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Ein Mann für gewisse Stunden

Originaltitel: American Gigolo__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1980__Regie: Paul Schrader__Produktion: Jerry Bruckheimer__Darsteller: Richard Gere, Lauren Hutton, Hector Elizondo, Nina Van Pallandt, Bill Duke, Brian Davies, K Callan, Tom Stewart, Patricia Carr, David Cryer, Carole Cook u.a.
Ein Mann für gewisse Stunden

Die erste Kooperation von Jerry Bruckheimer und Paul Schrader: „Ein Mann für gewisse Stunden“

Mit seinem Drehbuch zu „Taxi Driver“, aber auch seinen Regiearbeiten „Blue Collar“ und „Hardcore“ gesellschaftliche Schattenseiten in kriminellen und Arbeitermilieus, mit seiner dritten Regiearbeit „American Gigolo“ nahm er sich hingegen die Upper Class vor.

Julian Kay (Richard Gere) gehört zwar nicht direkt dazu, doch als Chauffeur, Dolmetscher und vor allem Gigolo verkehrt er in ihren Kreisen und kann sich selbst ein nettes Häuschen leisten. Er ist bei den Damen beliebt, kann den Vermittlern seiner Dienste die Konditionen diktieren und sorgenlos dem Lifestyle der als oberflächlich verschrienen 1980er frönen. Der Titelsong „Call Me“ von Blondie ist in gleich mehreren Versionen im Film (Musik: Giorgio Moroder) zu hören und gleichzeitig das Motto Julians, der sich durch Telefongespräche in Erinnerung hält und seinen Klientinnen den Wunsch von den Augen ablesen kann.

Seine Zuhälter könnten unterschiedlicher nicht sein: Anne (Nina van Pallandt) gibt sich als möglichst seriöse Geschäftsfrau mit idyllischem Strandhaus, die keine Callgirls und Gigolos dahaben will, wenn sie ihren kleinen Sohn da hat, Leon (Bill Duke) hingegen ist ein klassischer Pimp, der durch Schwulenclubs tingelt und stets etwas schmierig wirkt. Schon allein an diesen Figuren lässt sich schön ablesen wie in der Welt von „American Gigolo“ die Kriminellen und die Reichen, die von ganz oben und die von ganz unten ganz eng miteinander arbeiten – Julian glaubt irrtümlicherweise ganz oben mitzuspielen, muss jedoch bald erkennen, dass er ganz unten in der Hierarchie residiert.

Nämlich, als eine seiner Klientinnen ermordet aufgefunden wird und die Polizei ihn verdächtigt. Sein Alibi zerbröselt, da die andere Klientin, mit der zum Tatzeitpunkt zusammen war, ihn fallen lässt, seine scheinbaren Freunde wenden sich von ihm ab. Und das, als Julian gerade mit der Politikergattin Michelle (Lauren Hutton) anbandelt und erstmals echte Gefühle zu entwickeln scheint…

httpv://www.youtube.com/watch?v=DvsvTWfRCFc

Der Krimiplot ist sekundär, der lediglich der Katalysator für das menschliche Drama und den Absturz Julians, was Schrader den Zuschauer auch merken lässt. Auch wenn Julian eine Zeitlang Irrwege beschreitet und nach den Gründen rätselt, so kann er sich das Ganze gegen Ende des Films doch einfach zusammenreimen, während der Zuschauer bis dahin von seinem Insiderwissen ausgeschlossen ist. Tatsächlich ist die Auflösung fast schon banal, was aber durchaus ein wichtiger Punkt ist: Sie ist so naheliegend, dass Julian sie in seiner Hybris nicht sieht, ebenso wenig wie der Zuschauer, der den Film über Julians Perspektive teilt.

Tatsächlich ist „American Gigolo“ in erster Linie eine Charakterstudie Julians, der allerdings – und da liegt der Hund begraben – mehr oder weniger ein Mann ohne Eigenschaften ist. Er ist stets aufs Geld bedacht, doch er lebt in einem sterilen anmutenden Häuschen, hat die Knete in nichts von ideellem Wert investiert. Er kann den Klientinnen jeden Wunsch von den Lippen und den Augen ablesen, Wünsche, die oft über das Sexuelle hinausgehen, sondern sich deren Einsamkeit oder deren Minderwertigkeitsgefühlen annehmen, aber gleichzeitig scheint Julian selbst nie zu wissen was er will. So mag die Antriebslosigkeit Julians durchaus ihren Platz im Film haben, im letzten Viertel scheint sein Wankelmut aber geradezu absurd, wenn er mal alles tut um aus dem Sumpf der Verdächtigungen herauszukommen, sich darauf dann aber wieder schicksalsergeben verhält.

Gleichzeitig liegt darin aber ein anderes Problem des Films: Für ein Drama ist er unglaublich kalt, seine Figuren sind weitestgehend egal. Nett oder gut ist hier eigentlich keiner, am wenigsten die selbstsüchtigen Klienten und die selbstsüchtigen Zuhälter, auch nicht der neidische Polizist Sunday (Hector Elizondo), der dem Gecken Julian gerne eins reinwürgen und gleichzeitig so wie er sein möchte. Selbst Michelle als potentielle Erretterfigur Julians ist kaum mehr als diese Funktion, erscheint fast schon als eine Frau ohne Eigenschaften. Es ist ein Portrait emotionaler Leere, das an einige Werke Bret Easton Ellis‘ erinnert, dessen Debütroman „Less than Zero“ allerdings erst fünf Jahre nach „American Gigolo“ erschien. Erstaunlich, dass ausgerechnet Jerry Bruckheimer diesen Film produzierte, dessen spätere Produktionen wie „Top Gun“ oder „Flashdance“ gerne anklagt wurden für die 1980er symptomatische Oberflächenblender zu sein – gemeinsam mit Schrader drehte er danach übrigens noch das Remake „Katzenmenschen“. Doch so sehr die filmische Machart hier den filmischen Inhalt reflektieren mag: „American Gigolo“ scheint oft nicht nur als Film über Leere, sondern auch als leerer Film.

Dabei kann man den Darstellern keinen Vorwurf machen: Richard Gere („Brooklyn’s Finest“) nimmt das Schmierlappige, das manche seiner Darstellungen auszeichnet (und das vielleicht nicht immer gewollt), und treibt es bis zum Äußersten, hat dabei auch vor vollkommener Nacktheit keine Scheu. Grandios ist auch Hector Elizondo („Leviathan“) als zwischen Coolness und Missgunst schwankender Cop, während Nina van Pallandt („The Sword and the Sorcerer“) und Bill Duke („Action Jackson“) als Zuhälter unterschiedlicher Couleur auftrumpfen. Dagegen ist Lauren Hutton („Malone“) durchaus okay, am meisten fällt sie aber auf, wenn das Drehbuch ihr unerwartet krasse Sätze (etwa in der „How much for one fuck?“-Szene) in Mund legt, weniger durch ihre Leinwandpräsenz.

Vielleicht ist es ein kongeniales Zusammengehen von Form und Inhalt, denn „American Gigolo“ zeigt nicht nur das Leben eines in der Leere Dahinvegetierenden, sondern er fühlt sich teilweise auch wahnsinnig leer an, da die Figuren egal sind, die Krimiplot ebenso. Das ist zwar durchaus interessant, aber leider auch nur begrenzt fesselnd.

„Ein Mann für gewisse Stunden“ ist bei Paramount auf DVD und Blu-Ray erschienen und ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Paramount__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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