„Chuck Norris liest keine Bücher. Er starrt sie nur solange an, bis sie ihm sagen, was er wissen will!“
Trotz dieser Gabe kann selbst Chuck Norris nicht verhindern, dass über ihn Bücher geschrieben werden. Ein besonders Gelungenes setzt die „Action-Stars“-Reihe des MPW-Verlages fort, die sich nach Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger nun einer weiteren Ikone des harten Actionfilmes der 80er und 90er Jahre widmet. Und das macht Autor Tobias Hohmann ausführlichst und mit aller Bildgewalt.
Chuck Norris’ Karriere als Martial Artist und Actionstar
Ein Vorwort des „Undisputed 2 und 3“ Regisseurs Isaac Florentine eröffnet den Prachtband und hebt Norris’ Wichtigkeit bei der Etablierung der Martial Arts in den USA deutlich hervor. Danach widmet sich Autor Hohmann der Kindheit des Actionstars, die sich als sehr schwierig erweist. Wir erfahren etwas über die Abstammung von Chuck Norris, seinen aggressiven Vater und den jugendlichen Norris selbst, der häufig krank ist, gerne schikaniert wird und als schüchterner Einzelgänger gilt. Mit 17 geht Norris zur Army, wo sich sein Leben grundlegend zu verändern beginnt. Versetzt nach Korea beginnt er sich aus Langweile mit den landestypischen Kampfsportarten zu beschäftigen. Er bemerkt, dass die Ausübung dieser Sportarten ihn selbstsicherer macht und er beginnt, sowohl an sich als auch an seinen Fähigkeiten zu feilen. Die Folge ist eine beispiellose Karriere als Kampfsportler, in deren Verlauf er diverse Turniere gewinnt und eine ganze Kette an Dojos eröffnet.
Erste Filmluft schnuppert Chuck Norris, als ihn sein späterer Freund Bruce Lee engagiert, um ihn in seiner Funktion als Fightchoreograph am Set von „Rollkommando“ (1968) zu unterstützen. 1972 spielt er dann in Bruce Lees „Die Todeskralle schlägt wieder zu“, hat aber noch immer keine ernsthaften Ambitionen ins Filmgeschäft einzusteigen. Erst als seine Kampfsport-Schulen bankrott gehen und Norris einen Weg sucht, sich finanziell wieder zu berappeln, steigt er ins Filmgeschäft ein. Die Folge sind Rollen in kleinen B-C Streifen ala „Der Boss von San Francisco“ (1974) oder „Breaker, Breaker“ (1977). Und es funktioniert. Die Leute sind heiß auf Kampfsportler in Filmen und Norris’ Filmkarriere kommt mehr und mehr ins Rollen. Nach dem Film „Der Gigant“ (1981) gelingt ihm der Sprung ins Studiosystem, unterschreibt er doch einen Vertrag mit Columbia/MGM. Diesen Vertrag beendet er zwar vorzeitig, doch der 1983 erschienene „McQuade“ sorgt dafür, dass Norris unter den Angeboten der Studios wählen kann. Und er entscheidet sich – nach Meinung vieler Experten – leider für Cannon.
Hier dreht er von 1984 – 1991 seine bekanntesten Filmvehikel, erwirbt sich damit aber auch ein ziemlich mieses Image unter den Kritikern. Zum Bedauern für Cannon gelingt es auch nie, Norris als echt zugkräftiges Pferd im Stall zu etablieren. Seine Filme machen zwar Gewinn, können aber nicht annähernd mit den Erfolgen eines Sylvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger mithalten. Ganz im Gegenteil, Filme wie „Missing in Action 1, 2, 3“, „Delta Force 1 & 2“, „Invasion USA“, „Hero“ oder „Die Feuerwalze“ knacken, addiert man ihre US-Einspielergebnisse, mit Ach und Krach die 100 Millionen Dollar Grenze! Und mit „Cusack – Der Schweigsame“ entsteht 1985 der von den Kritikern am meisten beachtete Streifen ausgerechnet außerhalb des Cannon-Vertrages!
Cannon beginnt Norris zu verschleißen und die Filmprojekte, in denen Norris für sie arbeitet, bescheren ihm einen eindeutigen Ruf, der, zum Erstaunen vieler, tatsächlich seine eigenen Ansichten von der Welt ziemlich gut trifft. Gerade die erzpatriotischen Anwandlungen des Stars arbeitet das Buch auch heraus und versucht, ein wenig zu hinterfragen bzw. zu erklären, woher diese Einstellung kommt. Genauso wird aufgearbeitet, dass frühe Versuche des Imagewandels von Norris („Hero“, „Die Feuerwalze“) nicht funktioniert haben und er verdammt schnell in seinem Rollen-Schema gefangen war. Die Folge: Mit den anrollenden Veränderungen im Actiongenre in Richtung mehr Ironie und vor allem noch mehr Eskapismus konnten die Norris-Produktionen nicht mehr Schritt halten.
Er versuchte daher einen etwas anderen Weg zu gehen. Mehr in Richtung Familienentertainment. Filme wie „Sidekicks“, „Top Dog“ oder „Forrest Warrior“ waren die Folge. Privat begann er sich ebenfalls für Jugendliche zu engagieren und entwickelte das Projekt: „Kick Drugs out of America“, dessen Erfolg ihn zum besten Freund von Hardliner George Bush Senior machte und Norris Wahrnehmung nach außen noch etwas mehr nach rechts außen rückte. Doch Norris bemerkte selbst, dass seine Zeit abgelaufen war. Da entdeckte er das Fernsehen für sich und legte mit „Walker, Texas Ranger“ einen 9 Staffeln währenden Quoten Hit vor. Im Umfeld der Hitserie war er noch in diversen TV-Filmen wie „Enter the Hitman“ zu sehen, doch seine Filmkarriere war längst vorbei…
Ein prachtvoll bebildertes Buch über Actionstar Chuck Norris
Hohmann zeichnet diese wichtigen Stufen in Norris Karriere mit Akribie und voller interessanter Hintergrundinformationen nach. Dabei lässt er auch immer wieder Wegbegleiter von Norris zu Wort kommen oder stellt sie in kurzen Portraits eingehender vor. Das Highlight stellt dahingehend das Interview mit Menahem Golan und das Portrait der Cannon-Studios dar. Beides gerät hochinteressant, man spürt aber auch, dass hier nur angerissen werden kann und man definitiv mal über ein eigenständiges Buch über Cannon nachdenken sollte.
Und wo wir gerade bei der Kritik sind: Das ansonsten famos aufgemachte und wirklich hervorragend bebilderte Buch geht bei der Darstellung der „Missing in Action“ Streifen einen sehr seltsamen, sehr verwirrenden Weg. Chronologisch korrekt schreibt Hohmann zunächst über „Missing in Action 2“, der ja eigentlich immer als Beginn der Reihe geplant war. Doch man zog den back to back gedrehten „Missing in Action 1“ aufgrund seiner Nähe zu dem damaligen Top-Hit „Rambo 2“ vor und brachte ihn zuerst ins Kino. Das Problem ist nun, dass Hohmann zwar mit Informationen zu „MIA 2“ glänzt, diese Seiten aber durchgehend mit Bildern aus „MIA 1“ untermalt werden. Und wenn Hohmann dann die Informationen zu „MIA 1“ abfeuert, untermalt er diese mit den Bildern zu „MIA 2“. Die Folge ist ein seltsames Kuddelmuddel, das durch die stimmigen Bildunterschriften dann jeweils noch verstärkt wird: Etwa wenn im Abschnitt zu „Missing in Action 1“ der Endkampf mit Soon-Tek Oh als Lagerkommandanten aus „Teil 2“ in aller Ausführlichkeit bebildert und beschrieben wird, im Fließtext aber umfassend auf die Darsteller aus „Teil 1“ eingegangen wird, wo Soon-Tek Oh freilich gar keine Rolle spielt.
Abgesehen von dieser etwas eigenartigen Aufmachung kann man „Action-Stars Band 3: Chuck Norris“ keine Vorwürfe machen! Das Buch entpuppt sich als Füllhorn an Informationen zur Karriere eines aufrechten Amerikaners, der selbst gerne zugibt, dass seine Filmfigur Walker ihm selbst wohl so nahe kam, wie kaum eine Figur zuvor. Durch die starke Konzentration auf das Filmwerk von Norris tritt die Person Chuck Norris selbst zwar zunehmend in den Hintergrund, doch der Autor bemüht sich immer wieder, Norris’ Filme oder deren Dreharbeiten in Bezug zum privaten Leben des Stars zu setzen und mit kleinen Nebeninformationen auch Norris selbst nicht aus den Augen zu verlieren. Man erfährt von unrühmlichen Affären, herben persönlichen Niederlagen und Fehlentscheidungen ebenso wie von Glücksmomenten und Triumphen. Auch auf seinen späten Hit „The Expendables 2“ wird in aller Ausführlichkeit eingegangen und den Chuck Norris Facts und deren Hintergründen wird natürlich ebenfalls nachgespürt.
Im Endeffekt fehlen eigentlich nur Norris eigenwillige TV-Shopping-Auftritte, die leider keine Erwähnung finden. Interessant sind auch all die Hinweise, wer aus dem umtriebigen Norris Clan den „Superstar“ Norris bei welchem Film unterstützte. Gerade über Chuck Norris’ Bruder Aaron erfährt man so einiges. Das Genialste an „Action-Stars Band 3: Chuck Norris“ ist aber die unfassbar reiche Bebilderung, bei der Pressebilder der größten Hits ebenso zum Einsatz kommen wie seltene internationale Artworks und noch seltenere bildhafte Einblicke in das Leben des Stars. Schade ist nur, dass die letzten Werke von Norris nicht mehr so ausführlich abgehandelt und Produktionen wie „The President’s Man“ kaum bebildert werden, was aber auch und vor allem damit zu tun haben wird, dass man für diese Filme kaum Material auftreiben kann. Wer sich also schon immer mal mit dem Leben und Werk von Chuck Norris auseinandersetzen wollte und den nicht immer ganz einfachen Menschen hinter den omnipräsenten Chuck Norris Facts kennenlernen möchte, kommt um dieses Buch schlicht und ergreifend nicht herum!
Die Fakten über „Action-Stars Band 3: Chuck Norris“
Action-Stars Band 3: Chuck Norris
Tobias Hohmann
Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: Mpw (Mai 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3942621205
In diesem Sinne:
freeman