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Die dunkle Saat

Mit dem Creature Feature „Die dunkle Saat“ verfilmt David Slade den Roman „Dark Harvest“. Angesiedelt in den 1960ern geht es um ein jährliches Ritual in einer Kleinstadt im mittleren Westen, bei dem die jungen Männer des Ortes eine Kreatur namens Sawtooth Jack zur Strecke bringen müssen. Auch Richie gehört dazu, der seinem Bruder, dem Vorjahressieger der Jagd, nacheifern will, aber das Grauen nun hautnah erlebt.

Originaltitel: Dark Harvest__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: David Slade__Darsteller: Casey Likes, Emyri Crutchfield, Dustin Ceithamer, Alejandro Akara, Ezra Buzzington, Jeremy Davies, Elizabeth Reaser, Luke Kirby, Austin Autry, Megan Best, Jake Brennan, Britain Dalton, Steven McCarthy, Mark Boone Junior u.a.
Die dunkle Saat

Mit dem Creature Feature “Die dunkle Saat” verfilmt David Slade den Roman “Dark Harvest”

Mit „Hard Candy“, „30 Days of Night“ und „Eclipse“ reüssierte Regisseur David Slade eigentlich relativ erfolgreich im Filmbereich, arbeitete danach über zehn Jahre quasi nur für TV-Serien, ehe er sich mit „Die dunkle Saat“ zurückmeldete, der allerdings als Streamingfilm für Amazon an den Start ging.

Die Verfilmung des Romans von Norman Partridge nutzt den Opener, um kurz die Hintergrundgeschichte zu erklären. Es ist das Jahr 1962 und wie jeden Oktober findet in einer Kleinstadt im mittleren Westen der USA ein Ritual statt, bei dem die männlichen Teenager des Ortes Jagd auf eine Kreatur namens Sawtooth Jack macht. Der dezimiert die Kleinstadtjugend dabei zwar, doch sollte er vor Mitternacht die Kirche im Ortskern erreichen, sind Missernten und dementsprechend Hunger angesagt. Also setzen die Jungs alles daran Sawtooth Jack vorher zu erlegen und seine Innereien aus Süßigkeiten zu verspeisen. Demjenigen, der dem Säbelzahn-Jeck den Todesstoß verpasst, winkt zudem eine besondere Belohnung: Ein Haus im besseren Teil der Stadt für die Familie, ein nagelneues Auto, um die Welt zu erkunden, für den jungen Mann. Dieses Jahr gebührt Jim Shepard (Britain Dalton) die Ehre, der wie seine Vorgänger von den Einwohnern große Verehrung erfährt und seinem Vater Dan (Jeremy Davies), seiner Mutter Donna (Elizabeth Reaser) und seinem Bruder Richie (Casey Likes) ein besseres Leben ermöglicht.

Ein Jahr später: Richie fühlt sich im Schatten seines großen Bruders, ist aber eigentlich von der gefährlichen Jagd ausgenommen, weil die Familie bereits einen Sieger stellt. Mit seinen Kumpels hat er eine Greaser-Gang im Stile von „The Outsiders“, „The Wanderers“ oder eben „Grease“, zofft sich mit arroganten Rich Kids und bandelt zart mit der Kinokassiererin Kelly Haines (Emyri Crutchfield) an, die als Zugezogene und Schwarze gleich doppelten Außenseiterstatus hat. Richie ist einer jener gequälten Rebellen in James-Dean-Tradition, die zwar ruppig und aufsässig sind, aber damit vor allem den eigenen Schmerz kompensieren, in diesem Falle die Abwesenheit des verehrten großen Bruders, der nur gelegentlich Postkarten oder Briefe schickt.

Also will Richie sein Idol beerben und schleicht sich in der Nacht der Jagd heraus, gegen den Willen seiner Eltern. Gemeinsam mit seinen Kumpels ist er als erster am Maisfeld, muss aber schnell erkennen, dass Sawtooth Jack kein Pappenstiel ist. Und das ist erst der Anfang der Horrornacht…

Schaut euch den Trailer zu „Die dunkle Saat“ an

„Die dunkle Saat“ ist eine inszenatorische Modernisierung von klassischen Horrortopoi. Die abgeschottete Gemeinschaft mit ihren eigenen Regeln erinnert an „The Village“, vielleicht auch an „The Wicker Man“, die Kulisse des Maisfeldes an Stephen King im Allgemeinen und dessen „Kinder des Zorns“ im Speziellen, während der kürbisköpfige Sawtooth Jack ein naher Verwandter der titelgebenden Kreatur aus „Pumpkinhead“ sein könnte. Auch sonst ist vieles Standard, darunter die ahnungslosen Teenager und die abgeklärten Erwachsenen, welche die Spielregeln erklären, vielleicht sogar machen. Denn man ahnt, dass mehr hinter dem Ritual steckt, der zentrale Clou zeichnet sich bald ab und ist für Genreerfahrene ganz gut zu durchschauen, sodass die Enthüllung im letzten Drittel nicht allzu überraschend ist – im Gegensatz zum Ende, das ein bisschen anders als erwartet abläuft. Allerdings lässt die Hintergrundgeschichte, die nie ganz aufgedröselt wird, einige Fragen offen und bringt die Logik in arge Bedrängnis. *SPOILER* Vor allem die Abschottung der Stadt ist etwas seltsam: Kommt nie jemand weg? Wenn ja, wie kommt man an Zugezogene wie Kelly? Hat nie jemand Verdacht geschöpft, wenn kein einziger Sieger je zurückkehrte, aber nie jemand anders den Ort verließ? *SPOILER* Auch die Frage danach, wie es überhaupt zu dem Sawtooth-Jack-Ritual kam, wird nie geklärt, ist aber wohl auch nicht so wichtig für den Film. Ebenso fraglich ist, ob man die Jugendlichen vor der Jagd wirklich hungern lassen muss, denn daraufhin giert es den Nachwuchs nicht nur nach den Süßigkeiten innerhalb von Sawtooth Jack, sondern nach Essen jeder Art, wofür sie auch gerne mal einander oder andere Einwohner des Städtchens umnieten. Warum die Jugendlichen sich für die Jagd maskieren und Schusswaffen dabei tabu sind, wird auch nie geklärt, sorgt aber für coole Kostümierungen und mehr Hackepeter.

All diese offenen Fragen und Logikschwächen sind allerdings weniger problematisch als die relativ egalen Nebenfiguren. Richie erhält zwar Charaktertiefe, bei Kelly und den Eltern Shephard ist diese in geringerem Maße auch vorhanden, der Rest dagegen ist im puren Klischee erstarrt. Der Polizist Jerry Ricks (Luke Kirby) ist ein hinterhältiger Griesgram, der die Fäden zieht und dafür sorgt, dass die Jagd nach Plan verläuft, die Jugendlichen entweder Bullys, namenloses Schlachtvieh oder Richies Crew, von denen der größte Teil allerdings bereits bei der ersten Begegnung mit Sawtooth Jack das Zeitliche segnet. So gibt es halt viel egales Kanonenfutter in diesem Film, was dem Ganzen ein wenig die Fallhöhe nimmt, sodass „Die dunkle Saat“ nur hin und wieder Nachhall erzeugen kann, etwa bei mancher dramatischer Entwicklung im finalen Drittel.

Das ist alles schade, gerade angesichts der Tatsache, dass Drehbuchautor Michael Gilio auch an dem sehr gewitzten „Dungeons & Dragons – Ehre unter Dieben“ mitschrieb. Immerhin inszeniert David Slade das Ganze weitestgehend effektiv, gerade nachdem die etwas zu lange Exposition abgehakt ist. Mancher Kill leidet zwar unter extremer Dunkelheit und Hakelschnitt, sodass man gerade bei den Opfern im Maisfeld nur so semi mitbekommt, wen es gerade wie erwischt hat. Ansonsten hat das Wüten von Sawtooth Jack Schmackes, zumal die Kreatur kein Kind von Traurigkeit ist, wenn sie ihre Opfer zerteilt oder ihre Köpfe zerreißt. Sowieso: Sawtooth Jack ist ein stark designtes Ungetüm, das durch liebevolle Handarbeit mit Make-Up und Prosthetics zum Leben erweckt wird. Gekillt wird viel, eben nicht nur von dem Biest, womit Slade die dichte Atmosphäre eine Horrornacht erzeugt und gut rüberbringt, warum die Bewohner sich entweder einschließen oder ihre Geschäfte zur Not mit der Schrotflinte vor marodierenden Jugendlichen verteidigen. Dazu findet Slade immer wieder starke Bilder, etwa wenn Figuren durchs Maisfeld vor Sawtooth Jack fliehen oder die Kreatur vor einer Feuersbrunst losschreitet und dadurch ganz besonders bedrohlich erscheint.

Sawtooth Jack ist daher auch mehr oder weniger der Star der Show. Wenn er mal nicht im Bilde ist, kann Casey Likes („Alles muss raus“) den Film aber durchaus stemmen als Teenager auf der Suche nach Antworten, der sich mit den Regeln seiner Gemeinschaft nicht mehr zufriedengeben will. Emyri Crutchfield („Vacation“) als weitere Rebellin, die trotz ihres Geschlechts heimlich an der Jagd teilnimmt, ist ebenfalls ganz gut, während unter den Nebendarstellern eigentlich nur Jeremy Davies („The Black Phone“) als gequälter Vater und Luke Kirby („Glass“) als fieser Cop noch Akzente setzen. Der Rest ist kaum der Rede wert, allenfalls die kleine Cameo-Rolle von Mark Boone Junior („Sons of Anarchy“), die ihn allerdings nicht groß fordert.

„Die dunkle Saat“ ist ein solides Creature Feature, das vor allem durch einen stark designten Sawtooth Jack und eine dichte Atmosphäre zu überzeugen weiß. Slades Film ist schick anzusehen, leistet sich nur bei manchen verschnittenen Kills inszenatorische Faux Pas, hätte aber ein etwas besseres Drumherum zum Sawtooth-Jack-Rambazamba benötigt. Die Hintergrundgeschichte ist teilweise vorsehbar, teilweise unzureichend ausgestaltet, außerdem fehlt es an gut entwickelten Figuren abseits des Protagonisten, sodass das zahlreiche Sterben das Publikum etwas kalt lässt. Ein ganz guter Horrorfilm, aber es hätte ein richtig starker werden können.

„Die dunkle Saat“ ist eine reine Streamingproduktion, die lediglich bei Amazon abrufbar ist. Im Gegensatz zu anderen Amazon-Streaming-Premieren (wie z.B. „The Tomorrow War“ oder „Totally Killer“) wurde diese hier nicht der FSK zur Begutachtung vorlegt.

© Nils Bothmann (McClane)

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