Originaltitel: Kick-Ass__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2010__Regie: Matthew Vaughn__Darsteller: Aaron Johnson, Nicolas Cage, Chloe Moretz, Mark Strong, Christopher Mintz-Plasse, Lyndsy Fonseca, Tamer Hassan, Xander Berkeley u.a. |
Dave ist weder ein Loser noch der große Schulheld. Wie er selbst sagt, ist er da. Nicht mehr, nicht weniger. Doch irgendwie muss es ihm doch möglich sein, seiner relativ egalen Existenz etwas Leben einzuhauchen, oder etwa nicht? Als großer Comicfan beschließt er, dass für ihn nur ein Ausweg bleibt: Er muss ein Superheld werden. Er hat zwar keine Superkräfte, aber ein wenig Training wird es schon reißen. Glaubt er. Und so bestellt er sich bei Ebay einen modischen grünen Strampelanzug und patrouilliert fortan durch die Straßen „seiner“ Stadt. Doch sein erster Einsatz geht komplett schief und er wird beinahe mittels Messerstich getötet. Ein zweiter Einsatz läuft glimpflicher ab. Zwar bekommt David so gut wie alle Knochen gebrochen, aber er obsiegt dennoch gegen eine Straßengang. Dies wird zudem von einer Handvoll Jugendlicher mit dem Handy gefilmt. Natürlich anstelle die Polizei zu rufen.
Doch das Ganze hat dennoch etwas Gutes. Daves hehrer Einsatz endet auf Youtube und macht ihn, der sich fortan Kick-Ass nennt, zum umjubelten Sozialcouragehelden. Eines Abends kreuzen sich Kick-Ass’ Wege mit denen zweier gnadenloser Vigilanten: Hit Girl und Big Daddy, die unterwegs sind, den Verbrecherboss der Stadt zu töten, hat dieser doch Frau/Mutter der beiden auf dem Gewissen. Davon weiß dieser ruchlose Badass gar nichts. Deshalb ist für ihn auch Kick-Ass die eigentliche Bedrohung, scheint dieser doch seine Männer reihum auszuschalten. Dass diese allesamt auf Hit Girls und Big Daddys Konto gehen, ahnt er nicht. So werden die Schicksale aller drei Parteien eng mit einander verknüpft und klären sich erst in einem Finale Furioso …
Sickening Violence: Just the Way you like it!
Kick Ass ist innerhalb kurzer Zeit bereits die zweite filmische Umsetzung einer Comicvorlage des schottischen Comicquerdenkers Mark Millar. Vergleicht man beide Filme, fällt schnell auf, dass sich „Kick-Ass“ von Matthew Vaughn vor allem dadurch auszeichnet, dass er unwahrscheinlich nah an der Geschichte von Millar dranbleibt und im Gegensatz zu Timur Bekmambetovs „Wanted“ kein eigenes „Universum“ mit eigener Story entworfen hat. Das geht soweit, dass Vaughn einzelne Panels 1:1 aus dem Comic in seinen Film umsetzt und den größten Teil der Dialoge wortwörtlich übernimmt. Dennoch ist sein Film kein bloßes Reimaging der Comicvorlage, denn Vaughn geht in diversen Punkten auch eigene Wege.
httpv://www.youtube.com/watch?v=8EeGVv2HyTQ
So ist den Bösewichten im „Kick-Ass“ Comic von Anbeginn an klar, dass die eigentliche Bedrohung von Big Daddy und Hit Girl ausgeht und Kick-Ass eher ein gelangweilter Loser ist, der im Grunde nichts auf die Reihe bekommt. Im Film schaut das anders aus. Hier ist Kick-Ass bis kurz vor Schluss der eigentliche Dorn im Fleisch der Gangster. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Vaughn der Hauptfigur Dave für dessen Verwandlung in „Kick-Ass“ hehrere Motive als pure Langeweile zugesteht. Vaughns „Kick-Ass“ hat eindeutig das Ziel, die Gesellschaft zu lehren, mehr Verantwortung zu übernehmen, nicht wegzusehen und der Gleichgültigkeit gegenüber tätlichen Angriffen/Überfällen/Streitigkeiten ein Ende zu setzen. Das macht den Filmcharakter „Kick-Ass“ um einiges sympathischer als den doch recht Ichbezogenen Comiccharakter.
Aufgrund dieser Verschiebung der Charakterzeichnung der Hauptfigur (die beispielsweise auch erklärt, wieso Kick-Ass soviel Prügel aushält) kann es sich Vaughn auch erlauben, das ziemlich giftige Ende der Comicvorlage zugunsten seines Helden deutlich abzumildern. Und auch wenn Puristen hier jammern werden, es macht aufgrund der Änderungen Vaughns absolut Sinn. Vor allem da die Änderungen für den Film und die Involvierung des Zuschauers enorm wichtig sind, denn dem reinen Comiccharakter aus Millars Vorlage fast zwei Stunden die Daumen zu halten, wäre vermutlich schwer geworden, denn dieser ist alles andere als wirklich sympathisch. Hinsichtlich der Figuren hält sich Vaughn ansonsten extrem an die Vorlage. Manche Darsteller wirken im Film wie aus dem Comic entsprungen. Ok, ausgerechnet die Hauptfigur hat so gar keine optische Ähnlichkeit mit ihrer Vorlage. Aber, geschenkt.
Eine weitere massive Abänderung findet man bei Big Daddy. Dieser ist im Comic ein riesiger Schrank, der sich einfach nur ein Tuch vors Gesicht gebunden hat, um nicht erkannt zu werden. Im Film wird er von Nicoals Cage („Stolen“) gegeben, der aus dem irre coolen, sehr schweigsamen Big Daddy einen fast schon typischen Cagecharakter bastelt. Inklusive eines leider sehr überzogenen Kostüms, das extrem an Batman erinnert und dem Film leider ein zwei unfreiwillig komische Momente beschert. Ob dies einfach ein Zugeständnis an den riesigen Comicfan Cage war, auch mal in ein echtes Superheldenkostüm schlüpfen zu dürfen, oder ob hier satirische Bemühungen ausschlaggebend waren, kann ich persönlich nur mutmaßen. Wirklich gebraucht hätte es diese Einlage nicht.
Von diesen Änderungen abgesehen, bleibt man wie erwähnt unglaublich nah an der Vorlage und präsentiert so eine weitere Demontage des Superheldengenres, die in ihrer Grundidee – ganz normale Menschen machen auf Superheld, weil sich sonst keiner um die Bösen kümmert – stark an „Watchmen“ erinnert. Zwar geht Millar die Feinsinnigkeit eines Alan Moore weitgehend ab, aber auf seine Weise haut auch Millar eine geniale These und Idee nach der anderen raus. So sind für ihn Helden einfach nur Idioten, die sich um etwas kümmern, was sonst keinen juckt. Dafür bekommen sie Elektroden an die Eier gepappt, werden verprügelt, erschossen und verstümmelt und danken will ihnen auch keiner. Das mit dem Heldenleben kurze Prominenz verbunden ist, blendet er nicht aus, freilich nur, um auch diese Hochphasen zu pervertieren, indem sich irgendwann alle Fans gegen die Helden stellen.
All das transportiert Matthew Vaughn in seiner Adaption vortrefflich, garniert mit grandiosem Humor, einem hervorragend lakonischen Einstieg (den er wirklich 1:1 aus der Vorlage übernommen hat) und einer irren Achterbahnfahrt der Gefühle, bei der einem häufiger das Lachen im Halse stecken bleibt. Denn wenn Dave gerade noch an diversen Teenagerproblemen laboriert, nur um im nächsten Moment alle Zähne ausgeschlagen zu bekommen, sind die Stimmungswechsel wahrlich enorm. Und vor allem die Gewaltexplosionen haben teils extrem beklemmende Dimensionen. Mal erinnern sie an First Person Shooter und werden auch genauso inszeniert, was diverse, herzhaft splatternde Folgen hat, mal sind sie so grausam real, dass es dem Zuschauer selbst beginnt, weh zu tun.
Daraus bezieht der Film eine eigenartige Grundstimmung, bei der man wirklich nie so recht weiß, ob man nun lachen darf, wenn da Onscreen ein kleines Mädchen mehrmals von seinem Vater als Ziel für Schussübungen missbraucht wird. Schwärzer und zynischer war dahingehend dieses Jahr noch kein Film. Und auch das trifft die Vorlage von Mark Millar PUNKTGENAU! Millars Vorlage ist Anarchie, Punk, Brutalität, Zynismus, Sarkasmus und Hinterfotzigkeit pur. Der Film „Kick-Ass“ ist es ebenso … etwas milder freilich, dennoch herb genug …
Darstellerisch kann sich Vaughn auf sein Ensemble absolut verlassen. Nicolas Cage hat sich zwar die Figur des Big Daddys sehr zurechtgebogen, wirkt aber durchweg hoch motiviert und entwirft seine ganz eigene Version des Charakters, die diverse typische Cagemomente transportiert, dennoch aber auch berührt und einen erstaunlich menschlichen Scharfrichter entwirft. Aaron Johnson als Kick-Ass / Dave wird von vielen sicherlich als Schwachpunkt empfunden werden. Er wird vielen zu blass und zu harmlos wirken, vielleicht sogar nichtssagend. Und genau deshalb ist er absolut genau die richtige Wahl für den Film gewesen, denn Dave ist eine Null. Oder wie er es selbst sagt: “Wie die meisten in meinem Alter war ich einfach nur da”. Und das transportiert Aaron Johnson meines Erachtens hervorragend und er spielt seine Rolle so, dass die Änderungen an seinem Charakter durchweg glaubwürdig erscheinen und er als Bindeglied zum Zuschauer sehr gut funktioniert. Mark Strong mausert sich in letzter Zeit immer mehr zu einer Allzweckwaffe Hollywoods. Als Badass in „Kick-Ass“ macht er einen sehr soliden Job, der seine gelangweilte Performance in „Sherlock Holmes“ locker wieder wettmacht. Vor allem die Momente schierer Hilflosigkeit ob des Ausdünnens seiner „Angestellten“ bringt er so glaubhaft rüber, dass man fast Mitleid mit seinem Charakter bekommt.
Ein vollkommener Griff in die Tonne ist Christopher Mintz-Plasse als Red Mist / Sohn vom Badass. Im Comic ist diese Figur rotzencool, knochentrocken und eben KEIN verzogener Bengel. Im Film mutiert er dank seines Darstellers zu einer ziemlichen Lachnummer, denn wenn Christopher Mintz-Plasse eines nicht ist, dann cool! Der absolute Hammer dagegen ist Chloe Moretz als Hit Girl. Die Kleine hat Szenen zugeschanzt bekommen, die in ein paar Jahren absoluten Kultcharakter innehaben werden. Wie die Kleine diese schwierige Rolle meistert, ist einfach nur unglaublich. Verspieltes Kind auf der einen, megaharte und gnadenlose Vigilantin auf der anderen Seite. Und beides nimmt man ihr zu jedem Zeitpunkt ab. Zudem sorgt sie für einige sehr verstörende Momente, denn es ist einfach ungewohnt, zu sehen, wie junge Mädchen auf der großen Leinwand verprügelt, angeschossen und aus Fenstern gestoßen werden. Noch eigenartiger wirkt es, wenn genau dieses Mädchen in ihren actionreicheren Auftritten die Leinwand blutrot einfärbt. Denn auch wenn die grandios choreographierte und irre brutale Action im Vergleich zu den Splatterszenarien im Comic deutlich abgemildert wurde, ist es eben immer noch ein Kind, das sich da beherzt durch die Horden von Bösewichtern metzelt und dabei Oneliner ablässt wie weiland Arnold Schwarzenegger in seinen besten Zeiten.
Das alles inszeniert Matthew Vaughn mit grandioser Stilsicherheit. Vorwiegend in düstere Farbwelten getaucht, wird alles an modernen Stilmitteln aufgefahren, was man so kennt. Vor allem die Action wird dabei so hochenergetisch und rasant inszeniert, dass man vor allem beim Showdown fast versucht ist, selbigen Matrixqualitäten anzuerkennen. Absolut genial, mit irren Ideen und absolut krankem Humor! Doch Vaughn ist sich auch der Vorlage bewusst. So lässt er die traurige Geschichte hinter Big Daddys und Hit Girls Rächerbackground in einer grandios animierten Zeichentricksequenz ablaufen und obendrein beweist er geradezu Quentin Tarantinoeske Genialität bei der Zusammenstellung des grandiosen Soundtracks, der so manch harsche Szene nachträglich entschärft – und ihr häufig extraschrägen Humor einimpft.
Was bleibt ist eine Comicverfilmung, die dem Geist der Vorlage immer treu bleibt, sie ab und an sogar 1:1 ins filmische Metier umsetzt. Mit Verve, Witz und Tempo entwirft Vaughn eine ganz eigene Superheldenmär, die beim Aufbrechen der Superheldenklischees nicht so intelligent sein will wie „Watchmen“, aber dennoch durchweg zu überzeugen vermag. Diverse Abweichungen von der Vorlage mögen manchem Fan aufstoßen, wirken aber durchweg stimmig und kommen der filmischen Umsetzung extrem entgegen. Diese punktet mit einem krassen Mix aus Hardboiled Action, dem Unterwandern diverser Erwartungen des Zuschauers, starken Darstellern, einem ordentlichen Spannungsbogen, extrem finsterem Humor und ordentlichem Drive. Man könnte auch sagen: Dieser Film kickt Ärsche … und zwar richtig!
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film kommt von Universal Pictures und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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