionen. Die Sahnehaube ist das sehr gelungene Seiten-Layout (inklusive niedlicher Zielscheiben-Seitenzahlen) und der Abdruck aller drei Cover-Motive jeweils ganzseitig am Ende des Booklets. Da bleiben praktisch keine Wünsche offen.

Der Ton

Eingangs sprachen wir davon, dass „Ein Mann jagt sich selbst“ auf dem Markt für physische Medien bisher keine großé Rolle gespielt hat. Zumindest jenseits der physischen Medien muss der Film aber ein bewegtes Dasein geführt haben, denn neben der Kinosynchronisation versammeln sich gleich zwei alternative TV-Synchros auf der Disc. Das kann beim Käufer zum aus der Wirtschaft bekannten Auswahlparadox führen, sich ob der großen Auswahl nicht entscheiden zu können, gerade wenn man nicht weiß, welcher Auswahlpunkt den persönlichen Präferenzen am ehesten entspricht. Den allermeisten Unentschlossenen kann man wohl bedenkenlos die Kinofassung zum Einstieg empfehlen. Nicht nur wird Roger Moore hier von seiner bekannten James-Bond-Stimme Niels Clausnitzer gesprochen, auch handelt es sich hier eben um die originale Fassung, auch wenn diese ebenfalls erst zehn Jahre nach Entstehung des Films entstand, denn so lange dauerte es, ihn in die deutschen Kinos zu bringen. Die Stimmen klingen insgesamt zwar ein wenig dumpf, sind aber insgesamt gut besetzt und verströmen durchaus die Stimmung einer echten Kinoproduktion. 1982 entstand dann die für das Fernsehen entstandene erste TV-Synchronisation. Die klingt zwar sehr sauber und präzise, dabei aber auch ein wenig steril. Der größte Irritationsfaktor dürfte allerdings Randolf Kronberg auf Roger Moore sein. Der 007-Star, gesprochen von Eddie Murphys Synchronstimme? Obwohl sich Kronberg im Vergleich mit seinen Murphy-Arbeiten sehr zurückhält, hört sich das tatsächlich so schräg an wie es auf dem Papier klingt. In einer 1989 entstandenen zweiten TV-Synchronisation hört man dann noch Lothar Blumhagen (u.a. Christopher Plummer, James Rebhorn) auf Moore. Ebenfalls gewöhnungsbedürftig, aber etwas erträglicher als Kronberg. Diese Spur weist allerdings ein hörbares Hintergrundrauschen auf, das wohl auch Hauptgrund für das Label war, vor Einsprung ins Hauptmenü eine Hinweistafel einzublenden, die auf die problematische Materiallage hinweist. Einige der Nebenrollen haben in den TV-Synchros sogar bessere Sprecher abbekommen als in der Kinofassung, aber unter dem Strich ist man für einen Ersteindruck mit dieser wahrscheinlich am besten aufgehoben. Wer es freilich grundsätzlich mit dem O-Ton hält, muss sich mit diesen Details nicht aufhalten – hier gibt es das Original und Punkt. Alle vier Fassungen liegen wie üblich als Mono-Zweikanalton in DTS-HD Master Audio vor.

Das Bild

In der visuellen Gestaltung musste es darum gehen, England als eine graue Fassade zu inszenieren, in der jeder Farbklecks Irritationen verursachen musste. Demzufolge dominieren braune Möbel, schwarze Nadelstreifenanzüge, beige Bürowände und der dunkelgrüne Beschlag von Billardtischen oder das blasse Blau eines Schwimmbeckens. Der Transfer bringt diese ebenen Flächen hervorragend zur Geltung. Abgesehen von einzelnen Störelementen, die in speziellen Einstellungen aufblitzen können, sowie einer feinen Körnung stört praktisch nichts die Illusion einer sauber geordneten Welt und somit die Vision des Regisseurs. Später, wenn sich der Film dem Finale nähern, häufen sich auch auffälligere Farbspiele, doch die daraus entstehenden Kontraste werden ebenso problemlos bewältigt.

Der Audiokommentar

Roger Moore soll seine Rolle in „Ein Mann jagt sich selbst“ als seine liebste bezeichnet haben, insofern überrascht es nicht, dass er sich Zeit nahm für einen Audiokommentar, den er 2005 aufnahm. Seine Gesprächspartner sind Jonathan Sothcott („The Cult Films of Christopher Lee“) und Bryan Forbes. Letzterer ist der Produzent des Films, hält ferner einen Writer Credit und Moore war außerdem Trauzeuge auf seiner Hochzeit. Wenig überraschend werden hauptsächlich Hintergründe zu den am Film Beteiligten geteilt; gleich zu Beginn wird der tragische Tod des Regisseurs aufgearbeitet, später außerdem der Selbstmord von Nebendarstellerin Olga Georges-Picot erwähnt, eine Information, von der Moore seiner überraschten Reaktion zufolge nichts gewusst zu haben scheint. Zwischendurch ergeben sich auch immer mal Gesprächspausen, bevor dann das nächste Thema aufgegriffen wird. So wie man für den Hauptfilm deutsche und englische Untertitel einschalten kann, stehen auch deutsche Untertitel für den Kommentar zur Verfügung.

Die Extras

Praktisch sämtliche weltweit erschienene Editionen hatten den Audiokommentar an Bord, ansonsten unterscheidet sich das verfügbare Bonusmaterial aber von Fall zu Fall deutlich. Die Pidax-DVD hatte sonst im Grunde nur den originalen Kinotrailer zu bieten, der hier ebenfalls enthalten ist. Was die 2006 gedrehte Featurette mit Stuart Gordon und Joe Dante angeht, so war diese zum Beispiel nur auf der amerikanischen, nicht aber auf der britischen Blu-ray von 2019 enthalten. In dem 18-minütigen Beitrag kommen die beiden Regie-Ikonen ausgiebig auf Basil Deardens Mysteryfilm zu sprechen und nähern sich ihm hauptsächlich von Hitchcock ausgehend – kein Wunder, haben wir doch hier zwei Spezialisten vom Fach, die sich auch selbst inspiriert gezeigt haben vom Altmeister des Thrillerkinos. Vom Inhalt (zB. Die omnipräsente psychosexuelle Ebene) bis zur visuellen Gestaltung (surreale Kameraeinstellungen) wird Deardens Arbeit ganz und gar in einen direkten Bezug zu Hitchcocks Handschrift gestellt. Am Rande geht es aber auch um Themen wie die Bedeutung des Films für Hauptdarsteller Roger Moore oder die wenig erfolgreiche Distribution des Films auf dem amerikanischen Markt. Entsprechend des Alters der Featurette konnte nur auf eine Standard-Definition-Quelle zurückgegriffen, die immerhin auf 1080p hochskaliert wurde. Deutsche Untertitel können bei Bedarf auch dazugeschaltet werden.

Dieses Feature ist exklusiv auf der Blu-ray enthalten, was auch für die 36-minütige „Music Suite“ gilt. Dabei handelt es sich um den vollständigen Filmsoundtrack, angeführt vom Leitthema, das ein wenig an Fahrstuhlmusik erinnert und damit ideal zu dem überaus korrekten britischen Rahmen des Films passt. Der Großteil des Soundtracks besteht allerdings aus dissonanten Streicherparts, in denen der Wahnsinn der Hauptfigur Wurzeln schlägt. Als visueller Hintergrund dient das Menübild (eine Variation des A-Cover-Frontmotivs), das mit dezenten Leuchteffekten leicht animiert wird. Ein wenig schade ist es, dass die Suite in einem Kapitel durchläuft. Schöner wäre es natürlich gewesen, wären die Titel in einzelne Kapitel aufgeteilt worden.

Stiglegger

Prof. Dr. Marcus Stiglegger referiert in einer neu produzierten Featurette über Doppelgänger in Film und Literatur.

Alle weiteren Extras sind gemeinsam mit Hauptfilm, sämtlichen Synchro-Spuren und dem Audiokommentar gleichzeitig auch auf der DVD enthalten. Dazu gehört auch ein neu produziertes und exklusives Feature, und zwar Prof- Dr. Marcus Stigleggers Video-Essay „Dunkler Spiegel des Selbst – Doppelgänger in Literatur und Film“ (18 Min.). Hier geht es zunächst einmal gar nicht so sehr um den Hauptfilm, sondern darum, die Varianz und Vielseitigkeit der Doppelgänger-Thematik zu veranschaulichen. Spiegelbilder, Schatten, Avatare werden aus literarischer und filmhistorischer Sicht analysiert, Horrorfilme, Dramen und Komödien zum Thema in unterschiedlichen Facetten beleuchtet. Erst in den letzten fünf Minuten wird das gesammelte Wissen auf „Ein Mann jagt sich selbst“ angewendet. Als nettes Easter Egg sind im Hintergrund die Mediabooks zu „Enemy“ und „Edge of Sanity“ aufgereiht, zwei Filme, die ebenfalls mit den Motiven spielen und auch als Beispiele von Stiglegger herangezogen werden, der darüber hinaus aber begonnen beim Stummfilm „Der Andere“ (1913) bis zu Jordan Peeles modernem Horrorfilm „Wir“ (2019) unzählige Beispiele bringt.

Als Absacker gibt es dann noch eine musikalisch unterlegte Bildergalerie, die mit 26 Minuten Laufzeit überaus großzügig ausfällt, was vor allem an den 270 (!) Stills liegt, die eingeblendet werden. Darüber hinaus gibt es noch Poster, Pressematerial, Buch- und VHS-Cover zu sehen.

So kommt man selbst ohne den Audiokommentar und ohne die Lesezeit für das Booklet auf über 100 Minuten weiterführendem Material, das das Zeug dazu hat, dem Käufer nicht nur die Qualitäten von „Ein Mann jagt sich selbst“ nahe zu bringen, sondern ihn auch zum Experten für Doppelgänger in Literatur und Kino zu machen.

Sascha Ganser (Vince)

Bildergalerie

Ein Mann jagt sich selbst

Steif nach vorne gebeugt, kein Martini in der Hand, keine Frau im Arm… so fährt doch kein Bond.

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Gar nicht so einfach, in der Öffentlichkeit einen sicheren Platz zum Reden zu finden. Ob im Wasser ein Taucher spioniert?

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Psychiatersitzung oder Verhör? Schwer zu sagen bei der Beleuchtung.

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Schauspielerisch wird Roger Moore extremer gefordert als in seinen meisten anderen Rollen.

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Casino-Royale-Training.

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Eine britische Vorzeigefamilie.

Sascha Ganser (Vince)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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