Originaltitel: Zwartboek__Herstellungsland: Niederlande/Deutschland/Großbritannien__Erscheinungsjahr: 2006__Regie: Paul Verhoeven__Darsteller: Carice van Houten, Thom Hoffman, Halina Reijn, Sebastian Koch, Christian Berkel, Waldemar Kobus, Michiel Huisman, Derek de Lint, Peter Blok, Ronald Armbrust u.a. |
Nach dem kommerziellen Misserfolg von „Hollow Man“ wandte Paul Verhoeven Hollywood den Rücken zu und ging wieder in seine Heimat zurück, um dort dann „Black Book“ zu schreiben und zu drehen.
Im Zentrum des Films steht die Jüdin Rachel Stein (Carice van Houten), die sich im von den Nazis besetzten Holland versteckt. Jedoch handelt es sich bei den sie Beherbergenden um streng christliche, ebenfalls etwas antisemitische Leute, womit Verhoeven direkt zu Beginn die klassischen Gut-Böse-Schemata diverser Weltkriegsfilme infragestellt. Mehr noch, als ein alliierter Bomber beim Loswerden seiner Ladung das Haus der Familie sprengt und Rachel nur durch Zufall mit dem Leben davonkommt.
Von da an ist Rachel wieder auf der Flucht und soll mit anderen Juden nach Belgien geschmuggelt werden. Doch ein Patrouillenboot der Nazis stoppt sie, die Soldaten richten ein Massaker an und Rachel entkommt nur knapp. Sie schließt sich daraufhin dem Widerstand an, da sie nach dem Verlust ihrer Familie wenig hat, wofür sie noch leben will. Den Verlust der Familie, die bei dem Bootsmassaker umkommt, visualisiert Verhoeven wirklich schonungslos; auf das Massaker lässt er noch einen viehischen Raub sämtlicher Wertgegenstände, welche die Toten bei sich tragen, folgen.
Bei einer Mission muss sich Rachel vor NS-Schergen verstecken und setzt sich dabei ins Zugabteil des Offiziers Ludwig Müntze (Sebastian Koch), der von ihr angetan ist. Daraufhin soll sie sich bei ihm einschmeicheln, um Informationen aus dem NS-Hauptquartier in Den Haag zu erhalten…
httpv://www.youtube.com/watch?v=DIklvGsU7bM
„Black Book“ mag durchaus ein paar Ambitionen haben, doch trotz einiger Ansätze zum Nachdenken ist Verhoevens Werk vor allem ein spannender Thriller vor Weltkriegskulisse. Vor allem die räumliche Beschränkung auf wenige Schauplätze sorgt für eine Intensivierung des Geschehens, insbesondere das NS-Hauptquartier ist Schauplatz so vieler Szenen, dass man sich als Zuschauer bald beinahe die Topographie des Gebäudes vorstellen kann. Doch nicht nur dadurch ist „Black Book“ sehr spannend, vor allem die Gefahr des Auffliegens für Rachel, die den Decknamen Ellis de Vries erhält, und undurchsichtige Figuren auf beiden Seiten sorgen immer wieder für Suspense.
Doch die Ambivalenz vieler Figuren dient nicht nur der Spannungsförderung, sondern bricht die Gut-Böse-Schemata immer weiter auf. Ludwig ist kriegsmüde, hat seine Familie durch Bomben verloren, ist nicht komplett mit der Politik der Nazis einverstanden und schützt Rachel aus Liebe, obwohl er sie sofort durchschaut. Dafür gibt es Verräter auf Seite der Widerstandskämpfer und nach der Befreiung durch die Alliierten erweisen sich diverse Niederländer als revanchistische Barbaren. Diese Ambivalenzen machen „Black Book“ sehr interessant, wenngleich Verhoeven leider nicht auf einen klischeehaften Oberbösewicht verzichten kann: Müntzes Rivalen Günther Franken (Waldemar Kobus), einen fetten, niederträchtigen Bilderbuchnazi, der nicht nur jeden erdenklichen negativen Charakterzug trägt, sondern auch recht hässlich ist. Und für alle, die das noch nicht kapieren, baut Verhoeven dann noch eine full frontal nudity Szene Frankens in seiner ganzen Unansehnlichkeit ein.
Das trübt das Vergnügen aber nur geringfügig, sowie ein paar kleinere Längen, die „Black Book“ leider aufweist. Jedoch merkt man dem Film stets Verhoevens Freude an dem Projekt an, was sich in vielen Details offenbart. Besonders deutlich kommt der Zynismus des Holländers in jener Szene zum Tragen, in der Rachel und eine weitere Person jemanden ersticken lassen – nachdem dessen Flüche und Betteleien verstummen, stellen sie trocken fest, dass es aber sehr lange gedauert hat.
Doch nicht nur solche Gewaltakte gibt es zu sehen, auch für die Actionfans hat Verhoeven gesorgt und baut so einige wuchtige Shoot-Outs ein, die nicht mit blutigen Einschüssen geizen und sich vor seinen Hollywoodarbeiten nicht verstecken müssen. Auch seine Vorliebe für Sex lebt Verhoeven in einigen expliziten Szenen aus, die jedoch nie unnötig oder zu plakativ wirken, wenngleich er es mit seiner Zeigefreude gelegentlich etwas übertreibt (auf anderer Ebene auch bei der Demütigung Rachels gegen Ende des Films).
Großen Anteil am Gelingen des Films haben auch seine Hauptdarsteller. Carice van Houten („Game of Thrones“) macht einen großartigen Job und übertrifft den Rest des Ensembles in ihrer Hingabe, jedoch ist auch Sebastian Koch („Stirb langsam 5“) ausgezeichnet, so wie die meisten anderen Mitglieder der Besetzung. Selbst Waldemar Kobus („Speed Racer“) versteht es seiner Rolle noch Profil zu verpassen, das über die klischeehafte Charakterzeichnung des Scripts hinausgeht.
Mit „Black Book“ meldet sich Paul Verhoeven nach langer Kreativpause eindrucksvoll zurück. Sein Film funktioniert vor allem als spannender Thriller vor der Kulisse des Zweiten Weltkriegs, hat einige Schauwerte zu bieten und vernachlässigt auch interessante Ansätze nicht – da stören auch gelegentliche Übertreibungen, kleine Hänger und ein klischeehafter Oberbösewicht das Vergnügen kaum.
Die deutsche DVD von Warner/NFP bietet als Bonusmaterial Interviews mit Paul Verhoeven und den Hauptdarstellern.
© Nils Bothmann (McClane)
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