Originaltitel: Prince of the City__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1981__Regie: Sidney Lumet__Cinematographer: Andrzej Bartkowiak__Darsteller: Treat Williams, Jerry Orbach, Richard Foronjy, Don Billett, Kenny Marino, Carmine Caridi, Tony Page, Norman Parker, Paul Roebling, Bob Balaban, James Tolkan, Lindsay Crouse, Lance Henriksen, Cynthia Nixon, Bruce Willis u.a. |
Bereits mit „Serpico“ hatte sich Sidney Lumet 1973 bereits mit Undercover-Ermittlern innerhalb der Polizei beschäftigt, „Prince of the City“ war 1981 seine Verfilmung des gleichnamigen Tatsachenromans Robert Daleys mit gleichem Sujet.
Daniel ‘Danny‘ Ciello (Treat Williams) geht es gut. Er lebt den American Dream mit Frau, Kind und Eigenheim in der Vorstadt, seine Partner sind seine engsten Freunde und seine Sondereinheit hat so viele Erfolge im Kampf gegen Drogenkriminalität, dass man sich auch mal dreist bei Gericht vordrängeln kann, nachdem man den Fahndungserfolg gemeinsam mit dicken Zigarren gefeiert hat. Doch in dieser Arroganz der Cops steckt etwas Falsches, etwas, das man schon ahnt bevor Dannys drogensüchtiger Bruder ihn anfährt, dass er Dreck am Steck habe, bevor man beobachtet wie Danny einen Junkie überfällt, um einem seiner Informanten Stoff zu besorgen.
Als die Staatsanwaltschaft an Danny herantritt, weil sie nach einem Informanten sucht, streitet dieser die Existenz von Korruption dermaßen vehement ab, dass dies bereits für den Zuschauer verdächtig ist. Tatsächlich trifft sich Danny immer wieder mit seinem Kontakt, getrieben von einem innerlichen Schuldgefühl, einer Erinnerung an frühere Ideale. Im Gegensatz zu den meisten dreckigen Filmcops ist Danny ein Schuldgetriebener, einer der zweifelt und auch einer, dessen Abrutschen in die Kriminalität vor Einsetzen der Handlung passiert ist.
Also lässt Danny sich auf die Staatsanwaltschaft ein. Einzige Bedingung: Keine Ermittlungen gegen seine Partner. Stattdessen lässt er sich versetzen und macht inkriminierende Tonbandaufnahmen von Gangstern, korrupten Cops und kriminellen Bürgern gleichermaßen. Er wird zum Starermittler, doch der Höhenflug hat ein Nachspiel…
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Eigentlich bewegt sich Lumet hier auf klassischem Polizeifilmterrain, doch er geht dieses anders an als die meisten Filme des Genres, nicht verdichtet und auf Suspense gebürstet, sondern über mehrere Jahre gestreckt. Danny Ciello ist die einzige Konstante des Films, andere Figuren tauchen meist für kurze Episoden auf, um dann entweder ganz zu verschwinden oder erst später wieder aufzutauchen. Einige Figuren, wie etwa Dannys Partner und Freund Gus Levy (Jerry Orbach), die internen Ermittler oder die Leute von der Staatsanwaltschaft, sind etwas präsenter, doch Danny ist der Einzige, der immer da ist – wunderbar ausgespielt in einer pfiffig montierten Szene, in der Danny zig Anwälte im gleichen Raum empfängt, von denen jeder einen anderen Angeklagten verfolgt, den Danny ans Messer geliefert hat. Auch seine Frau Carla (Lindsay Crouse) und die Familie nehmen kaum Raum ein, es ist Dannys Geschichte, die in mit verschiedenen Instanzen und Milieus in Verbindung bringt, von denen er jedoch stets isoliert ist. Die Herangehensweise erinnert an Kathryn Bigelows späteren, ähnlich akribischen „Zero Dark Thirty“, der ebenfalls allein den Weg einer Figur quasi-dokumentarisch über Jahre hinweg nachzeichnete.
Danny ist eine komplexe Persönlichkeit: Einerseits so sehr von Schuldgefühlen getrieben, dass er sich todessehnsüchtig ohne Waffe, aber verkabelt mit Gangstern trifft, andrerseits wahnsinnig stolz auf seine Erfolge – er fühlt sich als titelgebender „Prince of the City“, er allein, es gibt keine Mehrzahl von „Herren der Stadt“, wie der deutsche Untertitel behauptet. Doch, fast wie im artverwandten Gangsterfilm, geht es hier nicht nur um den Aufstieg, sondern auch den Fall der Figur: Er mag als Ermittler erfolgreich sein, doch alte Verfehlungen drohen stets ebenjene Erfolge zunichte zu machen, er driftet immer mehr von alten Freunden weg, doch für die internen Ermittler und Staatsanwälte ist er oft kein Freund, sondern ein Karrieresprungbrett. Und traurigerweise sieht er das selbst nicht immer.
Die Hauptrolle ging an den damaligen Hoffnungsträger Treat Williams, der sich später mit Filmen wie „Dead Heat“, „Octalus“ und den „The Substitute“-Sequels in die B-Liga verabschiedete – nicht ganz ungerechtfertigt. Die Hauptrolle weiß er zwar meist zu tragen, doch es gibt immer wieder Momente, in denen er ins Overacting und ins Grimassieren verfällt, die weniger schön sind. Unterstützt wird er von einer riesigen Anzahl Nebendarsteller, darunter markante Gesichter wie Jerry Orbach („FX – Tödliche Tricks“) als enger Freund Dannys oder Lance Henriksen („Phantom“) als ermittelndem Staatsanwalt, die ihre Parts aber alle ausgezeichnet zu erfüllen wissen. In einer Statistenrolle ist zudem Bruce Willis zu sehen, der danach auch als Statist bei Lumets „The Verdict“ mitwirkte.
„Prince of the City“ bietet einen weitreichenden Einblick in die Strukturen von Polizei, Gerichtsbarkeit und Korruption, zeigt alle Stationen eines Weges, ohne sich dabei in Details zu verlieren – warum jemand genau untersucht oder angeklagt wird, das wird oft nur im Nebensatz erwähnt, ist aber auch für den Verlauf nicht wichtig. Gleichzeitig macht das „Prince of the City“ mit einer stolzen Laufzeit von fast drei Stunden auch zu einer sperrigen Angelegenheit, die zwar faszinierend, aber auch gleichzeitig etwas trocken wird, da Lumet auf klassische Spannungsbögen verzichtet, sich viele Konflikte erst spät zuspitzen, wenn man Danny zunehmend dazu treiben will auch die letzten Grundsätze über Bord zu werfen.
„Prince of the City“ sperrt sich gegen Polizeifilmnormen und wird auch gerade dadurch sperrig, ist ein langsames, umfassendes, aber auch faszinierendes Portrait einer Spitzelkarriere mit vielen Höhen und Tiefen. Ausgesprochen realistisch, hin und wieder etwas dröge und nicht immer ganz optimal in der Hauptrolle gespielt, aber trotzdem ein starker, ungewöhnlicher Polizeifilm.
Zuerst erschien der Film bei der Cinemathek-Reihe der Süddeutschen Zeitung und dort noch als einzelne DVD. Die Neuauflagen, die allein vom Rechteinhaber Warner ohne Kooperation der SZ herausgegeben werden, splitten den Film auf 2 DVD, bieten als zusätzliches Bonusmaterial aber nur ein halbstündiges Making of.
© Nils Bothmann (McClane)
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