Originaltitel: In A Violent Nature__Herstellungsland: Kanada__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Chris Nash__Darsteller: Ry Barrett, Charlotte Creaghan, Liam Leone, Cameron Love, Timothy Paul McCarthy, Alexander Oliver, Andrea Pavlovic, Reece Presley, Sam Roulston u.a. |
Der kanadische Horrorfilm „In A Violent Nature“ wurde für den Streamingdienst Shudder produziert. Regisseur und Drehbuchautor Chris Nash schwebte dabei offensichtlich ein ganz anderer Blickwinkel auf das beliebte Horror-Subgenre des Slasherfilmes vor. Als „Ambient Slasher“ bezeichnet er das Ergebnis.
Als ein paar Jugendliche an einem abgebrannten Feuerlöschturm ankommen, finden sie hier eine goldene Kette. Einer entwendet das gute Stück, um die Kette seiner Freundin zu schenken. Kurz nachdem die Jugendlichen verschwunden sind, gräbt sich ein gewaltiger Menschenberg aus dem Erdreich. Er bemerkt das Fehlen des Schmuckstückes und stapft einfach los.
Unbeirrt latscht er fortan durch den Wald. Wann immer sich sein Weg mit anderen Menschen kreuzt, fällt er über diese her und tötet sie auf teils bestialische Weise. So kommt er den Jugendlichen, die seine Ruhe störten, immer näher.
Wenn Terrence Malick einen Slasher dreht
„In A Violent Nature“ stellt das Slashergenre ordentlich auf den Kopf. Normalerweise ist es Filmen über Serienmörder vorbehalten, dass der Fokus des Filmes zu weiten Teilen auf dem Killer liegt. Im Slasher-Genre hingegen liegt das Hauptaugenmerk normalerweise überdeutlich auf einer Gruppe an „Helden“, die sich aus irgendwelchen Gründen den Zorn des Killers zuziehen, woraufhin dieser eher sporadisch in die Handlung „eingreift“, Figuren aus dem Leben reißt und hernach wieder verschwindet.
Slasher wie John Carpenters „Halloween“ lassen uns manchen Mord des Killers auch mal aus dessen Perspektive erleben, trotzdem liegt der Fokus der Filme deutlich auf Laurie Strode und Co. „In A Violent Nature“ geht nun konsequent einen anderen Weg und bleibt fast durchgehend an seinem Killer dran. Nur kurz wechselt er mal den Blickwinkel und fokussiert auf die Opfermasse. Das aber nur, damit diese den Mythos um den Killer aufbauschen kann.
Der Killer selbst hilft ebenfalls mit, ihn besser zu verstehen. Denn Gegenstände und Orte in dem Wald, den er durchschreitet, scheinen ihn an ein früheres Leben zu erinnern. Infolgedessen meint man am Ende des Filmes, einen guten Eindruck von dem Killer gewonnen zu haben. Gleichzeitig wirkt es aber nicht so, als sei er vollends entzaubert worden. Entsprechend kann der angekündigte zweite Teil gerne kommen.
Zu diesem Perspektivwechsel gesellt sich bei „In A Violent Nature“ ein weiterer, meines Erachtens mutiger Entschluss. Wie Regisseur Nash nämlich selbst erklärt, ist er Fan des meditativen Kinos eines Terrence Malick. Entsprechend ruhig ist sein Film die meiste Zeit über. Hat immer mal wieder die Anmutung einer Naturdoku. Lange Einstellungen, insgesamt sehr wenige Schnitte und bewusst entschleunigte Momente prägen weite Teile des Streifens. So schauen wir die meiste Zeit einfach nur dem Killer beim Wandern zu.
Er latscht von links nach rechts, von rechts nach links, vor der Kamera her, auf sie zu, von ihr weg. Er läuft und läuft und läuft. Entsprechend viele Waldbilder bekommen wir auf die Netzhaut gebrannt. Mehr noch: Wenn der Killer sich zu Beginn aus seinem „Grab“ erhebt, filmt die Kamera lieber Äste, Zweige und Tierchen im Vordergrund und lässt den Killer unscharf. Auch dass im ganzen Film nur einmal Musik (eines Walkmans) erklingt, hat eine interessante Wirkung. Infolgedessen beherrscht die Soundkulisse des Waldes die Tonspur.
Rund um den Killer wirkt der Film infolgedessen total entschleunigt. Es kommt immer mal kurz so etwas wie Tempo auf, wenn der Killer zuschlägt. Direkt danach verfällt der Film wieder in seinen kontemplativen Duktus. Dass wir uns eigentlich in einem Slasher befinden, wird immer nur dann deutlich, wenn der Killer sich seinen Opfern nähert und deren Art zu kommunizieren sich im Vergleich zum Einstieg immer mehr verändert. Also panischer wirkt, getriebener, verzweifelter.
Wortfetzen deuten zudem an, dass der Opfermasse bewusst ist, dass sie ausgedünnt wird. Als Zuschauer weiß man das bereits, aber man spürt nicht die Dringlichkeit dahinter, weil man dem ruhig und bedacht agierenden Killer folgt und nicht den verängstigten jungen Leuten. Der Effekt ist wahrlich erstaunlich und hält in dem teils wirklich brutal langsamen Film drin.
Trotzdem entkoppelt sich „In A Violent Nature“ nicht vollends von seinem Subgenre. Viele Elemente wirken gerade aus dem „Freitag, der 13.“-Franchise (aus dessen zweiten Teil Lauren-Marie Taylor mitwirkt) und dessen Epigonen sehr vertraut. Etwa, dass man das Gesicht des Killers lange Zeit nicht zu sehen bekommt. Dass wir dabei sind, wie er seine Maske entdeckt und aufsetzt. Auch die Backgroundstory des Killers kommt einem bekannt vor. Und wie in den alten Klassikern setzen natürlich die Kills die Highlights. So auch hier.
Wer Steven Kostanskis Werk (unter anderem „Psycho Goreman“ oder „The Void“) kennt, der weiß, dass er es sowohl als Regisseur als auch als sein zumeist eigener Spezialeffekt-Maestro handgemacht und schlotzig liebt. Für Chris Nashs „In A Violent Nature“ frönte er nun erneut dieser Leidenschaft und liefert einfach nur ab. Ein oder zwei Kills (simples Ersäufen und ein Kill im Off) sorgen ein wenig für lange Gesichter beim Zuschauer, beim Rest geht es aber wirklich derb zur Sache.
Köpfe werden längs und quer halbiert, Äxte landen in menschlichen Körpern, Arme werden abgetrennt, eine Spaltmaschine gerät zum Inbegriff des sadistischen Mordens, ein Mensch wird förmlich zu Gulasch verarbeitet und und und. Geschehen einige Kills quick und dirty, werden andere minutenlang ausgespielt. Und mit dem Kill an einer jungen Yoga-Dame setzt es einen Mord, den ich so noch nie gesehen habe. Freunde der derberen Gangart bekommen hier einiges geboten!
Darstellerisch hat „In A Violent Nature“ nicht viel zu bieten. Hauptdarsteller Ry Barrett („Antisocial“) muss nur durch den Wald latschen und darauf achten, nicht zu stolpern. Das klappt mehr als gut. Er ist physisch ungemein präsent und man glaubt gerne, dass er mit den Opfern anstellen kann, was er eben mit ihnen anstellt. Die Opfermasse könnte derweil egaler nicht sein. Es gilt kaum mehr, als das eigene Ableben glaubhaft darzustellen. Hier bleibt niemand irgendwie in Erinnerung, was aber auch nicht wesentlich für den Film ist. Der funktioniert eben anders.
In technischer Hinsicht fällt vor allem das 4:3 Format sofort ins Auge. Auch die aufgetragenen Klamotten der Opfer versprühen viel 80s/VHS-Ära-Flair, wobei der Film aber eindeutig in der heutigen Zeit verortet ist. Trotzdem stellt sich, sobald beispielsweise keine Handys auf dem Screen zu sehen sind, sofort dieses 80er-Jahre-Filmgefühl ein. Große optische Spielereien darf man sich von dem Film aufgrund seines Konzeptes nicht erwarten. Normalerweise folgt die Kamera dem Killer wie einem Spielcharakter in einem Computerspiel, filmt über dessen Schulter und so weiter. Bei einigen Kills wird es aber auch mal spannender. Etwa bei einem aus der Vertikalen gefilmten Mord mit einem gewaltigen Stein.
„In A Violent Nature“ traut sich was
„In A Violent Nature“ ist ein ungemein reizvolles Experiment. Der Film traut sich was, geht eigene Wege, zwingt dem Zuschauer einen spannenden Perspektivwechsel auf und kleidet all das in ein filmisches Gewand, bei dem man irgendwann nicht mehr weiß, ob man einem Wandervideo oder einem Slasherfilm zuschaut. Das erfordert durchaus Sitzfleisch und dürfte so manche Erwartung teils heftig unterlaufen. Aufgrund des erzählerischen Ansatzes stellt sich auch kaum Spannung ein und Chris Nash verzichtet vollkommen auf den Einsatz von aktuellen Horror-Manierismen wie billigen Jump Scares. Wer sich von dem Film also entertainen lassen will, könnte hier richtig auf die Nase fallen.
Ein echter Downer ist zudem das Finale. Ich hätte gerne einmal einen Showdown eines Slashers aus dem Blickwinkel des Killers erlebt. Leider verwehrt uns der Film genau das. Was ihr stattdessen erlebt, sei an der Stelle nicht verraten. Zumindest sei verraten, dass es Sinn macht und der Killerfigur hilft. Aber es macht nicht satt. Es entlässt einen unbefriedigt aus dem Film. Hat man diesen Kloß geschluckt, dürfte einem aber schnell klar werden, dass das, was man da soeben gesehen hat, einfach nur frisch und innovativ war. Und dass sogar in den derben Kills!
Der Film wird am 24. Oktober 2024 von Capelight Pictures für einen Tag auf die deutschen Kinoleinwände gehievt. Ungeschnitten und ab 18 freigegeben, wobei man sicher gespannt sein darf, ob er diese Freigabe im Heimkino wird halten können.
In diesem Sinne:
freeman
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Copyright aller Filmbilder/Label: Capelight Pictures__Freigabe: FSK 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, am 24.10.2024 im Kino |