Originaltitel: Street Gangs__Herstellungsland: Deutschland__Erscheinungsjahr: 2012__Regie: Mike Möller__Darsteller: Mike Möller, Volkram Zschiesche, Oliver Juhrs, Mathis Landwehr, Alister Mazzotti, Nico Sentner, Michael Bornhütter, Michael Braun, Najely Chumana, Sigo Heinisch u.a. |
Mikey lebt in einer Stadt, die sich vollkommen in der Hand einer Vielzahl von Banden befindet. Um nicht unter die Räder zu geraten, ist auch er Mitglied einer Gang. Diese ist zwar alles andere als ohne, aber bei weitem nicht so gefährlich wie die größte und wichtigste Gang der Stadt: Die Bloods. Doch diese begehen irgendwann den großen Fehler, Mathis, den Anführer von Mikeys Gang, zu meucheln. Von Rachegedanken beseelt, beschließt Mikey, seinen besten Freund zu rächen. Dazu nimmt er an einem Wettkampf teil, bei dem die besten Fighter der verschiedenen Gangs antreten und danach die Macht über die Stadt unter sich neu verteilen. Diese Gelegenheit will der eisern trainierende Mikey nutzen, um die Bloods endgültig zu stürzen …
Mike Möller, Hauptdarsteller, Produzent, Choreograph und Regisseur von „Street Gangs“ (der ursprünglich als „Urban Fighter“ veröffentlicht werden sollte) ist ein Kind der Zone und als solches erst nach dem Mauerfall mit den harten Action- und Martial Arts Filmen der 80er in Berührung gekommen. Was er dann dank VHS, TV und Kino zu sehen bekam, veränderte sein Leben nachhaltig. Der eher schmächtige Thüringer begann seinen neuen Idolen nachzueifern, ahmte deren Choreographien nach und begann seinen Körper intensiv zu trainieren. Der Lohn seiner Mühen waren erste Jobs als Stuntman und infolgedessen Treffen und sogar Zusammenarbeiten mit den Stars, die einst sein Leben veränderten. Die an den Filmsets erworbenen Skills im Filmemachen beschloss er irgendwann gewinnbringend für seinen Sport und seine Berufung umzusetzen: Kurzum, er wollte einen deutschen Martial Arts Streifen drehen. Seit dem bisherigen Alleinunterhalter „Kampfansage“ (bei dem er auch mitwirkte) die erst zweite echte Bemühung aus deutschen Landen, im Kampfsportgenre zu punkten. Das Ergebnis bietet flotte Martial Arts Action mit wirklich tollen Fightszenen.
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Bis man diese genießen kann, muss man sich aber zunächst definitiv ein wenig quälen. Man merkt dem Film einfach an, dass es über vier Jahre brauchte, um ihn letztendlich fertigstellen zu können. Dies macht sich vor allem in der leicht zerfahren wirkenden, etwas unpointierten Handlung bemerkbar. Vor allem der Aufhänger, nämlich der Mord an Mathis und die Rachegelüste Mikeys, will nie so recht zünden, da der Kurzauftritt des deutschen Martial Arts Vorturners Mathis Landwehr („Kampfansage“, TVs „Lasko“) zu kurz ausfällt, um ein Profil zu entwickeln bzw. zu erklären, warum Mikey ihn so vehement rächen will. Auch fällt in den ersten Minuten doch überdeutlich auf, dass hier durchweg Schauspielleihen am Werk waren, was für den einen oder anderen echten Fremdschämmoment sorgt. So manches Setting wirkt zudem einfach nur billig und abgeranzt. Von der peinlichen Langhaarperücke, die Mike Möller in den ersten Minuten spazieren trägt, ganz zu schweigen.
Doch hat man den etwas ungelenken Einstieg überstanden, zündet Mike Möller eine flotte Ansammlung von Fightszenen, die sich in ihrem Spektakelelement zunehmend steigern, an Ideen und Rasanz zulegen, zunehmend stärker choreographiert wirken und mit einer ungeheuer dynamischen Kamera eingefangen werden, die vollends auf Mätzchen wie Herumgewackel, übertriebene Zeitlupen oder Szenenwiederholungen verzichtet und den Könnern bei der Arbeit zuschaut. Diese bringen ziemlich viele verschiedene Kampfstile in den Film ein: Muay Thai, Taekwondo, Karate, Kung Fu, Judo… Abwechslung ist in „Street Gangs“ Trumpf. Abwechslung hat sich Mike Möller auch allgemein für die Kämpfe auf die Fahne geschrieben. Denn nicht nur die Fightstile variieren, auch die Schauplätze und die Art der Fights verändern sich von Actionszene zu Actionszene stark. So kämpft Mike Möller in leeren Swimmingpools, Lager- und Sporthallen, im Knast, in Abrisshäusern, im Schnee und auf einem Bolzplatz gegen mal nur einen Gegner, dann gegen eine Vielzahl, wird in Massenschlägereien verwickelt, hat mal Stöcke als Hilfsmittel oder knüppelt seinen Gegner mit gefesselten Händen nieder. Abgerundet durch eine erstaunlich flotte Montage bekommt hier jeder Kampfsportfan einiges aufs Auge! Abgesehen von den Kampfsporteinlagen waren einige Mitwirkende offensichtlich auch in Parkour fit, weswegen es dahingehend auch kleinere Verfolgungsjagden zu sehen gibt, die zwar mit „Banlieue 13“ nicht mithalten können, aber durchaus ansprechend inszeniert wurden. Schade in Actionhinsicht ist eigentlich nur, dass die Actionszenen abseits der Martial Arts Einlagen deplatziert und uninspiriert wirken. Genannt seien der Shootout im Wald und ein Autostunt. Doch davon abgesehen kann man sich in Sachen Action bei „Street Gangs“ nie beschweren, zumal Mike Möller seine Darsteller auch amtlich hinlangen lässt!
Was bei dem Film in fast jeder Einstellung auffällt, ist, dass dies ein Film von Fans für Fans ist. Das beginnt bei der wirklich extrem rudimentären Story, die nur den Film einigermaßen zusammenhalten soll, geht über die simple Schwarz-Weiß-Zeichnung aller Charaktere und endet nicht erst bei den etwas bemüht wirkenden Dialogen. So fühlt sich „Street Gangs“ schnell wie einer dieser Martial Arts Cheapos der 80er an. Wenn dann noch Filmposter von Streifen mit Donnie Yen, Jackie Chan, Tony Jaa und Cynthia Rothrock in den Zimmern hängen oder „Bloodsport“ offenkundig und schön augenzwinkernd zitiert wird, dann fühlt man sich als Martial Arts Filmfan trotz diverser Unzulänglichkeiten von „Street Gangs“ absolut verstanden.
Was bleibt, ist ein Streifen, der mutig versucht, was in Deutschland immer seltener wird: Er versucht Neuland bzw. exotischere Gefilde zu betreten und zeigt auf, dass wir Deutschen auch knallige Martial Arts Streifen inszenieren könnten, wenn wir nur wollten. „Street Gangs“ merkt man allerdings seine schwierige Entstehung deutlich an, auch und vor allem in Budgethinsicht. So war sichtlich kein Geld für gute Darsteller, ein nettes Drehbuch oder wirklich coole Schauplätze da. Alles ist äußerst funktional ausgerichtet und zu Beginn mit einem starken Einschlag in Richtung Trash versehen. Doch „Street Gangs“ wächst mit der Zeit und beißt sich genauso durch wie sein sich beeindruckend durch die Lüfte schraubender Hauptdarsteller, der teils Kombinationen zündet, bei denen man wie bei Tony Jaa oder Scott Adkins in den Zeitlupenmodus des Abspielgerätes schalten muss, um die komplexen Bewegungen wirklich vollends genießen zu können. Die Action wird äußerst stilsicher bebildert, das Tempo ist hoch, die Actionszenen gehen in extrem dichter Folge auf den Zuschauer nieder und haben einige echte kleine Highlights im Gepäck (der wirklich rasant montierte Wettkampf, die steile Stuntshow in der Fabrik). Drehbuch, Charakterzeichnung und Schauspiel können da nicht ansatzweise mithalten. Auch die teils kontraproduktiv wirkende Musik muss man deutlich als Baustelle hervorheben. Und dennoch würde ich mir eine eventuelle Fortsetzung, die sich im Film weithin ankündigt und anscheinend deutlich größere Dimensionen annehmen könnte, nur zu gerne anschauen, denn Mike Möller ist sichtlich ein Fan des Genres und er bietet dem Fan letztlich, was dieser sich wünscht. Und genau das macht „Street Gangs“ zu einer gelungenen deutschen Liebeserklärung an das Genre.
Wir haben im Übrigen „Street Gangs“ Mastermind Mike Möller ausführlich interviewt. In diesem Interview spricht er über seinen Karriereweg, „Street Gangs“, seine Arbeit als Stuntman und vieles mehr! Mehr dazu bald hier!
Die deutsche DVD und Blu-ray zu „Street Gangs“ kommt von 8-Films, ist mit einer FSK 18 uncut und hat einige nette Bonusfeatures an Bord, die aufzeigen, unter welchen Bedingungen „Street Gangs“ entstanden ist und das hier wirklich alle ihr Bestes gegeben haben. Davon zeugen vor allem die teils extrem schmerzhaft anzuschauenden Outtakes …
In diesem Sinne:
freeman
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