Wir zelebrieren Actionfilme, die rocken!

Rebel – In den Fängen der Terrors

Originaltitel: Rebel__Herstellungsland: Belgien/Frankreich/Luxemburg__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Adil El Arbi, Bilall Fallah__Darsteller: Aboubakr Bensaihi, Lubna Azabal, Tara Abboud, Amir El Arbi, Younes Bouab, Ala Riani, Nadeem Rimawi, Fouad Hajji, Kamal Moummad, Nassim Rachi u.a.
Rebel - In den Fängen des Terrors

Mit “Rebel” drehten Adil El Arbi und Bilall Fallah einen Film über den IS-Terror aus westlich-muslimischer Sicht

Bereits seit 2017 arbeitete das flämische Regieduo aus Adil El Arbi und Bilall Fallah an „Rebel“, bis zum Dreh und Kinostart standen allerdings noch bewegte Jahre, in denen die beiden unter anderem ihr Hollywood-Kinodebüt mit „Bad Boys for Life“ gaben.

Es beginnt mit einem Terrorvideo. Zu sehen sind dort Mitglieder des Islamischen Staats, die Gefangene exekutieren. Unter den Mördern ist auch Kamal Wasaki (Aboubakr Bensaihi), ein belgischer Muslim. Doch nicht nur das Video, sondern auch seine Rezeption wird gezeigt, denn Kamals Mutter Leila (Lubna Azabal) und sein kleiner Bruder Nassim (Amir El Arbi) bekommen davon in Belgien mit. Ein schlimmer Schock, denn nun gibt es keine Zweifel mehr am Schicksal des Sohnes bzw. Bruders. Obendrauf kommt noch die soziale Ächtung, ist ihr Verwandter nun unzweifelhaft ein IS-Terrorist, auch wenn beide nichts damit zu tun haben.

Anschließend springt der Film ein gutes Jahr zurück. Damals ist Kamal noch in Belgien und alles andere als ein Fundamentalist. Er raucht Shisha und Gras, fährt gern Motorrad und versucht sich gar nicht mal so unerfolgreich als Rapper, mit selbst gedrehten Musikvideos. Gegen die alleinerziehende Mutter rebelliert er, versucht den Bruder so gut es geht vom Straßenleben fernzuhalten, muss dann aber selbst abhauen, weil ihm die Polizei wegen Drogenhandel auf die Spur kommt. Einzige Spur zum späteren Gedankengut sind seine Vertiefungen in Online-Videos, in denen ihm erzählt wird, dass seine muslimischen Glaubensbrüder in Syrien verfolgt und abgeschlachtet werden.

Kamal leistet erst Hilfe im Widerstand gegen Assad, wird später mit seiner Miliz vom IS zwangsrekrutiert. Seine Fähigkeiten mit der Kamera bringen ihm den Einsatz als Kameramann in Propagandadiensten ein. Daheim machen sich IS-Rekrutierer an Nassim heran, während Leila versucht den älteren Sohn zurückzuholen und den jüngeren Sohn vor Einflüsterern zu beschützen…

Schaut euch den Trailer zu „Rebel – In den Fängen des Terrors“ an

Das Regie-Duo, welches den Film gemeinsam mit Kevin Meul und Jan van Dyck schrieb, wollte nach eigener Aussage einen Film über den IS aus muslimischer Sicht machen. Viele der Beteiligten stammen wie die Figuren aus dem berühmt-berüchtigten belgischen Viertel Molenbeek oder haben Freunde oder Verwandte dort. Teilweise mussten sie Radikalisierungen miterleben und amalgamierten die Handlung von „Rebel“ aus verschiedenen realen Geschichten. Das erscheint durchaus plausibel, gab es doch immer wieder Presseberichte in verschiedenen Ländern über ziellose Nachwuchs-Rapper und Kleingangster, die ihr Leben umkrempelten und zu islamischen Fanatikern wurden – man denke an den Fall Deso Dogg aus Deutschland. Auch das Casting sollte Authentizität garantieren, weshalb viel mit Laiendarstellern und Personen aus dem Umfeld von Adil & Bilall, wie sich das Duo gern nennen lässt, gearbeitet wurde. Amir El Arbi ist Verwandtschaft, Aboubakr Bensaihi gab sein Filmdebüt im ersten Spielfilm der beiden, „Black“, und auch Tara Abboud ist noch am Anfang ihrer Karriere. Mit Lubna Azabal („Der Mann, der niemals lebte“) engagierten sie dagegen eine erfahrene Schauspielerin für den Mutterpart. Doch egal ob altgedient oder grün hinter den Ohren: Dieses Hauptrollenquartett leistet famose Arbeit, ebenso wie die Nebendarsteller.

Rebel - In den Fängen der Terrors

Der Belgier Kamal Wasaki (Aboubakr Bensaihi) gerät in den Bann des Islamischen Staats

Man kann vielleicht kritisieren, dass die Hauptfigur zu jenen gehört, für die in Syrien das böse Erwachen anstelle des Hineinwachsens in die Terror-Ideologie ansteht, mag dies als Schonung des Publikums sehen. Andrerseits wäre ein Film über einen überzeugten IS-Schlächter schwer zu goutieren und im schlimmsten Falle sogar missverständlich gewesen. Zumal „Rebel“ das Spektrum ja nicht verheimlicht: Es gibt diejenigen, die aus Angst vor Tod und Folter weiter mitmachen, es gibt diejenigen, die sich eigene Vorteile versprechen, und es gibt die hundertprozentig überzeugten Fanatiker. Für ihre Opfer macht das letztendlich keinen Unterschied. Zumal „Rebel“ die Gräueltaten der Terrororganisation nicht ausspart: Mord, Gewaltherrschaft, Zwangsverheiratungen, Enthauptungsvideos, Kindersoldaten usw. Er zeigt gleichzeitig die Scheinheiligkeit der Terrorbrüder auf, welche ihre eigenen Regeln nach Gutdünken biegen. Alkohol und Zigaretten sind einerseits unter drakonischen Strafen auch für IS-Kämpfer verboten, andrerseits bietet ein hochrangiger IS-Mann Kamal ein ganzes Angebot an harten Drogen an, falls er Bedarf haben sollte. Sex ist nur innerhalb der Ehe erlaubt, jedoch werden die oft zwangsheirateten „Ehefrauen“ auch mal zwischenzeitlich an andere IS-Leute „verheiratet“, wenn diese gerade Lust verspüren, um dann an vorigen „Ehemann“ gegen eine Entschädigungssumme zurück „verheiratet“ zu werden. Mit der Jesidin Noor (Tara Abboud), die mit Kamal zwangsverheiratet wird, findet der Film eine vierte Hauptfigur.

Freilich gibt es das eine oder Thema, bei man sich etwas mehr Vertiefung wünschen würde, etwa die perfiden Methoden der IS-Anwerber. Da „Rebel“ den Fokus in der ersten Hälfte sehr stark auf Kamal legt, kommen Leila und Nassim manchmal etwas zu kurz. Relativ schnell wird abgehandelt, wie islamistischen Rekrutierer sich über Jugendthemen wie Videospiele und eine perfide Form der Sozialarbeit in das Leben leicht beeinflussbarer Kinder und Jugendlicher drängen, um ihnen dann ihre Ideologie einzutrichtern. Da sind Gegengewichte wie Leila oder der Imam, der Nassim von der Falschauslegung des Koran durch den IS überzeugen will, schnell im Hintertreffen. Dabei guckt „Rebel“ auf viele Facetten: Wie soziale Ächtung das Geschäft der Rattenfänger erleichtert, wie viele von den Rekrutierern vor allem auf das Geld und weniger auf die Ideologie gucken, wie nachvollziehbare Ziele wie die humanitäre Hilfe im Kampf gegen einen Diktator wie Assad instrumentalisiert werden.

Rebel - In den Fängen des Terrors

Mutter Leila (Lubna Azabal) und Bruder Nassim (Amir El Arbi) erfahren aus den Medien von Kamals Taten

„Rebel“ ist kein Actionfilm, benutzt aber gelegentlich die Inszenierungsstrategien des Actionkinos. Da wäre vor allem eine One-Take-Sequenz zu nennen, in der IS-Kämpfer eine Stadt erstürmen, während Kamal als Kameramann dabei ist. Vom Sturmangriff auf Motorrädern über den Häuserkampf bis zur Verwundung verfolgt die Szene den Protagonisten ohne sichtbare Schnitte, ähnlich wie es etwa in der „John Wick“-Reihe, den „Tyler Rake“-Filmen oder John Woos jüngstem Streich „Silent Night“ Gang und Gäbe ist. Doch auch andere Formate greift „Rebel“ auf, darunter das Musikvideo. An drei Stellen werden wichtige Handlungsteile durch entsprechende Musical-Einlagen verstärkt – laut den Regisseuren war ihnen dies auch deshalb besonders wichtig, weil der IS Musik auf seinem „Staatsgebiet“ verbot. In „Rebel“ hingegen ist der Hip-Hop-Soundtrack präsent, während dessen Bildsprache wiederum auch die formale Gestaltung des Films beeinflusst. Ein kluger Schachzug, schließlich soll ja gerade jene junge Zielgruppe erreichen, der er die Perfidie der IS-Ideologie veranschaulichen möchte.

So liefert „Rebel“ einen glaubwürdigen, exemplarischen Einblick in Sogkraft und Brutalität des IS-Terrors bis zum konsequenten Ende, der noch dazu formal ausgesprochen interessant ist. Manchmal sind die Hauptfiguren etwas ungleich gewichtet, manchmal möchte man noch gern mehr über diesen oder jenen Aspekt erfahren, aber insgesamt ist das Ergebnis eine überzeugende Synthese aus belgischem gritty Straßenrealismus und dem Hochglanz-Einfluss von Hollywood und Musikvideos.

„Rebel“ wurde in Deutschland von Busch Media Group/AL!VE auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, ungekürzt ab 16 Jahren. Als Bonusmaterial gibt es einen Trailer, eine Featurette zur deutschen Premiere in Stuttgart und ein Interview mit Regisseur Adil El Arbi und Hauptdarsteller Aboubakr Bensaihi. Streamen kann man den Film auch.

© Nils Bothmann (McClane)

Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love

Copyright aller Filmbilder/Label: Busch Media Group/AL!VE__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

Tagged as: , , , , , , , ,

Wie Viele Actionnerds gibt es?

  • Keine Sorge, du bist mit deiner Vorliebe nicht allein! Uns besuchten bereits 16850338 andere Actionnerds