Originaltitel: Piranha__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1978__Regie: Joe Dante__Darsteller: Bradford Dillman, Heather Menzies-Urich, Kevin McCarthy, Keenan Wynn, Dick Miller, Barbara Steele, Belinda Balaski, Melody Thomas Scott, Bruce Gordon, Barry Brown, Paul Bartel, Shannon Collins, Shawn Nelson, Richard Deacon, Amy Holden Jones, Joe Dante, John Sayles, Phil Tippett u.a. |
Als Produzent Roger Corman („Futurekick“) mit „Piranha“ ein sehr offensichtliches „Der weiße Hai“-Plagiat anschob, waren dessen Schöpfer gar nicht amüsiert und wollten erst rechtlich dagegen vorgehen. Nach einer Sichtung gab Steven Spielberg dem Rip-Off dann seinen Segen ohne rechtliche Schritte und fand in Joe Dante („Nightmare Cinema“) einen Kumpel, dem er später die Regie bei „Gremlins“ zuschanzte.
Es ist ein Film der Premieren: Joe Dantes erste Solo-Regie, außerdem das erste verfilmte Drehbuch von John Sayles („Wenn er in die Hölle will, lass ihn gehen“) und die erste Arbeit des späteren Action-Schnittmaestros Mark Goldblatt („Rambo II“). Und so sehr man das Potential aller Beteiligten schon erahnen kann, so sehr sieht man auch, dass hier alle noch am Üben waren. Das fängt schon mit der sensationell dämlichen Auftaktsequenz an, die sich überdeutlich an Spielbergs „Der weiße Hai“-Opening anlehnt, dieses aber um allerlei Hanebüchenes erweitert. Also sieht man ein Backpacker-Paar, das durch ein Loch im Zaun an Warnschildern vorbei in ein Sperrgebiet eindringt und dort erstmal fröhlich in einem Becken baden geht. Darin sind allerdings Killerpiranhas, welche die beiden Evolutionsbremsen höchsterfreut wegsnacken.
Weil die beiden zwar wenige Gehirnzellen, aber offensichtlich reiche Eltern hatten, sieht man in der nächsten Sequenz die Privatdetektivin Maggie McKeown (Heather Menzies-Urich) am „Jaws“-Spielautomaten daddeln (eine Verbeugung vor dem Vorbild), ehe sie dann zur Vermisstensuche aufbricht. Dazu nimmt sie aus vom Drehbuch nie wirklich erklärten Gründen die Hilfe des Blockhüttenbewohners Paul Grogran (Bradford Dillman) in Anspruch, der sonst gern rumsitzt und sich die Birne mit hartem Alk zulötet. Maggie ist angeblich eine super Spürnase und denkt sich sofort, dass die Teens vielleicht auf dem Sperrgelände verschütt gegangen sind – vielleicht kann sie sich einfach nur gut in jugendliche Nassbirnen hineindenken, weil sie selbst nicht die Hellste ist. Zumindest kann man dies angesichts ihrer folgenden Taten annehmen.
Denn die nächste glorreiche Idee von Maggie und Paul besteht darin erstmal das Wasser aus dem Becken abzulassen, um den Grund absuchen zu können, womit sie die mutierten Killerpiranhas in die Wildnis entlassen, wo ein Feriencamp und ein Wasserpark am Fluss liegen…
Schaut euch den Trailer zu „Piranha“ an
„Piranha“ mag zwar eine dezente Horrorkomödie sein, ein Creature Feature mit Augenzwinkern, doch auch das kann kaum ausmerzen, dass der Film bzw. seine Figuren bisweilen rasend doof sind. So tragen unsere Helden mindestens eine Teilschuld daran, dass Teile der Landbevölkerung durch die Killerfische weggefräst werden. Doch nicht besser weg kommt der Forscher Dr. Robert Hoak (Kevin McCarthy), der sich im Labor so lange versteckt, bis Maggie schon den Hebel zum Entwässern umgelegt hat. Und selbst dann spricht er keine simple Warnung aus, sondern stürzt sich grunzend und brabbelnd auf das Duo, das ihn folgerichtig ausknockt, während die Fischis davonschwimmen. Später macht der Fischschöpfer-Doc dann eine Sinneswandlung durch und geht bei der dämlichsten Rettungsaktion der Filmgeschichte drauf: Ein Junge sitzt auf einem umgedrehten Boot im piranhaverseuchten Wasser, ist aber vorerst sicher, doch Hoak hüpft trotzdem vom Floss ins Nass, um dem Steppke zu helfen. Dabei wäre die Aktion ohne sein ebenso selbstloses wie unnötiges Selbstopfer vermutlich genauso verlaufen. Auch ein Knaller ist das Mittel der Wahl zur Piranha-Bekämpfung: Um die mutierten Tierchen umzunieten, leiten Maggie und Paul jede Menge hochgiftige Abwässer in den Fluss und lösen damit wahrscheinlich die nächste Naturkatastrophe aus.
Gezüchtet wurden die Killermaschinen vom Militär für den Vietnamkrieg, was angesichts realer CIA-Projekte wie „MKUltra“ gar nicht so absurd scheint und auch gut zu der Joe-Dante-typischen militärkritischen Haltung passt. Nach Filmende hat das Militär allerdings andere Optionen, denn Maggie und Paul würden mit ihrer Inkompetenz im Feindesland vermutlich mehr Schaden anrichten als jeder Piranhaschwarm. Was das Militär, hier vertreten durch Colonel Waxman (Bruce Gordon) und Dr. Mengers (Barbara Steele), allerdings mit Wasserparkbesitzer Buck Gardner (Dick Miller) zu schaffen hat, das gehört wahlweise zu den unbeantworteten Fragen oder großen Idiotien des Films. Ebenso das Fressverhalten der Piranhas, die Standardopfer und Arschkrampen binnen Sekunden wegmampfen, an Helden und Kindern dagegen minutenlang rumknabbern, ehe diese sich dann verletzt retten können. So gibt es beim Piranha-Angriff auf das Camp zwar jede Menge schreiende und verletzte Kiddies, aber ohne eines davon zu Tode gekommen ist, ist nicht so wirklich zu eruieren. Joe Dante mag mehr Nacktheit, Gore und Exploitation im Gepäck haben als das Vorbild „Der weiße Hai“, in dieser Hinsicht war Spielberg dann doch konsequenter.
Bei den Piranha-Attacken mühen Schnitt und Regie eh das kaum vorhandene Budget zu kaschieren. Neben ein paar Inserts realer Piranhas gibt es Gummifischchen, die in ultrakurzen Einstellungen an ihre Opfer gehen, heranschwimmende Killerfische als Schattenspiel, ansonsten wird viel durch schnelle Schnitte, hektische Kamera und die cartoonartigen Sounds der angreifenden Piranhas erledigt. Meist färbt sich das Wasser rot, wenn es wen erwischt, manchmal gibt es die Ergebnisse der Fressattacke dann doch mit ein paar hübsch handgemachten Effekten zu sehen, etwa wenn Maggie und Paul einen Einsiedler mit abnagten Beinen finden. Dass sie diesen dann erstmal beerdigen, anstatt sofort weiterzueilen und die Leute zu warnen, passt in das gewohnte Bild ihrer Kompetenzen.
In Sachen Story ist nicht viel los. Das Heldenduo folgt den Piranhas den Fluss runter, sammelt dabei Leichen auf, hilft Verletzten und kann im Finale dann zum Gegenschlag ausholen. Das Militär ist mal wieder inkompetent, will die Sache vertuschen und glaubt zur Halbzeitmarke fälschlicherweise die Piranhas ausgerottet zu haben, obwohl Paul und Maggie anderes behaupten. Das typische Event, das im Tierhorrorgenre aus falscher Hybris nicht abgesagt wird, ist hier die Eröffnung des Wasserparks. Abgesehen von Paul und Maggie sind alle Figuren grobschlächtige Stereotypen, bei denen es meistens egal ist, ob sie auf dem Piranha-Speiseplan landen. Doch Dante und Sayles tappen nicht in die Klischeefalle, sondern lassen auch mal sympathische Figuren über die Klippe springen; so erwischt es beim Angriff auf das Camp nicht den pedantischen Leiter, von dem man es erwarten würde. Auch ganz nett ist das Spiel mit den Erwartungen, etwa wenn zwei Camp-Aufseherinnen ein nächtliches Bad im Fluss überlegen.
Dantes Regie kann angesichts des teilweise murksigen Scripts auch noch ein paar Kohlen aus dem Feuer holen, wenn er mit Freude amerikanische Institutionen wie das Militär oder den Camp-Urlaub auseinandernimmt und das ganze Treiben nicht allzu ernst inszeniert. Sayles‘ Script unterstützt ihn dabei mit ein paar schönen Gags („The piranhas…“ – „What about the godddamn piranhas?“ – „They’re eating the guests, sir.“). Hinzu kommen visuelle Referenzen, etwa die „Moby Dick“-Lektüre am Strand oder Seeungeheuer-B-Movies und Piranha-Zeichentrick im intradiegetischen Fernsehen. Das Zeigen von alten Horrorfilmen auf TV-Bildschirmen sollte später zu einem Markenzeichen Joe Dantes werden. Seiner Genreliebe kann er hier auch noch frönen, indem er Euro-Horror-Ikone Barbara Steele („Die Hexe des Grafen Dracula“) für eine Nebenrolle und Euro-Horror-Komponist Pino Donaggio („Die Barbaren“) für den Score gewann.
Ebenso klarer Dante-Standard ist die Besetzung seines Regulars Dick Miller („Die Nacht der Creeps“), der hier eine launige Performance als Wasserparkbesitzer mit Dollarzeichen in den Augen abliefert. Heather Menzies-Urich („Sssssnake Cobra“) und Bradford Dillman („Ein Mann räumt auf“) absolvieren die Hauptrollen in schauspielerischer Mittelmäßigkeit, was in der Verbindung mit der drehbuchbedingten Blitzbirnigkeit ihrer Figuren kaum für Begeisterungsstürme sorgt. Barbara Steele hat Charisma, der Rest der Belegschaft ist reichlich egal, sodass die putzige Stop-Motion-Kreatur in Hoaks Labor eher im Gedächtnis bleibt als die meisten Darsteller. An der Cameo- und Nebenrollenfront sind Joe Dante und Effekt-Spezialist Phil Tippett als Taucher, Drehbuchautor John Sayles als Wachposten und Corman-Hausregisseur Paul Bartel als Camp-Leiter zu sehen.
So ist „Piranha“ letzten Endes ein brunzdoofer Film mit wenig Budget, der vor allem durch die spätere Beliebtheit seines Regisseurs zum Kult wurde. Immerhin sorgt Dantes Talent für einige putzige Gags und ein paar nette Spannungspassagen, Gore und Geschmadder sind im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten vorhanden und einigermaßen kurzweilig ist die 08/15-Story ebenfalls, auch wenn man sich angesichts oft des sensationell dämlichen Figurenverhaltens öfter mal die Haare raufen möchte.
In Deutschland erschien der Film erst als „Piranhas“ im Kino und auf Video, dann als „Piranha“ bei MGM/20th Century Fox auf DVD, dann später wieder als „Piranhas“ bei Koch Media auf DVD und Blu-Ray. Alle Fassungen sind ungekürzt ab 16 Jahren freigeben. Auf den ersten DVD-Auflagen gibt es lediglich den Trailer als Bonus, bei der Koch-Media-DVD zusätzliche Szenen aus der TV-Variante, Outtakes, weitere Trailer, einen Audiokommentar, ein Behind the Scenes und eine Featurette. Auf der regulären Blu-Ray kommt eine weitere Featurette hinzu, im 3-Disc-Mediabook neben Blu-Ray und DVD noch eine Bonus-Blu-Ray mit zusätzlichen Interviews, der Doku „UFOs, Sex & Monster – Das wilde Kino des Roger Corman“ und einem Roger-Corman-Special. Streamen kann man den Film auch.
© Nils Bothmann (McClane)
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