Wir zelebrieren Actionfilme, die rocken!

Hell Up In Harlem

Originaltitel: Hell Up In Harlem__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1973__Regie: Larry Cohen__Darsteller: Fred Williamson, Julius Harris, Gloria Hendry, Margaret Avery, D’Urville Martin, Tony King, Gerald Gordon, Bobby Ramsen, James Dixon, Esther Sutherland, Charles MacGuire, Mindi Miller, Al Kirk, Janelle Webb u.a.

Hell Up In Harlem Banner

Hell Up In Harlem

“Hell Up In Harlem” erscheint als Nr. 16 in der “Black Cinema Collection”.

Aufstieg → Höhepunkt → Fall. So gut wie jedes Epos über schillernde Persönlichkeiten definiert sich über diese drei unverrückbaren Eckpunkte. Der Tagesstand der Sonne am Firmament, vielleicht aber auch das Leben an sich muss Pate gestanden haben für die dahinterstehende Dramaturgie, deren Beginn stets von Schwäche geprägt ist, die dann zu voller Stärke heranreift und schließlich wieder zu ihrem Ursprungszustand zurückkehrt.

Filme, die einem solchen Aufbau folgen, bilden in der Regel geschlossene Kreise, die sich nicht dazu eignen, fortgesetzt zu werden. Da macht auch „Black Caesar“ von 1973 keine Ausnahme. Larry Cohens Mafia-Drama, das den Begriff „Blaxploitation“ wohl stärker auf die Probe gestellt hat als jeder andere Vertreter dieser Gattung, hat zwar durchaus seine Ecken und Kanten, lässt aber zu guter Letzt wieder einen Kreis entstehen. Es ist überhaupt nur das alternative Ende, das den Weg freimacht, um das Leben von Tommy Gibbs (Fred Williamson) gegen jede Vernunft doch noch weiter zu begleiten… und damit die Geschichte eines Mannes, der als Schuhputzer begann, zum Kopf eines Verbrechersyndikats aufstieg und nach einem Anschlag auf sein Leben auf einer Straßenkreuzung in New York verblutete. Oder, je nach Betrachtungsweise, beinahe verblutet wäre.

Hell Up In Harlem Banner 3

Für die zweigleisige Filmrealität im Ausgang der Handlung gibt es einen guten, den wohl besten, den vielleicht einzigen, nämlich einen kommerziellen Grund. Nachdem „Black Caesar“ gestartet und zum Kassenschlager avanciert war, bedrängte man Cohen, umgehend zu reagieren und ein Sequel auf die Beine zu stellen. Und Cohen war unvorbereitet, zusätzlich mit weiteren Projekten beladen, aber dazu in der Lage, schnell zu schalten. Binnen weniger Monate und vieler Wochenendeinsätze hatte er das Ding geschrieben, produziert und im Kasten, so dass es noch im Dezember desselben Jahres in die Kinosäle einziehen konnte.

Es ist kein Wunder, dass sich die gehetzte Arbeitsweise auch auf das finale Produkt überträgt. „Hell Up In Harlem“ beginnt wenig elegant mit Stock Footage aus seinem eigenen Vorgänger. Cohen greift die Schlüsselsequenz auf, in der sein Protagonist blutüberströmt durch eine anonyme Masse aus New Yorker Passanten wankt. Hektischer Einstieg dank hektischer Kamera, Close Ups und Weitwinkel-Aufsicht im permanenten Wechsel, es werden Kreisel gezogen, alles dreht sich. Jeder Zuschauer, der „Black Caesar“ nicht vorab gesehen hat, ist ohnehin schnell abgeschüttelt, alle anderen drohen ebenfalls bereits abzurutschen. Schließlich wird man übergangslos in den Hauptteil geschleudert, als Gibbs, während sich immer noch alles dreht, in einer durchaus erinnerungswürdigen Sequenz einmal quer durchs Krankenhaus geschoben und von den Ärzten unter Waffengewalt wieder zusammengeflickt wird. Der schwarze Cäsar von Harlem ist zurück im Viertel, und die Lumpen können sich schon mal auf blaue Bohnen freuen.

Dass Cohen hier eher aus dem Affekt heraus reagiert anstatt einen wohlüberlegten Plan in die Tat umzusetzen, kann er nicht lange verbergen. Er versteckt sich im Rausch des Augenblicks, um nicht in die Verlegenheit zu geraten, einen übergeordneten Erzählrahmen auf den Weg zu bringen. Anstelle einer möglichen Phoenix-aus-der-Asche-Mythologie, die den geschlossenen Kreis des Vorgängers mit theatralischer Bedeutung beladen und auf diese Weise hätte aufbrechen können, vermittelt das durchweg hohe Tempo der Regie vielmehr etwas Zufälliges, als solle verwischt werden, dass da nur ein nutzloser Wurmfortsatz entsteht, der aus künstlerischem Antrieb heraus gar nicht hätte entstehen dürfen.

Schaut in den Trailer

Auch nach dem Einstieg wird kaum mal auf die Bremse getreten. Keilereien wechseln sich ab mit Autostunts, Männer werden in schwarze Wagen gestoßen und auf Dächer von Hochhäusern gezerrt, die Kofferbänder am Flughafen dienen als Kampfarena, zwischendurch wälzt sich Williamson auch mal mit seiner Geliebten in den Laken. In einem besonders tollwütigen Moment wird sogar die berühmte „Say Hello to My Little Friend“-Sequenz aus Brian De Palmas „Scarface“ vorweggenommen und eine komplette Inneneinrichtung mit Schusslöchern neu dekoriert. Wieder sind solche Höhepunkte durchaus angereichert mit Intensität, sie strahlen etwas Überlebensgroßes aus, sind dabei aber eher off- als onbeat getaktet, weil sie gegen jeden geltenden Rhythmus nur um ihrer selbst Willen in den Fluss der Handlung gezwängt werden, so dass sie jedweder Kontextualisierung entbehren. Das war streckenweise schon ein kleiner Mangel des Vorgängers, hier jedoch entwickelt es sich zu einem handfesten Problem, das den Genuss des immerhin recht kurzweiligen, nach wie vor authentisch im Guerilla-Stil an Originalschauplätzen gedrehten Streifens durchaus erschwert.

Hell Up In Harlem Banner 2

Das Augenmerk liegt so sehr darauf, überhaupt die Machbarkeit des Unmöglichen binnen kürzester Zeit zu gewährleisten, sich also aus der misslichen Lage zu befreien, die das Ende von „Black Caesar“ als schweres Erbe hinterlassen hat, dass für eine Weile vor lauter Wellengang gar nicht zu erkennen ist, in welche Richtung es inhaltlich gehen soll. Cohen entscheidet sich schließlich dafür, das Verhältnis zwischen Tommy Gibbs und seinem Vater weiter auszuleuchten. Er greift damit eine der vielen Nebenhandlungen auf, die im ersten Film angerissen wurden. Wie aus dem Nichts gerät somit Julius Harris in den Vordergrund und mimt den schlagfertigen Senior, der gleich in seinem ersten größeren Auftritt fast im Alleingang eine halbe Mobsterbande auseinandernimmt. Im Zusammenspiel mit dem Hauptdarsteller werden aus heutiger Sicht Erinnerungen wach an das Generationen-Bündnis, wie es im bis dato letzten „Shaft“ (2019) zwischen Großvater (Richard Roundtree), Vater (Samuel L. Jackson) und Youngster (Jessie Usher) durchexerziert wurde. „Hell Up In Harlem“ spielt die Blutsverwandtschaft nun als Karte aus und versetzt die insgesamt eher zwischen Actionkrimi und Thriller einzuordnende Gangsterstory dadurch auch mit einigen komödiantischen Impulsen.

Fred Williamson allerdings lässt sich von diesen Manövern nicht aus der Fassung bringen und spielt seinen Stiefel so cool runter wie immer, was die These untermauert, dass er ein Instrument in den Händen des Regisseurs ist, das nach Bedarf eingesetzt werden kann. Für den Soundtrack ist nicht mehr James Brown verantwortlich, sondern Edwin Starr mit seiner letzten Platte für Motown Records. Mit dem Title Theme „Ain’t It Hell Up In Harlem“ kann Starr zwar einige Akzente setzen und liefert auch sonst solide Arbeit ab, im Vergleich zu Brown-Krachern der Marke „Down And Out In New York City“ und „The Boss“ ist er aber letztlich bloß ein Komparse bei der Bedienung einer aus dem Boden geschossenen Nachfrage, die niemand auf der Rechnung hatte.

Natürlich kann man „Hell Up In Harlem“ gerade retrospektiv trotzdem noch einiges abgewinnen, wenn man auf unverfälschtes Straßenkino der 70er Jahre steht. Handwerklich holt Cohen das Beste aus den Umständen heraus. Abgesehen von einigen merkwürdigen Abläufen im Schnitt gelingt es ihm einmal mehr auch unter erhöhtem Druck, wie aus dem Nichts kurze Klassiker-Momente entstehen zu lassen. Auch er weiß aber nicht zu verhindern, dass sie keine Halbwertszeit entwickeln, sondern kurz danach einfach wieder verpufft sind. Zurück bleibt aufgrund des mangelnden Unterbaus am Ende nur ein halbgares Actiondrama mit familiärem Unterbau, eingearbeitet in den Kontext eines Mafia-Thrillers, das aufgrund des offenen Endes sogar noch einen dritten Teil ermöglicht hätte. Da hatte man diesmal von Produzenten-Seite wohl vorausgeplant. Doch der hatte sich nach dem enttäuschenden Box-Office-Ergebnis dann auch schnell wieder von selbst erledigt.

04 von 10

Informationen zur Veröffentlichung von “Hell Up In Harlem”

Black Cinema Collection #16

Im schnelllebigen Filmgeschäft der 70er Jahre, das mit dem Black Cinema gerade eine frische Goldader entdeckt hatte, ging es auch darum, den Profit zu maximieren, solange die Kartoffel noch heiß war. Das konnte man erreichen, indem man Stars wie Pam Grier oder Richard Roundtree aufbaute und sie immer wieder den gleichen Typ bedienen ließ. Manchmal setzte man auch direkt auf Kontinuität, indem man die Darsteller einfach in ihrer Rolle ließ und ein Sequel in Auftrag gab. Diese Facette decken Wicked Vision in der nunmehr 16. Ausgabe der „Black Cinema Collection“ inzwischen zum zweiten Mal ab. Zunächst erschienen „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ als Nr. 2 und „Die Organisation“ als Nr. 5 der Sammelreihe, zwei Fortsetzungen des Klassikers „In der Hitze der Nacht“, welcher wiederum zunächst nicht geplant war, inzwischen aber doch noch seinen Platz als Ultra-HD-Ausgabe in der zweiten Box als Nr. 18 erhalten hat. Den Abschluss der ersten Box markierte wiederum das Mafia-Drama „Black Caesar“ (Nr. 10). Nun hat sich dessen Fortsetzung „Hell Up In Harlem“ als Nr. 16 in der zweiten Box eingereiht. Käufer mit Ordnungs-Faible könnten bei dem Chaos natürlich rot anlaufen, entscheidend ist aber, dass diese heute weniger beachteten Sequels überhaupt veröffentlicht werden.

Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt „Hell Up In Harlem“ sehr deutlich. Während sein Vorgänger „Black Caesar“ durch MGM auch im DVD-Zeitalter in Deutschland präsent war, reicht die letzte deutsche Veröffentlichung von „Hell Up In Harlem“, damals unter dem deutschen Titel „Heiße Hölle Harlem“, bis zu VHS-Tagen zurück. Somit ist die vorliegende Edition die erste physische Veröffentlichung auf einem digitalen Medium.

Die Verpackung

Blu-ray

“Hell Up In Harlem” ist bereits der sechzehnte Titel in zwei Staffeln der “Black Cinema Collection”.

Zu diesem Anlass packte man ein Originalmotiv von Robert Tanenbaum in das bewährte Layout der Reihe: weißer Rand, schwarzer Rahmen mit „Black Cinema Collection“. Im Gegensatz zum „Black Caesar“-Artwork füllt dieses nun den Rahmen komplett mit satten Farben aus: Ein tiefes Purpur in dunkler Tönung deckt den Hintergrund ab, zentriert steht Williamson mit aufgeknöpftem Hemd, rauchender Knarre, rauchender Zigarre und einer Dame, die sich um sein Bein klammert. Links und rechts entzücken zwei weitere Damen mit ihren Rücken, unten posiert eine Vierte im Bikini in Bond-Pose. Der 007-Eindruck verschärft sich noch durch die exotisch wirkende Wasserszene am linken Standbein, auf der anderen Seite wiederum steht ein Etagenhaus in Flammen. Das knallbunte Durcheinander ist in freundlichen Farben gehalten und ergibt so einen wirkungsvollen Kontrast zum dunklen Hintergrund. Beim Titel hat man sich wieder für das englische Original entschieden. Eine stets streitbare Frage, die je nach Veröffentlichung individuell entschieden wird. Die Möglichkeit für ein Wendecover mit alternativem Titel entfällt, weil das Corporate Design der Reihe vorgibt, dass auf der Innenseite des Sleeves eine Szene in Grau-Weiß abgedruckt ist. Diesmal blickt man in die Läufe von vier Knarren, wenn man die Hülle öffnet. Da möchte man ja gleich die Hände in die Luft reißen… aber bitte nicht die Hülle auf den Boden fallen lassen.

Das Booklet

Innen abgeheftet findet man nicht nur die Blu-ray und die DVD, sondern auch ein Booklet mit Text von Christoph N. Kellerbach, das 32 Seiten umfasst. Der Autor geht vom Allgemeinen ins Spezifische, umreißt also zuerst die Entwicklung des schwarzen Kinos in den frühen 70ern, ordnet dann Larry Cohens Stellung auf dem Markt ein und beleuchtet in diesem Kontext noch einmal die Eigenschaften von „Black Caesar“, speziell mit Blick auf dessen kontroverses Finale. Diese Einführung dient schließlich als Grundlage, um bei „Hell Up In Harlem“ im Speziellen in die Analyse zu gehen. Der Autor arbeitet dabei vor allem die Eigenschaften des Sequels heraus, die es vom Original unterscheiden und eher als Actionfilm qualifizieren, und rechtfertigt diesen Ansatz über das Bedürfnis des Publikums, sorglose, actiongeladene Stoffe serviert zu bekommen, die nichts mit der tristen Realität zu tun haben. Dabei werden auch einige Details zum Ablauf der Dreharbeiten eingearbeitet, um die Entwicklung dieser Marschrichtung zu betonen, doch der interpretatorische Teil überwiegt diesmal. Der Text endet auf Seite 25. Es folgen anschließend noch fünf Seiten, auf denen das originale Kinoposter, einige US-Lobby-Cards und das auf dem Cover verwendete alternative Artwork von Robert Tanenbaum vollständig in Farbe abgedruckt sind. Abgeschlossen wird wie üblich mit den Credits.

Das Bild

Es überrascht nicht allzu sehr, dass die Bildeigenschaften in vielerlei Hinsicht denen des Vorgängers ähneln, wurde „Hell Up In Harlem“ doch erneut überwiegend am Tage direkt auf der Straße gedreht. Die natürlichen Lichtquellen prägen den Charakter des Films, so dass die Darsteller oft im Ambiente versinken, insbesondere bei Panoramashots, in denen viel von der Kulisse zu sehen ist. Tiefenwirkung wird selten angestrebt, die blassen Farben sorgen für ein eher flaches Bild und ein dokumentarisches Gefühl. Dafür nimmt das Filmkorn bisweilen Überhand. In den wenigen Nachtszenen sind einige Schwächen beim Kontrast auszumachen, das Schwarz wirkt hier eher dunkelgrau als satt schwarz. Das raue, improvisierte, vom Tagesstand der Sonne belebte Flair des Films kommt durch den Transfer aber ungezügelt zur Geltung.

Der Ton

Bei der Tonauswahl steht ein wahres Überangebot zur Verfügung. Alleine drei der vorhandenen Spuren sind direkte Vertonungen des Films, denn wie schon beim Vorgänger gibt es neben dem englischsprachigen Originalton zwei unterschiedliche deutsche Synchronisationen, und zwar die VHS-Fassung und eine offenbar erst danach entstandene TV-Fassung. Letztere hat mit Kalibern wie Wolfgang Völz (u.a. Walter Matthau), Ulrike Möckel (u.a. Meg Ryan) oder Kaspar Eichel (u.a. Robert Redford und Patrick Stewart in neueren Produktionen) die wesentlich prominentere Besetzung. Insbesondere Hubertus Bengsch, dessen knarzende Stimme man hauptsächlich von Richard Gere gewohnt ist, vermag Hauptdarsteller Fred Williamson mehr Profil zu verleihen als sein Pendant Peter Harting in der VHS-Synchro. Letztlich ist es aber wohl wieder Geschmacksfrage für Neueinsteiger, beziehungsweise Gewöhnungssache für jene, die den Film bereits aus dem Fernseher oder von Kassette kennen. Bei der Effekt- und Musikspur lassen sich zwischen beiden Fassungen kaum Unterschiede ausmachen. Die englische Fassung empfiehlt sich aus Gründen der Authentizität natürlich wieder am ehesten an, zumal die Dialoge hier natürlich mit Musik und Effekten verwoben sind. Untertitel lassen sich in Deutsch oder Englisch auf Wunsch dazuschalten.

Die Audiokommentare

Die Anzahl der verfügbaren Audiokommentare möchte da übrigens nicht hintenan stehen, und so hat man auch hier die Wahl zwischen drei Optionen, was die Anzahl der verfügbaren Tonspuren auf volle 6 schraubt. Bei den Kommentaren allerdings liegt das Verhältnis von Englisch zu Deutsch bei 2:1. Larry Cohen verspürte offenbar über die Jahre hinweg viel Bedarf, über seinen Film zu reden, denn er ist gleich doppelt vertreten. Sein erster Kommentar stammt aus dem Jahr 2007 und wurde damals offenbar für einen US-DVD-Release aufgenommen. Cohen weiß die Zeit zweifellos auch solo zu füllen. Meist orientiert er sich stark an der jeweils gerade gezeigten Szene und gibt unmittelbare Einblicke in deren Entstehung. Dabei führt er das Augenmerk nicht selten auf Details, auf die man selbst bei der Sichtung nicht unbedingt direkt achten würde. Insofern ein äußerst informativer und bereichernder Kommentar. Zehn Jahre später entstand dann anlässlich der neuen Blu-ray von Olive Films noch ein zweiter Kommentar mit Cohen. Diesmal ist er zu hören im Gespräch mit Steve Mitchell, dem Regisseur und Produzenten des Dokumentarfilms „King Cohen“. Der stellt sein Gegenüber folglich als „Genie Larry Cohen“ vor, was dieser ironisch aufgreift und sich vorstellt mit „Hi, hier ist das Genie Larry Cohen“. Damit wäre dann auch gleich die ironische Marschrichtung für den weiteren Gesprächsverlauf vorgegeben. Der Ansatz unterscheidet sich trotz des Wechsels von Monolog zu Dialog gar nicht so sehr vom ersten Kommentar, wieder bleibt das Gespräch eng bei den Bildern, aber mit zehn Jahren zusätzlicher Erfahrung wird nochmals eine etwas andere Perspektive deutlich. Cohens Stimme klingt inzwischen merklich angeschlagener, im Herzen scheint der zwei Jahre später verstorbene Filmemacher aber immer noch ganz bei der Sache zu sein. Auch die englischen Kommentare verfügen übrigens beide über deutsche Subs.

Trotz des soliden Bestands an Kommentaren haben Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese keineswegs vor, ihre eigene Serie reißen zu lassen, also beehren sie auch „Hell Up In Harlem“ mit ihrer Outsiderperspektive, die gerade im Kontrast zu typischen Kommentaren mit Beteiligten immer ihren Wert beweist; so auch diesmal. Vom Start weg lösen sich die Beiden in gewohnter Manier viel stärker von der eigentlichen Produktion als es ein Regisseur bei seinem eigenen Film je könnte, um einen übergeordneten Blick zu werfen auf die Besonderheiten und Schwierigkeiten, die der Film in der Funktion eines Sequels mit sich bringt. Auf der gesamten Edition ist dieser Kommentar wieder dasjenige Feature, das sich mit Abstand am kritischsten mit dem Gegenstand auseinandersetzt und auch kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es um die weniger gelungenen Facetten geht, gleichwohl durchaus genug Distanz bewahrt bleibt, den Film fair nach seinen Entstehungsumständen zu bewerten. Das führt wieder zu einer sehr umfassenden, reichhaltigen Gesamtbetrachtung, die auch mal über den Film selbst hinaus in sekundäre Bereiche hineingeht, etwa die Vermarktung hierzulande oder die Bewertung der TV- und VHS-Synchronisation mit all ihren Vor- und Nachteilen.

Das Bonusmaterial

Interviews

Fred Williamson und Gloria Hendry standen für zwei neu produzierte Extras zur Verfügung, die nur auf dieser Edition zu finden sind.

Bei den Extras stechen insbesondere zwei Interviews heraus, die mit einer Gesamtlänge von über 70 Minuten den Löwenanteil ausmachen. Da wäre zum einen ein Gespräch mit Fred Williamson (im babyblauen Anzug), der sich auch gleich mal mit „Yo, this is The Hammer“ vorstellt, so dass man sofort weiß, was in der nächsten halben Stunde Sache ist. Williamson spielt da offensichtlich eine von Coolness überzeichnete Rolle, so dass man nie so genau weiß, wie viel Wahrheitsgehalt in den Antworten steckt, die er auf die allgemeinen Fragen zu seiner Karriere und zum Black Cinema sowie auf die speziellen Fragen bezüglich „Black Caesar“ und „Hell Up In Harlem“ gibt, aber: Der Unterhaltungswert ist beachtlich. Als er beispielsweise gefragt wird, ob er viele Szenen ohne Drehgenehmigung absolvieren musste, entgegnet er, Genehmigungen seien etwas, das man in der Handtasche seiner Frau finden könne, und man solle doch dort erst einmal nachschauen, in der Zwischenzeit könne er seine Szenen drehen. Die auch in Kellerbachs Booklet aufgegriffene Anekdote bezüglich der Kohlebagger-Szene, bei der der Star seinen Regisseur bat, sich als erstes von Kohle überschütten zu lassen, stammt wohl auch aus diesem Interview. Als Cohen mit seinem Probestunt fertig war und am ganzen Körper mitKohle verschmiert, sah er laut Williamson aus wie „another brother“, was ihn dann überzeugte, selbst in die Baggerschaufel zu steigen. Bei den vielen Football-Anekdoten kommen allerdings manchmal auch Al-Bundy-Vibes auf. Und dennoch: The Hammer hat die Coolness nie verlernt.

Gloria Hendry, die im Film Tommys Exfrau Helen spielt, stellt sich im zweiten Interview der Disc sogar auf Deutsch vor. Dazu sei gesagt, dass sowohl ihr Video als auch dasjenige mit Williamson exklusiv von Wicked Vision für diese Disc produziert wurde, was sich erneut auch in überaus professionellem Editing, Scripting und edlen Pre-Credits niederschlägt. „A Biopic of the Black Renaissance“ ist eine passende Überschrift für das Video, das dann doch ein wenig anders strukturiert ist als das mit vielen Fragen und knappen, augenzwinkernden Antworten gefüllte Interview mit Williamson. Hendry holt nämlich weit aus und führt letztlich einen biografisch gefärbten Monolog, als sie sich tief in die 70er Jahre zurückversetzt und die Bedingungen schildert, unter denen sie damals arbeitete. All das trägt sie nüchtern bis heiter vor, inhaltlich wird sie bisweilen aber auch emotional, wenn sie die weniger schönen Seiten ihres Jobs schildert. Am Ende verabschiedet sie sich wiederum auf Deutsch, und dann warten auch noch zwei kleine Hidden Scenes hinter den Credits.

Auch Justin Murray ist wieder mit seinen „Blax History Month“-Quickies am Start und entpuppt sich zunächst wider Erwarten als Fan, der „Hell Up In Harlem“ als den Film bezeichnet, den Cohen mit „Black Caesar“ gleich hätte machen sollen. Das hat man so nicht kommen sehen! Das Lob droht allerdings zum Sarkasmus zu kippen, als er anschließend einige Mängel in der Charakterzeichnung der Figuren aufführt. Zumindest der Richtungswechsel hin zu mehr Action scheint ihm aufrichtig zu gefallen.

Trailers from Hell

Regisseur Larry Cohen kommentiert seinen eigenen “Trailer from Hell”.

Zur Abrundung ist außerdem ein ganzes Paket an Promo-Material dabei. Angeführt wird es vom „Trailer from Hell“, der hier von Larry Cohen persönlich eingesprochen wurde. Weil der Regisseur hier also seinen eigenen Film kommentiert, handelt es sich bei dieser Höllentrailer-Ausgabe im Endeffekt um nichts anderes als eine Erweiterung der Audiokommentare in geraffter Trailer-Form. Weiter geht’s mit dem Teaser-Trailer, dem rund doppelt so langen Kinotrailer und einem kurzen TV-Spot mit recht muffigem Ton. Auch ein Radiospot ist noch mit im Paket. Und natürlich eine musikalisch unterlegte Bildergalerie, die binnen acht Minuten allerhand Poster, Lobby Cards, Pressematerialien, Stills und Mediencover bereithält.

Bonus-Fassungen

Das einzige exklusiv auf der Blu-ray und nicht auf der DVD enthaltene Feature ist die Open-Matte-Fassung des Films in geöffnetem 1,33:1, das heißt, zusätzliche Bildinformationen werden durch die entfernte Maskierung sichtbar. Der Bildausschnitt entspricht zwar so nicht mehr der ursprünglichen Kinofassung, als Bonus ist das aber, wie schon bei der vorherigen Edition von „Sugar Hill“, eine wunderbare Beigabe. Da es keine Laufzeitunterschiede gibt, können sämtliche verfügbare Audio- und Untertiteloptionen auch bei dieser Fassung angewandt werden. Zu Beginn wird noch ein durchaus berechtigter Hinweis eingeblendet, dass bei der gebotenen Bildqualität im Gegensatz zur Hauptfassung mit klaren Mängeln gerechnet werden muss.

“Black Caesar”-Bonus-Nachschlag

Das wäre soweit alles zu „Hell Up In Harlem“. Weil aber die „Blax History Month“-Featurettes erst im Laufe der zweiten Box entdeckt und auf die Discs gepackt wurden, nutzte man gleich noch die ursprünglich verpasste Gelegenheit, Murrays Beitrag zum bereits erschienenen „Black Caesar“ zumindest mit auf die Disc zur Fortsetzung zu packen. Hier kann man sich dann auch nochmal vergewissern, dass Murray die Fortsetzung tatsächlich deutlich mehr zu schätzen weiß als das Original, scheint ihm doch vor allem der Umstand zu missfallen, dass „Black Caesar“ wie ein unverhohlenes Rip-Off des kurz zuvor erschienenen Coppola-Meisterstücks „Der Pate“ daherkommt. Um die Black-Caesar-Ecke noch etwas weiter mit Vitaminen anzureichern, hat man bei der Gelegenheit gleich auch nochmal die Kinotrailer (Deutsch und Englisch) sowie den Radio-Spot recycelt.

Für eine zeitweise fast schon in der Versenkung verschwundene Fortsetzung, die hierzulande nie in den Kinos lief, wurde mit der „Black Cinema“-Ausgabe von „Hell Up In Harlem“ auf jeden Fall unter dem Strich ein unerwartet mächtiges Paket geschnürt, das über den flott gesehenen Hauptfilm hinaus unzählige Stunden an zusätzlicher Beschäftigung ermöglicht, wenn man möchte. Ach ja, und ein Blu-ray-exklusives Easter Egg ist auch noch dabei; für eine Suchanleitung einfach zur zweiten Seite dieses Artikels wechseln.

Sascha Ganser (Vince)

Bildergalerie

Hell Up In Harlem

Der Übergang von Original zu Fortsetzung ist hektisch und schmerzhaft.

Hell Up In Harlem

Moment, was ist das jetzt für ein Film? Attacke der Fischmenschen?

Hell Up In Harlem

Fred Williamson hat alles im Griff.

Hell Up In Harlem

Verloren in den Lichtern von New York.

Hell Up In Harlem

Der Mafia-King und sein Paps haben eine Menge zu bereden.

Hell Up In Harlem

Das passiert denen, die von Kohlen nicht genug bekommen.

Hell Up In Harlem

Was ein echter Leader ist, der erledigt seine Dreckwäsche selbst. Wenn auch mit ein bisschen Distanz.

Hell Up In Harlem

Gibt es für die Tommy-Gibbs-Linie etwa doch noch eine Zukunft?

Die Black Cinema Collection bei den Actionfreunden:

01: Slaughter [1972]
02: Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs [1970]
03: Strasse zum Jenseits [1972]
04: Ghetto Busters [1988]
05: Die Organisation [1971]
06: Foxy Brown [1974]
07: Car Wash [1976]
08: Coffy [1973]
09: Visum für die Hölle [1972]
10: Black Caesar – Der Pate von Harlem [1973]
11: Cotton Comes to Harlem [1970]
12: Riot – Ausbruch der Verdammten [1969]
13: Hit! [1973]
14: Vampira [1974]
15: Sugar Hill [1974]
16: Hell Up In Harlem [1973]
17: Friday Foster [1975]
18: In the Heat of the Night [1967]
19: Cooley High [1975]
20: Hammer [1972]

Sascha Ganser (Vince)

Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love

Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision__Freigabe: FSK16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

Seiten: 1 2

Tagged as: , , , , , , , , , , , ,

Wie Viele Actionnerds gibt es?

  • Keine Sorge, du bist mit deiner Vorliebe nicht allein! Uns besuchten bereits 16853783 andere Actionnerds