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A Haunting in Venice

„A Haunting in Venice“, der dritte Hercule-Poirot-Film von und mit Kenneth Branagh in der Hauptrolle, verbindet Whodunit und Horror-Anleihen. Der Meisterdetektiv nimmt an einer Seance teil, als es zu einem Mord kommt, der er aufklären will. Haben Geister ihre Finger im Spiel? Zum Ensemble gehören dieses Mal unter anderem Michelle Yeoh, Tina Fey, Kelly Reilly und Jamie Dornan.

Originaltitel: A Haunting in Venice__Herstellungsland: USA/Großbritannien/Italien__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Kenneth Branagh__Darsteller: Kenneth Branagh, Michelle Yeoh, Jamie Dornan, Tina Fey, Kelly Reilly, Kyle Allen, Camille Cottin, Jude Hill, Emma Laird, Ali Khan, Riccardo Scamarcio, Amir El-Masry u.a.
A Haunting in Venice

In Kenneth Branagahs drittem Poirot-Film „A Haunting in Venice“ spielen unter anderem Michelle Yeoh und Tina Fey mit

Nachdem Kenneth Branagh mit „Mord im Orient-Express“ und „Tod auf dem Nil“ zwei große Poirot-Klassiker mit sich selbst in der Hauptrolle verfilmte, wählte er für den dritten Teil der Reihe den wenig bekannten Roman „Hallowe’en Party“ aus, der nicht nur in „A Haunting in Venice“ umbenannt, sondern auch von England in die Gondelstadt verlegt und ordentlich bearbeitet wurde.

Die Filmadaption spielt im Jahr 1947 und damit eine Weile nach Hercule Poirots vorigen Abenteuern. Der Meisterdetektiv hat sich in Venedig zur Ruhe gesetzt, frönt seiner Leidenschaft für Süßspeisen und Frühstückseier (am liebsten perfekt gleich groß), während der Ex-Polizist Vitale Portfoglio (Riccardo Scamarcio) ihm all die Leute vom Hals hält, die ihn immer noch für Fälle engagieren wollen. Das führt zu ein paar amüsanten Momenten des Films, der sonst eher düster ausfällt. Nicht zuletzt deshalb, weil Poirot das Detektieren angesichts all des beobachteten Leides aufgeben will.

In die Quasi-Rente des Meisterschnüfflers platzt seine alte Freundin Ariadne Oliver (Tina Fey) hinein, die nicht ganz ohne Hintergedanken kommt. Die erfolgreiche Krimiautorin ist irgendwo zwischen Parodie auf und Hommage an Poirot-Schöpferin Agatha Christie angelegt und nimmt den Detektiv mit zu einer Seance nach einer Halloweenfeier in einem früheren Waisenhaus. Es geht nämlich der Glaube um, dass das Medium Mrs. Joyce Reynolds (Michelle Yeoh) eventuell der Real Deal sein könnte – Poirot soll der Autorin helfen zu beweisen, dass es sich auch diese vermeintlich authentische Spiritistin zu den Scharlatanen gehört.

Die Seance wird vor allem abgehalten, damit die Opernsängerin Rowena Drake (Kelly Reilly) Kontakt zu ihrer Tochter Alicia aufnehmen kann, die vor rund einem Jahr unter mysteriösen Umständen zu Tode kam und vom Balkon in die Kanäle Venedigs stürzte. Bei der Seance fährt angeblich Alicias Geist in das Medium und spricht davon, dass sich ihr Mörder unter den Gästen befinde. Als Joyce kurz darauf endgültig zum Schweigen gebracht wird und ein Sturm die Anwesenden einschließt, beginnt Poirot zu ermitteln…

Schaut euch den Trailer zu „A Haunting in Venice“ an

Wie schon in den beiden Vorgängern wird der vielleicht prominenteste Gaststar für die Rolle des Mordopfers engagiert, in diesem Fall die frisch Oscar-prämierte Michelle Yeoh („Everything Everywhere All at Once“), die in ihrer wenigen Screentime das Medium Reynolds durchaus charismatisch anlegen kann. Launig ist auch die Performance von Komikerin Tina Fey („Whiskey Tango Foxtrot“) als alte Freundin Poirots, während das Ensemble insgesamt weniger prominent daherkommt. Kelly Reilly („Bastille Day“) beweist als bekanntes Gesicht ihre Verlässlichkeit bei der Darstellung einprägsamer Nebenfiguren. Charismapunkte sammelt Riccardo Scamarcio („John Wick 2“) als hemdsärmeliger Leibwächter, während Jamie Dornan („Heart of Stone“) den geistig angeschlagenen Arzt Leslie Ferrier ganz okay verkörpert. Der Rest vom Fest ist dagegen ziemlich unbekannt, füllt seine Rollen aber dankbar aus. Eine große Schau ist erneut Kenneth Branagh („Tenet“) selbst als Hercule Poirot, der hier zwischenzeitlich an der Verlässlichkeit seiner kleinen grauen Zellen zweifeln muss.

Tatsächlich bildet der Widerstreit zwischen rationalen Erklärungen und übernatürlichen Phänomenen den roten Faden des Films. Der Schauplatz ist ein früheres Waisenhaus, in dem Kinder grausig zu Tode kamen, weshalb gemunkelt wird, dass deren Geister noch herumspuken. Vor allem die religiöse Hausverwalterin Olga Seminoff (Camille Cottin) glaubt an Erscheinungen aus dem Jenseits als Mörder, aber auch der labile Dr. Ferrier ist offen dafür. Dem gegenüber stehen Ariadne und Poirot als Vertreter der Ratio, was ausgerechnet den Detektiv in Bedrängnis bringt, als er geisterhafte Stimmen hört und Menschen sieht, die kein anderer wahrnimmt. Immer wieder taucht die Frage nach der titelgebenden Heimsuchung auf, könnte sie doch die Lösung für die verschiedenen Morde, Joyce‘ Besessenheit und manches Locked-Room-Mysterium sein. Und auch nach der Auflösung lässt „A Haunting in Venice“ noch eine Restunsicherheit bezüglich dieses Widerspruchs, der den Film zwischen klassischem Whodunit-Krimi und Geistergrusel verortet. Passend zum Thema schmökert Leopold (Jude Hill), der introvertiert-kluge Sohn des Arztes, bevorzugt einem Buch von Edgar Allan Poe. Jener ist nicht nur für seine Horrorgeschichten, sondern auch für seine „Tales of Ratiocination“ bekannt, wie er seine Detektivstorys um Auguste Dupin nannte.

Auch inszenatorisch rückt Branagh seinen dritten Poirot-Fall mehr in Richtung des Schauerstücks. Mit leichter Fischaugenlinse aufgenommene Shots von Gesichtern, Großaufnahmen von Gegenständen wie einer ausgestopften Eule und ähnliche inszenatorische Kniffe durch die Kameraarbeit von Haris Zamberloukos („Jack Ryan: Shadow Recruit“) rücken „A Haunting in Venice“ in die Nähe des Gothic-Horrors. Hinzu kommen ein paar Jump Scares, (vermeintliche) Geistersichtungen, schreckliche Funde im Keller und eine garstige Mordmethode – das Opfer wird nach einem Sturz auf einer Statue aufgespießt. Das gibt dem Film viel Flair und eine etwas andere Anmutung, auch wenn Branagh in der zweiten Hälfte vielleicht etwas zu sehr in seine Grusel-Trademarks verliebt ist und diese etwas inflationär einsetzt.

Das für die Verfilmung neu gewählte Venedig-Setting kommt dem Film in mehrerlei Hinsicht zugute. Zum einen passt es mit seinen verwinkelten Kanälen, morschen Gebäuden und der Gefahr beim Sturm hervorragend zur Stimmung des Ganzen. Zum anderen wurde tatsächlich vor Ort gedreht (zumindest die Außenszenen), sodass „A Haunting in Venice“ weitaus weniger künstlich als seine beiden Vorgänger aussieht. Der CGI-Budenzauber wurde merklich zurückgefahren und macht bei seinen dezenten Einsätzen mehr her. Freilich findet Branaghs dritter Poirot-Film auf deutlich beengtem Raum statt und gönnt sich wenige Exkursionen in die Außenwelt, sobald die Verdächtigen nicht nur festsitzen, sondern vom Detektiv sogar aktiv eingeschlossen werden. Dies passt sowohl zum Gruselgenre als auch zum Whodunit, dürfte aber auch eine Reaktion darauf sein, dass das Budget nach dem mäßigen Abschneiden von „Tod auf dem Nil“ an der Kinokasse wieder etwas heruntergefahren wurde – Gerüchten zufolge standen Branagh aber immer noch 70 Millionen Dollar zur Verfügung.

Als Whodunit profitiert „A Haunting in Venice“ von der Vorlage, die bisher nur jeweils einmal als Serienfolge fürs britische und französische Fernsehen verfilmt wurde, daher keine großen Vergleichsfilme fürchten muss und von Drehbuchautor Michael Green („Logan: The Wolverine“) noch dazu kräftig umgeschrieben wurde. Nicht nur der Schauplatz wurde geändert und die Figurenmenge deutlich entschlackt, sondern in erster Linie die Grundprämisse genommen und darauf ein eigene Geschichte entwickelt. Tatsächlich gewinnen die Verdächtigen so an Profil, sodass man nur zwei, drei Leute bald als mögliche Täter ausschließen möchte – noch dazu haben auch einige Nicht-Mörder ihre Spielchen am Laufen, die von Poirot aufgedeckz werden. Die Lösung ist durchaus erahnbar und zeichnet sich gegen Ende ab, zuvor gibt es aber nur genug rote Heringe fürs gepflegte Falschraten auf Publikumsseite. „A Haunting in Venice“ nimmt sich Zeit für Verhöre, Poirots Beobachtungen und weitere Informationsweitergaben, wirkt weniger gehetzt in der Aufklärung als seine Vorläufer, was sich auch daran liegt, dass der Mord dieses Mal deutlich früher im Film geschieht. So ist für gepflegte Whodunit-Stimmung gesorgt, obwohl „A Haunting in Venice“ das Genre nicht unbedingt neu erfindet.

Überraschend zurückgenommen ist dagegen die Charakterentwicklung der Hauptfigur, die im Erstling noch den eigentlichen Fall an die Wand zu drücken drohte. Es gibt die gewohnten Poirot-Trademarks, es gibt anfangs ein bisschen Introspektive, wenn der Detektiv einen auf versehrter Ruheständler macht, und doch ist klar, dass Poirot wieder in Aktion treten muss. Dass gerade der Subplot um den Tod seiner großen Liebe Katherine in einem Film über mögliche Kontakte mit verstorbenen Seelen kaum drankommt, muss als Versäumnis gelten – ein Dialog zwischen Joyce Reynolds und Poirot spricht das Thema an, das war es auch schon. Auch sonst werden altbekannte Aspekte des belgischen Meisterdetektivs eingebaut, der Figur aber keinen neuen Facetten abgewohnen. Nachdem die Vorgänger starken Franchise-Charakter hatten, wirkt dies leicht enttäuschend.

Doch unterm Strich ist Kenneth Branagh mit „A Haunting in Venice“ der bisher beste seiner Poirot-Filme gelungen. Ein spannendes, nicht allzu innovatives, aber ziemlich gut geplottetes Whodunit-Stück, das durch seine Grusel- und Horroranleihen inhaltlich, atmosphärisch und visuell ein paar neue Akzente im Agatha-Christie-Kosmos setzen kann. Nicht ohne Schwächen wie die fehlende Weiterentwicklung Poirots oder das Überstrapazieren mancher inszenatorischer Kniffe, aber insgesamt eine runde Sache.

Walt Disney bringt „A Haunting in Venice“ am 14. September 2023 in die deutschen Kinos, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Walt Disney__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 14.9.2023 in den deutschen Kinos

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