Originaltitel: Dogman__Herstellungsland: USA/Frankreich__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Luc Besson__Darsteller: Caleb Landry Jones, Jojo T. Gibbs, Christopher Denham, Clemens Schick, John Charles Aguilar, Grace Palma, Iris Bry, Marisa Berenson, Lincoln Powell, Alexander Settineri, Michael Garza u.a. |
Nach der ambitionierten, aber kommerziell erfolglosen Megaproduktion „Valerian“, mit der Luc Besson fast seine Produktionsfirma EuropaCorp in den Ruin trieb, hieß es für den Regisseur, Drehbuchautor und Produzenten wieder kleinere Brötchen zu backen. Mit „Anna“ begab er sich auf vertrautes „Nikita“-Terrain, mit dem bei Festivals aufgeführten „DogMan“ erinnerte er sich daran, dass er vor seiner Karriere als Big-Budget-Zampano des französischen Kinos auch mal als kreativer, etwas anderer Filmemacher gegolten hatte.
So beginnt „DogMan“ auch mit einer gleichzeitig vertrauten, aber auch gegen den Strich gebürsteten Szene. Die Polizei hält eine Person an, die ihr verdächtig vorkommt und stößt tatsächlich auf Beweise eines Verbrechens. Doch der Fund ist anders als in den üblichen Cop- und Gangsterfilmen: Die Person am Steuer trägt Frauenkleider, ist aber ein Mann, nämlich Doug Munrow (Caleb Landry Jones), und noch dazu gehbehindert. Schusswunden zeugen aber von einer vorigen, gewalttätigen Auseinandersetzung. Und im Laderaum des Transporters finden sich Unmengen von Hunden, die jedoch unglaublich gut auf ihren Besitzer hören.
Kein Wunder also, dass Doug zur psychologischen Begutachtung verdonnert wird. Evelyn (Jojo T. Gibbs) soll den Fall des Häftlings untersuchen, der sagt, dass er auch DogMan genannt wird. Im Verhör rollt er seine Lebensgeschichte auf…
Schaut euch den Trailer zu „DogMan“ an
Mit „DogMan“ setzt sich Besson mit voller Freude zwischen die Stühle und Genres, mischt bunt alles Mögliche zusammen, alles darf, alles geht. So bleibt der Film vor allem die Biographie einer gänzlich fiktiven Figur, irgendwo zwischen Drama, seichtem Thriller und surrealer Komödie. In einer Rückblendenstruktur werden episodenhaft verschiedene Phasen im Leben des Mannes dargestellt, der seit seiner Kindheit Hunde mehr als Menschen mag. Kein Wunder angesichts seines prügelnden Choleriker-Vaters Mike (Clemens Schick) und seines denunziantischen Hillbilly-Bruders Richie (Alexander Settineri), die ihn zu den (Kampf-)Hunden in den Zwinger sperren, woraufhin die Mutter (Iris Bry) die Flucht ergreift. Gleichzeitig verbrämen die beiden Tyrannen ihr Handeln mit gottesfürchtigen Sprüchen, bis Doug die Flucht gelingt und er zur Belohnung im Heim landet. Es folgt ein Leben voller Enttäuschungen, in der Gesellschaft und in der Liebe, die Doug zu jenem Außenseiter machen, den man zu Beginn des Films sieht. Einer, der sich in die Gesellschaft seiner Hunde flüchtet, der seine Ablehnung der Menschen ganz offen ausformuliert, der eine Art Lebenskünstler außerhalb gesellschaftlicher Normen wird.
Angesichts von Bessons „Viel hilft viel“-Ansatz bleibt da aber nicht allzu viel Zeit für Charaktertiefe. Doug zitiert einen wilden Mix aus religiösen Sprüchen, Tiermetaphorik und Shakespeare-Passagen, während die vielfältigen Episoden seines Lebens nebeneinander stehen, aber selten Zeit zum Atmen bekommen. Verstärkt wird dies durch die Rückblendenstruktur, die in Dougs Leben hin und her springt, manche Passage wird mal hier, mal da aufgegriffen. Mal geht es um Dougs Neuerfindung als Performer in einem Dragqueen-Club, mal um Diebestouren durch seine Hunde, mal um Zoff mit einer Gang. Alles formt durchaus ein rundes Bild der Person, bleibt aber immer etwas an der Oberfläche. Gleichzeitig erlaubt dies mehr Interpretationen der Figur. Beispielsweise wenn Doug in der Liebe enttäuscht wird. Soll man es als ungesund sehen, wenn er sich ein Luftschloss baut und mit der anschließenden Enttäuschung nicht umgehen kann? Oder ist es ein schlüssiges Puzzleteil einer Persona, die nie gelernt hat so etwas zu verarbeiten, der nur die Flucht in eine eigene Welt bleibt?
Dass Doug als Protagonist so gut funktioniert, liegt auch an der bärigen Performance von Caleb Landry Jones („Finch“). Sein Spiel ist ähnlich wie der Film an sich wenig subtil, aber er dominiert jede Szene als Rampensau, egal ob souverän im Verhör, als Performer in Drag oder als Schutzengel in der Nachbarschaft, der in „The Equalizer“-Manier einer erpressten Geschäftsfrau hilft. Oft im Rollstuhl sitzend muss er viel über Mimik und Handgestik vermitteln, ohne große Bewegungen, aber er erweckt diesen Außenseiter mehr zum Leben als es das Drehbuch an sich vermag. Jojo T. Gibbs („Fresh“) ist ebenfalls gut als Psychologin, bleibt aber dermaßen Plotkatalysator, dass ihre Figur kaum Kontur gewinnt und die Verwandtschaft zu Doug als versehrte Seele eher behauptet als wirklich fühlbar ist. Clemens Schick („Duell – Enemy at the Gates“) spielt in seinen Szenen als gewalttätiger Fanatiker-Vater richtig stark auf und hinterlässt bleibenden Eindruck, der Rest vom Schauspielpersonal bleibt eher Zaungäste, von denen nur ein paar Leute kleinere Akzente setzen können, darunter Grace Palma („Bloody Good Sleep“) als passionierte Schauspiellehrerin, Christopher Denham („Bad Country“) als aufgeweckter Versicherungsdetektiv und Filmdebütant John Charles Aguilar als total klischeehafter, aber mit Verve verkörperter Gangsterboss.
Öfter wurde „DogMan“ mit „Joker“ verglichen, geht es doch in beiden Filmen um vom Leben enttäuschte Außenseiter, die sich gerne schminken. Doch an sich haben die beiden Werke wenig gemein. „Joker“ erzählt die Genese eines Psychopathen und Superschurken, der Protagonist von „DogMan“ ist eher ein Außenseiter, der sich mehr seinen Tieren anpasst. Wie ein Straßenköter nutzt er jeden Weg zum Überleben, wie ein Tier tötet er in erster Linie dann, wenn man ihn in die Enge zwingt, aus Selbstschutz, nicht aus Spaß an der Freude oder psychopathischen Motiven. Selbst die eine Rachetat des Films kann man im Gesamtkontext schon verstehen. So will Doug auch in erster Linie in Ruhe gelassen werden, ein möglichst autarkes Leben mit seinen Hunden führen im Gegensatz zu Arthur Fleck, der zu einer Art Revolutionär wird. Dementsprechend wenig überzeugt dann die Episode, in der Doug seine Hunde zum Stehlen abrichtet und das nicht nur als Geldbeschaffung sieht, sondern auch noch als eine Art antikapitalistischen Coup verkaufen möchte.
Die Hunde sind sowieso der große Hingucker des Films. Fast ohne Einsatz vom Rechenknecht wurden die Tierszenen gedreht, eine Unmenge von Hunden für Szenen vorbereitet, in denen sie als verlängerter Arm des Helden dienen. Dass die Fähigkeiten und das Denkvermögen der Hunde jedes realistische Maß übersteigen, hievt „DogMan“ trotz seiner sonst nüchternen Grundierung in der Gegenwart in den Bereich des Phantastischen. Doug man in einem baufälligen, verlassenen Schulgebäude residieren, die Gefahren sind Opportunisten und Straßengangster, keine Superschurken, aber es ist doch irgendwie eine eigene Welt, was auch durch leicht surreale Momente wie Dougs Verkleidungsfaible oder Bessons teilweise opulente Inszenierung (z.B. bei der Theaterpremiere) noch unterstrichen wird.
So kann der Regisseur Besson hier mal wieder den Drehbuchautor Besson überflügeln, wenn der französische Stilist viel an Oberflächenreizen aus seiner Geschichte herauskitzelt. Lange Gesangsnummern finden sich hier, auch die eine oder andere Actionszene, unter den allerdings nur der Showdown etwas länger ist (aus dem man dann direkt auch jede Menge Material für den Trailer nahm). Das Finale entpuppt sich als sehr einfallsreich, wenn Doug seine Widersacher mit Schrotflinte, Fallen und der Hilfe seiner vierbeinigen Freunde dezimiert, was sich wohltuend von Einerlei-Action abhebt, auch wenn die Schauwerte eher dezent sind.
Tadellos sind hier die Performance des Hauptdarstellers und die famosen Tiertricks, Bessons Inszenierung macht Laune und der Mix aus Genres und Stilmitteln definitiv eine eigene wie eigenwillige Handschrift. Schade nur, dass vieles in diesem Film nicht richtig atmen kann, „DogMan“ zwar über rund 150 Minuten ein durchaus stimmiges Bild seiner ungewöhnlichen Hauptfigur zeichnet, aber doch irgendwie an der Oberfläche bleibt, dass das nächste schicke Bild, die nächste ungewöhnliche Episode irgendwie wichtiger ist als die Substanz.
Starke:
„DogMan“ ist in Deutschland bei Capelight/AL!VE auf Blu-Ray und DVD erschienen, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. In Sachen Bonusmaterial gibt es fünf Featurettes, Trailer und ein Musikvideo. Streamen kann man den Film auch.
© Nils Bothmann (McClane)
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