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Assault on Wall Street

Originaltitel: Bailout: The Age of Greed__Herstellungsland: Kanada__Erscheinungsjahr: 2012__Regie: Uwe Boll__Darsteller: Dominic Purcell, Erin Karpluk, Edward Furlong, John Heard, Keith David, Michael Paré, Lochlyn Munro, Tyron Leitso, Mike Dopud, Barclay Hope, Heather Feeney, Eric Roberts u.a.
Assault on Wall Street

Uwe Bolls Wutbürger-Film: “Assault on Wall Street”

Jim Baxford lebt mit seiner Frau Rosie ein eigentlich glückliches Leben, wäre da nicht ein schwarzer Schatten, der über ihnen schwebt. Denn Rosie ist schwer krank und benötigt regelmäßig recht kostenintensive Behandlungen und Medikamente. Doch die beiden haben sich mit der Situation arrangiert. Eine solide Krankenversicherung, ein einträglicher Job für Jim und dessen Rücklagen, gut angelegt in verschiedenen Immobilienfonds. Doch eines Tages weigert sich die Versicherung plötzlich, die Behandlungen von Rosie weiter zu bezahlen. Ein Schock, der aber vor allem Jim nicht aus der Bahn wirft. Wie besessen beginnt er zu rechnen und zu planen, wie man trotzdem über die Runden kommen kann. Als man die Lage scheinbar wieder unter Kontrolle hat, platzt die große Spekulationsblase. Banken gehen pleite, Wertpapiere erweisen sich als wertlos, tolle Immobilien sind in Wirklichkeit leerstehende Ruinen… Jim und Rosie sind von einem Tag auf den anderen pleite. Mehr noch, die Banken fordern von ihnen 60 000 Dollar plus stetig steigender Zinsen. Das Kleingedruckte in windigen Verträgen macht dies möglich. Als Jim auch noch seinen Job verliert, wird Rosie komplett aus der Bahn geworfen. Sie setzt die Behandlungen ab und begeht Selbstmord, was Jim zu einer blutigen Verzweiflungstat treibt …

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Er habe diesen Film gemacht, weil er wütend gewesen sei … und sauer: Darüber, dass die ganz normale Bevölkerung für die Gier einiger Banker und Börsianer zahlen muss, dass nach dem Crash keine Schuldigen zur Verantwortung gezogen wurden und dass die Politiker nicht gehandelt haben. Zudem haben ihn die bisherigen amerikanischen Aufarbeitungen des Weges in die jetzige Weltwirtschaftskrise schlichtweg geärgert, wirkten diese im Endeffekt doch, als müsse man mit den Bankern noch Mitleid haben, als hätten sie nie etwas falsch gemacht. Mit diesen Worten im Ohr, gesprochen von Boll persönlich bei einer Kino-Sneak in Berlin, hat man im Showdown von „Assault on Wall Street“ fast das Gefühl, man höre bei jedem Kill das höhnische Lachen des Herrn Doktor. Der seinen Film selbst aber sehr ernst und vor allem reif umgesetzt hat.

Assault on Wall Street

Überzeugend: Dominic Purcell als Amokläufer.

Dabei beeindruckt vor allem der Weg zum großen Showdown, in dem Boll seine beiden höchst sympathischen Protagonisten in eine immer unaufhaltsamere Abwärtsspirale hineintreibt, die in ihrer unfassbaren Unmenschlichkeit immer bedrückender gerät und sich schwer auf das Gemüt des Zuschauers legt. Zwar gab Boll selbst zu, dass die Kette an Ereignissen vielleicht ein wenig zu dicht ist und Rosie und Jim etwas zu viel Negatives widerfährt, aber es funktioniert. Vor allem Jim drückt Boll dadurch so konsequent aus unserer Gesellschaft heraus, dass dieser irgendwann fast wie ein Zombie wirkt, der durch ein fremdbestimmtes Leben wandelt, in dem er nichts mehr zu sagen hat und nichts mehr tun kann. Am Ende kann nur ein konsequenter Paukenschlag stehen. Hier das zur Waffe greifen. Nicht nur um sich für Ungerechtigkeiten zu rächen, sondern auch, um zu sagen: Verdammte Scheiße, ich bin noch da!

Dabei bedient sich Boll bewusst simpler, aber höchst effektiver Schwarzweißmalerei. Alle Broker und Banker sind durchweg böse. Selbst ein zunächst ambivalent wirkender Aktienberater entpuppt sich letztendlich als profitgeiler Wichser. Und selbst wenn Angestellte von Banken auf ihre Vorschriften und die „Leute da oben“ verweisen, bleiben auch sie zynische Zahnräder eines verkommenen Systems. Und auf der anderen Seite stehen Rosie und Jim. Grundgut, fast schon naiv und ohnmächtig gegenüber den Geldsäcken. Das ist natürlich ein fast schon zu simpler und vor allem höchst manipulativer Kunstgriff, doch Boll kriegt einen tatsächlich damit. Denn man beginnt unweigerlich zu überlegen, wie man selbst wohl in der Situation handeln, denken und agieren würde, wenn man wie Jim oder eben aktuell Millionen von Menschen in dem großen Crash alles verloren hat und sich erst wieder aufrappeln muss … so das überhaupt geht. Und spätestens wenn man wenigstens versucht, sich in die Opfer hineinzudenken, wird man vermutlich schnell zu dem Schluss kommen, dass da irgendwann von ganz allein der Punkt erreicht ist, dass man alles nur noch Schwarzweiß sieht. Dass ALLE, die „den Crash mitverursacht haben“, durchweg die Bösen sind und man selbst nur das Opfer. Natürlich wird man sich bewusst sein, dass der kleine Bankangestellte nichts für das große Ganze kann und vielleicht sogar selbst Opfer des Ganzen wurde, ABER er steht eben alleine aufgrund seiner Berufswahl auf der Seite der Bösen. Natürlich hätte sich Boll nicht so offensiv in die Opferrolle begeben müssen, aber, mit dem Hinweis im Ohr, dass sich bei den bisherigen Aufarbeitungen zum Thema selten auf die Seite der Opfer geschlagen wurde, macht auch das durchaus Sinn. Und wie gesagt, für den Film funktioniert das hervorragend.

Assault on Wall Street

Edward Furlong – Der “Terminator 2” Glanz ist lange ab.

Man schlägt sich nämlich sofort auf die Seite von Jim und Rosie. Was auch daran liegt, dass die Darsteller von Jim und Rosie sehr stark und vor allem sehr einnehmend aufspielen. Die sympathische Zeichnung der beiden Figuren macht ein enorm hohes Involvement auf Seiten der Zuschauer ganz besonders einfach. Vor allem Dominic Purcell („Killer Elite“) hätte man die hier erbrachte Leistung nach seinen bisherigen Auftritten in Film und Fernsehen kaum zugetraut. Doch auch die Freunde der beiden Hauptcharaktere sind herzensgute Menschen. Vor allem der von Edward Furlong („Terminator 2“) gegebene, beste Freund von Jim ist fast schon zu nett, um wahr zu sein. Furlong hat dabei wie Michael Pare („Moon 44“) und Keith David („The Butcher“) eher kleine, dafür aber sehr markante, zum Verschnaufen eingestreute, komische Momente beizusteuern. Auf der Gegenseite findet man dann vor allem gesichtslose Milchbubis, Computer- und Zahlennerds, die (angeblich) mit Zahlen umgehen können, denen die Menschen und die Schicksale hinter den Zahlen aber komplett egal sind. Ins Feld geführt wird dieses Heer der Gesichtslosen von den beiden Charaktervisagen Eric Roberts („The Expendables“) und John Heard („Gorki Park“). Diese überzeugen mehr durch Worte als durch Taten (Roberts sieht man im ganzen Film nur beim Herumsitzen), die Worte dafür sitzen punktgenau. Wenn Roberts den unberechenbaren Winkeladvokaten gibt und ein aufgedunsen wirkender Heard mit einer „Das ist mir scheißegal“ Tirade auf die Nachricht vom Tod von Jims Frau reagiert, wünscht man sich stande pede mehr Auftritte für die beiden Schwergewichte.

Inszenatorisch ist Boll bei „Assault on Wall Street“ ganz nah dran an seinen Figuren. Ständige Großaufnahmen besorgter Gesichter unterstreichen den düsteren Grundton der Geschichte. Viele beiläufige, in ihrer Sensibilität erstaunliche, kleine Szenen lassen einen immer wieder zweifeln, dass man es hier mit einem Bollwerk zu tun hat. Doch man kennt das, wenn Boll ein Thema wichtig ist, schafft er es, hinter das Werk zurückzutreten. Sein Handwerk in den Dienst des Filmes zu stellen. Das exerziert er hier so eindrucksvoll wie selten zuvor durch. Das wird noch unterstrichen durch den fantastischen, sehr elektronisch angehauchten Score von Jessica De Roij, die hier erneut beweist, dass es endlich Zeit wird für den ganz großen Durchbruch!

Assault on Wall Street

Der finale Amoklauf spart nicht mit Shootouts.

Was an „Assault on Wall Street“ ebenfalls gefällt, ist, dass Jims Amoklauf nicht plötzlich vom Zaun gebrochen wird und sich seine Wut irgendwie unkontrolliert Bahn bricht. Ganz im Gegenteil, Boll lässt seinen Jim immer wieder zögern, hadern und zögert so die ultimative Eruption der angestauten Wut lange hinaus. Und auch als Jim loslegt, opfert Boll die Figur nicht einfach. Denn wie schon im vorherigen Filmgeschehen geht Jim sehr geordnet, sortiert und überlegt an seinen Rachefeldzug. Richtet erst Einzelpersonen und steigert sich in seinem Rachedurst, ohne allerdings irgendwann kopflos loszuholzen. Die Action inszeniert Boll souverän, geradlinig und ohne große Mätzchen. Blutbeutel platzen, Einschüsse perforieren die Wände und das Personal und große Stunteinlagen, die nicht zum Sujet des Filmes gepasst hätten, bleiben vollends aus. Hier explodieren keine Autos und stürzen keine Häuser ein. Hier geraten „nur“ fiese Übelwichte in die zornige „Line of Fire“.

Gegen Ende seines Filmes versemmelt Uwe „Assault on Wall Street“ beinahe. Hier ertönt nämlich plötzlich eine Stimme aus dem Off, die ähnlich dem finalen „Punisher“ oder „Batman“ Monolog ankündigt, dass dies alles erst der Anfang war und noch viel mehr zu erwarten sei. Doch glücklicherweise wird es diese Einlage nicht in die schlussendliche Fassung schaffen. Der Applaus des Publikums auf diesen Hinweis bestätigte Boll nur in seiner Annahme, dass er mit dieser Szene irgendwie „drüber“ war.

Final bleibt zu sagen, dass Boll mit seinem „Assault on Wall Street“ seinen Hatern sicherlich wieder viel Angriffsfläche bietet. Zu simpel wirkt seine Sicht der Dinge. Allerdings gibt er auch zu keiner Zeit vor, mehr liefern zu wollen, als den ultimativen Wutbürger-Film. Der ist in letzter Konsequent lange Zeit erstaunlich geerdet, ruhig und vor allem dramaturgisch stringent aufgebaut. Zudem präsentiert er einen Uwe Boll, der sich mit dem notwendigen Ernst an ein echtes Trauma heranwagt und es nicht in einem überkandidelten Satirewust absaufen lässt. Boll präsentiert zwar eine recht simple Lösung für ein wirklich komplexes Problem, bleibt aber immer inszenatorischer Herr der Lage und schafft es, auch dank seiner sehr einnehmenden Figuren, dass nicht einmal das finale Gemetzel den gelungenen Gesamteindruck ins Lächerliche zieht oder den bisherigen Film konterkariert. Für mich die bisher reifste Leistung von Uwe Boll, der, obwohl so wütend, seinen Hitzkopf durchaus unter Kontrolle behielt. Zumindest im Film. In der an den Film anschließenden Fragerunde gelang ihm das nicht wirklich.

„Assault on Wall Street“ erscheint am 27. September 2013 von Splendid auf DVD und Blu-ray und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten.

In diesem Sinne:
freeman

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Copyright aller Filmbilder/Label: Splendid Film__FSK Freigabe: 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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