Originaltitel: The Ministry of Ungentlemanly Warfare__Herstellungsland: USA/Großbritannien/Türkei__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Guy Ritchie__Produktion: Jerry Bruckheimer u.a.__Darsteller: Henry Cavill, Alan Ritchson, Eiza González, Babs Olusanmokun, Alex Pettyfer, Hero Fiennes Tiffin, Henry Golding, Cary Elwes, Til Schweiger, Rory Kinnear, Freddie Fox, James Wilby, Danny Sapani u.a. |
Die Chance auf die Rolle als James Bond dürfte Henry Cavill inzwischen verpasst haben, auch wenn sein Name immer wieder genannt wird. Dank Guy Ritchie („Der Pakt“) kann er in „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ immerhin jenen Mann spielen, der angeblich die Romanfigur Bond inspirierte.
Dabei handelt es sich im Gus March-Phillips, der Teil der historischen Operation Postmaster während des Zweiten Weltkriegs war, auf die sich „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ beruft – auch wenn der von Jerry Bruckheimer („Beverly Hills Cop: Axel F“) produzierte Film mit den tatsächlichen Ergebnissen ähnlich viel zu tun hat dürfte wie seine Gaunerkomödien mit realistischen Milieustudien der britischen Unterwelt. Das hier ist ein auf Spaß gezirkelter Men-on-a-Mission-Film, wie schon die Anfangsszene klarmacht. Gus und sein Mitstreiter Anders Lassen (Alan Ritchson) geben sich als homosexuelles Dandy-Paar auf ihrem Segler aus, als sie von einem Kanonenboot der Nazis angehalten werden. Die Täuschung gelingt allerdings nicht so wirklich, weshalb Gus, Anders und der unter Deck versteckte Henry Hayes (Hero Fiennes Tiffin) kurzen Prozess mit den ungebetenen Besuchern an Bord machen, während Froschmann und Sprengmeister Freddy Alvarez (Henry Golding) das Kriegsschiff der Soldaten in die Luft jagt, damit diese sich nicht für den Tod ihrer Kameraden revanchieren können.
Man schreibt das Jahr 1941, der britischen Navy wird von den deutschen U-Booten schwer zugesetzt. Will man die USA zum Eingreifen bewegen, so sollte man besser nicht als Schwächling dastehen, so die Devise von Winston Churchill (Rory Kinnear). Die Deutschen haben derweil in auf der Insel Fernando Po vor Kamerun einen Versorgungsstützpunkt errichtet, den reguläre Truppen nicht so einfach angreifen können. Aus genau diesem Grund sollen Gus und seine Crew, allesamt eigentlich im Knast, diese inoffizielle Mission antreten. Koordinator ist Brigadier Colin Gubbins (Cary Elwes), genannt M, zu dessen Leuten auch der junge Ian Flemming (Freddie Fox) gehört. Als Geheimagenten vor Ort sollen der angebliche Clubbesitzer Heron (Babs Olusanmokun) und die angebliche Diamantenhändlerin Marjorie Stewart (Eiza González) die Operation Postmaster unterstützen, welche Fleming, so zumindest die Legende, zu den Bond-Romanen inspirierte.
Während Heron und Marjorie also auf Fernando Po alles vorbereiten und sich Majorie an den dortigen Kommandanten Heinrich Luhr (Til Schweiger) heranmacht, um mehr zu erfahren, schippern Gus und Crew mit ihrem Fischerboot in Richtung des Ziels. Vorher wollen sie auf den Kanaren allerdings noch Gus‘ von der Gestapo gefangenen Kompagnon Geoffrey Appleyard (Alex Pettyfer) befreien…
Schaut euch den Trailer zu „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ an
„Das dreckige Dutzend“, „Agenten sterben einsam“, „Die Kanonen von Navarone“, „Geheimauftrag Dubrovnik“ – Guy Ritchies Werk lehnt sich an die klassischen Men-on-a-Mission-Filme an, denen Quentin Tarantino anno 2009 mit „Inglourious Basterds“ bereits ein postmodernes Denkmal gesetzt hatte. Ähnlich wie Tarantino eignet sich auch Ritchie den Stoff auch an, doch wo der US-Kollege ein zitatreiches Opus Magnum mit reichlich Referenzen, Hintersinn und spannungsgeladenen Dialoggefechten hinlegte, da ist das britische Pendant eine locker-leichte Fingerübung, ähnlich wie Ritchies „Operation Fortune“, mit dem er sich auch schon mal an einem ähnlichen Stoff versuchte. Von der Härte und Grausamkeit des Zweiten Weltkriegs und der Gestapo ist hier wenig zu merken, sonst ist „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ eher eine Actionkomödie mit Weltkriegsanstrich, ein Abenteuer für große Jungs, die reichlich Bilderbuch-Nazis abknallen. Die sind erster Linie gesichtsloses Kanonenfutter, manchmal dürfen sie noch herrisch knurren und sich selbst überschätzen, der einzige Schurke mit Profil bleibt allerdings Heinrich.
Der sorgt dann auch für die meisten unangenehmen Momente des Films, gerade wenn er Majorie anflirtet, aber gleichzeitig immer wieder lauert und ihre Geschichte auf Unstimmigkeiten abklopft. Die Neuagentin ist eigentlich Schauspielerin, noch dazu mit jüdischen Wurzeln, was den Spannungslevel in diesen Szenen hebt – die Rätsel, die Majorie und Heinrich einander als gegenseitige Herausforderung aufgeben, wirken allerdings eher bemüht als wirklich clever. Dass mit Heinrich nicht zu spaßen ist, zeigt eine kurze Szene, in der Heron und Majorie die Leiche einer früheren Gespielin des Nazis erblicken. Dies gehört zu den wenigen Momenten, in denen „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ tatsächlich mal etwas düsterer wird, ähnlich wie bei der Bebilderung eines (dramaturgisch etwas verpuffenden) Luftangriffs auf London oder der Attacke eines U-Boots auf einen britischen Zerstörer. Meist zeigt der von Paul Tamasy („The Outpost“), Arash Amel („Hidden Strike“), Eric Johnson („The Fighter“) und Guy Ritchie („Cash Truck“) geschriebene Film jedoch ein eher sonniges Gemüt.
Das überträgt sich allerdings auch auf die Actionszenen, in denen sich die Helden mühelos durch die Nazis arbeiten, meist mit schallgedämpften Waffen, sodass die Gegner schon tot sind, ehe es ernsthafte Gegenwehr geben kann. Und wenn die Jungs bemerkt werden, dann haben sie meist schon strategische Punkte besetzt, um die restliche Feindesschar mit Granatenwürfen und MG-Feuer einzuäschern. Insofern sind die Actionszenen in „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ durchaus aufwändig, gerade wenn die Nazis reihenweise erschossen wird oder ordentlich was in die Luft fliegt, die vorhandenen Nahkämpfe sind schick choreographiert, aber leider ist das Ganze nur mäßig spannend, da es bisweilen zu einfach für Gus und Co. zu sein scheint. Dass Naturbursche Anders gern auf Messer oder Pfeil und Bogen zurückgreift, bringt noch etwas Abwechslung in die Action hinein, die sich in erster Linie auf drei Set Pieces verteilt. Der bereits erwähnte Auftakt auf dem Boot, die Befreiung von Appleyard nach rund einem Viertel des Films und natürlich die finale Erfüllung der Mission.
Handlungstechnisch hat sich wenig verändert seit den goldenen Tagen der Men-on-a-Mission-Filme. Die Heldencrew bereitet sich vor und reist an, währenddessen es immer wieder zu Zwischenfällen kommt, die Sand ins Getriebe werfen, etwa wenn die Ausfahrt der Nazi-Versorgungsschiffe um ein paar Tage nach vorne verschoben wird. Die Infos kommen in der Regel von Heron und Majorie, die stets der Gefahr des Auffliegens ausgesetzt sind. Drehbuch und Regie setzen das Ganze dann routiniert, aber auch etwas pflichtschuldig um, sodass es selten wirklich hochspannend wird. Mancher Konflikt verpufft auch ein wenig, etwa Teile der britischen Obrigkeit die unsanktionierte Mission abblasen und Gus auf dem Weg stoppen wollen, was aber letztendlich nur in einer Szene (Begegnung mit dem britischen Zerstörer) eine Rolle spielt. So kann „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ eher bei einzelnen Kabinettstückchen glänzen, etwa wenn Majorie und Heron in einem Zug voller Nazis einen bestimmten Koffer kurzzeitig entwenden müssen, um an Informationen kommen zu müssen.
Immerhin wird der Film mit typischen Guy-Ritchie-Charakteren bevölkert, die aber weniger markig als in anderen Werken des Regisseurs herüberkommen. Am meisten Eindruck hinterlässt der „Danish Hammer“ Anders, eine Naturgewalt von einem Kämpfer mit markanten Marotten, die mal charmant sind (Flirterei), mal eher roh (Herzen rausschneiden). Gus ist der markige, dreiste Anführer mit dem Faible für Mäntel, während die anderen drei alle aus sehr ähnlichem Holz geschnitzt sind: Todesmutig, gewitzt und mit wenig Respekt für Regeln. So gewinnt neben Anders vor allem Majorie das meiste Profil: Die Jüdin, die hinter feindlichen Linien ermittelt, ein Frischling im Dienst, aber mit genug Täuschungs- und Schießkünsten, um zu bestehen. Andere Guy-Ritchie-Trademarks kommen nur geringem Maße zum Einsatz: Die Namenseinblendungen sind in erster Linie für Handlungsorte reserviert, nicht für Charaktere, und große Spiele mit Zeit oder Erzählstruktur erlaubt sich der Filmemacher ebenfalls nicht. Dass der Auftakt ein kleiner Vorgriff ist und man erst danach erfährt, warum die Männer auf welche Mission aufbrechen, dürfte auch eher dem Wunsch nach einer anfängliche Actionsequenz als dramaturgischer Finesse entspringen. Dafür gibt es immer wieder den Ritchie-typischen Humor, etwa wenn ein deutscher Fähnrich gerade noch über Churchills „erbärmliche Tommie-Truppen“ referiert, ehe Gus und Co. ihn und seine Spießgesellen über den Jordan schicken.
Sollte „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ für Henry Cavill („Argylle“) doch noch die späte Bewerbung auf den Bond-Posten sein, dann dürfte es leider nicht die beste Visitenkarte für den Briten sein. Er zeigt zwar durchaus Tatkraft und Charme in der Rolle als Gus, aber fehlt ihm in diesem Film doch ein wenig Strahlkraft, was eben auch am Drehbuch liegen kann. Er ist solide, ähnlich wie seine Mitstreiter Alex Pettyfer („Chief of Station“), Henry Golding („Snake Eyes: G.I. Joe Origins“) und Hero Fiennes Tiffin („The Woman King“), die aber alle neben dem spielfreudigen Alan Ritchson („Fast & Furious 10“) verblassen, der die leicht verschrobene Kampfsau mit Verve und Augenzwinkern gibt. Eiza González („Ambulance“) und Babs Olusanmokum („Dune 2“) gehen nicht nur in ihren jeweiligen Rollen auf, sondern harmonieren auch miteinander. Til Schweiger („Atomic Blonde“) gibt solide den unberechenbaren, jovialen Nazi-Fiesling, der nicht etwa linientreu Wagner, sondern lieber „Mackie Messer“ aus der Drei-Groschen-Opfer auf dem Grammophon hört, aber sonst den Gesetzmäßigkeiten des Genres folgt. Da hatte Tarantino ihn doch effektiver eingesetzt in „Inglourious Basterds“ eingesetzt, der immer wieder als Vorbild und Pate über Ritchies Film schwebt. Kleinere Akzente setzen Rory Kinnear („Keine Zeit zu sterben“) und Cary Elwes („Rebel Moon“) – letzterer hat, wie große Teile der Besetzung, bereits in der Vergangenheit für Ritchie vor der Kamera gestanden.
Dem Men-on-a-Mission-Film kann Ritchie dann auch leicht seinen Stempel aufdrücken, was aber auch einen gewissen Zwiespalt hinterlässt: Für einen typischen markigen Guy-Ritchie-Film sind die Trademarks des Regisseurs und der Humor etwas zu sehr zurückgekommen, für klassisches Men-on-a-Mission-Kino fehlt es dann jedoch an Ernst und Fallhöhe. So bietet „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ zwar sehenswerte Actionszenen, eine tolle Besetzung und Flair, kommt aber nie über den Status einer Fingerübung hinaus – da hätte man von der Zusammenarbeit des Regisseurs mit Krawumm-Spezialist Jerry Bruckheimer doch mehr erwarten können.
In den USA hatte „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ einen wenig erfolgreichen Kinostart, in vielen anderen Ländern wird er direkt im Streaming über Amazon Prime verwertet, so auch in Deutschland, wo er seit dem 25. Juli 2024 abrufbar ist. Von der FSK wurde der Film nicht geprüft
© Nils Bothmann (McClane)
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