Als seine Tochter in Mexiko entführt wird, will Ex-Marine Jason Patric das Mädchen zurückholen und gerät dabei ins Visier der Kartelle. Sein alter Kamerad Cam Gigandet steht ihm in „Shrapnel“ unter der Regie von William Kaufman gegen die Gangster bei.
Originaltitel: Shrapnel__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: William Kaufman__Darsteller: Jason Patric, Cam Gigandet, Mauricio Mendoza, Guillermo Iván, Kesia Elwin, Teresa Decher, Emily Perry, Efrain Villa, Tamas Nadas, Megan Elisabeth Kelly, Vincent E. McDaniel, JT Tomangi, Tasos Hernandez, David DeLao, Jack Forcinito u.a. |
Cam Gigandet und Jason Patric pendeln mittlerweile beide zwischen B-Movies und Nebenrollen in Hollywoodfilmen, ersteres absolvieren sie manchmal auch im Verbund, dieses Jahr beispielsweise sowohl in „Til Death Do Us Part“ und in „Shrapnel“, letzterer vom versierten Actionregisseur William Kaufman („Warhorse One“).
„Shrapnel“ steigt relativ zackig in seine Geschichte ein. Der Ex-Marine Sean Beckwith (Jason Patric) sucht in Mexiko einen Abschlepphof der Polizei ab, findet ein bestimmtes Auto, holt zwei Cops. Als er wiederkommt, ist das Fahrzeug weg, das Auto seiner Tochter, deren letzte Sprachnachricht den Film eröffnet: Sie sei in Mexiko und habe etwas falsch gemacht. Die Beamten versuchen Sean zu überzeugen, dass er sich geirrt hat, dass das Auto gar nicht dagewesen sei, zumal er ja unbefugt eingedrungen ist. Es könnte der Beginn eines Paranoiathrillers sein, hat Sean doch noch nur eine aus dem Kofferraum entwendete Sonnenbrille als Beweis, dass der Wagen tatsächlich da war. Doch Unsicherheiten sind selten Sache des B-Actiongenres, daher geht es eher darum, dass Sean hier keine Hilfe erwarten kann, dass die Polizisten offensichtlich auf der Lohnliste der Kartelle stehen, die jenseits der Grenze herrschen.
Während Seans alter Kamerad Max Vohden (Cam Gigandet) direkt an eigenmächtige Zeugenbefragungen mittels Waterboarding und ähnlicher Scherze in Mexiko denkt, geht der Familienvater den offiziellen Weg, beißt sich doch die Zähne aus. Die US-Behörden sind machtlos und ohne Befugnis, die mexikanischen Polizisten angesichts der Skrupellosigkeit der Kartelle hilflos und/oder korrupt. „Shrapnel“ versucht kein einseitiges Bild der Mexikaner zu zeichnen, etabliert die Kartelle als Staat im Staate, vor dem die Ordnungshüter kapitulieren („Better a bribe than a bullet“ fasst ein US-Gesetzeshüter die Mentalität der dortigen Kollegen zusammen). Das hat man alles schon in den Nachrichten, in Dokumentationen wie „Cartel Land“ oder Filmen wie „Sicario“ gesehen, es trägt aber zur Glaubwürdigkeit der geerdeten Kaufman-Action bei.
Als sich Sean bei der Suche nach seiner Tochter und deren ebenfalls entführter Freundin an das Fernsehen wendet und die Kidnapper direkt adressiert, sieht Kartellchef Victor Garza (Mauricio Mendoza) dies als Provokation. Als Machtbeweis sollten seine Schergen Sean umbringen…
Schaut euch den Trailer zu „Shrapnel“ an
„Shrapnel“ wirkt so, als habe man kein Drehbuch, sondern einfach nur ein Treatment verfilmt. Was die entführte Leigh (Teresa Decher) überhaupt in Mexiko wollte, was Victor mit seinen „Geschenken“ vorhat, all das wird gar nicht erst erklärt. Ebenso spartanisch sind die Dialoge gehalten, Informationen über Schurken wie Helden sind Mangelware. So etablieren die komplett actionfreien ersten 30 Minuten zwar eine staubige, trostlose Atmosphäre, käuen aber nur Klischees wieder. Der Vater beißt bei den offiziellen Stellen auf Granit, die Schurken stellen ihre Skrupellosigkeit unter Beweis, wenn sie einen der beiden Cops, der ihnen die Entführungsopfer als Präsent brachte, eiskalt exekutieren und dem anderen eine Strafaufgabe (Informationsbeschaffung über Sean) aufbrummen. Die Figuren bleiben daher selbst für B-Actionverhältnisse arg oberflächlich in dem Script von Kaufman-Regular Chad Law („Jarhead 3“) und Johnny Walters („Beyond the Law“).
Das zweite Drittel besteht dann eigentlich aus einer einzigen (Action-)Szene, dem Angriff auf die Farm der Beckwiths. Die Kartellkiller bereiten alles vor, unterbrechen jedwede Form von Kommunikation und gehen unter der Führung von Victors Bruder Carlos (Guillermo Iván) mit militärischer Präzision vor. Ein uramerikanisches Szenario, die Belagerung der Blockhütte durch Angreifer, imaginiert als bleihaltiger Neowestern. Kaufman versucht das Unrealistische realistisch zu verkaufen, wenn Sean ohne Vorbereitung, mit dem heimischen Arsenal bewaffnet, vier Wagenladungen Sicarios in Schach hält. Taktisch gehen beide Seiten vor, beharken sich aus Türrahmen und Fenstern. Sean stellt Fallen, Carlos schickt die Entbehrlichen an vorderster Front los. Das wirkt bisweilen etwas über Gebühr ausgespielt, funktioniert aber überraschend gut und ist verhältnismäßig spannend, wenn die Konfliktparteien sich belauern und beharken, wobei Kaufman seine gewohnt realistischen Schießereien überzeugend inszeniert. Überraschend gelungen für das Budget ist dabei der Effekt, wenn Sean einem Sicario die halbe Rübe wegballert.
Das letzte Drittel ist dann die anschließende, eigentlich seit Filmbeginn erwartete Rettungsmission, bei der in erster Linie Sean und Max die Hacienda des Schurken stürmen. Das ist in Sachen Action weniger aufregend inszeniert, wenn die beiden Heroen hauptsächlich überraschte Schurken über den Haufen knallen, deren Gegenwehr gering ist. Hand-to-Hand-Combat kommt quasi gar nicht vor, in „Shrapnel“ wird fast ausschließlich geschossen. Die gesichtslosen Schergen sind auch vergleichsweise schnell Geschichte, der Gangsterboss wehrt sich so gut wie gar nicht und kriegt von Sean dafür die Fresse demoliert. Eine überraschend einfach Befreiungsaufgabe, gerade wenn man an Liam-Neeson-Hit „Taken“ denkt, der hier wohl zumindest eine leichte Inspiration gewesen sein dürfte, geht es in beiden Filmen doch um einen Vater, der die entführte Tochter nebst bester Freundin aus der Gewalt von Menschenhändlern boxen will – ein Vergleich, den „Shrapnel“ leider nur verlieren kann, gerade im Abschlussdrittel.
Zudem mag Jason Patric („Big Kill“) kein Liam Neeson sein, macht sich aber doch recht gut als kampfstarker Vater zwischen Sorge und Entschlossenheit. Er legt die Rolle nicht eindimensional an, sondern als jemanden, der es wirklich erst über die offiziellen Kanäle versuchen will, der unter den Vorwürfen seiner zweiten Tochter ebenso leidet wie den Einfühlungsversuchen seiner Ehefrau, hat er doch das Gefühl als Beschützer versagt zu haben. Wesentlicher flacher in Rolle und Darstellung ist dagegen Cam Gigandet („Violent Night“) als hemdsärmelige Tötungsmaschine, zweckmäßig wie austauschbar verkörpert. Mauricio Mendoza („Seized“) und Guillermo Iván („As Good As Dead“) können ihre Klischeeschurken immerhin mit Charisma verkörpern und das Drehbuch leicht aufwerten, der Rest dagegen bleibt blass, auch die Darstellerinnen der restlichen Beckwiths, was dann wieder eine Schwäche des Films ist.
So bleibt „Shrapnel“ ein handlungsarmes B-Action-Einerlei, dessen Herzstück immerhin das Können von Regisseur William Kaufman zeigen darf, wenn eine Belagerungssituation in der Mitte für spannende Baller-Action sorgt. Der Rest ist pures Klischee, das letzte Drittel auch actionseitig enttäuschend flach, da hilft auch keine Neo-Western-Atmosphäre. In der Gesamtschau pure Mittelmäßigkeit, bei der kaum etwas hängen bleibt.
„Shrapnel“ kommt in Deutschland von Tiberius auf DVD und Blu-Ray, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. Als Bonusmaterial gibt es Trailer.
© Nils Bothmann (McClane)
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