Originaltitel: Slotherhouse__Herstellungsland: Serbien / USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Matthew Goodhue__Darsteller: Lisa Ambalavanar, Sydney Craven, Stefan Kapicic, Olivia Rouyre, Grace Patterson, Kelly Lynn Reiter, Tiff Stevenson, Tiana Upcheva, Cady Lanigan, Bradley Fowler u.a. |
Auf der Suche nach dem nächsten großen Killerding wird es nach all den Haien, Schlangen, Krokodilen, Spinnen, Bienen, Tigern, Löwen, Ameisen, Kraken, Ratten, Piranhas, Bären, Vögeln, Wildschweinen, Zecken, Schnecken, Kakerlaken, Heuschrecken, Würmern, Walen, Affen, Fledermäusen, Hunden und Katzen langsam ein bisschen dünn. Unbehelligt vom Tierhorror-Genre blieben bis hierhin eigentlich nur die extrem niedlichen Gattungen, die viel zu harmlos sind, um irgendeiner Seele Leid zuzufügen. Und selbst die wurden teilweise schon infiltriert. Man frage nur mal Nick Park oder die Python-Truppe, was sie von Kaninchen halten.
Das Faultier ist in dieser Hinsicht noch einigermaßen unverbraucht, weil nicht allzu stark vertreten in der Filmgeschichte. Curt Siodmaks „Curucu, die Bestie vom Amazonas“ (1956) teilt gewisse Eigenschaften mit dem trägen Pelzgeschöpf, das ansonsten aber eher in Komödien wie „Ab in den Dschungel“ (2015) heimisch ist oder in den immer schneller werdenden Animationsfilmen von Disney auch mal als Entschleunigungs-Gag herhalten muss („Zoomania“, 2016). Weshalb der Langfinger im Horrorbereich bislang weniger beachtet wurde, liegt auf der Hand. Ein Tier, das kaum mehr als 30 Zentimeter pro Minute zurücklegt und so wohl kaum einen ordentlichen Jump Scare zustande bringt, lässt sich allenfalls verkaufen, wenn zumindest der Ekelfaktor stimmt, wie in Juan Piquer Simóns „Slugs“ (1988) oder Jeff Liebermans „Squirm“ (1976). Bei einem plüschigen Faulpelz mit Kifferlächeln und Vorliebe für Grünzeug ist aber jede Hoffnung verloren, Freddy-Krueger-Krallen hin oder her.
Dass sich mit „Slotherhouse“ nun doch jemand an einem Faultier-Slasher versucht, lässt sich zumindest anhand jüngster Evolutionsstufen des Tierhorrorfilms erklären. Wer Haie in Tornados oder Bären auf Kokain akzeptiert, so die Annahme, der dürfte wohl auch bei mordlustigen Faultieren keine nennenswerten Einwände haben. Hier gilt die Devise: Je abwegiger die Grundidee, desto spaßiger das Ergebnis. Wo die Horrorkomödie aufgrund ihres ungewöhnlichen Mordinstruments jedoch eigentlich dazu verpflichtet ist, die gängigen Regeln auf links zu drehen, verharrt sie zu oft träge in der Bewegung und weiß im Grunde gar nicht so recht, was sie mit ihrem Joker anfangen soll.
Den Rahmen des nicht ganz so ernstgemeinten Kuschelkillerfilms liefert ein Campus, auf dem die Generation Instagram macht, was sie heutzutage so macht… so ein bisschen Party eben, allerdings mit erstaunlich wenig Sex und Alkohol, denn in erster Linie muss die Frisur sitzen, wenn man die Kamera auf sich selbst richtet und grinst wie ein Maigouda. Betritt eine neue Figur die Bühne, wird als erstes der Follower-Counter eingeblendet, so dass man gleich über das soziale Ranking an der Uni Bescheid weiß. Wer immer wissen wollte, wie „Clueless“ ausgesehen hätte, wäre er dreißig Jahre später entstanden, bekommt hier einen netten Einblick. Der Kontext ist durchaus mit Bedacht gewählt, denn zwischen dem Geltungsbedürfnis der einen Spezies und der Scheu der anderen besteht ein enges Band. Das Internet ist bekanntlich prall gefüllt mit Tiervideos, in denen Dr. Doolittles Erben sich mit Wildkatzen über den Boden rollen, Entenmütter wieder mit ihren Jungtieren vereinen oder eben desorientierte Faultiere vom Highway aufheben und auf den nächsten Ast heben. Die Natur scheint wohl für Digital Natives eine Art Oase der Regeneration und Besinnung auf das Ursprüngliche zu sein. Das sind dann auch die Knöpfchen, die „Slotherhouse“ drücken möchte.
Entsprechend dumpfbackig stolpert Lisa Ambalavanar durch ihre Hauptrolle, die sie als heillos naives Honigkuchenpferd anlegt, womit sie die Segel schon mal eher Richtung Anna-Faris-Parodie anlegt, anstatt dem Zuschauer, egal wie jung und weiblich, eine Identifikationsplattform zu bieten. Dafür eignet sie sich ob ihrer augenscheinlichen Doofheit kaum mehr als ihr hochnäsiger Konterpart mit Herrscherkomplexen (Sydney Craven), und als die Handlung auf einen Wahlkampf der Beiden für die Präsidentschaft der Studentinnenverbindung zuläuft, möchte man am liebsten, dass die Veranstaltung am Ende vor lauter geballter IQ-Abstinenz wie ein schwarzes Loch implodiert… oder dass alternativ das Faultier mal ordentlich durchwischt, wo es schon mal da ist. Waidmannsheil, mögen die frisch gewetzten Krallen uns ein wenig Studentenfutter zubereiten.
Immerhin: Was unseren kleinen Burschen angeht, der ist erfreulicherweise durchgehend als animatronische Puppe umgesetzt. Das verleitet nicht nur den Zuschauer dazu, einen Vergleich mit Möderpuppe Chucky heranzuziehen, sogar eine der nicht ganz hellen Nebenfiguren kommt auf denselben Gedanken. Die hakeligen, umständlichen Bewegungen des exotischen Klammeräffchens unterstützen automatisch den augenzwinkernden Ton des Films, der mit fließenden Computeranimationen, und wären sie auch nur für die eigentlichen Attacken angewandt worden, nicht hätte erzeugt werden können. Das am Braunkehl-Faultier angelehnte Design der Puppe in Kombination mit der trägen Mechanik sorgt für eine erheiternde Drolligkeit, die ebenso einfach umgesetzt wie effektiv in der Wirkung ist. Fast noch mehr als an Chucky erinnert das Resultat aufgrund der putzigen Gesamterscheinung sogar an Grogu aus „The Mandalorian“, zumal dessen Letalität aufgrund seines Äußeren auch gerne mal unterschätzt wurde. Im weiteren Verlauf gesellt sich außerdem noch ein waschechter E.T.-Moment zu den Gesamteindrücken hinzu. Kurzum: Was das Creature Design angeht, bewegt sich „Slotherhouse“ durchaus am Puls der Zeit.
Der Regisseur allerdings dürfte als Kind nicht viel mit Stofftieren gespielt haben, zumindest mit diesem weiß er nicht allzu viel anzufangen. Lediglich eine Szene deutet an, was man mit ein wenig mehr Experimentierwillen aus der Prämisse hätte rausholen können: Da muss ein narkotisiertes Opfer mit ansehen, wie sich das Faultier langsam durch den Raum in seine Richtung bewegt, was mit verzerrter Ego-Perspektive und weichen Schnitten effektiv eingefangen wird. Wirklich blutig wird es aber nie. Es scheint so, als habe bei dem Einfall, einen Killerfaultierfilm zu drehen, niemand daran gedacht, wie man die Zeitlupenkills praktisch umsetzt, ohne dass es selbst für eine Komödie zu bescheuert aussieht. Also wird einfach verstohlen abgeblendet, bevor es zum Ergebnis kommt.
Dabei mutet man dem Zuschauer in Sachen Suspension of Disbelief auch so schon eine Menge zu. „Slotherhouse“ geht hier selbst über die comichaften Sprechblasengeräusche der Spinnen aus „Arac Attack“ hinaus und verleiht dem Faultier nicht etwa nur die Fähigkeit, seine Besitzerin am Computer über die sozialen Medien zu stalken, sondern lässt es sogar ein, zwei Schlüsselsätze sprechen. Nimm dies, Gremlins 2! Weshalb es trotz dieses irrsinnigen Creature Designs nie zu einer derben Eskalation kommt, die ebenso over-the-top ist wie das sprechende Campus-Maskottchen, bleibt eines der ungelösten Rätsel, die im Grunde nur ein viel besseres Sequel lösen könnte.
Wer in dem knallbunten, abgesehen von den Farben aber nicht allzu aggressiven Film aufgrund solcher Vorzeichen zumindest auf ein blutiges Finale hofft, bei dem Blödheit radikal mit Tod durch Kralle bestraft wird, sieht sich ultimativ enttäuscht. Die wenigen Hassfiguren, die es dahinrafft, bekommen einen viel zu unspektakulären Tod, wohingegen einige andere sogar ohne jegliche Not komplett verschont bleiben. Das Skript zeigt sich hier doch an der falschen Stelle progressiv, als es sich mit den heiligen Regeln des Slasherfilms anlegt und am Ende ohne eine wirklich memorable Szene dasteht.
Wenn schon langsam angehen, dann doch bitte richtig. „Slotherhouse“ hätte durchaus alle Anlagen gehabt, der etwas andere Tierhorrorfilm zu werden, zumal der komödiantische Kurs mitsamt der ungelenken Faultierpuppe und einem Figurenrepertoire voller Hohlbirnen goldrichtig ist. Die Social-Media-Kritk fühlt sich jedoch ziellos an, kreative Ideen sind Mangelware und nie hat man das Gefühl, aus dem Fellknäuel wurde das Optimum herausgeholt. Im Grunde ärgert man sich einen halben Film lang über die Charaktere (Hauptfigur definitiv inbegriffen), nur um dann zu realisieren, dass man am Ende eben nicht mit einer befriedigenden Schlachtplatte belohnt wird, die das Ausharren lohnenswert macht, sondern man wider Willen allerhand Überlebende ertragen muss, die weiter den Fortbestand der intelligenten Art bedrohen.
Schaut in den Trailer von “Slotherhouse”
Plaion Pictures hatte ein Herz für Tiere und veröffentlichte „Slotherhouse“ bereits im Februar auf DVD und Blu-ray. Wer nicht zum einfachen Keep Case greifen will, bekommt die Campus-Sause auch im Mediabook mit einem 24-seitigen Booklet. Bei den Extras findet man neben dem Trailer noch ein zehnminütiges Interview mit Matthew Goodue und David Stark. Auch viele Streaming-Anbieter haben die Horrorkomödie für eine Leihgebühr im Programm. Bei Paramount+ ist sie zudem derzeit Teil des Standardkatalogs.
Sascha Ganser (Vince)
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