Originaltitel: A Glimpse Inside the Mind of Charles Swan III__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2012__Regie: Roman Coppola__Darsteller: Charlie Sheen, Mary Elizabeth Winstead, Bill Murray, Aubrey Plaza, Patricia Arquette, Jason Schwartzman, Katheryn Winnick, Richard Edson, Maxine Bahns u.a. |
Charlie Swan III ist ein erfolgreicher Künstler, der es sich in L.A. gemütlich gemacht hat und ein ziemlich chaotisches Leben zwischen Pflichterfüllung, Tagträumerei und frivolen Abenteuern führt. Sein Leben gerät allerdings komplett aus der Bahn, als ihm seine große Liebe Ivana eine mehr als gewaltige Szene macht und den scheinbar untreuen Hallodri in den Wind schießt. Charlie fällt in ein tiefes Loch. Zwar versuchen seine Freunde und Familie immer wieder, ihn aufzubauen, haben damit aber allenfalls kläglichen Erfolg. Doch Charlie selbst kennt den Ausweg aus seinen Problemen nur zu gut: Er muss Ivana zurückgewinnen, koste es, was es wolle.
Ursprünglich war „Charlies Welt“ als eine Art Portrait des Künstlers Charles White III geplant. Besser gesagt: „Charlies Welt“ Regisseur Roman Coppola schwebte eine filmische Hommage an die Pop Art Kunst vor, mit Charles White III als Aufhänger. Der war in den 70ern einer der bekanntesten Vertreter der damals höchst populären Pop Art Kunstrichtung und setzte mit seinen Airbrush-Bildern Standards in der damaligen Kunstszene. Bevorzugt nahm er banale Motive her und erweiterte sie um mal eklige, mal witzige Details. Vor allem als die LP Cover aufkamen, boomten seine Kunstwerke und die seiner Künstlerkollegen und zierten manches Album. Sogar George Lucas kam auf ihn zu und ließ ihn das erste Poster für seinen kommenden Blockbuster „Star Wars“ gestalten. Charles White III selbst gibt zu Protokoll, ein echter Tagträumer gewesen zu sein und sich noch heute in seine Fantasiewelten zu flüchten. Ein aufregendes Leben, eine eigentlich aufregende Geschichte, aber für den Film „Charlies Welt“ anscheinend nicht aufregend genug. So streift der Film nur am Rande das Leben von Charles White III und wäre eigentlich gerne eine Liebesgeschichte…
httpv://www.youtube.com/watch?v=w5uK7_ASt-k
Auch bleibt die Hommage an Pop Art Kunst eher in den Kinderschuhen hängen, da Regisseur Coppola, der mit dem Film sein Regiedebüt gibt und zuvor für die Wes Anderson Filme „Darjeeling Limited“ und „Moonrise Kingdom“ die Drehbücher ablieferte, die Kunstrichtung ausschließlich eher in seinen Hintergründen abfeiert, wo man die Werke verschiedener Künstler dieser Kunstrichtung zu sehen bekommt. Er selbst gibt in den Extras zum Film zu Protokoll, letztlich einen Film anvisiert zu haben, der selbst Pop Art sein sollte: Sexy, fantasievoll, über die Stränge schlagend und spielerisch. Der fertige Film allerdings ist zum einen mehr Wes Anderson als Pop Art und zum anderen die immer anstrengender werdende Selbstfindung eines Egomanen.
Das Hauptproblem ist, dass sich der Film-Charlie wie sein eigentliches Vorbild Charlie White III nur zu gerne in Tagträume und Fantastereien flüchtet, um schöne Frauen zu retten oder sein Leben wieder gerade zu biegen. Und obschon so manche Tagträumereien den Film tatsächlich ein wenig voranbringen und ihn nicht – wie von mir befürchtet – total ausbremsen, lassen sie den Film dennoch zu Stückwerk zerfallen. Es entsteht einfach kein kohärentes Ganzes, keine Summe der vielen, teilweise fraglos guten und witzigen Teile. Das liegt auch daran, dass dem Zuschauer die teils sehr überspannten Figuren von „Charlies Welt“ weitgehend fremd bleiben und man sich nicht wirklich in ihre Lage hineindenken kann. Gerade bei Charlie ist das freilich verheerend, weil man so nie versteht, warum er Ivana hinterher rennt, was auch daran liegt, dass zwischen Charlie Darsteller Charlie Sheen und Ivana Darstellerin Katheryn Winnick die Chemie so gar nicht stimmt.
Problematisch ist auch, dass man mit zunehmender Laufzeit mehr und mehr die reale Person des Charlie Sheen („Navy Seals“) in die Figur des Charlie hineindeutet. Denn die Abwärtsspirale des selbstverliebten Sheens ähnelt doch sehr jener von Charlie Swan III, der sich auch von alles und jedem missverstanden fühlt und das laut in die Welt hinausschreit. Und so laviert Sheen irgendwann immer an der Grenze zur Selbstparodie durch den Film und spielt irgendwann einfach nur noch sich selbst. Das ist mal komisch, mal aber auch unwahrscheinlich anstrengend. Vor allem gegen Ende beginnt sich das gesamte Konstrukt, das mit einer Nettolaufzeit von 75 Minuten alles andere als lang ausgefallen ist, doch extrem zu ziehen und wird auch durchaus mühsam zu schauen.
Highlights setzen die ansprechend besetzten Nebenrollen, in denen sich mit Bill Murray („Passion Play“) und Jason Schwartzman („Moonrise Kingdom“) zwei Wes Anderson Regulars tummeln und für einige hübsche Schmunzelmomente sorgen. Die Damenriege aus Katheryn Winnick, Mary Elizabeth Winstead („Stirb Langsam 4.0“) und Patricia Arquette ist durch die Bank hübsch anzuschauen, bleibt aber durchweg ziemlich blass.
Was durchweg gefällt, ist die technische Umsetzung des Filmes. Regiedebütant Roman Coppola inszeniert mit sicherem Auge für kleine und kleinste Details und vor allem die zwischen den verschiedensten Befindlichkeiten und Stimmungen hin und herschwankenden Fantasie-Episoden aus Charlies Tagträumen sorgen für Tempo und teils sehr absurden Witz. Die Ausstattung des Filmes ist großartig und entwirft ein glaubwürdiges Bild der 70er Jahre und die Pop Art Referenzen fügen sich harmonisch in den gelungenen Ausstattungs-Gesamteindruck ein. Die Kameraarbeit ist derweil unaufgeregt und geradlinig und der Soundtrack immer stimmig und mit toll ausgesuchten Songs angereichert.
Was bleibt, ist ein Film, der einfach nicht so wirklich rund laufen will. Zu Beginn sorgen die eingestreuten Tagträume von Charlie für ordentlich Leben in der Bude und wird man von den Problemen des Skripts durchaus gelungen abgelenkt. Doch mehr und mehr geraten diese Einlagen ins Hintertreffen und wird offensichtlich, wie sehr „Charlies Welt“ doch in seine Einzelteile zerfällt. Zudem will die „Liebesgeschichte“ im Film einfach überhaupt nicht funktionieren, was rein handlungstechnisch gesehen freilich einem Todesstoß gleichkommt. Vielleicht wäre Regiedebütant Roman Coppola besser beraten gewesen, das Leben eines aufstrebenden, leicht abgedrehten Künstlers zu verfilmen, statt einen Wes Anderson Wiedergänger zu inszenieren, der recht ziellos vor sich hin mäandert? Zumindest hat der Film definitiv seine Momente, die Darsteller liefern eine gute Leistung ab und als eine Art Parodie auf Charlie Sheens Eskapaden funktioniert der Film ganz gut. Allerdings war das eigentlich nie das Ziel.
Die deutsche DVD/Blu-ray kommt von Koch Media, ist mit einer FSK 12 Freigabe uncut und hat neben einem netten Making Of und einem Special über den Künstler Charles White III sogar ein Interview mit dem Synchronsprecher von Bill Murray an Bord.
In diesem Sinne:
freeman
“Charlies Welt” und Facebook
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Koch Media__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu-ray/DVD: Ja/Ja |