Originaltitel: Retribution__Herstellungsland: USA, Frankreich, Deutschland, Spanien__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Nimród Antal__Darsteller: Liam Neeson, Matthew Modine, Jack Champion, Embeth Davidtz, Noma Dumezweni, Arian Moayed, Emily Kusche, Lilly Aspell, Jerry Kwarteng, Daniel Grave u.a. |
Matt Turner arbeitet in Berlin als Fondsmanager für eine Bank mit internationalen Kunden. Ein stressiger Job, der ihn fordert. Mehr noch: Immer wieder stellt er für den Job seine Familie hintenan. Doch an diesem schicksalhaften Morgen ist seine Frau nicht bereit, zurückzustecken. Sie verpflichtet Matt förmlich dazu, sein Versprechen einzuhalten und die Kinder zur Schule zu bringen. Matt lenkt irgendwann widerwillig ein und soll es bald bereuen.
Nicht nur machen ihm seine zwei Kinder den Weg zu ihrer Schule zur Hölle, auch ein angefressener Kunde macht ihn am Telefon zur Minna. Da ertönt auf einmal ein unbekannter Klingelton in dem SUV. Matt findet schnell ein ihm unbekanntes Telefon und geht ran. Er sitze auf einer Bombe. Matt solle ab sofort den Anweisungen des Anrufers Folge leisten und auf keinen Fall das Auto verlassen, sonst seien er und seine Kinder dem Flammentod geweiht.
Natürlich glaubt Matt zunächst an einen äußerst geschmacklosen Scherz. Als er jedoch miterleben muss, wie einer seiner Kollegen mit seinem Auto in die Luft fliegt, weiß er, was die Stunde geschlagen hat. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Wenn Matt sich und seine Kinder retten will, muss er es irgendwie schaffen, die Oberhand in diesem „Spiel“ zu gewinnen. Dazu gehört auch, die Hintergründe für die über ihn hereinbrechenden Ereignisse offenzulegen.
Schaut in „Retribution“ hinein
Bekannter Actionthriller mit Liam Neeson
Wer meint, dass ihm die Inhaltsangabe von „Retribution“ bekannt vorkommt, der liegt gar nicht mal so falsch. Die Geschichte wurde ursprünglich als „Anrufer unbekannt“ 2015 von den Spaniern verfilmt. Der deutsche Filmemacher Christian Alvart erkannte das Potential der Geschichte und verfilmte sie 2018 als „Steig. Nicht. Aus!“ neu. 2021 legten die Südkoreaner mit „Hard Hit“ ihre Variation der Geschichte vor.
„Retribution“ heißt nun also der insgesamt vierte Anlauf, der wie „Steig. Nicht. Aus!“ erstaunlicherweise auch in Berlin gedreht wurde, obwohl es sich um eine Produktion aus Frankreich, Deutschland, Spanien und den USA handelt. Also auch andere Metropolen als Schauplatz denkbar gewesen wären. So ist „Retribution“ der bereits zweite große Film nach „Unknown Identity“, in dem Liam Neeson („In the Land of Saints and Sinners“) durch die deutsche Hauptstadt hetzt. Diesmal dirigierte ihn Nimrod Antal („Predators“), während Neesons enger Kompagnon Jaume Collet-Serra („Non-Stop“, „The Commuter“) produzierte. Dabei blieben sie den Vorgaben der vorherigen Remakes treu.
Die Geschichte des spanischen Originals bleibt also in ihren grundlegenden Abläufen erhalten, in Details, Abläufen und vor allem bei der Aufklärung des großen „Warums“ hinter den präsentierten Ereignissen geht man allerdings eigene Wege. Entsprechend kann man sich alle vier Verfilmungen des gleichen Stoffes anschauen und wird immer Überraschungen erleben.
Das größte Pfund dabei ist, dass die Storyprämisse einfach klasse ist. Ein Mann setzt sich in sein Auto und plötzlich erfährt er, dass er auf einer Bombe hockt. Dass seine Kinder mit an Bord sind, macht die Lage nur noch aussichtsloser. Schade ist, dass bisher keine der filmischen Herangehensweisen auf einen richtig sympathischen Charakter gesetzt hat. Stattdessen fokussierten alle vier Filme auf mit der Arbeit verheiratete Männer, denen gerade das Privatleben aus den Händen gleitet.
Antal nutzt dies zumindest insofern clever, dass der verbissen und zu maulfaul rüberkommende Matt tatsächlich auch für den Zuschauer immer wieder verdächtig rüberkommt. Was Regie und Drehbuch freilich für ihre große Auflösung nutzen. Die mutet reichlich konstruiert an, was aber, so ehrlich muss man sein, auch für die grundlegende Handlung gilt. Da kommen schon viele Zufälle zusammen – was der Oberlump sogar in einer witzigen Zeile kommentieren darf.
Da Nimrod Antal mit sehr viel Tempo inszeniert, Verfolgungsjagden installiert, Explosionen einwirft und Liam Neeson mit Vollgas durch Berlin rasen lässt, bleibt das Spannungsniveau immer oben. Die präsentierten Abweichungen von den bekannten Filmen lassen den Zuschauer zudem immer wieder einmal sinnieren, wo „Retribution“ wohl hin will. Und die äußerst straffen 90 Minuten Laufzeit lassen keine Langeweile aufkommen.
Als Berliner sollte man vermutlich nicht zuuuu genau hinschauen, denn die Wechsel zwischen Regierungsviertel, Potsdamer Platz und irgendwelchen Bahngeländen außerhalb der Stadt sind doch arg abrupt. Ansonsten kann man nicht behaupten, „Retribution“ würde die Schauplätze von „Steig. Nicht. Aus!“ abfahren. Antal findet stattdessen seinen eigenen Look. Dabei schafft er es auch überzeugend, das begrenzte Setting des Autoinnenraumes nicht langweilig werden zu lassen. Insgesamt vier dicke Autoexplosionen sehen gut aus, wurden aber sichtlich CGI-gepimpt. Das etwas zu gewollt wirkende Actionfinale leidet ebenfalls unter ein paar eher schwachen Effekteinstellungen. Dafür macht der Score von Harry Gregson-Williams eine Menge Laune.
In Sachen Schauspiel ist das hier freilich eine reine Liam-Neeson-Show. Der Mime spielt routiniert und bringt das Hektische bis Panische seines Charakters überzeugend rüber. So mancher wird kaum Variationen zu seinen letzten Rollen finden und man kann denjenigen kaum sagen, dass dieser Eindruck trüge. Aber Neeson zieht in den Film hinein und er verkörpert seinen Charakter glaubwürdig. In einer kleinen Nebenrolle ist Matthew Modine („Backtrace“) zu sehen, der aber kaum Akzente setzen kann. Die beiden Kinderdarsteller Jack Champion („Scream VI“) und Lilly Aspell („Wonder Woman 1984“) machen ihre Sache teils sogar sehr gut, wobei aber vor allem Champions Figur schon (gewollt) nervige Tendenzen offenbart.
„Retribution“ präsentiert sich als temporeicher Actionthriller
Wer noch keine der bisherigen Verfilmungen des gleichen Stoffes gesehen hat, dem kann man „Retribution“ durchaus empfehlen. Der Actionthriller ist spannend, temporeich und hat in Liam Neeson einen guten Hauptdarsteller.
Wer die bisherigen Verfilmungen bereits kennt und schätzt, der kann ebenfalls einen Blick riskieren. Denn auch „Retribution“ hält sich wie die deutsche und südkoreanische Herangehensweise nicht sklavisch an das spanische Original von 2015. Vor allem die (reichlich abenteuerlich konstruierte) Auflösung weicht doch deutlich von den anderen Verfilmungen ab. Außerdem stellt Nimrod Antal zahlreiche Szenen um und lässt bestimmte Ereignisse früher, später oder direkt ganz anders passieren.
Einem kurzweiligen Filmabend steht also so oder so nicht allzu viel im Wege. Nur eine besondere Langzweitwirkung sollte man hier nicht erwarten. Wie bei den anderen Verfilmungen des Stoffes hat man immer das Gefühl, dass auch „Retribution“ das Potential, das in der Storyprämisse liegt, nicht wirklich auszuschöpfen vermochte. Für mich persönlich reiht er sich hinter „Hard Hit“ und vor „Steig. Nicht. Aus!“ sowie „Anrufer unbekannt“ ein.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 1. Februar 2024 von Studiocanal. Der Film hat ungeschnitten eine Freigabe ab 12 erhalten. In der Extrasektion findet ihr ein vierminütiges Making-of. Streamen kann man den Actionthriller auch.
In diesem Sinne:
freeman
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