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The Red Book Ritual

Originaltitel: The Red Book Ritual__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Nicolás Onetti, Chris Beyrooty, Logan Fields, Dean Law, Ariel Luque, Jiwon Moon, Daniel J. Phillips, Dean Puckett__Darsteller: Valeria San Martin, Agustin Olcese, Marlene Pedersen Chauviere, Bruno Giacobbe, Agustin Bogliano, Marcos Bogliano, Martín Canalicchio, Ines Corengia, Pablo Vilela, Fiona, David Breen, Melinda Joan Reed, Nick Waters, Tatjana Marjanovic, Jay Villwock, Tyler Bailin, Lee Joo-young u.a.

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Poster

Das Poster von “The Red Book Ritual”

Rot muss der Einband sein, keine Diskussion. Giftflaschen tragen einen Totenschädel auf dem Etikett, Zigarettenpackungen werden mit Schockbildern bedruckt, verbotene Bücher sollten dann von außen bitte auch Alarmfarben tragen. Clive Barkers „Bücher des Blutes“ haben da wohl über den Moment hinaus Maßstäbe gesetzt. Bei „Red Book Rituals“ kopiert selbst das Poster-Artwork so dreist die jüngste „Books of Blood“-Anthologie von 2020, dass man sich im ersten Moment nicht sicher ist, ob es sich nicht um ein und denselben Film handelt. Bücher als Schreckgestalten aus längst vergangenen Zeiten… schwingt sich in den Zeiten nach Facebook nun etwa Bookface zum neuen Boogeyman auf?

Die unschuldige Freude am Lesevergnügen ist es jedenfalls nicht, derer wegen sich die drei Freunde in der Rahmenhandlung über das rote Buch beugen. Wie bei all den gängigen Young-Adult-Horrorfilmen um Ouija-Bretter, Okkultes und Partyspiele sind die Auslöser dunkler Mächte eher Teenage Boredom und jugendliche Neugier auf uncooles Zeug aus der Vergangenheit. Ist das Smartphone gerade nicht griffbereit, kann man sich ja des Nervenkitzels wegen auch einfach mal bei Kerzenschein in ein Horrorhaus setzen und mit dem Finger wahllos auf Textpassagen in einem alten Schinken zeigen, um die niedergeschriebenen Worte nach eigenem Gutdünken in eine Schauergeschichte umzudeuten und sich gegenseitig eine Mordsangst einzujagen.

Die eher im Amateurbereich verhafteten Darbietungen der drei Hauptdarsteller aus der Einführung sind zum Glück kein Fingerzeig für die nachfolgenden fünf Kurzgeschichten, die sich anschließend zum klassischen Episoden-Horrorfilm ausbreiten und dabei höchst unterschiedliche Stimmungen bedienen. Die fehlende Homogenität ist kein Wunder, wurden die einzelnen Segmente doch jeweils als eigenständige Kurzfilme von unterschiedlichen Regisseuren zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischen 2017 und 2020 gedreht. Obwohl sich die 2022 neu gedrehte Rahmenhandlung krampfhaft darum bemüht, thematische Bezüge zwischen den Episoden herzustellen und im gleichen Zuge den eigenen Plot rund um eine versehentliche Hexenbeschwörung voranzutreiben, ist „Red Book Rituals“ damit schnell als Promo-Maßnahme für die involvierten Filmemacher und ihre Kurzfilme entlarvt. Von konzeptioneller Seite gerät die Sammlung also entsprechend konfus, wurde die Auswahl doch allenfalls sehr grob nach thematischen Maßstäben getroffen.

Man ist somit gut beraten, sich unbefangen auf jede Episode einzulassen und die Versuche des Filmrahmens, sie zu kontextualisieren, geflissentlich zu ignorieren. Im Auftakt-Kapitel Stray wird man dann immerhin mit vollem schauspielerischen Körpereinsatz belohnt, der die drei Trauergestalten aus der Einleitung schnell vergessen macht. Melinda Joan Reed bestreitet ihre Rolle über die volle Distanz komplett nackt, wobei sie winselnd, geifernd, brabbelnd und mit einer Armbrust bewaffnet über die Felder läuft und von einem schwarzen Kater als Schatten begleitet wird, der von einem Dämon besessen ist. Vom Körpereinsatz der Darstellerin abgesehen hat die Episode aber dann doch eher wenig zu bieten. Den Vierbeiner einmal ausgeklammert, handelt es sich um ein schlichtes Zweipersonenstück, kostengünstig abgedreht irgendwo in der Einöde, eingefangen in schmutzigen Gelbtönen, die gemeinsam mit dem Setting eine gewisse „Texas Chainsaw Massacre“-Süße verströmen, ohne den dort vorherrschenden psychologischen Terror allerdings – und ohne das Massaker. Stattdessen werden äußerst vage Andeutungen Richtung Okkultismus gemacht, ohne das Kind beim Namen zu nennen. Was schmerzlich fehlt, ist jemand, der hier mal so richtig auf die Kacke haut und das Ding mit einem Ausrufezeichen zu Ende bringt. Die Fragezeichen über dem weitgehend beschäftigungslosen männlichen Darsteller sind aber leider noch nicht ganz verschwunden, als es wieder zurück zur Rahmenhandlung geht…

Die zweite Geschichte hört dann auf den Namen Little One, und man weiß nicht so recht, ob sich das nun auf den Knirps bezieht, der mitten in der Nacht auf einem staubigen Highway steht und sein Gesicht hinter seinen Händen verbirgt, oder nicht doch auf die überaus knappe Laufzeit von gerade mal 8 Minuten. Viel zu wenig, um mehr bieten zu können als ein paar aufleuchtende Rücklichter im Dunkel der Nacht. Ein warnender alter Mann im Schein der roten Lampen ist bei weitem nicht genug, um dem Jungen effektiv die Aura des Bösen zu verleihen. Da sind leider noch zu viele Defizite in der Inszenierung zu vermelden, als dass es hier schauerlich zuginge…

Schaut in den Trailer

Eine Episode wie Nose Nose Nose Eyes hätte man hingegen in einer bis dahin konservativ amerikanisch wirkenden Zusammenstellung eher nicht erwartet, und so sorgt der südkoreanische Beitrag für einen wahren Kulturschock. Inspiriert von der wahren Geschichte einer Kriminellen namens „Lady Uhm“, dreht sich Jiwon Moons Arbeit um eine Frau, die ihren ans Bett gefesselten Mann misshandelt, um eine Versicherungssumme abkassieren zu können; ein Schauspiel, das die kleine Tochter miterleben muss. Die Einflüsse sind ziemlich offensichtlich: Vor allem Takashi Miikes Horror-Werke der späten 90er und 2000er scheinen es der Regisseurin angetan zu haben. „Audition“ sei hier vor allem genannt, aber auch sein Kurzfilm „Imprint“ aus der „Masters of Horror“-Reihe teilt gewisse Motive. Sogar der J-Horror, den Miike mit „The Call“ und ähnlichen Arbeiten durchaus mitprägte, schwingt in einigen Einstellungen mit, obwohl Übernatürliches diesmal keine Rolle spielt. Dennoch: Die sparsamen, dafür jedes Wort stark gewichtenden Dialoge sorgen in Kombination mit der assoziativen Schnitttechnik für Unbehagen, im besten Fall sogar für Gänsehaut. Die Konventionen für familiäres Miteinander werden bewusst gegen den Strich gebürstet und liefern immer wieder satte Kinnhaken, die heftiger schmerzen als so mancher Jump Scare. Auch schauspielerisch und inszenatorisch ist die dritte Episode bis zu diesem Punkt das klare Highlight der Sammlung, auch wenn es um ihre Originalität nicht allzu weit bestellt ist.

Nach dieser Einlage hat es Release schwer, eigene Eindrücke zu hinterlassen, kommt das in den dunklen Gängen einer schlecht beleuchteten Krankenhausstation spielende Gruselstück doch vor allem optisch ziemlich unspektakulär daher. Auch inhaltlich kommt einem das alles irgendwie ziemlich bekannt vor, geht es doch um eine Ärztin, die verzweifelt versucht, ihren schwer kranken Bruder zu retten, wo es eigentlich nichts mehr zu retten gibt. Das Ergebnis ist eine verzweifelte Frau, die von einer schlurfenden Gestalt durch die Gänge gejagt wird. Linearer Linoleumboden-Horror nach Minotaurus-Rezeptur also, wie man ihn in letzter Zeit so oft gesehen hat; zum Beispiel im Produktionsbestand von Guillermo del Toro, wie in „Lot 36“ aus der Anthologieserie “Cabinet of Curiosities“ oder „The Red Room“ aus dem Episodenfilm „Scary Stories to Tell in the Dark“. Das füllt für den Moment, stellt den Gaumen aber nicht wirklich zufrieden.

Bei einer Laufzeit von unter 90 Minuten würde man normalerweise erwarten, dass nach dem vierten Abstecher Schluss ist, doch die Kürze der vorangehenden Geschichten erlaubt noch eine fünfte oben drauf. The Sermon ist nicht ganz so exotisch wie „Nose Nose Nose Eyes“, zeigt uns aber noch einmal einen ganz anderen Flecken Erde, irgendwo tief in der schönsten Natur, die England zu bieten hat. Diesmal kommt der erzkonservative Prediger einer dörflichen Kommune in die Bredouille, als sich seine Tochter gegen all seine hasserfüllten Ideale zu stellen beginnt. Die religiös aufgeladenen Werke Ingmar Bergmans, „Das Siebente Siegel“ etwa oder seine „Glaubenstrilogie“ aus den frühen 60ern, werfen ihre Schatten voraus, wenn sich der Tod als symbolische Gestalt im Bild manifestiert. Inhaltlich werden lediglich wieder Glaubenskonflikte im Spannungsfeld zwischen familiärer und gesellschaftlicher Dynamik diskutiert, dies aber wenigstens auf geschmackvolle Art. Die auf Vintage geeichten Bildfilter machen zudem eine durchaus gute Figur und lassen Dean Pucketts Arbeit rein optisch zur durchaus interessantesten der Sammlung geraten. Naturbilder wie von vergilbten Postkarten, Filmkorn satt, da isst das Auge wahrlich mit.

Inzwischen sind unsere drei Freunde aus dem Gruselhaus aber fast soweit, die Hexe aus dem roten Buch schlüpfen zu lassen für eine letzte schleichende Horrorsequenz vor dem Abspann. Während da nun alle erprobten Bildkadrierungen des Genres durchexerziert werden, um den Final Boss möglichst bedrohlich zu gestalten, fragt man sich immer noch, was denn nun eigentlich eine englische Kirchengemeinde damit zu tun hatte… oder eine Ärztin im Kampf gegen die eigenen Schuldgefühle… oder eine koreanische Psychopathin… oder ein Junge auf dem Highway… oder eine besessene Frau und ihre Katze. „Red Book Rituals“ lebt davon, dass sämtliche der verwendeten Kurzfilme auf einem höheren Niveau liegen als die entbehrliche Rahmenhandlung und zumindest zwei davon als Auskopplung durchaus auch für sich genommen sehenswert sind. Sucht man jedoch einen in sich geschlossenen Anthologiefilm, sucht man besser woanders.

04 von 10

Informationen zur Veröffentlichung von “The Red Book Ritual”

„The Red Book Ritual“ erschien am 4. August 2023 über ucm.one / tonpool auf Blu-ray und DVD. Als Bonusmaterial ist der Trailer, eine Bildergalerie und eine Trailershow dabei. Momentan ist der Film auch im Programm von Paramount+ enthalten und kann weiterhin über diverse andere Streaming-Anbieter geliehen oder käuflich erworben werden.

Bildergalerie

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