Die Philippinen gelten als eines der ersten asiatischen Länder, das eigene Filme für das kinoverrückte Publikum produzierte. In den 1950er-Jahren entstanden hier bis zu 350 Filme pro Jahr. Diese Zahl nahm danach zwar stetig ab, doch noch 30 Jahre später drehten philippinische Filmemacher um die 200 Streifen pro Jahr. Es gab also immer eine filmische Infrastruktur und ausgebildetes Personal vor Ort. Das nutzten findige Produzenten wie Roger Corman aus und ließen hier vor allem in den 1980er-Jahren billige Action- und Horrorfilme für den stark wachsenden Heimvideo-Markt in Serie produzieren.
Doch auch ohne amerikanische Unterstützung produzierten die Filipinos fleißig ihre Filme. Von denen fand vor allem Genre-Ware Abnehmer im Ausland. Ein Cirio H. Santiago, der häufiger für Corman tätig wurde, wusste das ebenso wie der Mann, um den es in diesem Portrait gehen soll: Teddy Page.
Teddy Page! Who? Teddy Chiu, Teddy Chuck, Ted Johnson …
Teddy Page ist eine Art Phantom der Filmwelt. Es geistern nur wenige Fotos von ihm durch das Netz. Die wenigen, die man unter anderem hier findet, legen nahe, dass Teddy Pages Eltern bei der Wahl seines Vornamens einen guten Riecher hatten. Denn der als Teddy Chiu geborene Filmemacher sieht aus wie der sprichwörtliche Knuddelbär.
Wann Teddy Page geboren wurde, ist in den Weiten des Internets genauso wenig recherchierbar wie der Verlauf seiner Kindheit. Im Grunde existiert Teddy Page erst, seit er mit etwa 20 seinen Fuß in die Welt des Filmes setzte. Und selbst da machte er es den Fans nicht leicht, denn Teddy Page arbeitete Zeit seines Lebens unter zahllosen Pseudonymen.
Einige Beispiele: Teddy Chuck, Tedd Hemingway, Irvin Johnson, Ted Johnson, John Lloyd, Tedmund, Teddy Tsiu und NATÜRLICH: Teddy Page. Der Grund für die zahlreichen Pseudonyme ist banal: Teddy Chiu klang als Verkaufsargument für einen Actionfilm einfach nicht griffig und vor allem westlich genug.
Kim Yong Lim und Kinavesa
Seine ersten Schritte im Filmbusiness unternahm der chinesisch stämmige Teddy Page als Praktikant in den späten 1970er-Jahren unter der Ägide des chinesischen Landsmannes und Produzenten Kim Yong Lim. Der war im Business als großer Geizhals berühmt-berüchtigt. Ihm gehörte das philippinische Studio Kinavesa International, aus dem später die Silver Star Film Company hervorgehen sollte, für die Teddy Page zahlreiche Filme drehte.
Bei Kinavesa stieg Teddy Page schnell auf und verdiente sich unter seinem Geburtsnamen seine Sporen als Regie-Assistent oder als Regisseur der Second Unit. Dabei arbeitete er an eigenen Produktionen des Studios (beispielsweise „The Red Barrets – Die Vollstrecker“ von 1982) oder an Koproduktionen mit Studios aus Hongkong, zu denen Kim Yong Lim auch aufgrund der nicht vorhandenen Sprachbarriere einen guten Draht hatte. Unter den Koproduktionen finden sich auch Bruceploitationsteifen wie „Bruce and the Shaolin Bronzemen“ (1977), die aufgrund der ungebrochenen Strahlkraft der verstorbenen Martial-Arts-Ikone Bruce Lee den großen Reibach machen sollten.
1983 stieg Teddy Page innerhalb des Studios zum Regisseur auf. Seine Aufgabe: Ganz im Sinne des geizigen Chefs ultrabillige Low-Budget-Filme für den internationalen Markt produzieren. Der künstlerische Anspruch bewegte sich deutlich unter Null. Knallen sollten die Coverartworks und die Filme – und Page ließ es knallen. So richtig. Wie einige seiner Stammschauspieler im Nachhinein verrieten, hatten die meisten Streifen nicht einmal ein fertiges Drehbuch vorzuweisen. Hauptsache das Lager mit Platzpatronen war gut gefüllt.
Dschungelaction, Ninjas und Kampfsportklopper
Sein Regiedebüt wurde 1983 „Fireback – Ich will keine Gnade“, der mit Richard Harrison sogar einen Star hatte, der mal eine Schauspielkarriere hatte, bevor er sich in unzähligen B-Actionfilmen verheizen ließ. Nach seinem Debüt bediente Teddy Page alle Topoi, die geeignet schienen, Kasse zu machen. Dabei verließ er in seiner knapp 20-jährigen Regie-Karriere so gut wie nie den sicheren Hafen des Actiongenres und lieferte:
- Dauerfeueraction im Dschungel von Vietnam (oder Kambodscha): „Einsatzkommando Wildgänse“ (1983); „Blackfire“ (1985); „Wild Weasel“ (1986) oder „Escape to Nowhere“ (1990)
- Ninjaaction: „Die Macht der Ninja“ (1984); „Die Macht der Ninja 2“ (1985); „American Ninja“ (1985) oder „Ninja Jäger“ (1985)
- und reine Martial-Arts-Hauer: „Kickbox Terminator 2 – Der Vollstrecker“ (1990); „Kickboxer Cop“ (1991) oder „Bloodring“ (1995)
Aus Teddy Page werden viele
Seine ersten drei Filme hatte er unter seinem gebräuchlichsten Pseudonym Teddy Page gedreht. „Heroes for Hire“ aus dem Jahr 1984 war sein vierter Streifen und führte einen gewissen John Lloyd als Regisseur in die Filmwelt ein. Ab 1987 war Teddy Page auch als Irvin Johnson („Phantom Soldiers“) sowie als Ted Johnson („Wartime“) unterwegs. Letzterer ist ein untypisch leichter Streifen, bei dem sich „Tropic Thunder“ die eine oder andere Idee entlehnt haben dürfte. Immerhin trifft auch hier ein Filmteam auf fiese Wichte, die es platt zu machen gilt.
Unter dem Pseudonym Tedd Hemingway dirigierte Teddy Page im Jahr 1988 einen aufstrebenden Videothekenstar: Gary Daniels durfte sich in „Final Reprisal“ reichlich unbarmherzig durch den philippinischen Dschungel roden und zahlreiche Lumpen killen.
Mit dem kurzzeitig ins B-Action-Genre schnuppernden Kampfsportler Dale Cook brachte Teddy Page „Bloodfight 4“ (1991), „Death Zone“ (1992) und „Bloodring“ (1995) auf den Weg. In dem vergurkten „Fighting Spirit“ (1992) dirigierte er Kampfsportler und C-Movie-Held Loren Avedon. Ansonsten halten sich seine Produktionen mit bekannteren Namen in Grenzen.
Dafür arbeitete Teddy Page gerne mit ihm vertrauten Gesichtern. Genannt seien Mike Monty, Jim Gaines, Bruce Baron, Nick Nicholson oder Romano Kristoff. Interessant ist hier vor allem der Name Jim Gaines. Der hat Teddy Page hinter der Kamera mehr als einmal helfend zur Seite gestanden. Zudem schrieb er wie andere Schauspieler unter Pseudonym an zahlreichen Drehbüchern seines Regisseurs mit.
Teddy Page kann auch Horror
Eine interessante Zäsur stellt ein Zerwürfnis zwischen Teddy Page und seinem Mentor und Förderer Kim Yong Lim dar. Selbiges geschah wenige Jahre nach Pages’ Einstieg ins Regiefach und hatte zur Folge, dass sich der Filmemacher auch anderweitig umsah.
Also für andere Studios produzierte und beispielsweise unter seinem Geburtsnamen Teddy Chiu 1989 seinen ersten und einzigen Horrorfilm auf den Weg brachte: „Impaktika“ heißt das gute Stück und ist einer der wenigen Streifen, die es in unseren Breiten nicht zur Veröffentlichung brachten.
Die meisten anderen Teddy-Page-Filme sind erstaunlicherweise auch in Deutschland zu finden. Das könnte davon zeugen, wie gut seine Filme den Geschmack internationaler Verleiher trafen. Andererseits könnte es auch vermuten lassen, dass Pages Filme nur zu gerne in den berühmt berüchtigten Paketdeals mit prestigeträchtigeren Produktionen verhökert und so unter das actionhungrige Filmvolk gebracht wurden.
Von der Dschungelaction zum Matratzensport
So manche Filmografie von Teddy Page endet 1995. In dem Jahr hatte der Filmemacher mit „Bloodring“ aka „Bloodfight 6“ seinen wohl schäbigsten und billigsten Actionfilm überhaupt auf die Actionfans losgelassen. Zumindest blieb er dem philippinischen TV als Regisseur erhalten und drehte ein paar Fernsehfilme.
Zudem machte er auch einen Schritt zurück und nahm wieder vermehrt Jobs als Regie-Assistent an. Dabei brachte er ganz anders geartete Formen der „Actionfilme“ mit auf den Weg. Diese trugen Titel wie „Gefickte in der Antike“ (1997), „Des Teufels geile Schwestern 3“ (1998) oder „Eliana – Schön und hemmungslos“ (1998). Bei diesen Erotikepen und Titeln wie „Kleopatra“ oder „Messalina – Kaiserin und Hure“ (beide 1996) griff er sogar der Schmuddelfilm-Koryphäe Joe D’Amato unter die Arme. Natürlich wieder unter Pseudonym. Diesmal als Teddy Chuck.
1999 brachte Teddy Page mit „Anino“ seinen letzten Film als Regisseur auf den Weg. Zwei Jahre später endete auch sein Wirken als Regie-Assistent mit der Phillip-Ko-Produktion „Xtreme Warriors“.
Das Vermächtnis des Teddy Page
Was der Filmemacher danach machte, lässt sich wieder nur erahnen. Selbst die Nachricht über seinen Tod geht über ein Gerücht nicht hinaus. So sei Teddy Page laut Nick Nicholson (Quelle), einem seiner Stammschauspieler, 2008 an einem Herzinfarkt verstorben. Bestätigt ist nichts.
Unter Actionfans genießt Teddy Page keinen sonderlich guten Ruf. Zum einen, weil seine Filme unter katastrophalen Bedingungen entstanden sind. Schauspieler berichten rückblickend von gruseligsten Drehbedingungen, bei denen sie immer mal wieder zwischen Leben und Tod lavierten, weil für nichts, auch nicht für die haarsträubendsten Stunts, Geld oder Fachpersonal da war (Quelle). Zum anderen umweht Teddy Pages’ Werk immer der Malus des Amateurhaften, des Hingeschluderten und des Missglückten.
Dennoch können anspruchslosere Actionfans ruhig einen Deep Dive in sein Werk wagen, denn vor allem Fans von nicht enden wollendem Dauergeknalle werden hier teilweise richtig gut bedient. Und wie wir gelernt haben, sollte Teddy Page nun einmal genau das auch liefern. Von daher hat er im Grunde eine Menge richtig gemacht. Egal, unter welchem Namen. Und egal, wo er jetzt auch sein mag.
Die Filmografie von Teddy Page
Streifen ohne gesonderte Nennung entstanden unter dem Pseudonym Teddy Page
1983 | Fireback – Ich will keine Gnade |
Einsatzkommando Wildgänse | |
1984 | Die Macht der Ninja |
Heroes for Hire (als John Lloyd) | |
1985 | Ninja Jäger |
Die Macht der Ninja 2 (als John Lloyd) | |
Kommando Doppelgänger | |
American Ninja (als John Lloyd) | |
Blackfire | |
1986 | Wild Weasel – Kommando ohne Wiederkehr |
1987 | Phantom Soldiers – Armee im Schatten (als Irvin Johnson) |
Wartime (als Ted Johnson) | |
1988 | Dschungelratten (als Irvin Johnson) |
Final Reprisal (als Tedd Hemingway) | |
Blazing Guns (als Irvin Johnson) | |
1989 | Impaktita (als Teddy Chiu) |
Under the Gun 2 (als John Lloyd) | |
1990 | American Force Fighter (als Ted Johnson) |
Kickbox Terminator 2 – Der Vollstrecker (als Ted Johnson) | |
Escape to Nowhere – Platoon to Hell (als Irvin Johnson) | |
1991 | Kickboxer Cop (als Ted Johnson) |
Bloodfight 4 (als Irvin Johnson) | |
Bloodbrother 2 – Champ gegen Champ (als Irvin Johnson) | |
1992 | Death Zone – Blood for Blood (als Irvin Johnson) |
Big Boy Bato (als Tedmund) | |
Fighting Spirit (als John Lloyd) | |
1995 | Blood Ring 2 aka Bloodfight 6 |
1998 | Tukso ng panahon (als Teddy Chiu) |
Murder on the Menu (als Teddy Chiu) | |
The Resort Murders (als Teddy Chiu) | |
1999 | Anino (als Teddy Chiu) |