Danny Garcia träumt von einer Karriere als Youtuber. Der Teenager will mit Hilfe seiner Freunde Amy und Sam Videos waghalsiger Stunts ins Internet stellen. Doch schon der erste ernst gemeinte Anlauf läuft gründlich schief. Danny bricht sich nicht nur den Rücken, sondern auch sein Genick mehrfach. Als er im Krankenhaus eingeliefert wird, ist er mehr tot als lebendig.
Während Danny dahin siecht, taucht eines Tages ein Mann an seinem Bett auf. Er beißt Danny in den Hals. Als Danny wieder zu sich kommt, befindet er sich in einem finsteren Kellerloch. Ihm gegenüber der Mann, der ihn in den Hals gebissen hatte. Der stellt sich als Nick Laskaras vor. Er sei nicht nur ein Undercover-Cop, sondern auch ein Vampir. Die Tatsache, dass Danny vollkommen von seinem Unfall genesen ist und dass er bei Kontakt mit Sonnenlicht sofort zu brennen beginnt, lässt ihn nicht an Laskaras Worten zweifeln.
Doch warum hat Laskaras ihn zu einem Vampir gemacht? Er wolle sich eine kleine Armee aufbauen, um gegen eine ganz bestimmte Bedrohung zu Felde zu ziehen. Dazu suche er sich Todgeweihte wie Danny aus und offeriere ihnen eine weitere Chance. Hinter wem Laskaras her ist, verrät er allerdings nicht. Doch das findet Danny, der auch seine Freunde Sam und Amy zu Vampiren macht, früh genug selbst heraus.
Vampire treffen Superheldenstory
Mark Millar („Secret Service“) wirft in seiner Comicreihe „Night Club“ Vampir- und Superheldeningredienzien in einen Topf, rührt ordentlich durch und liefert eine enorm unterhaltsame Melange beider Topoi. Rundherum entwirft er eine unerhört flotte Geschichte, die kein Zaudern und Vertun kennt. Die eigentliche Story entwickelt sich nebenbei und die Figuren werden in Nebensätzen mit Leben gefüllt. Dass dabei ausgerechnet Hauptfigur Danny Garcia ein komplett unbeschriebenes Blatt bleibt, stört nicht. Der definiert sich über seine Taten hinreichend genug.
Dabei erzählt Mark Millar eine typische Superhelden-Origins-Story. Der Hauptcharakter wird durch einen bestimmten Umstand zum Superhelden, lernt dann, seine Superfähigkeiten einzusetzen und ganz nebenbei erfahren wir von einer Superbedrohung. Letzterer gilt es sich natürlich zu stellen. Der Twist ist, dass Danny ein Vampir ist. Und auch hier bleibt Millar klassisch. Sonne, Pflöcke und Knoblauch schaden den Vampiren. Dafür sind sie superstark, genauso schnell, verfügen über Schnellheilungskräfte und können Menschen hypnotisieren. Außerdem können sie sich in Nebel oder Fledermäuse auflösen.
Und das Vampirthema harmoniert prächtig mit dem Superheldenthema. Zumal Vampirismus dank Blade und Morbius ja schon das eine oder andere Mal als überzeugende Erklärung für neue Superheldenkräfte herzuhalten wusste. Für ein hohes Tempo verzichtet Mark Millar aber auf die Tragik, die Vampirhelden gerne innewohnt. Und er thematisiert auch die Abhängigkeit von Menschenblut maximal am Rande.
Er will Spaß. Und den gönnt er auch seinen Helden, die irgendwann als Superheldenbande „Night Club“ Lumpenpack einkassieren – vornehmlich jene, die auch Geld bringen. Denn insgesamt bleiben die Helden des Comics Teenager mit ihren Sorgen und Nöten. Und so richtig will Danny Garcia auch nicht von seiner Youtube-Karriere ablassen. Dank der neuen Vampirfähigkeiten sind da ja ganz neue Sachen möglich.
Dann lässt Mark Millar seine Story ganz plötzlich umswitchen. Die Bedrohung wird konkret. Was sich nun andeutet, lässt den Leser glauben, dass die Seiten für die sich andeutenden weiteren Entwicklung zu knapp ausfallen könnten. Was Millar mit Wonne wegtwistet. Radikal und brutal kreiert er einen Moment, der das Tempo noch einmal kickt und den Leser ein wissendes „So kann man es freilich auch machen“ ins Gesicht zaubert. Und Millar verschärft das Tempo rotzfrech weiter, twistet noch einmal. Und es macht eine Mordsgaudi. Unversehens sind wir mitten im Showdown und können sagen: Okay, die Seiten reichten doch. Kurzweiliger geht es kaum. Zumal man förmlich durch die Seiten fliegt.
Was natürlich auch am Artwork von Juanan Ramirez liegt. Der schafft es mit seinem Zeichenstil sogar, dass vom Comic als Parkour verkaufte Einlagen genauso rüberkommen. Klasse auch die zahlreichen Spielereien mit Unschärfen, die mal den Blick des Lesers lenken und mal mehr Tempo und Dynamik in die Panels bringen. Der Zeichenstil schwankt von Panel zu Panel zwischen sehr reduziert und detailverliebt hin und her. Was vor allem in Erinnerung bleibt, ist die durchweg düstere, zum Sujet passende Farbgestaltung. Im Übrigen finden Helden und Fieswichte Möglichkeiten, sich bei Tag in der Sonne zu bewegen. „Night Club“ ist also nicht durchgehend nachtschwarz. Und Millar und Ramirez legen Wert auf Härten. Entsprechend fließt in den Panels auch ordentlich Blut.
„Night Club“ bietet Superheldenaction mit Biss
„Night Club“ von Mark Millar setzt auf Vampire, die mit Wrestlingmasken im Parkour-Stil durch die Straßen von Philadelphia fetzen und ihre Fähigkeiten nutzen, um Gutes zu tun – für die Welt und ihre eigenen Geldbörsen. Millar geht es ganz sicher nicht darum, Tiefschürfendes zu lancieren. Stattdessen erzählt er wie gewohnt irre filmisch und fährt ein Heidentempo sowie rotzfreche Momente auf. In letzteren feiert er sich auch gerne mal selbst, etwa wenn ein Kind mit Hit-Girl– und Kick-Ass-Figuren spielt.
Man merkt jeder Seite und jedem Panel an, welch diebische Freude Millar beim Kombinieren der Vampirelemente mit den Ingredienzien klassischer Superheldenstorys hatte. Und genau diese Freude überträgt sich auch auf den Leser. Das unfassbar flotte Ergebnis ist oberflächlich as fuck, aber es macht einfach tierisch Bock.
Informationen zur Veröffentlichung von „Night Club“
Panini Comics veröffentlichte die sechs amerikanischen Einzelausgaben wie gewohnt fein ins Deutsche übersetzt in einem Sammelband. Der enthält neben der eigentlichen Story auch Alternativcover der Originalhefte in einer Galerie.
Night Club
Von Mark Millar (Autor), Juanan Ramirez (Artwork)
Taschenbuch: 176 Seiten; Deutsch
Verlag: Panini Verlags GmbH
Auflage: 1. Edition (20. Februar 2024)
ISBN-13 : 978-3741636035