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Blutiger Sommer – Das Camp des Grauens (Sleepaway Camp)

Originaltitel: Sleepaway Camp__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1983__Regie: Robert Hiltzik__Darsteller: Felissa Rose, Jonathan Tiersten, Karen Fields, Christopher Collet, Mike Kellin, Katherine Kamhi, Paul DeAngelo, Tom Van Dell, Loris Sallahian, John E. Dunn, Willy Kuskin, Desiree Gould, Owen Hughes, Robert Earl Jones, Susan Glaze u.a.
Sleepaway Camp

“Sleepaway Camp” alias “Blutiger Sommer – Das Camp des Grauens” gilt wegen seines Finales als kleiner Klassiker des Slasherfilms

„Halloween“ startete 1978 den Slasher-Boom, während „Freitag, der 13.“ zwei Jahre später das Feriencamp als beliebtes Setting etablierte, das auch populären Genrevertretern aus der zweiten Reihe, darunter „Brennende Rache“ und eben „Sleepaway Camp“, gern genutzt wurde.

Am Anfang steht slashertypisch ein tragisches Ereignis, von dem man bereits ahnt, dass es später noch eine Rolle spielen wird. Hier ist es ein Bootsunfall. Ein Vater kentert mit Sohn und Tochter ungefähr zwei Meter vom Ufer entfernt, kommt aber nie auf die Idee mit dem Nachwuchs zügig an Land zu schwimmen. Das trifft sich freilich schlecht, weil ein männlicher Teenager hormonbedingt einen wenig bootserfahrenen weiblichen Teenager ein Motorboot steuern lässt, was zum besagten Unfall führt, bei dem man über die Familie drüber jöselt. Daddy und ein Kind sterben, das andere treibt leblos im Wasser, die vom Motorboot gezogene Wasserskifahrerin schreit sich entsetzt die Seele aus dem Leib und damit kann man zur Haupthandlung springen, die acht Jahre später einsetzt.

Angela (Felissa Rose) ist nach den tragischen Ereignissen aus der Eingangssequenz bei ihrer Tante aufgewachsen. Ihren Cousin Ricky (Jonathan Tiersten) kann man anfangs für ihren Bruder halten, doch dann liefert der Film die Info nach, dass der Rest der Familie de facto draufging. Nun soll es über die Ferien ins Sommercamp gehen, eine Tradition des US-amerikanischen Bürgertums, das seinen Nachwuchs zum Freundschaftenschließen und Die-Natur-Kennenlernen aufs Land schickt, was den positiven Nebeneffekt hat, dass einem die Kiddies in den Ferien nicht andauernd in der Bude hängen. Aber damit es eine dieser uramerikanischen Institutionen, die man – ähnlich wie Feiertage – im Slasherfilm gern zerpflückt.

Im Feriencamp hat Angela es nicht leicht, da die Außenseiterin schnell von einigen Bullys zum bevorzugten Ziel erklärt wird. Das ist allerdings nicht der einzige Vorfall, denn ein Unbekannter tötet Menschen im Camp – und zwar jene, die es auf Angela abgesehen haben…

Schaut euch den Trailer zu „Sleepaway Camp“ an

Dass „Sleepaway Camp“ als kleiner Klassiker des Slasherfilms gilt, liegt vor allem an dem Ende, das durch seinen Legendenstatus oft schon bekannt ist, selbst wenn man den Film noch nie gesehen hat. Die Identität des Killers ist dabei nicht unbedingt die große Überraschung, denn eigentlich gibt es nur zwei naheliegende Lösungen. Denn schon früh verweisen die Mordszenen darauf, dass der ungezeigte Mörder einer der jüngeren Campbesucher sein muss – will „Sleepaway Camp“ nicht noch auf die letzten Meter eine abwegige Person aus dem Hut zaubern, dann geht entweder Ricky in seinem Beschützerinstinkt zu weit oder Angela lichtet selbst die Reihen ihrer Peiniger. Der Clou ist eigentlich ein anderer und dürfte dem unvorbereiteten Publikum die Socken ausziehen, doch selbst wenn man ihn schon kennt, dann ist das Ende wirklich eindrucksvoll. Denn es ist gleichzeitig schockierend und tragisch, bietet ein starkes Schlussbild mit ebenso einprägsamer Tonebene. Zumal es noch Raum für Interpretationen birgt. *SPOILER* Wenn Angela dort mit dem abgetrennten Kopf des Jungen, der sich für sie interessierte, steht, dann röchelt sie ihren Schmerz hinaus. Hat sie ihn umgebracht, um ihr Geheimnis zu wahren, um ihn für die zwischenzeitliche Enttäuschung ihrer Gefühle zu bestrafen oder deshalb, weil sie mit den sexuellen Trieben, die er in ihr weckte, nicht klarkam? Alles im Bereich des Möglichen. *SPOILER ENDE*

Insofern verfügt „Sleepaway Camp“ über ein beeindruckendes Finish, an dem allerdings noch ein Restfilm dranhängt. Und der ist gar nicht mal so gut. Da der Mörder seine ersten Taten als Unfälle tarnt und Camp-Chef Mel (Mike Kellin) diese möglichst unter Verschluss halten will, dauert es relativ lange, bis irgendjemand was von dem tödlichen Treiben spitzkriegt. Also läuft der Camp-Betrieb normal weiter, was jedoch nicht für Suspense mit nichtsahnenden Besuchern genutzt wird, sondern für ellenlange Zustandsbeschreibungen des Normalbetriebs. Da gibt es minutenlang gezeigte Baseballspiele und Teenager-Liebeleien. Letztere haben dann immerhin das volle Programm zwischen Händchenhalten und Koitus drauf, da die Darsteller ausnahmsweise mal im Alter ihrer Figuren sind und nicht von lauter Mittzwanzigern dargestellt werden. Dementsprechend arbeiten die Jüngeren noch auf den ersten Kuss hin, die Älteren und/oder Erfahreneren auf mehr. Auch figurentechnisch gibt es die volle Bandbreite, wenn unter den Aufsehern sowohl die Bemühten und Hilfsbereiten als auch die drakonische Meg (Katherine Kamhi) sind.

Allerdings scheint Robert Hiltzik, seines Zeichens Regisseur, Drehbuchautor und Produzent des Films, wenig Ahnung von menschlichem Verhalten zu haben, anders kann man sich verschiedene Figurenhandlungen nicht erklären. Die Mutter von Ricky scheint drei Handvoll Aufputschmitteln mit zwei Litern Wein heruntergespült zu haben, wenn sie die Kiddies vollkommen angeknipst ins Camp schickt, Meg forciert ein Date mit Mel, der nicht nur 30 bis 40 Jahre älter ist, sondern auch noch aussieht wie eine abgelaufene Sandale, und wenn der offensichtliche pädophile Koch seine Neigungen erkennen lässt, dann kommen von den Kollegen nur ein paar dumme Sprüche, die ihn später auch noch mit Kindern im Kühlraum allein lassen. Zumindest ein Figurenverhalten wird mit dem Schlusstwist minimal nachvollziehbarer. Da wirkt es fast vergleichsweise realistisch, wenn sich die Bullys mit unnachgiebiger Härte wie die Geier auf Angela stürzen, weil diese fast nie spricht, an keiner Aktivität teilnimmt und panische Angst vor Wasser hat. Oberzicke Judy (Karen Fields) neidet es dem Mauerblümchen sogar, wenn sich ein Junge für Angela interessiert, dem sie zuvor die kalte Schulter zeigte. Für Hiltzik blieb „Sleepaway Camp“ das beinahe einzige Werk – die ersten Sequels drehte man ohne ihn, lediglich für die späte Fortsetzung „Return to Sleepaway Camp“ durfte er nochmal ran.

Komponist Edward Bilous empfahl sich mit seinem elanlosen Dudel-Score als Experte für Fahrstuhlmusik, durfte nach 15-jähriger Pause dann aber nochmal Mucke für ein paar Filmchen beisteuern, die vermutlich nie jemand ansah. Dass er außerdem als Produzent einiger Songs der Hugh-Grant-Komödie „Mickey Blue Eyes“ gelistet wird, ragt in seiner Filmographie dann heraus. Wenig besser sieht es da im darstellerischen Bereich aus, bei dem man sichtlich auf Laien und Jungdarsteller ohne viel Erfahrung setzte. Felissa Rose („Terrifier 2“) macht da noch einen halbwegs guten Job, auch wenn ihre Hauptaufgabe darin besteht schüchtern bis teilnahmslos in der Ecke zu sitzen. Dass sie (ebenfalls nach langer Pause) noch eine langlebige Billigfilmkarriere hatte, dürfte dann auch eher der Popularität von „Sleepaway Camp“, weniger ihrer Schauspielkunst geschuldet sein.

Und dann wären da noch die Mordszenen, angesichts derer es verwundert, dass „Sleepaway Camp“ in mehreren Ländern lange Zeit nur gekürzt veröffentlicht wurde. Denn im Vergleich zur Schlitzer-Konkurrenz der 1980er lässt sich das kostengünstig produzierte Filmchen doch recht harmlos an: Oft sieht man nicht die Tat, nur das Ergebnis. Manches Resultat hat dann doch gewisses Schock- und Ekelpotential, etwa ein mit heißem Wasser verbrühtes Opfer, eine Wasserschlange, die einer Leiche aus dem Mund kriecht, oder eine ganze Gruppe von Leichen in Schlafsäcken. Hin und wieder wird onscreen per Messer oder Pfeil gekillt, anderes wie der Lockenstab-Kill bleibt der Phantasie des Publikums überlassen. Spannend ist das Ganze freilich nur bedingt, weil meist immer genau die Person draufgeht, die Angela zuletzt übel mitgespielt hat, und inszenatorisch ist da auch nicht allzu viel Finesse drin. Von der Logik reden wir auch besser nicht, etwa wenn man sich die Kräfteverhältnisse beim Mord durch Ertränken anschaut.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer – und ein legendäres Ende noch keinen guten Slasher. So sehr das Finish von „Sleepaway Camp“ sitzt, auch wenn man es schon kennt, so wenig prickelnd kommt der Rest vom Film daher. Schwache Musikuntermalung, begrenzt aufregende Mordszenen, viel öder Camp-Alltag und Figurenverhalten aus einer Parallelrealität, das kann man schwer übersehen, Finale Furioso hin oder her.

Legal gibt es „Sleepaway Camp“ in Deutschland nur „Blutiger Sommer – Das Camp des Grauens“ auf VHS von RCA/Columbia, um einige Gewaltszenen gekürzt und ab 16 Jahren freigegeben. Alle bisher erschienenen DVDs und Blu-Ray sind Bootlegs. Nachdem in den USA jahrelang auch nur eine gekürzte Fassung auf DVD veröffentlicht wurde, hat sich dort Scream Factory des Titels angenommen und ihn als ungekürzte DVD-und-Blu-Ray-Kombo mit reichlich Bonusmaterial veröffentlicht.

© Nils Bothmann (McClane)

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