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A Quiet Place

Originaltitel: A Quiet Place__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: John Krasinski__Produktion: Michael Bay u.a.__Darsteller: Emily Blunt, John Krasinski, Noah Jupe, Millicent Simmonds, Cade Woodward, Leon Russom, Doris McCarthy
A Quiet Place deutsches Filmposter

Michael Bay produzierte den effektiven Horrorstreifen “A Quiet Place”.

„The Sound Of Silence“, sangen Simon & Garfunkel 1964. Längst vergangene Zeiten. Das heutige Kino wird von akustischer Reizüberflutung dominiert, die selbst eine Bombenexplosion zu einem Flüstern im Innenohr geraten lässt. Kommt also nun ein Horrorfilm daher und erklärt den Klang der Stille zum nächsten großen Ding, ist die Kritik erfahrungsgemäß um Superlative wie „Meisterwerk“ und „Geniestreich“ nicht verlegen – solange das „Jetzt neu!“-Schild unter dem Filmtitel auch so groß ist, dass man es unmöglich übersehen kann.

Dabei ist „Don’t Breathe“, der ebenso umjubelt wurde, fast schon wieder vergessen, obwohl er doch vor zwei Jahren auf das gleiche Spannungskonzept setzte. Nun ist die Prämisse von „A Quiet Place“ zwar im SciFi-Bereich angesiedelt, seine Mechanik funktioniert aber nicht grundlegend anders: Keinen Mucks, sonst bist du tot. Aus.

Was John Krasinski unternimmt, um diese nun wirklich nicht besonders neue Logik für sich zu nutzen, ist eigentlich relativ simpel. Der Verzicht auf eine grundlegende Einführung in das Szenario wird gerne als sein erster Geniestreich verstanden, dabei ist es keine Kunst, einen Film mit der Einblendung „Tag 89“ zu beginnen. Die ausbleibende Erklärung, mit welchen Kreaturen die Familie – und offenbar die ganze Welt – zu kämpfen hat und was bisher geschehen ist, stellt in diesem Fall auch weniger eine besondere erzählerische Lösung dar als es vielmehr die moderne Vorstellung von In-Your-Face-Eventkino anpeilt, so dass der Fokus ohne Umschweife direkt auf das Sounddesign gelegt werden kann.

Schaut in den von Michael Bay produzierten “A Quiet Place” hinein

httpv://www.youtube.com/watch?v=YnHwOn7Sr44

Zwar gelingt es dem Regisseur und gleichzeitigen Hauptdarsteller Krasinski („13 Hours“) erzählerisch durchaus, die Vorgeschichte durch Zeitungsausschnitte, Notizen und andere Hinweise anzudeuten. Auch über die anfangs noch unsichtbare Gefahrenquelle des Films erfährt man viel, ohne dass auch nur ein Wort gesprochen werden müsste, wenn man einen Blick auf die Umgebung der Akteure wirft: Eine Sandspur zieht sich über jeden Pfad, den die Überlebenden in ihrem ungewöhnlich stillen Alltag nehmen müssen, rote Lampen warnen vor Gefahr.

Die dadurch entstehende Versteifung auf die Geräuschkulisse lässt allerdings den Eindruck entstehen, dass man hier ein Instant-Drehbuch verfilmte, das als einzige unverrückbare Konstante die Gleichung „Geräusch = Tod“ beinhaltet und alles andere offen lässt. Man könnte es also prinzipiell auf jedes mögliche Filmuniversum anwenden, wenn es nur ansatzweise zur einzigen Konstante passt. Nur ein paar Seiten umgeschrieben, und schon ist „A Quiet Place“ der nächste Teil der Riddick-Saga… oder eben der nächste „Cloverfield“, eine im Vorfeld tatsächlich geführte Überlegung, wie man nun vernehmen konnte. Eine Serie, die überhaupt der Inbegriff dieser unverbindlichen Art des Umgangs mit einer Filmidee ist. Das Gefühl, man habe es hier mit einem einzigartigen, originären Stoff zu tun, vermittelt „A Quiet Place“ also nicht.

A Quiet Place mit dem Ehepaar John Krasinski und Emily Blunt

Die Familie begibt sich geschlossen auf die Suche nach Lebensmitteln.

Die Punkte, in denen der Film seine Lorbeeren verdient hat, betreffen vor allem das reine Handwerk. Bei der Erschaffung der Regeln in dieser Welt, die sich gerade erst zur Postapokalypse verwandelt hat (die Handlung findet nur wenige Jahre nach dem Produktionsjahr statt), ließ man reichlich Kreativität walten, die man sich mit dem Verzicht auf eine Vorgeschichte aufsparen konnte. Logische Unstimmigkeiten kommen zwar naturgemäß vor, werden aber von vielen feinen Details wettgemacht, mit denen das Vorgehen der Familie und ihr Überleben logisch begründet wird. Das Spannungslevel ist von Beginn an hoch und wird ohne Hänger durchgehend gehalten; es findet eine Daueranspannung statt, die es weder den Protagonisten noch dem Publikum erlaubt, durchzuschnaufen. Das sorgt nicht zuletzt auch für eine besondere Erfahrung im Kino: Es mag anstrengend sein, 90 Minuten mit angehaltener Luft im Kinosessel zu sitzen, wenn aber alle mitmachen, kann es eine seltene Erfahrung sein.

Die Darsteller liefern allesamt reichlich ab; insbesondere Krasinskis Frau Emily Blunt („Girl on the Train“) bekommt in Hochspannungsspitzen Gelegenheit zum Glänzen und beschert uns mit der stummen Geburt eines Kindes, dank des Babybauchs ein Höhepunkt mit Ansage, einen der intensivsten Momente des bisherigen Kinojahres. Ein Knaller erwartungsgemäß das Sounddesign, da der gesamte Film darauf ausgerichtet ist, wobei sich die Filmmusik für den Intensitätsgewinn gerne etwas stärker hätte zurückhalten dürfen. Dass manche Szene durch den Score überdramatisiert wird, legt Zeugnis davon ab, dass man seiner größten Stärke nicht hundertprozentig zu vertrauen bereit war. Das Creature Design wiederum hat seine Stärken, liefert aber auch ungewollte Assoziationen zur „Resident Evil“-Serie und stellt darüber hinaus einmal mehr unter Beweis, dass neben H.R. Giger nur die Wenigsten verstehen, wie man etwas wahrhaft Außerirdisches erschafft. Und dennoch, als Familiendrama funktioniert die Mischung dank der handwerklich mehr als soliden Umsetzung ebenso gut wie als SciFi-Horrorfilm.

A Quiet Place mit John Krasinski

Der Vater stellt sich schützend vor seine Kinder. Immer.

Aufgrund seiner unleugbaren Stärken gerät „A Quiet Place“ in gewisser Weise zu dieser Art von „miesem, kleinen Drecksfilm“, der sein Publikum mit einer ungewohnten Herausforderung konfrontiert, diese auch noch intensiv umzusetzen weiß und dadurch punktet. Gerade deswegen fallen einige der unglücklichen kreativen Entscheidungen aber umso deutlicher ins Gewicht. So ist es beispielsweise verständlich, dass man die Stille im Horror-Teil nutzt, um Jump Scares aus dem Nichts zu erzeugen. Dass man diese aber derart repetitiv einsetzen und darüber hinaus auch noch „False Scares“ beimischen würde, ist für einen Film mit diesen Ansprüchen relativ enttäuschend. Im Drama-Teil wiederum hätte man sich noch mehr Stellen gewünscht, in denen aufgezeigt wird, was das Dauerschweigen mit der menschlichen Psyche anstellt. Ausgereicht hätte dazu schon, die Kamera auf das Gesicht eines Darstellers zu halten und zu zeigen, wie es völlig ohne direkte Bedrohung oder konkreten Anlass um Luft ringt und gegen den Drang ankämpft, einfach zu schreien. Derartige Szenen kommen zwar vor, entstehen aber stets aus dem Affekt der Situation heraus. Die Stille bleibt also eine Komponente zur Orientierung im reinen Überlebenskampf; die Möglichkeit, sie als Mittel zur Unterdrückung der kommunikativen menschlichen Natur zu inszenieren, wird nicht genutzt und Krasinski verharrt in den B-Movie-Mechanismen, obwohl er Größeres hätte schaffen können.

In jedem Fall ist „A Quiet Place“ als Genre-Mix aus Drama und Horror eine intensive Erfahrung, dessen Schwächen allerdings gerne übersehen werden, weil die Stärken so sehr blenden. Und auch die haben mit „neu“ oder „einmalig“ nicht viel zu tun. Ende des Jahres kommt mit „The Silence“ der nächste Film um eine Familie im Kampf gegen Kreaturen mit Superlauschern. Spätestens dann war es das mit der Einzigartigkeit…

6 von 10

“A Quiet Place” läuft seit dem 12. April 2018 in den deutschen Kinos.

Sascha Ganser (Vince)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Paramount Pictures__Freigabe: FSK16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein (ab Dezember 2018)

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Categorised in: Creature Feature, Reviews

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