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Blue Motel – Die Hawking-Affäre

Ende der 1990er versuchte sich Actionregisseur Sam Firstenberg mit „Blue Motel“ am Erotikthriller. Darin soll Agentin Soleil Moon Frye die Unbedenklichkeit von Wissenschaftlerin Sean Young überprüfen. Doch die graue Maus erliegt der Faszination für ihre sexuell offenherzige Zielperson, die eventuell Regierungsgeheimnisse weiterverkauft.

Originaltitel: Motel Blue__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1997__Regie: Sam Firstenberg__Darsteller: Sean Young, Soleil Moon Frye, Rob Stewart, Robert Vaughn, Spencer Rochfort, Barry Sattels, Malcolm Yates, James Michael Tyler, Seymour Cassel, Lou Rawls, John LaMotta, Jay Rasumny, Jeanette O’Conner, Sonya Eddy, Sal Landi u.a.
Blue Motel

In Sam Firstenbergs Erotikthriller “Blue Motel” belauern sich Sean Young und Soleil Moon Frye

In den 1980ern und 1990ern hatte sich Sam Firstenberg größtenteils als Hausregisseur für Cannon und deren Quasi-Nachfolger Nu Image etabliert, mit Werken wie „Die Rückkehr der Ninja“, „American Fighter“ und „Night Hunter“ B-Action-Klassiker geschaffen und hatte primär in diesem Genre gearbeitet. 1997, als auch sein „Operation Delta Force“ für Nu Image erschien, versuchte er sich mit „Blue Motel“ am Erotikthriller.

Die Welle, die „Basic Instinct“ Anfang des Jahrzehnts losgetreten hatte, war zwar schon Abebben, da nur die wenigsten Imitatoren den Erfolg des Verhoeven-Werks replizieren konnte – Verhoeven selbst erlitt mit dem Schmuddel-Striptease-Schmonzette „Showgirls“ anno 1995 ebenfalls kommerziellen und künstlerischen Schiffbruch. Bei den Direct-to-Video-Produzenten war die Goldgräberstimmung aber noch vorhanden. Als Heldin gibt es die Frischlings-Agentin Kyle Rivers (Soleil Moon Frye), die von Chief MacIntyre (Robert Vaughn) ins Verteidigungsministerium geholt wird, trotz Bestnoten von den alten Herren in der Abteilung kaum für voll genommen wird und in Sachen Sex ein scheues Reh ist. Dafür – man ahnt es schon – liefert der Film im späteren Verlauf noch eine psychologische Begründung inklusive traumatischem Jugenderlebnis, wichtig ist „Blue Motel“ aber vor allem der Kontrast zur zweiten Hauptfigur.

Dabei handelt es sich um die Lana Hawking (Sean Young), ihres Zeichens Wissenschaftlerin mit Zugang zu geheimen Unterlagen. Sie hat einen Antrag auf Unbedenklichkeit gestellt, den das Verteidigungsministerium überprüfen soll – ein vermeintlicher Routineauftrag, der erste für Rookie Kyle. Schnell findet die Jungagentin heraus, dass Lana, die mit dem merklich älteren Wayne (Barry Sattels) verheiratet ist, sich gern mit fremden Männern für kinky Bumsdates im titelgebenden Motel Blue trifft. Das ist unmoralisch, aber noch kein Grund für die Verwehrung der Freigabe, doch dann fällt Kyle auch noch auf, dass das Ehepaar Hawking merklich über seine Verhältnisse lebt. Wird der Lebensstil etwa durch den Verkauf von Geheimnissen finanziert?

Als angebliche Hilfskraft soll Kyle verdeckt am Arbeitsplatz von Lana rumschnüffeln, aber nicht mit ihr in Kontakt treten. Doch genau das passiert, es entspinnt sich eine Art Freundschaft zwischen der schüchternen Kyle und der offenherzigen Lana, von der die junge Agentin bald fasziniert ist…

Schaut euch den Trailer zu „Blue Motel“ an

Die Verpflichtung von Sean Young für diesen kleinen B-Thriller dürfte wohl der größte Coup für die Produzenten gewesen sein, schließlich hatte diese sich in den 1980ern mit Filmen wie „Blade Runner“ und „No Way Out“ als erotische Versuchung und/oder (mögliche) Femme Fatale etabliert. Zum Zeitpunkt von „Blue Motel“ war für Young freilich schon der Karriereknick gekommen, als verführerisches und potentiell gefährliches Zentrum der Handlung ist sie aber dennoch gut aufgelegt. Mit Soleil Moon Frye („Pumpkinhead II“), die seit ihrem sechsten Lebensjahr von der Kamera stand, hat sie einige weniger bekannte, aber dennoch schauspielerisch ebenbürtige Gegenspielerin. Abseits der beiden Hauptrollen sieht es dagegen reichlich düster aus: Robert Vaughn („Die glorreichen Sieben“), der einzige bekannte Name ist Cast neben Young, chargiert sich als Vorgesetzter einen zurecht, Rob Stewart (den Firstenberg schon als Hauptdarsteller in der Serie „Tropical Heat“ in Szene setzte) als Kyles Partner ist komplett blass, während sich anderen Darsteller, darunter Barry Sattles („Banzai Runner“), Spencer Rochfort („Operation Delta Force 2“) und Malcolm Yates („Total Force“), durch hemmungsloses Overacting auszeichnen.

Nun kann die Belegschaft auch nur mit dem arbeiten, was ihr gegeben wird – und das ist im Falle des Scripts von Drehbuch-Ehepaar Marianne und Cormac Wibberley nicht viel. Vermutlich dürfte „Blue Motel“ weniger den Ausschlag dafür gegeben haben, dass sie anschließend an Hollywoodwerken wie „The 6th Day“, „3 Engel für Charlie – Volle Power“ und „Das Vermächtnis der Tempelritter“ mitschreiben durften. So sind mehr als zwei Drittel um, ehe es mal zu einem jener Todesfälle kommt, die im Erotikthriller normalerweise die Handlung in Gang setzen. In diesem Zeitraum will Firstenberg wohl eine erotische Spannung zwischen den grauen Maus Kyle und dem Vamp Lana aufbauen, was allerdings mächtig in die Hose geht (zumal die Konstellation oft an Bob Rafelsons klar besseren „Die schwarze Witwe“ erinnert). Zwischen pseudo-doppeldeutigen Dialogen, Spannerei und Matratzensport werden immer wieder Szenen eingestreut, in denen Kyle mit ihrem Partner Daniel Larimer (Rob Stewart) Indizien zum Diebstahl von Geheimnissen findet, damit man das Publikum nicht vollends vergisst, dass es diesen Handlungsstrang überhaupt gibt. Dummerweise sind diese Momente so lustlos und schlecht aufgebaut in den Film geschrieben, dass man kaum nachvollziehen kann, wie und warum die beiden jetzt darauf gekommen sind.

Zum Ausgleich für diese schnarchigen Großteil des Films folgen dann auf der Schlussgeraden dann 10 bis 15 überstürzte Filmminuten, in denen Kyle die Wahrheit über den möglichen Geheimnisklau herausfindet, einen Verräter enttarnt und gleich noch ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit lüftet – all diese Enthüllungen prasseln dann in einem Tempo aufs Publikum ein, dass keine davon in irgendeiner Form Wirkung entfalten kann, zumal manche davon einfach nur panne sind. Zum Schluss folgt dann noch der obligatorische Showdown, für den auch mal wieder manche Wendungen und Geistesblitze vollkommen an den Haaren herbeigezogen werden müssen, damit der Kappes auch noch ein passendes Ende findet.

Das größte Problem an „Blue Motel“ ist allerdings, dass quasi alle Figuren sich so benehmen, als wären sie mit dem Klammerbeutel gepudert. Gerade die Heldin verhält sich stets himmelschreiend doof, angefangen beim Aufeinandertreffen mit Lana. Da lautet die oberste Regel „Kein Kontakt mit der Zielperson“, aber sie durchsucht deren Büro dermaßen ungeschickt, dass sie nicht nur beinahe erwischt wird, sondern auch noch in die Bekanntschaft hineingezogen. In der Folgezeit lässt sie Dienstausweise und Beweismittel so offen rumliegen, dass sie (beinahe) von Lana gefunden werden, spannt offensichtlich herum und stellt sich stets so dumm und unbeholfen an, dass man sich fragen muss, wie diese Frau überhaupt eine Prüfung zu irgendwas bestanden haben soll, geschweige denn Bestnoten erreicht. Psychologisch wird es auch unglaubwürdig: Da ist Kyle erst die kleine Miss-Rühr-mich-nicht-an, die den netten Daniel dauernd abblitzen lässt, aber aus der dann die aufgestaute sexuelle Energie derart herausplatzt, dass sie mit dem wahrscheinlich öligsten Schmierlappen des Films in die Kiste steigt. Wobei es da mehrere Anwärter auf den Titel gibt, darunter Wayne, der früher angeblich Priester war, aber jetzt eine offene Ehe führt, Lanas Blind-Date-Buddy, der seine Verabredungen immer in lesbische Stripschuppen schleift, oder den laffigen Sexualtherapeuten, dessen bevorzugte Behandlungsmethode anscheinend darin besteht seine Patientinnen durchzuorgeln. Dass sich diese und andere Gestalten jenseits jedweder Glaubwürdigkeit bewegen, muss man wohl kaum noch extra erwähnen.

Man kann „Blue Motel“ vielleicht noch zugutehalten, dass er nicht ganz so furchtbar ausgefallen ist wie spätere filmische Firstenberg-Offenbarungseide wie „Quicksand“, „Spiders 2“ oder „The Interplanetary Surplus Male and the Amazon Women from Outer Space“. Das ist aber nur ein schwacher Trost, denn die beiden Hauptdarstellerinnen dieses verquasten B-Thrillers geben sich zwar Mühe, können aber kaum verhehlen, dass die Handlung ständig zwischen kreuzlangweilig und himmelschreiend bescheuert changiert. Von erotischer Spannung ist in dem hölzern geschrieben und steif inszenierten Film auch wenig zu merken, während der Thrillerplot kaum in die Pötte kommt, sodass sich selbst 08/15-Auswürfe der Erotikthriller-Welle wie „Sliver“, „Color of Night“ oder „Jade“ daneben fast wie Großtaten anfühlen.

In Deutschland ist der Film als „Blue Motel – Die Hawking-Affäre“ als Billig-DVD bei Price Light erschienen, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. Auf VHS hieß er „Die Hawking Affäre“, im Vorspann steht „Der Fall Hawking“. Die DVD hat nur deutschen Ton und ist in gerade einmal fünf Kapitel unterteilt.

© Nils Bothmann (McClane)

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