Originaltitel: Hit Man__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Richard Linklater__Darsteller: Adria Arjona, Glen Powell, Retta, Austin Amelio, Molly Bernard, Mike Markoff, Jo-Ann Robinson, Ritchie Montgomery, Morgana Shaw, Richard Robichaux, Kim Baptiste, Julia Holt, Bryant Carroll, Kate Adair, Evan Holtzman, Jordan Salloum, Roxy Rivera u.a. |
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Das Poster von „A Killer Romance“.
Sexappeal of the Nerd
Glen Powell als Honda Civic fahrender, an mangelndem Selbstbewusstsein leidender, mit zwei Katzen in einem Apartment lebender Nerd? Nur ein weiterer Baustein auf dem Weg des aufstrebenden Schauspielers, die rechtmäßige Nachfolge von Tom Cruise anzutreten. Der lieferte seine denkwürdigsten Auftritte ja im Grunde in obskuren Nebenrollen ab, mit denen er seinen Ruf als aalglatter Megastar torpedierte. Auch das Fundament heutiger Sexsymbole wie Henry Cavill oder Rosario Dawson besteht darin, dass sie so nahbar erscheinen, weil ihre nerdige Vergangenheit sie mit dem Normalo auf der Couch verbindet. Warum sich Powell, der gemeinsam mit Regisseur Richard Linklater das Drehbuch zur Hitman-Komödie „A Killer Romance“ schrieb, für seine Rolle in allerhand unvorteilhafte Schalen wirft, ist also offensichtlich.
Nun ist Powell seit 2006 („Fast Food Nation“) ja ohnehin bereits ein Regular in den Arbeiten des Independent-Regisseurs, aber schon rein physiognomisch wäre derzeit wohl niemand zu finden, der besser auf die Rolle des Gary Johnson gepasst hätte. Bei Johnson handelt es sich um einen begeisterten Universitätsprofessor und nebenberuflichen Unterstützer der Polizei im Kampf gegen organisierte Auftragsmorde. Ein wandelnder Widerspruch sozusagen, der bald in einen Strudel aus grauer Theorie und bunter Praxis gerät, der aus ihm nicht nur einen neuen Menschen macht, sondern gleich zwei… oder drei… oder vier… oder…
Die schmalen, eng beieinander liegenden Augen, die lange Korkennase und das leicht verschlagen wirkende, hoffnungslos in Grübchen versunkene Lächeln ließen den Mann, der 2024 den Titel des „Sexiest Man Alive“ ausgeschlagen haben soll, optisch immer schon ein wenig ambivalent erscheinen, und die Make-up- und Kostümdesigner haben offensichtlich gewaltigen Spaß daran, nach Lust und Laune mit seinen charakteristischen Proportionen zu spielen und sie unvorteilhafter als gewöhnlich wirken zu lassen. Die Spießer-Verkleidung ist nur der Startpunkt und der gewohnt coole Glen das Ziel. Zwischendurch wird es hochgradig kreativ in der Garderobe, als sich Amerikas beliebteste Kollektivbilder des (weniger aus dem Alltag als vielmehr aus Filmen bekannten) Konzepts „Profikiller“ im Styling des Hauptdarstellers einnisten, vom schießwütigen Landei über den russischen Invasoren und den androgynen Psychopathen bis zum Yuppie-Soziopathen à la Patrick Bateman.
Linklater, der eigentlich für seine vielschichtigen Charakterportraits und Coming-of-Age-Geschichten bekannt ist, knüpft also diesmal eher an seine von Comic Reliefs bevölkerten Mainstreamkomödien an, nicht zuletzt an die Kollaborationen mit Jack Black, zumal sich „A Killer Romance“ genau wie Blacks „Bernie – Leichen pflastern seinen Weg“ um eine reale Figur dreht, die der US-Journalist Skip Hollandsworth in einem seiner Artikel beleuchtete.
Indie-Geist gegen Mainstream-Entertainment
Wenn das Ziel gewesen sein soll, die durchaus interessante Geschichte des talentierten Lockvogels, der sich den Ruf erarbeitete, Dutzende von Menschen bei seinen Aufträgen ausgeschaltet zu haben, einem größeren Publikum vorzustellen, dann scheitert das Unternehmen auf ganzer Linie. „A Killer Romance“ fühlt sich vielmehr so an, als sei die Geschichte für eine Komödie von der Stange erfunden worden, für ein weiteres maßgeschneidertes Star-Vehikel Powells, nicht zuletzt für einen weiteren Trittbrettfahrer des Trend-Topics „Auftragskiller“, schießen doch derzeit Produktionen mit dem Wörtchen „Killer“, entweder schon im Original, oder wie hier zumindest in der Übersetzung des auch nicht viel einfallsreicheren Originaltitels „Hit Man“, bei den hiesigen Streaminganbietern wie Unkraut aus dem Boden.
Kaum verwunderlich, dass der Mensch Gary Johnson in der Maskerade untergeht, haben die typischen Linklater-Trademarks gegen die plakativen Anlagen seiner Figuren doch diesmal im Grunde keine Chance. Der Regisseur versucht trotzdem beharrlich, durch die Scherenschnitte zu stechen, um seine Duftmarken zu setzen. Als Gary zu Beginn der Handlung aufgrund eines personellen Engpasses aus dem gemütlichen Überwachungsvan geworfen und in seinen ersten Undercover-Einsatz auf der Straße geschubst wird, erwartet man noch eine dieser peinlichen Situationen einer typischen „Comedy of Errors“, wie sie jeder Judd Apatow oder Andy Fickman da draußen aus dem Effeff beherrscht. Linklater lässt den Nerd jedoch nicht zum Vergnügen der Zuschauer an seinen Handicaps scheitern. Erstaunlich souverän wird die unkomfortable Lage aufgelöst – zu Lasten einer krachenden Pointe zwar, doch fast könnte man meinen, hier soll eben gerade keine Situationskomik auf Kosten des Sonderlings gemacht werden, sondern im Gegenteil: Der Sonderling zeigt den Profis mal so richtig, wie man sich in ihrem Element zu bewegen hat.
Potenziell öffnet das den Raum für eine Parodie, zumindest aber eine Abrechnung mit der modernen amerikanischen Fließbandkomödie, doch in der Anwendung hebeln sich die Ansätze gegenseitig aus und erweisen sich als unvereinbar. Wenn Linklater zwischenzeitlich mal etwas tiefer in die Dialogkiste greift und über die sonst in diesem Zweig übliche Kommentierung des Offensichtlichen hinaus abliefert, fühlt sich das immer an, als würde er seine Textzeilen gewaltsam als Fremdkörper in eine Schublade zwängen, die es mit dem Reden nicht so hat. Auf diese Weise wird nicht nur die Comedy erstickt. Beinahe fataler ist noch, dass auch die Chemie zwischen Powell und seinem Co-Star Adria Arjona darunter leidet. Zwischen den Beiden sollen laut Skript die Funken fliegen, die Unsicherheit der Hauptfigur soll wie ein Kokon unter dem Schmetterling ihrer gemeinsam erlebten Leidenschaft explodieren und ganz nebenbei einen Strang verkomplizierender neuer Handlungsstränge freisetzen. In rein sexueller Hinsicht funktioniert das sogar, hier kann man ein gewisses Knistern wohl nicht leugnen, doch was das Zwischenmenschliche angeht, verpasst es der Regisseur, seine beiden wichtigsten Charaktere noch besser zu synchronisieren. Man kann eben nur mit dem Figurenmaterial arbeiten, das man zur Verfügung hat, und weil wir es hier eben nicht gerade mit Jesse und Celine aus der „Before“-Trilogie zu tun haben, bekommt man eben genau das, was die Materiallage hergibt.
Besser sieht es auch mit dem Support Cast nicht aus. Lediglich Austin Amelio – den meisten wohl ein Begriff als Narbengesicht Dwight aus „The Walking Dead“ und „Fear the Walking Dead“, seinem Regisseur hingegen vor allem eine Hilfe gewesen in „Everybody Wants Some!!“ – kann sich aus den Hohlkörpern der zweiten Reihe überhaupt ein wenig hervorheben, aber auch er ist gefangen in seiner rein funktionalen Rolle, deren einziger Sinn darin besteht, die sonst so bruchsichere Fassade der Hauptfigur durch hartnäckige Neugier zum Einsturz zu bringen.
„A Killer Romance“: Der besondere Funke fehlt
So scheint Linklater dann auch irgendwann aufzugeben, sich vollends den Schnappfallen seichter Familienunterhaltung hinzugeben und gar nicht mehr zu versuchen, etwas Besonderes daraus zu machen. Spätestens im finalen Akt fällt die Illusion der alternativen Herangehensweise wie ein Kartenhaus in sich zusammen, etlicher willkürlich zurechtgebogener Wendungen zum Dank, die auch das letzte Fünkchen Überraschungspotenzial ersticken. Am Ende des Abends bekommt man also doch genau das, was auf dem Etikett steht, in all seiner glorreichen Vorhersehbarkeit: „A Killer Romance“.
„A Killer Romance“ startete am 4. Juli 2024 über Leonine in den deutschen Kinos. Der Independent-Vertrieb ließ bereits drei Monate später die Auswertung auf DVD und Blu-ray folgen. Unter den Extras findet man Interviews mit Regisseur Richard Linklater sowie den Hauptdarstellern Glen Powell und Adria Arjona, ferner drei kurze Making-Of-Featurettes und den Trailer. Auch bei den Streaminganbietern macht die Komödie inzwischen die Runde – als VoD-Titel sowie aktuell (Februar 2025) auch im Programm von Wow.
Sascha Ganser (Vince)
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