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Dune: Part Two

Originaltitel: Dune: Part Two__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Denis Villeneuve__Darsteller: Timothée Chalamet, Zendaya, Javier Bardem, Stellan Skarsgård, Austin Butler, Rebecca Ferguson, Josh Brolin, Dave Bautista, Florence Pugh, Léa Seydoux u.a.

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Dune: Part Two Poster

Das Poster zu “Dune: Part Two”

Vielleicht ist der Sandkasten, lange vor dem Schachbrett, das erste Modell, das ein Kind in seinem Leben nutzt, um sein strategisches Denken auszutesten. Plastiksoldaten werden mit Bedacht in den Sand gedrückt, dort, wo sie dem Gegner den meisten Schaden hinzufügen können; als Teil einer bestimmten Formation beispielsweise, oder zwecks Überraschungsangriff verborgen hinter einer Erhebung. Bevor es also zur erlösenden Schlacht kommt, die dem Marionettenspieler die eigentliche Erfüllung beschert, muss das Arsenal zunächst in Position gebracht werden.

Diese Vorarbeit hatte Denis Villeneuve in dem Moment abgeleistet, als „Dune“ in den Kinos gestartet war. Der Öffentlichkeit wurde im September 2021 nicht einfach ein neuer Film zugänglich gemacht, sondern letztlich ein vorab bereits kultiviertes planetares System mit umfassender Geschichte. Große Namen wie Herbert, Lynch oder Jodorowsky kreisten immer noch als Gasriesen darin umher, gehüllt in den Schatten des brandneuen „Dune“-Planeten, frisch geformt durch die Hände von Villeneuve. Seine samtige, bernsteinfarbene Oberfläche war nicht das einzige, das eindrucksvoll zum Leben erweckt wurde, des überragenden Produktionsdesigns zum Dank. Auch sein innerer Kern wurde in Rotation versetzt, und zwar durch die geschickt inszenierten Figurenkonstellationen. Familienstammbäume und ihre geopolitische, religiöse und kulturelle Motivation im Kontext einer Zivilisation, die das Computerzeitalter bereits überwunden hat, gesteuert vom inneren Antrieb eines Volkes, das wiederum im Denken beeinflusst wurde von Melange, einer Substanz, die die Bausteine des Lebens selbst verändert. Mit diesem kompakten, gleichwohl hochgradig fragilen Modell der Menschheitsgeschichte war das Spielfeld ausgelegt, um endlich zur Quintessenz eines wegweisenden SciFi-Klassikers vorzustoßen.

Warner bevorzugte zuletzt immer wieder Vertriebsstrategien, bei denen potenzielle Franchises zunächst mit einem Testballon versehen wurden, um im Fall des Misserfolgs frühzeitig die Reißleine ziehen zu können (wie etwa bei „ES“ oder dem anfangs eher zögerlich ausgebauten „Monsterverse“ um Godzilla und Kong). Dass vollmundig „Part One“ in der Titelsequenz des ersten Films geschrieben stand, der nur die erste Hälfte des ersten Romans abdeckt, deutet vielleicht darauf hin, wie überzeugt die Macher von ihrem Werk sind, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ihnen unvollendet hätte entrissen werden können, zumal es mitten in die Pandemie gepflanzt wurde. Das sorgsam aufgebaute Spielfeld hätte dann unbespielt wieder eingerollt werden müssen, all die Ausbildungsstunden des Paul Atreides, seine Schmerzprobe, seine persönlichen Verluste und sein abschließender Messerkampf nach den Gesetzen der Fremen wären im Nichts verlaufen.

Nun schallt das Echo doch nach, und noch bevor die Leinwand sich den Dünen ein zweites Mal öffnet, verdichtet es sich in einem einfachen, einleuchtenden Gesetz, das nüchtern als Textzeile eingeblendet wird: „Power over spice is power over all“.

Dune: Part Two

Als wäre der Boden noch nicht orange genug.

Dann explodiert bereits das erste Raumschiff, leuchtende Feuerbälle verleihen den Sandtönen endlose Facetten an Farben und Schattierungen, und es wird augenblicklich deutlich, dass diese Welt nicht mehr im Aufbau begriffen ist, sondern längst zum eigentlichen Akt des Handelns übergegangen ist. Harkonnen, die als Ansammlung schwarzer Zinken die Wüste durchkämmen, Klopfer, die dem Ödland einen verlockenden Herzschlag geben, Magnetminen, die wie Geschosse aus ihren Verstecken jagen, wenn sich die Maschinen nähern. Zweikampfduelle und taktische Manöver auf Distanz. Sandwurm-Rodeo letztlich als Höhepunkt. Wenn die Kamera Pauls Perspektive einnimmt, als er sich auf dem Rücken eines Sandwurms der Spitze eines Dünenkamms nähert, die sich endlos hoch über ihm erstreckt wie ein Kaventsmann aus dem abenteuerlichsten Seemannsgarn, das die Welt je gehört hat, die steinerne Außenmembran des Wurms sich dabei wölbt und ihre Poren öffnet, Sturm und Sandkorn das Sichtfeld verengen und Hans Zimmers Dirigentenstab dazu auffordert, den Atem anzuhalten, dann ist mal wieder einer der selten gewordenen magischen Kinomomente erreicht. Was keineswegs bedeutet, dass die Subtexte zugunsten spektakulärer Bilder zurückgedrängt werden würden; im Gegenteil. „Dune: Part Two“ greift die im Vorgänger so kunstvoll ausgelegten Fäden auf und bündelt sie im Sinne der Vorlage zu einem mächtigen Kabel, anstatt sie über weitere Planeten zu zerstreuen. Hauptschauplatz ist nun wirklich der Ort, wo das Spice liegt, der Wüstenplanet in all seiner Monotonie und all seiner Vielfalt.

Das bedeutet natürlich auch, dass die beeindruckende Architektur des Hauses Atreides zurückgedrängt wird, die das Szenenbild des Vorgängers noch so dominant geprägt hatte. Sand und nichts als Sand ist es, der die Fortsetzung formt. Er verschluckt die Darsteller, die wie Pixel im Panorama zu versinken drohen und sich nur durch ihren farblichen Kontrast halten können. Die Art und Weise allerdings, wie Villeneuve der vermeintlich eintönigen Kulisse in jeder Einstellung neue Seiten abringt, ist bemerkenswert. Perspektiven und Schattensetzung lassen das Feld im permanenten Wandel verharren, und anstatt stur ein einzelnes Colorgrading-Schema zum Standard zu erklären, wird auf jede Sequenz dynamisch reagiert. Als Feyd-Rautha Harkonnen (Austin Butler) in einer Arena-Sequenz eingeführt wird, die bereits den Boden auslegt für Ridley Scotts anrollendes „Gladiator“-Sequel, werden die Regler sogar so weit heruntergefahren, dass es monochrome Bilder zu sehen gibt: Milchig-weiße Harkonnen-Gesichter in einem anthrazitfarbenen Bauwerk, gefüllt mit johlenden Massen. Obgleich Villeneuve mit der Charakterisierung Feyd-Rauthas als ein von Kriegsehre und Respekt gegenüber dem Feind besessener Wahnsinniger auch aufgrund der klassischen Montage seines Handlungsstrangs in das Kerngerüst jene Hollywood-Standards streift, die er sonst so geschickt unter dem Sand versteckt, gelingt es ihm wieder mit einfachsten Mitteln, eine Aura der diffusen Bedrohlichkeit um die Harkonnen zu erzeugen, ohne die klaren Rassentrennungen im Film mit ebenso einfachen Schwarzweiß-Zeichnungen zu versehen.

Dune: Part Two

Paul Atreides (Timothée Chalamet) und Feyd-Rautha Harkonnen (Austin Butler) haben da noch etwas zu begleichen.

Das mag auch die Entscheidung des Regisseurs erklären, der Figur Chani (Zendaya) genug Zeit zu widmen, dass man sie beinahe noch vor Timothée Chalaments Paul als Hauptfigur wahrnimmt, weil ihre Perspektive am ehesten mit derjenigen des Publikums verknüpft ist. Eine Liebesgeschichte entwickelt sich zwischen ihr und Paul nur am Rande, es ist vielmehr ihr innerer Zwiespalt, für den sich Villeneuve interessiert, als sie aus der Distanz beobachtet, wie Paul langsam aus dem Panzer der Demut hervorkriecht und die Rolle als Erlöser vor den Augen der Fremen zu akzeptieren beginnt, derweil Lady Jessica sich gewissermaßen direkt am Quell der Wahrheit positioniert und dort zur Prophetin gedeiht. Es ist gerade diese religiöse Komponente, die Villeneuve weit mehr noch als das Feindbild um die haarlosen Kriegsmächte interessiert: Welche Dynamik entsteht, wenn ein zutiefst fundamentalistisches Volk aus heiterem Himmel mit Zeichen konfrontiert wird, die in der einen oder anderen Weise im Sinne einer sich erfüllenden Prophezeiung interpretiert werden können?

Gerade hier befreit sich „Dune: Part 2“ eindrucksvoll von der Geißel des Hollywood-Regelwerks für Sequels, die besagt, man müsse vor allem mehr fürs Auge bieten, um zu bestehen, denn wenn die Fortsetzung in einem größer ist als der erste Teil, dann in seiner Dramatik des Revolutionsgedanken, in seinem tief liegenden Suspense, der sich diesmal weniger durch die technisch-rezeptive Komponente ergibt (so wie in der Jägersucher- oder der Schmerzprobe-Sequenz des ersten Teils), sondern vielmehr als Konsequenz aus den Entwicklungen der Figurengruppen. So reichen Neuzugängen wie Florence Pugh (Prinzessin Irulan), Christopher Walken (Shaddam IV), Léa Seydoux (Lady Margot Fenring) und Anya Taylor-Joy (Alia Atreides) wenige Momente, teilweise sogar nur kurze Augenblicke, um unheilvolle Schatten für einen potenziellen dritten Teil zu beschwören, eine mögliche Verfilmung von „Dune Messiah“.

Dune: Part Two

Dem zukünftigen Anführer der Fremen bei seinen ersten Gehversuchen zuzusehen, kann recht unterhaltsam sein.

Die Verdichtung der Handlungsstränge auf einen vorläufigen Schlusspunkt, der ironischerweise so geschlossen mit einem Messerkampf endet wie der erste Teil mit einem ebensolchen offen endete, birgt natürlich auch gewisse Tücken. Man ist regelrecht gezwungen, sich auf die Bräuche der Fremen ebenso wie auf ihren Glauben einzulassen, weil das Skript anders als „Dune“ seinerzeit keine Ausweichmöglichkeiten ermöglicht. Obgleich der klassische Fehler vieler Hollywood-Sequels umgangen wird, Subplots so weit zu streuen, dass sie im großen Kontext ihren Sinn verlieren, ist der Abschluss des ersten Buches durch seine klare rote Linie nun anfällig für erzählerische Sprünge und Unebenheiten, die durch den Fokus auf die Entwicklungen innerhalb einer Gemeinschaft um so deutlicher zu Tage treten. Gerade im Mittelteil wirken einige Passagen sehr ausführlich, im letzten Akt wiederum scheint trotz der beachtlichen Laufzeit von beinahe drei Stunden immer noch Zeit zu fehlen, den letzten Schwung in die Signatur zu bringen, obwohl rückblickend alles Relevante über die hochgradig komplexen Wechselwirkungen zwischen den Fremen und den großen Häusern, zwischen Ressourcen und Religion, Technik und Körper, endlosem Sand und Versprechen von Fruchtbarkeit gesagt scheint, noch während sich die Ahnung einer noch dunkleren Zukunft ausgebreitet hat.

Davon abgesehen schlägt natürlich auch ein wenig der Gewöhnungseffekt ein. Selbstverständlich werden alleine aus Gründen der Konsistenz die Errungenschaften des Vorgängers wieder aufgegriffen und zumindest teilweise auch ausgebaut, wenn man etwa sieht, wie die Harkonnen geräuschlos schwebend meterhohe Gebirgshänge überwinden. Überwältigende Momente wie den ersten Einsatz eines Ornithopters in Aktion oder die erste Sichtung eines Sandwurms bekommt man jedoch nicht mehr zu sehen. Mit vielen Ritualen, Überlebenstechniken, Gewändern und Raumschiffen, die nach all den Jahrzehnten immer noch einen Hauch von Giger-DNA in sich tragen, ist man inzwischen bestens vertraut, und das Vertraute übt im Kino nicht mehr ganz die gleiche Faszination aus wie das Bizarre und Fremdartige, welches zu erschließen den eigentlichen Reiz ausmacht.

Dune: Part Two

Da bekommt man ja fast Lust auf ein Kaiju-Duell zwischen Sandwurm und King Ghidorah.

„Dune: Part Two“ ist letztlich wohl die bestmögliche vorstellbare Fortführung eines SciFi-Epos, wie es höchstens alle zehn bis zwanzig Jahre in solcher Vollkommenheit auf eine Kinoleinwand projiziert wird. Von der Wüstenmaus bis zum Sandstrudel eines auftauchen Wurms werden wieder alle Einstellungsgrößen katalogisiert, und bis hin zum abschließenden Crysmesserkampf wiederholt sich Geschichte auf einem noch höheren Niveau, ohne die Weiterentwicklung aus den Augen zu verlieren. Denis Villeneuve ist längst genug Meister seines Fachs, um die Sequel-Stolperfallen zu umgehen, in die seine Kollegen sehenden Auges Jahr für Jahr reihenweise stolpern. Auch wenn wieder jede Komposition ein Gemälde für sich ist und man diesmal sogar einen ganzen Schwarm von Sandwürmern sieht, die zum Angriff stürmen, sind es doch immer noch nicht die Bilder, die sich in den Vordergrund drängen. Es ist die schlüssige inhaltliche Fortentwicklung eines Kosmos, der sowohl vom ursprünglichen Autoren wie auch vom Regisseur der Verfilmung bis ins letzte Detail durchdacht wurde. Und doch, bei allem gebührenden Respekt vor der schwierigen Aufgabe, die richtigen Schlüsse aus dem Startpunkt zu ziehen, bleibt der erste „Dune“ mit seinen zahllosen Innovationen das eigentliche Meisterstück Villeneuves; so wie es beim Schach auch die Erfindung des Spiels ist und nicht etwa die anschließende Partie, in der das gesamte Potenzial gespeichert ist.

8 von 10

Schaut in den Trailer zu “Dune: Part Two”

Informationen zur Veröffentlichung von “Dune: Part Two”

„Dune: Part Two“ war ursprünglich bereits für den Kinoeinsatz im Herbst 2023 vorgesehen, also fast genau zwei Jahre nach Veröffentlichung des ersten Teils. Nach einigen Verschiebungen stand irgendwann der 15. März als Termin fest, der allerdings dann noch einmal um zwei Wochen vorverlegt wurde. Seit 29. Februar ist das Science-Fiction-Epos mit einer monumentalen Länge von 165 Minuten in den deutschen Kinos zu sehen. Die Heimkinoversion ist aktuell für den 30. Juli 2024 gesehen. Die Veröffentlichungspolitik folgt dabei wenig überraschend den Erstveröffentlichungen von Teil 1: Die Formate DVD, Blu-Ray und UHD Blu-ray werden allesamt bedient, wobei Sammler der HD-Varianten außerdem auf eine Sonderedition im Steelbook hoffen können.

Sascha Ganser (Vince)

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