Mit „The Fall Guy“ bringt David Leitch ein sehr freies Reboot der im Original gleichnamigen TV-Serie (hierzulande: „Ein Colt für alle Fälle“) und eine Hommage an den Beruf des Stuntman auf die Leinwand. Ryan Gosling gibt den Stuntprofi Colt Seavers, der bei einem Filmdreh nicht nur seine Herzensdame Emily Blunt zurückgewinnen will, sondern bei der Suche nach einem verschwundenen Hollywoodstar gleich noch in einen Kriminalfall verwickelt wird.
Originaltitel: The Fall Guy__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: David Leitch__Darsteller: Ryan Gosling, Emily Blunt, Aaron Taylor-Johnson, Hannah Waddingham, Teresa Palmer, Winston Duke, Stephanie Hsu, Ben Knight, Adam Dunn, Lee Majors, Heather Thomas, Jason Momoa u.a. |
David Leitch machte eine Karriere vom Stuntman zum Stunt Coordinator zum Second-Unit-Regisseur durch, ehe er gemeinsam mit Chad Stahelski „John Wick“ inszenierte und damit zum gefragten Regisseur avancierte. Mit „The Fall Guy“, dem Kino-Reboot der im Original gleichnamigen, hierzulande als „Ein Colt für alle Fälle“ bekannten TV-Serie, wollte er seinem Ursprungsmetier ein Denkmal setzen.
So beginnt der Film nicht nur mit einem Voice-Over von Hauptfigur und Stunt-Koryphäe Colt Seavers (Ryan Gosling), in dem er von seinem Handwerk berichtet, sondern auch einem Zusammenschnitt von spektakulären Stunt-Momenten aus Filmen wie „Welcome to the Jungle“, „Fast & Furious Five“ und „Atomic Blonde“. Colt ist einer der Besten seines Faches, hat eine Liebelei mit der ambitionierten Kamerafrau Jody Moreno (Emily Blunt) und vertritt regelmäßig den arroganten Hollywoodstar Tom Ryder (Aaron Taylor-Johnson), der andauernd Muffensausen hat, dass man zu viel von Colts Gesicht sehen könnte. Deshalb muss dieser manche Szenen zigmal wiederholen und bei einem Take kommt es zu einem Unfall, womit der Film fast schon etwas überraschend düster einsteigt.
Anderthalb Jahre später ist Colt zwar einigermaßen von seiner schweren Rückenverletzung genesen, parkt jetzt aber Autos als Valet, ist ganz schön auf den Hund gekommen und hat die Beziehung mit Jody selbstverschuldet in den Sand gesetzt. Als Produzentin Gail Meyer (Hannah Waddingham) ihn für den neuen Tom-Ryder-Science-Fiction-Blockbuster-Dreh zu „Metalstorm“ in Australien buchen will, sagt der in Selbstmitleid versunkene Stuntman erstmal ab, bis die Hollywood-Power-Playerin ihr Trumpfass auspackt: Bei „Metalstorm“ handelt es sich um Jodys Regiedebüt. Da sagt Colt natürlich sofort zu, ist „The Fall Guy“ doch auf seine ganz eigene Weise auch eine Romantic Comedy.
In bester Screwball-Tradition will Jody ihren Ex dann gar nicht so sehr am Set haben wie von Gail behauptet, aber die Funken fliegen ähnlich wie die Fetzen. Doch Gail hat Colt für einen ganz anderen Auftrag hergeholt: Tom ist verschwunden und Colt soll ihn unauffällig wieder auftreiben. Dummerweise gerät er bei der Recherche an so einige zwielichtige Subjekte…
Schaut euch den Trailer zu „The Fall Guy“ an
Die Freunde und Kollegen Leitch und Stahelski gingen nach „John Wick“ unterschiedliche Wege. Während letzterer die Sequels zum Überraschungshit inszenierte und dessen Mythologie ausbaute, wandte sich Leitch nach „Atomic Blonde“ mit „Deadpool 2“, „Fast & Furious: Hobbs & Shaw“ und „Bullet Train“ zunehmend der Actionkomödie zu: Teilweise derb in den Gewaltszenen, aber mehr Over-the-Top-Spektakel, mehr Sommerblockbuster-Appeal, mehr Lacher. „The Fall Guy“ ist da gewissermaßen der nächste Schritt, hat er zwar jede Menge Stunts und Krawall, aber auch – vielleicht ganz im Sinne der zugrundeliegenden Vorabendserie – kaum Tote oder sonstige Härten. Wo andere TV-Serien-Reboots im Kino dagegen jedoch direkt als Parodie auf das Ursprungsmaterial angelegt waren (siehe „Starsky & Hutch“, „21 Jump Street“ oder „Baywatch“), da ist „The Fall Guy“ zwar komödiantisch und augenzwinkernd, nimmt sich und seine Geschichte aber letzten Endes immer noch ernst.
Wobei „The Fall Guy“ eigentlich eher zwei Geschichten erzählt. Das eine ist die Suche nach Tom Ryder, in deren Verlauf Colt mit Drogendealern, Söldnern und anderen Antagonisten konfrontiert wird. Das ist netter Krimistandard mit recht brauchbarer Auflösung, aber auch einigen Unglaubwürdigkeiten. Eben Vorabendserienstandard, der dann in erster Linie dazu da ist, um Colt regelmäßig in haarige, lustige und/oder actionreiche Szenen zu verwickeln. Das andere dagegen ist die Liebesgeschichte zwischen Colt und Jody. Auch die ist gewissermaßen erwartbar. Colt muss erst beweisen, dass er Jodys wert ist, obwohl er sich vorher wie ein Arsch benommen hat. Doch mit dem Happy End für das Paar wird gerechnet, was „The Fall Guy“ auch dadurch augenzwinkernd dadurch klar macht, dass diverse Figuren es ganz offen sagen. Und schon beim ersten Wiedersehen erkennt man unter Jodys ablehnender Haltung, dass sie noch etwas für Colt empfindet.
So ist die Lovestory dann auch der Aufhänger für einige wenig komplexe, aber doch recht amüsante Meta-Witzeleien. In „Metalstorm“, dessen Name wahrscheinlich keine Anspielung auf den von Charles Band produzierten „Metalstorm – Die Vernichtung des Jared-Syn“ ist, geht es nämlich ebenfalls um enttäuschte Liebe. Der Space Cowboy, gespielt von Tom Ryder, gedoublet von Colt Seavers, hat seine Beziehung mit der Außeriridischen Aliana in den Sand gesetzt. Jody hat Probleme mit dem dritten Akt im Drehbuch, will kein Happy End, während Colt dafür plädiert, dass die Liebe am Ende triumphiert. Wenn Jody ihren Ex dann einen Feuerstunt ewig wiederholen lässt, dann wird eine halbe Drehbuch-, halbe Beziehungsbesprechung draus, weil sie und Colt darüber diskutieren, wie der Space Cowboy mit seinen Gefühlen für Aliana umgegangen ist. Auch sonst verortet sich „The Fall Guy“ in einer Welt des Films. Passend zum Mix aus Liebe und Hieben werden hier sowohl „Der letzte Mohikaner“ und „The Fast and the Furious“ als auch „Pretty Woman“ und „Notting Hill“ zitiert. Bei der Präsentation von „Metalstorm“ gibt es auf Video- und Audioebene eine Anspielung auf Denis Villeneuves „Dune“. Und die heldenhafte Stuntcrew am Set von „Metalstorm“, die von Colts Kumpel Dan Tucker (Winston Duke) angeführt wird, heißt 87North, wie die Firma von David Leitch.
So ist „The Fall Guy“ dann auch eine gute gelaunte Sause mit lauter Blicken hinter die Kulissen des Film-im-Film und vielen Huldigungen des Stunt-Gewerks. In den Abspannszenen kann man einen Blick auf die Doubles von Gosling und Co. werfen, im Dialog wird darauf hingewiesen, dass Stunts immer noch keine Kategorie bei den Oscars haben. Das gehört zu den zahlreichen amüsanten Gags des Films, der mit einigen putzigen, aber nie überkandidelten Einfällen aufwarten kann. Da wäre ein Hund Tom Ryders, der nicht nur auf den Namen Jean-Claude (eine Anspielung auf van Damme?), sondern ausschließlich auf französische Kommandos hört, vor allem ein bestimmtes. Da wären die Auswirkungen eines Drogentrips auf Colt. Da wären die Running Gags mit Colts geliebter „Miami Vice“-Stuntcrew-Lederjacke.
Natürlich darf auch die Action nicht zu kurz kommen, die sich ganz im Sinne der Vorlage zwar stuntreich, aber jugendfrei präsentiert, gern auch mit dünner Begründung. Da wird Colt beispielsweise von Tom schwertschwingender Freundin Iggy Starr (Teresa Palmer) angegriffen, weil sie ihn für einen Einbrecher hält. So gibt es ein paar Fäusteleien, etwas Geballer, aber vor allem natürlich zahlreiche Stunts, darunter einen Motorbootsprung in eine riesige Explosion, einen Autocrash, eine Wemmserei auf einem fahrenden Kipplaster, einen achteinhalbfachen Autoüberschlag, Stürze oder einen gigantischen Autosprung, um nur einige zu nennen. Das ist alles souverän inszeniert und weitestgehend handgemacht, auch wenn an der einen oder anderen Stelle Kollege Computer doch noch ein wenig nachhelfen muss. Dabei griff Leitch auf einige erfahrene Profis zurück: Keir Beck („Der Spinnenkopf“) als Stunt Coordinator, Jonathan Eusebio („Violent Night“) und Sunny Sun („Tyler Rake 2“) als Fight Coordinator, unterstützt von Can Aydin aus der „Plan B“-Crew als Assistant Fight Coordinator.
So sind die Stuntleute natürlich verantwortlich für die Hauptattraktionen, doch „The Fall Guy“ hat gleichzeitig auch einiges an kassenträchtiger Starpower zu bieten. Ryan Gosling („The Gray Man“) bringt seinen patentierten Charme als etwas entrückter, aber extrem sympathischer Beau hervorragend ein, während Emily Blunt („Jungle Cruise“) als toughe Regisseurin ein toller Widerpart ist, mit dem er sich hervorragend die Bälle zuspielen kann. Winston Duke („Wir“) ist guter Support, Teresa Palmer („Hacksaw Ridge“) dagegen eher verschenkt als Starlet mit Ambitionen. Dafür hat Aaron Taylor-Johnson sichtlich Spaß an seiner Rolle als verwöhnter, mimosiger Hollywood-Großkotz, ebenso wie Hannah Waddingham („Game of Thrones“) als mit allen Wassern gewaschene Produzentin, deren Styling die 1980er wiederaufleben lässt – wohl auch eine Hommage an das Ursprungsmaterial. Mit Lee Majors („Ash vs. Evil Dead“) und Heather Thomas („Das dreckige Dutzend – The Fatal Mission“) haben die Stars der Originalserie einen Gastauftritt, sowie auch Jason Momoa („Aquaman 2“) für einen saucoolen Cameo vorbeischaut.
Sonderlich viel Substanz kann man „The Fall Guy“ vielleicht nicht attestieren, der Krimiplot aus der Feder von Drew Pearce („Hotel Artemis“) wird bewusst sekundär behandelt und die Action ist jugendfrei ohne Härten, aber das passt alles in das Konzept der vergnüglichen Sause. David Leitch feiert das Stunt-Handwerk in dieser flotten Actionkomödie, kann auf grandiose Stunts, gut aufgelegte Darsteller und amüsante Gags. Das mag alles sehr flüchtig sein, aber die nächste halsbrecherische Einlage ist zum Glück nie weit entfernt. Ein echter Gute-Laune-Film mit romantischem Herz unter all dem Krawall.
Universal bringt „The Fall Guy” am 30. April 2024 in die deutschen Kinos, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Universal__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, 30.4.2024 in den deutschen Kinos |