Im Sequel zu „Captain Marvel“ ist Brie Larson als Heldin nicht mehr allein unterwegs. Als eine Kree-Schurkin instabile Portale in der Galaxis öffnet, muss Captain Marvel gezwungenermaßen mit Kamala Khan alias Ms. Marvel und Monica Rambeau agieren. Im unfreiwilligen Team-Up namens „The Marvels“ müssen die Schurkin die Stirn bieten und die Portale schließen, ehe Schlimmeres passiert.
Originaltitel: The Marvels__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Nia DaCosta__Darsteller: Brie Larson, Iman Vellani, Teyonah Parris, Samuel L. Jackson, Zawe Ashton, Park Seo-joon, Zenobia Shroff, Saagar Shaikh, Mohan Kapur, Jessica Zhou, Caroline Simonnet, Emily Ng, Kei Ichimura, Tessa Thompson, Lashana Lynch, Hailee Steinfeld u.a. |
Schon als ein Sequel zu „Captain Marvel“ angekündigt wurde, äußerte Hauptdarstellerin Brie Larson den Wunsch dort Ms. Marvel zur Seite gestellt zu bekommen. Nachdem diese 2022 mit einer Disney+-Serie eingeführt wurde, ist die Fortsetzung nun ein Team-Up namens „The Marvels“.
Seit den Geschehnissen des Erstlings sind gut 30 Jahre vergangen. Damals zerstörte Carol Danvers (Brie Larson) alias Captain Marvel die Supreme Intelligence, welche das außerirdische Eroberervolk der Kree regierte. Die Kree suchen nach Rache und einer Wiederherstellung ihrer Macht, angeführt von Dar-Benn (Zawe Ashton). Erlösung soll mal wieder ein mächtiges Artefakt bringen, in diesem Falle ein magisches Armband, dessen Gegenstück Kamala Khan (Iman Vellani) alias Ms. Marvel trägt, wenn sie eher klein skaliertes Superhelden-Business in New Jersey absolviert. Für die ultimative Macht benötigt man beide, weshalb Dar-Benn noch nicht ihr volles Potential entfalten kann, als sie ein Portal mit dem ihrem Armband öffnet. Das ist zwar nur etwas mehr als ein MacGuffin, spielt aber immerhin eine wichtige Rolle bei der Erklärung, wie das entrückte Marvel-Superman-Pendant aus dem Weltall und die nerdige Schülerin aus New Jersey zu einem Team werden.
Die Aktivierung des Portals sorgt nämlich dafür, dass Heldinnen mit lichtbasierten Fähigkeiten nun die Plätze tauschen, wenn sie ihre Superkräfte zeitgleich benutzen. Das betrifft nicht nur Carol und Kamala, sondern auch Carols Quasi-Nichte Monica Rambeau (Teyonah Parris). Diese kann Licht absorbieren und dadurch wahlweise durchlässig werden oder Energieblitze verschießen. Das ist alles etwas bemühtes Wissenschafts-Mumbojumbo, bei dem man die Drehbuchseiten rascheln hört, ist es doch sehr offensichtlich nur dazu, das Trio zu vereinen, das munter die Plätze tauscht, als Monica an einer Raumstation arbeitet, Carol die Kree in der Nähe des Portals attackiert und Kamala einfach nur mal ihre Kräfte in ihrem Zimmer ausprobiert.
Nach dem ersten Chaos können sich die drei Heldinnen einen Reim auf ihre Platztausche machen, mit Hilfe von Nick Fury (Samuel L. Jackson), der mittlerweile das Projekt S.A.B.E.R., eine Art S.H.I.E.L.D.-Nachfolger, leitet. Sie wollen Dar-Benn das Artefakt entreißen, müssen aber erst einmal lernen als Team zu funktionieren, das das Problem des Platztauschs beim Fähigkeiteneinsatz besteht…
Schaut euch den Trailer zu „The Marvels“ an
Dass Captain Marvel nicht die alleinige Hauptfigur von „The Marvels“ ist, ist vielleicht ein kluger Schritt. Als eine Art Superman des MCU, die durchs All fliegen kann, beinahe unverwundbar ist und ähnliche Kräfte im Gepäck hat, ist sie eine eher mäßig interessante Figur, der man auch nur ebenfalls außerirdische, ähnliche starke Schurken entgegensetzen kann. Vor allem das Treffen mit ihrem Superfan Kamala fällt dann recht witzig und charmant aus, was für beschwingte Momente sorgt. Das Wiedersehen mit Monica gestaltet sich dagegen weniger enthusiastisch, war Carol doch für rund 30 Jahre abwesend, in denen Monica ihre Mutter Maria (Lashana Lynch) verlor. Dieser Part fällt dagegen weniger überzeugend aus, da die angestrebte Dramatik nicht erreicht wird und Monicas Vergebung zwecks Team-Up relativ schnell kommt. Wenn man die Serien „WandaVision“, „Ms. Marvel“ und „Secret Invasion“ gesehen hat, polstert dies die Hintergrundgeschichte und die beiden neuen Hauptfiguren dann auch noch etwas besser aus, auch wenn „The Marvels“ auch ohne deren Kenntnis funktioniert, da man alle wichtigen Infos auch in diesem Film geliefert bekommt. Aber natürlich wirkt es besser, wenn man in „WandaVision“ sieht, wie Monica ihre Kräfte erhält, als wenn man es wie hier einfach kurz in einem Dialog gesagt bekommt.
Immerhin haben Brie Larson („Fast & Furious 10“), Iman Vellani („Avengers: Secret Wars“) und Teyonah Parris („Point Blank“) durchaus Chemie. Larson tut ihr Möglichstes, um Captain Marvel zu erden und ihr menschliche Züge zu geben. Vellani ist wie schon in „Ms. Marvel“ erfreulich authentisch besetzt als etwas pummeliges, aufgekratztes Teenie-Girl zwischen Superheldenträumen und Alltagsproblemen. Parris dagegen ist okay, fällt aber gegenüber ihren beiden Mitspielerinnen etwas ab und wirkt manchmal etwas gekünstelt. Samuel L. Jackson („Saw: Spiral“) lässt als Nick Fury mal wieder seinen Charme als cooler Motherfucker spielen, in Sachen MCU-Gastauftritte schauen Tessa Thompson („Creed III“), Hailee Steinfeld („Bumblebee“) und Lashana Lynch („The Woman King“) vorbei, ohne allzu großen Eindruck zu hinterlassen. Zawe Ashton („Blitz“) kann als Schurkin ebenfalls kaum Akzente setzen, während der koreanische Star Park Seo-joon („The Divine Fury“) in einer eher peinlichen Rolle als Regent eines Wasserplaneten auch nicht gerade Punkte sammelt.
Auf besagtem Wasserplaneten verständigen sich die Bewohner singend und tanzend, was ansatzweise witzig, letzten Endes aber doch reichlich albern ist. Zumal der Film nicht die Balance zwischen Witz und Ernst beherrscht, die James Gunn immer und Taika Waititi meistens drauf hat. Noch weniger als Waititis „Thor: Love and Thunder“ bekommt auch „The Marvels“ den Spagat nicht auf die Kette. Viele Witzeleien sind kindisch und stehen dann neben ernst gemeinten, eigentlich sehr lobenswerten Plotsträngen, die sich mit Captain Marvel und ihrer Verantwortung beschäftigen. So muss sie in einer Szene entscheiden, dass Skrull-Zivilisten draufgehen, damit deren Mit-Aliens überleben können, und einsehen, dass sie durch ihren Sieg über die Supreme Intelligence die Kree ins Unglück gestürzt und ihre Widersacherin Dar-Benn erst erschaffen hat. Die gehört trotz nachvollziehbarer Motivation zu den schwächsten MCU-Bösewichten, da sie einfach kaum mehr tut als böse gucken, ein paar kalte Sprüche ablassen und ihren sehr generischen Plan durchzuführen, bei denen sie anderen Planeten via Portal die Ressourcen klaut, um ihren Heimatplaneten aufleben zu lassen. So macht der Film wenig aus der Tatsache, dass Captain Marvel nicht ganz zu Unrecht als Vernichterin in die Geschichte der Kree einging.
Sehr durchwachsen sieht es auch im Actionbereich aus. Ziemlich schmissig kommt das erste große Set-Piece daher, indem Carol, Kamala und Monica unwissend die Plätze tauschen und es so sowohl wechselnd in der Kree-Basis, der S.A.B.E.R.-Raumstation und dem Eigenheim der Khans auf die Mütze gibt, wenn die Kree teilweise gleich mit teleportiert werden. Auch die Choreographien hier sind ziemlich stark, was bei den späteren Actionszenen abnimmt. Zunehmend steckt das entrückte Rumfliegen und Verschießen von Lichtblitzen an, die Nahkampfparts erhalten immer weniger Aufmerksamkeit, sodass der Film leider wenig daraus macht, dass die drei Heldinnen in späteren Fights bewusst die Positionen switchen. Der Showdown gegen Dar-Benn erweist sich dann auch als ziemlicher Downer, da er schnell vorbei und begrenzt aufregend ist.
Ansonsten sind Ausstattung und Design des Films ganz hübsch, wenn auch reichlich generisch – da machten die Welten aus den direkten MCU-Vorgängern „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ und „Guardians of the Galaxy 3“ optisch merklich mehr her. Effekttechnisch geht „The Marvels“ in Ordnung, nur ein, zwei Einlagen (z.B. die Einlage, wenn Monica die vom Himmel fallende Kamala retten will) sehen etwas suboptimal aus. Die Flerken-Katze Goose hat als spaßiger Sidekick mal wieder einige der besten Szenen, gerade gegen Ende (sogar noch unterlegt mit der Musik aus dem Musical „Cats“). Ganz putzig ist auch die Involvierung von Kamalas Familie als weitere Comedic Sidekicks, was überraschend gut funktioniert. Aber es bleiben nette Einzelideen in einem vollkommen generischen Plot, der auch die Bedrohung durch die Schurkin noch nicht mal dann etablieren kann, wenn am Ende die Erde in Gefahr ist. Für die Alienvölker, die bei ihren früheren Taten leiden, kann „The Marvels“ dann auch nicht so viel Empathie generieren wie intendiert.
So bleibt der Film von Nia DaCosta („Candyman“) ein Sammelsurium aus Einzelaspekten, mal albern komödiantisch, mal nachdenklich ernst, die nie zu einem großen Ganzen zusammenkommen, verpackt in einen 08/15-Plot, der seine Fallhöhe nie vermitteln kann. Eine austauschbare Schurkin und einige schlappe Actionszenen kommen hinzu. Immerhin überzeugt das Zusammenspiel der drei Hauptakteurinnen von „The Marvels“, das erste große Set-Piece macht echt Laune und es gibt immer wieder gute Einzelmomente, aber das wertet das Endergebnis nur teilweise auf. Dass „The Marvels“ merklich teurer war als der deutlich längere und wesentlich phantasievoller gestaltete „Guardians of the Galaxy 3“ hinterlässt am Ende doch ein Stirnrunzeln.
Walt Disney bringt „The Marvels“ am 8. November 2023 in die deutschen Kinos, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Walt Disney__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 8.11.2023 in den deutschen Kinos |