Originaltitel: Kingdom of the Planet of the Apes__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Wes Ball__Darsteller: Freya Allan, Kevin Durand, Dichen Lachman, William H. Macy, Owen Teague, Lydia Peckham, Peter Macon, Sara Wiseman, Neil Sandilands, Eka Darville, Travis Jeffery, Ras-Samuel, Nina Gallas u.a. |
Das Bild öffnet sich und gedenkt in den ersten Augenblicken Caesar. Da ist er noch einmal kurz zu sehen, der Schimpanse, mit dem alles begann, verehrt von Wegbegleitern, den Zeugen seiner Ära. Eine Minute des Friedens. Das muss genügen. Dann werden die Verbindungen gekappt und etliche Generationen mit einem einzigen Wimpernschlag übersprungen, während die Kamera gemeinsam mit den Adlern über eine regenerierte Natur schwebt, die sich den Planeten zurückerobert hat. Wir sind nun dort, wo 1968 alles begann.
Rückblickend betrachtet, bilden die drei „Planet der Affen“-Prequels von Rupert Wyatt und Matt Reeves wohl eine der bedeutsamsten Filmtrilogien der 2010er Jahre. Nicht nur haben sie die Originalreihe mit sinnhaften Kontexten angereichert, nebenbei haben sie auch die Entwicklung der Computeranimation auf ein neues Level gehoben, indem sie ihr eine mit dem bloßen Auge sichtbare Seele einhauchten. Dadurch gelang es ihnen in letzter Konsequenz sogar, vom immer währenden anthropozentrischen Kern des Kinos abzurücken und erstmals Kunstfiguren aus dem Rechner überzeugend zu den Handlungsträgern und emotionalen Ankern eines Films zu erklären – ein Kunststück, an dem James Cameron mit „Avatar“ (2009) noch scheiterte, um dann, nachdem er die 2010er Jahre tatenlos verstreichen ließ, mit „Avatar: The Way of Water“ (2022) erneut daran zu scheitern.
Von „Planet der Affen: Prevolution“ über „Planet der Affen: Revolution“ bis zu „Planet der Affen: Survival“ entwickelte sich der erzählerische Kern der Reihe in Schüben konsequent weg vom Menschen. James Francos Wissenschaftler war der Ausgangspunkt, noch über dem Affen stehend, gefolgt von Jason Clarkes Anführer einer Rebellengruppe, bereits gleichauf mit den Affen, um auf dem Höhepunkt der Entwicklung schließlich von Caesar selbst (Andy Serkis) verdrängt zu werden und dem Menschen nur noch die Rolle des Antagonisten (Woody Harrelson) zuzugestehen. Eine Revolution fürwahr, die nur zu bewerkstelligen war, weil man immer wieder konsequent die Fäden zur Vergangenheit kappte, um die umwälzende Grundidee der Romanvorlage nicht nur in Inhalt, sondern auch in Form durch und durch zu atmen und zu leben.
Wenn „Planet der Affen: New Kingdom“ nach der respektvollen Pause von sieben Jahren Dauer die richtigen Schlüsse aus den Stärken der Caesar-Trilogie gezogen hat, dann genau in dieser Bereitschaft, Altlasten über Bord zu werfen. Anders als gewöhnliche Sequels, die sich etablierter Charaktere und unaufgelöster Handlungsstränge bedienen können, um das Publikum an sich zu binden, muss dieses nun praktisch bei Null anfangen, hat es doch nichts als den Namen der Marke in der Hand. Nicht nur die neue Hauptfigur Noa (Owen Teague, “ES“), sondern eine komplette Zivilisation, neu errichtet aus den Grundlagen des Daseins, steht nun im Schatten Caesars, der nach all den Jahrhunderten längst zur Erlöserfigur mythologisiert wurde.
Reitende Affen, die im Namen Caesars ganze Volksstämme abschlachten, liefern nicht nur Bilder, die an das Original mit Charlton Heston und dessen Fortsetzungen erinnern, sie rücken die Geschehnisse der Vorgeschichte zugleich in einen Parallelismus zu all den blutigen Kreuzzügen im Namen Gottes, mit denen die Menschheitsgeschichte seit zweitausend Jahren vernarbt ist, somit also in einen religiösen Kontext. Wenn Kevin Durand (“Abigail“) im späteren Verlauf seinen Auftritt hat und als Proximus Caesar den Nachhall der Geschichte missbraucht, um ein ganzes Königreich für sich zu beanspruchen, werden damit zweifellos die pervertierten Ausformungen religiöser, aber durchaus auch politischer Gefolgschaften gespiegelt, die Völker über alle Grenzen hinweg unterwandern.
Bevor Regisseur Wes Ball aber zu diesen mächtigen Allegorien greift, beginnt er mit kleinen Momenten, dort, woher die Neuausrichtung der Franchise letztlich immer ihre Kraft bezog. Es ist wieder der Ausdruck in den Augen der Affen, der die Geschichte erzählt, komplementiert durch Gesten und die nicht gespielten Noten in der rudimentären Grammatik der Dialoge. Selbst dort, wo Affen zu sprechen gelernt haben, fasziniert ihre Kommunikation vor allem in den vielen nonverbalen Momenten. Was alleine in der von traditionellem Handeln durchzogenen Einführungssequenz zwischen den Zeilen abgebrannt wird, ist bemerkenswert. Wann immer Noa und seine Freunde Blicke untereinander tauschen, liegt gerade darin das Zentrum der Lebendigkeit, weit mehr als in der reinen Schwerkraft des parallel ablaufenden Abenteuers, einer furios gefilmten Kletterpartie über die Ruinen der alten Welt, auf deren Höhepunkt Adlereier erobert werden möchten. Eine Verbindung zwischen Affen und Affen, aber auch zwischen Affen und Umwelt wird hier geschildert, die berührt, weil sie an das erinnert, wofür der Begriff „Menschlichkeit“ eigentlich stehen müsste.
Wer vorher Wes Balls „Maze Runner“-Trilogie gesehen hat, dem wird die hier gezeigte postrevolutionäre Welt einige Momente der Wiedererkennung bescheren. Viele apokalyptische Stoffe haben sich zuletzt der Schlüsselbilder von Grün überwucherter Hochhäuser bemächtigt (als krönender Höhepunkt vielleicht zuletzt die Videospiel-Serienadaption „The Last of Us“), doch die Art und Weise, wie die Strahlenbündel der Morgensonne als goldgelbe Schatten über die Oberflächen und Texturen streicheln, könnte man inzwischen als eine Art Signatur des Regisseurs bezeichnen. Ein Schleier aus Filmkorn legt sich zusätzlich über die – wie nicht anders zu erwarten – beeindruckenden Landschaftskompositionen, denen somit etwas betont Filmisches verliehen wird: Wälder, Wiesen, Flüsse, verlassene Großstädte und als finales Setpiece ein malerischer Küstenstrich sorgen für Bilder, an denen man sich nicht sattsehen kann. Einen wesentlichen Beitrag zur visuellen Ästhetik leistet zudem die eingangs beschriebene Verbindung zwischen den Spezies. Affenkörper auf Pferderücken und auf Affenarmen ruhende Adler scheinen die besondere Linienführung vieler der gewählten Panorama-Einstellungen zu definieren, sie sorgen nicht einfach nur für natürliche Schönheit auf der Leinwand, sondern sie beschreiben die Funktionsweisen der neuen Welt einfach und schnörkellos.
So formvollendet den Produktionsdesignern die Zukunft geraten ist, so wird sie im übergeordneten Handlungsbogen doch von recht konventionellen Gefahren in eine gewöhnliche Silhouette gezwängt. Es entfaltet sich zunächst ein relativ schmuckloser Plot nach dem alten Schema des Helden, dessen Heimat zerstört wird und der nun das Land durchqueren muss, um zu bewahren, was ihm geblieben ist. Die Rollenverteilungen sind dabei von Anfang an in Stein gemeißelt und lassen sich auch nicht mehr durch etwaige Wendungen verbiegen. Noa muss selbstverständlich der Held sein, der an seinen Aufgaben reift, Proximus verkörpert all die Gier, den Narzissmus und die Boshaftigkeit der dominierenden Spezies, seine rechte Hand Sylva ihre Exekutive, die durch blinde Gewaltbereitschaft getrieben wird, der Orang-Utan Raka immerhin auch das gute Gewissen. Man kennt all diese Konstellationen bereits aus der Ur-Reihe, und ganz besonders aus der Tim-Burton-Interpretation von 2001, die solche wiederkehrenden Muster ausschmückte wie es ein Märchen tun würde.
Leider erinnert auch Freya Allans (“Gunpowder Milkshake“) elfenhaftes Auftreten in der weiblichen Hauptrolle ein wenig an die farblose Performance von Estella Warren in jener Adaption, obgleich die Rollenausschreibung Gegenteiliges erfordert; Stärke demonstrieren soll sie nämlich, den letzten Funken Überlebenswillen der Spezies Mensch entfachen, wozu ihre Ausstrahlung sie aber leider nicht bemächtigt, so dass sie von den digitalen Figuren um sie herum in Grund und Boden gespielt wird. William H. Macy (“Pleasantville“) beweist in einer zweiten Menschenrolle mehr Charisma, wird aber Opfer durchschaubaren Type Castings, hat man ihn doch immer wieder ähnlich angelegte Charaktere spielen sehen. Weder er noch Allan sind ironischerweise dazu in der Lage, die Vielschichtigkeit der Affenfiguren auf gleichem Niveau zu erwidern. Man möchte gerne sagen, dass dies zum Plan des Films gehört, doch tatsächlich versucht er, eine Gleichberechtigung zwischen den Spezies herauszustellen, was ihm besser gelungen wäre, hätte die Menschen mit ebenso viel Liebe zum Detail modelliert wie die Affen.
Erfreulicherweise fängt sich das lange Zeit ziellos ins Obligatorische verlaufende Drehbuch nach zwei Dritteln und weiß einen Schlussakt zu präsentieren, der das atmosphärische Setting auch für seinen Inhalt zu nutzen weiß. Ball deckt nun schichtweise die Relikte der verschütteten alten Weltordnung auf und verwebt sie gar zu Diskursen, die in Geltungsbereiche von Medientheoretikern wie Walter Ong („Oralität und Literalität“) eingreifen, wenn etwa der mediale Wert von Büchern ganz neu entdeckt und verhandelt wird. Die Überheblichkeit der Affen gegenüber dem niederen Menschen wird dem Menschen selbst zum Spiegel, und während nach und nach die Errungenschaften unserer Kultur freigeschaufelt werden, wird uns der Anthropozentrismus wie ein Mahnmal vor Augen geführt. Und als Proximus den Verderben bringenden Erfindungen des Menschen auf die Schliche kommt, wird auch noch eine gehörige Portion Suspense beigemischt. Genau solche Ansätze intelligenten Blockbuster-Kinos, die zuletzt auch auf die dramaturgischen Mechanismen abfärben, war man von Wyatt und Reeves gewohnt. Ball liefert sie spätestens in diesem letzten Drittel ebenfalls, inklusive eines wahrhaft mitreißenden Schlussakts, der das Malerische und das Erschreckende des Films endgültig miteinander verknüpft.
Vielleicht fehlt die letzte schreiberische Finesse, um aus „Planet der Affen: New Kingdom“ ein weiteres, ein viertes Meisterstück in Serie zu machen. Obwohl man sich beim Blick in die Augen von Noa, Proximus, Raka, Sylva & Co. auf Anhieb an das Gefühl von damals erinnert, als der Realismus im mimischen Ausdruck den Glauben an ein neues Zeitalter des Science-Fiction-Films bekräftigte, bleibt der erste Film über das neue Zeitalter, derjenige, der einem Remake des 68er-Films am nächsten kommt, zu lange in den Standards verhaftet. Selbst in dieser Phase kann man sich aber einfach an das Fell der neuen Herrscher des Planeten klammern, wie es im Wind der Höhen flattert oder im Nass des Meerwassers am Körper klebt. Ein Vollblutabenteuer ist der mit Skepsis erwartete vierte Teil der Saga aus dem 21. Jahrhundert in jedem Fall geworden. Und streckenweise sogar weit mehr als das.
Knappe
Schaut in den Trailer von “Planet der Affen: New Kingdom”
„Planet der Affen: New Kingdom“ läuft seit dem 9. Mai in den deutschen Kinos. Blu-rays und UHDs werden wohl im Laufe des Jahres über Leonine erscheinen; genaue Details zur Ausstattung oder zum Erscheinungsdatum sind aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.
Sascha Ganser (Vince)
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