Originaltitel: Abigail__Herstellungsland: USA, Irland__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett__Darsteller: Kathryn Newton, Dan Stevens, Giancarlo Esposito, Kevin Durand, Alisha Weir, Angus Cloud, William Catlett, Melissa Barrera u.a. |
In einer straff durchorganisierten und ausgeführten Aktion entführen sechs Gestalten ein junges Mädchen. Sie verbringen das Kind in ein Anwesen weit außerhalb der Stadt. Hier nimmt sie der Auftraggeber der Entführung in Empfang und eröffnet ihnen, dass sie nur noch 24 Stunden auf das sedierte Mädchen aufpassen müssten, dann winke ihnen ihr jeweiliger Anteil an 50 Millionen Dollar Lösegeld. Daraufhin verschwindet der Auftraggeber im Dunkel der Nacht.
Die Entführer richten sich einigermaßen wohnlich in dem alten Anwesen ein. Doch bald schon müssen sie merken, dass hier etwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen vorzugehen scheint. Und wirklich: Bald werden die ersten Entführer blutig aus dem Leben gerissen. Misstrauen greift um sich. Ist der Killer unter den Gaunern und will das ganze Geld für sich? Dezimiert ein Außenstehender das Team? Oder könnte es sein, dass das entführte Mädchen ein gefährliches Geheimnis hütet?
Blutiger Horror mit hübschen Ideen
Der Filmtitel macht schon klar, wer hier nicht gar so unschuldig ist, wie man meinen könnte. Selig sind dennoch all jene, die sich vor „Abigail“ nicht weiter über den Film informiert und vor allem den Trailer ausgelassen haben. Alle anderen werden in den ersten 60 Minuten sicherlich das eine oder andere Mal vor sich hin fluchen. Denn vor allem der Trailer spoilert vollkommen offensiv, was des Rätsels Lösung um die titelgebende „Abigail“ ist. Und das ist schade, denn die Macher von „Abigail“ versuchen gar nicht mal so schlecht, ein Mysterium aus dem eigentlich Story-Clou zu machen.
Ist der freilich bekannt, verpufft die Wirkung der ersten 60 Minuten ziemlich. Und egal, ob man den Clou kennt oder nicht, die Exposition des Horrorfilms ist leider reichlich zerlabert und verursacht so oder so einige Längen. Zumindest bekommt man die handelnden Figuren leidlich näher gebracht und schaut infolgedessen nicht nur irgendwelchen Kleiderständern beim Wegrennen zu.
Richtig rund läuft „Abigail“ aber erst ab der zweiten Filmhälfte. Aber da dann so richtig. Das Tempo zieht enorm an, die Ereignisdichte wird immer höher, der Blut- und Gekröse-Faktor schießt durch die Decke und die Story erlaubt sich ein paar feine Schlenker, die den Horrorfilm niemals zu durchsichtig geraten lassen. So kommt auch einiges an Spannung auf, immer flankiert von feinem schwarzen Humor, der rundweg zündet.
Parallel zum steigenden Unterhaltungsfaktor des Filmes dreht vor allem Dan Stevens als Frank immer mehr auf. Spielfreudig changiert er zwischen souverän, bedrohlich und herrlich overactend hin und her und macht seinen peinlichen Ace-Ventura-Ausfall im misslungenen „Godzilla x Kong“ mühelos vergessen. Saustark spielen auch Kathryn Newton („Ant-Man and the Wasp: Quantumania“) als sexy Technik-Nerd Sammy und Kevin Durand („The Attack“) als simpler Fleischberg Peter. Richtig stark kommt zudem Alisha Weir als Abigail daher.
Ihrem Charakter verdankt der Film zahllose weirde Momente. Und alleine die Tatsache, dass hier viel Gewalt von der kindlichen Abigail ausgeht und sie umgekehrt auch verdammt viel einstecken muss, verpasst der ohnehin derben Filmgewalt einige zusätzliche brutale Spitzen. Dabei reicht die Palette von Enthauptungen bis hin zu zerplatzenden Körperteilen und explodierenden Körpern. Mit zunehmender Laufzeit nimmt der Aderlass wahrlich epische Ausmaße an. Interessant ist, dass Abigail eine Ballerina ist und sie diverse Ballett-Bewegungsabläufe in ihre Angriffe integriert und die „Action“ so wahrhaft tänzerisch gerät – auch weil dazu nur zu gerne die Musik des Balletts Schwanensee ertönt.
Zwei weitere Namen der Darstellercrew müssen unbedingt noch erwähnt werden. Der eine gehört Angus Cloud („Euphoria“). Der liefert eine seltsam abseitige Performance ab, die sich einfach nur cringe anfühlt, aber zu seinem ohnehin seltsamen Charakter gut passt. „Abigail“ ist dem Mimen gewidmet, der die Premiere seines Filmes aufgrund einer versehentlichen Überdosis nicht mehr erlebte. Ruhe in Frieden.
Die zweite Personalie, die es zu erwähnen gilt, ist Melissa Barrera als Joey. Mir ist nicht bekannt, was die Regisseure Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett an ihrer „Scream V und VI“ Darstellerin für einen Narren gefressen haben, aber mir verschließt sich diese Faszination total. Frau Barrera kommt in keiner einzigen Szene gegen ihre Co-Stars an. Rundweg klatschen diese sie an die Wand. Und als Zuschauer sitzt man auch teils ratlos vor dem Screen und fragt sich, was sie da wohl gerade für eine Gefühlslage transportieren will. Leider hat sie auch noch die Hauptrolle abbekommen.
Sobald Frau Barrera auftaucht hat man also Zeit, sich auf andere Sachen zu konzentrieren. So ist das Setting von „Abigail“ echt klasse. Ein altes, herrschaftliches Anwesen, das in seinem Inneren mit Details nur so wuchert. Die Regisseure setzen in dem Gemäuer auf warme Brauntöne, was dem Haus einen vollends entrückten Touch verleiht. Zudem wird das Setting umfangreich bespielt und auch mal für kleinere Jump-Scares genutzt. Brian Tyler liefert dazu einen passigen Score. Der Soundtrack mit seinen zahlreichen R’n’B-Songs war abgesehen vom Abspannsong hingegen gar nicht mein Fall.
Und was ist nun der Clou von „Abigail“? Keine Panik, das verrate ICH nicht. Allerdings verrate ich, dass rund um diesen Clou freilich ein bestimmtes Subgenre des Horrors aufgespannt wird. Dessen Regeln und Klischees werden in der Folge mal souverän bedient und mal gewitzt gebrochen. Sprich: „Abigail“ nimmt sich auch Freiheiten und sorgt so für ein paar frische Subgenre-Untertöne.
„Abigail“ bietet unterhaltsame Horrorkost
Wenn Dan Stevens sich richtig eingegroovt hat und parallel die Story von „Abigail“ richtig durchgestartet ist, kann man sich in seinen Sessel zurücklehnen und genießen. Entsprechend ist die zweite Hälfte des Horrorfilmes ein klasse Selbstläufer. „Abigail“ ist ungefähr ab Minute 60 ein grotesk blutiger, wundervoll enthemmter Horrorspaß, der in allen Belangen stetig zulegt, blendend unterhält, einige Lacher aufzubieten hat und sich trotzdem einen gewissen Ernst bewahrt und niemals komplett in Richtung Lachnummer abhebt.
Dem steht eine etwas zähe Exposition gegenüber, die manchem Trailerfan sogar noch zäher vorkommen könnte, weil der schon weiß, wo der Horrorspaß hin will – sich dafür aber ziemlich viel Zeit lässt. Dazu gesellt sich mit Frau Barrera eine zu unbedarfte Schauspielerin, die vor allem die taffen Seiten ihrer Figur so gar nicht transportiert bekommt und da schon arg unfreiwillig komisch rüberkommt. Und trotz dieser Problemherde geht man alleine aufgrund der grandiosen zweiten Filmhälfte einfach nur mit einem fetten Grinsen aus dem Film. Ist doch auch was!
Der Horrorfilm ist seit dem 18. April 2024 in den deutschen Kinos zu sehen. Er kommt von Universal Studios und hat eine in Teilen gnädige FSK 16 Freigabe abbekommen.
In diesem Sinne:
freeman
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Universal Studios__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, aktuell im Kino |