Originaltitel: Alita: Battle Angel__Herstellungsland: Argentinien, Kanada, USA__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Robert Rodriguez__Produktion: James Cameron, Jon Landau__Darsteller: Rosa Salazar, Christoph Waltz, Jennifer Connelly, Mahershala Ali, Ed Skrein, Jackie Earle Haley, Keean Johnson, Michelle Rodriguez, Lana Condor, Eiza González, Casper Van Dien, Jeff Fahey, Edward Norton, Jai Courtney u.a. |
1991 erblickte der Manga „Battle Angel Alita“ das Licht der Welt und zog über die Jahre einige Fortsetzungsbände nach sich. Dass Yukito Kishiro, dem Autor des Mangas mit dem Originaltitel „Gunnm“, etwas Großartiges gelungen war, fiel nicht nur den begeisterten Lesern auf. Auch Guillermo del Toro war von dem Stoff sofort angetan. Er sicherte sich schnell die Filmrechte, reichte diese jedoch sofort weiter an James Cameron.
Der erklärte 2003, dass er einen „Battle Angel Alita“-Film plane. Wie besessen sammelte er in der Folgezeit Material, um seiner filmischen Vision von dem Manga glaubwürdiges Leben einzuhauchen. 1000 Seiten an Skizzen und Notizen seien infolgedessen entstanden. Doch dann kam Cameron „Avatar“ dazwischen. Als dieser zum erfolgreichsten Film aller Zeiten mutierte, war klar, dass Cameron Fortsetzungen würde inszenieren müssen. Damit war auch klar: Er würde keine Zeit für „Battle Angel Alita“ haben. Trotzdem verkündete er 2009, ein Drehbuch fertig zu haben.
Dieses ließ er seinem Freund Robert Rodriguez zukommen. Der Regisseur von „Sin City“ arbeitete sich in die fast schon wahnhafte Vorarbeit Camerons ein und füllte in Rekordzeit so manche Lücke in Camerons Skript. Dieser Enthusiasmus begeisterte James Cameron und er beschloss, Robert Rodriguez unter seiner Aufsicht als Produzent die Regie an „seinem“ Film zu überlassen. 2015 begannen die Dreharbeiten. 2018 war der Film unter dem neuen Titel „Alita: Battle Angel“ abgeschlossen. Heuer kommt er nach Jahrzehnten der Anberaumung endlich ins Kino.
Darum geht es in “Alita: Battle Angel”
In einer weit entfernten Zukunft ist die Welt, wie wir sie kennen, weitgehend zerstört. An zwei Orten ist noch menschliches Leben möglich: In Iron City und in Zalem. Zalem schwebt über Iron City, beutet deren Einwohner nach Strich und Faden aus und lässt sie wortwörtlich im eigenen Dreck ersticken. Den kippt man nämlich einfach auf Iron City drauf.
Regelmäßig wühlt der „Arzt“ Dr. Dyson Ido in den Müllbergen aus Zalem. Immer auf der Suche nach mechanischen Ersatzteilen für seine Patienten. In Iron City leben nämlich kaum noch echte Menschen. Fast alle wurden mit mechanischen Bauteilen gepimpt. Sei es, um deren Körperfunktionen gezielt zu verbessern, oder weil schlichtweg keine Ersatzorgane aufzutreiben waren.
Eines Tages entdeckt er in einem der Müllberge den Oberkörper eines weiblichen Cyborgs. Dessen Technologie ist so alt, dass er mindestens 300 Jahre auf dem nicht vorhandenen „Buckel“ haben muss. Hinzu kommt, dass der Kern des Cyborgs ein menschliches Gehirn ist. Natürlich nimmt der Doktor das seltene Fundstück mit nach Hause und koppelt es an einen maschinellen Körper. Den so entstehenden neuen Cyborg tauft er Alita.
Alita, die alle Erinnerungen an ihr früheres Leben verloren hat, entdeckt Iron City und die Welt um sich herum mit großen Augen neu. Mehr noch: Alita entdeckt unfassbare Kampfsportfähigkeiten an sich. Alita verliebt sich. Sie begehrt im Zuge dessen gegen ihren „Vater“ auf. Und sie sucht nach ihrer Bestimmung und ihrer Vergangenheit. Dabei muss sie sich ständig ihrer Haut erwehren. Denn Nova, ein finsterer Wissenschaftler aus Zalem, hat es auf Alita abgesehen und schickt ihr mit Grewishka seinen gefährlichsten Cyborg auf den Hals. Als wäre all das nicht stressig genug, entdeckt Alita finstere Geheimnisse ihres „Vaters“ Dyson Ido und versucht, für sich und ihren Freund Hugo in dem martialischen Sport „Motorball“ ein Ticket in die schwebende Stadt Zalem zu lösen.
Genießt hier den Trailer von “Alita: Battle Angel”
httpv://www.youtube.com/watch?v=T9nN8kD-MAQ
Robert Rodriguez („Machete“) lässt sich zu Beginn viel Zeit, den Zuschauer in seine Welt einzuführen. An der Seite von Alita taucht der ein in eine beeindruckend designte, weitläufige Steampunk-Welt im Endzeit-Look, die vor Details und Leben schier zu bersten droht. Gleichzeitig baut der Zuschauer eine extrem enge Bindung zu Hauptfigur Alita auf. Deren offene Art, die neue Welt um sie herum zu entdecken, begeistert. Man will mehr über Alita wissen. Man will mit ihr mehr von der fremdartigen Welt um sie herum erfahren.
Im Grunde müsste Rodriguez in dieser Phase des Filmes gar nicht viel erzählen. Man wird förmlich von Iron City aufgesogen und von Alita vereinnahmt. Und obschon man irgendwann auch denkt, dass der Film recht handlungsarm wirkt, ist er es gar nicht. Rodriguez erzählt von einer liebevollen Vater-Tochter-Beziehung. Vom Coming of Age der Hauptfigur, die mehr und mehr zu einer selbstbewussten, starken Frau heranreift. Von einer Liebe zwischen einem Cyborg und einem Teenager, der sein Geld damit verdient, Cyborgs zu verstümmeln. Es geht um brutale Kopfgeldjäger-Konflikte und irgendwo ist da auch noch ein Sportfilm versteckt.
Doch „Alita: Battle Angel“ wirkt zu Beginn nicht vollgestopft oder überladen, weil Rodriguez einem James Cameron gleich unkompliziert erzählt. Doch es gibt auch kleinere Misstöne. So kommt Alita immer wieder erstaunlich schnell mit den verschiedensten Situationen problemlos zurecht. Die Figur mit Totalamnesie ist immer mal wieder einen Zacken zu souverän. Das wirft hier und da kurz aus der Handlung heraus. Zudem merkt man früh, dass Rodriguez hier kaum mehr als eine Exposition anleiert. Immer wieder lässt er Hintergrundinformationen anklingen, führt sie aber nie aus.
Wie kam es zu dem Untergang der Welt? Was ist Panzerkunst und woher stammt die Kampfsportart? Wie konnte es passieren, dass sich Zalem und Iron City so voneinander abspalteten? Wie lebt man in Zalem? Warum intrigiert Nova gegen Alita? Viele Fragen, die Rodriguez auch nicht beantwortet, wenn er zum Ende hin plötzlich extrem kurzatmig wird. Auf einmal stopft er fast zu viel in seinen Film. Als würde ihm plötzlich die Zeit ausgehen. Als habe er zu Beginn ein wenig zu viel Zeit auf Iron City und Co. verwendet.
Doch diese Schwäche, die zeitgleich mit einer steil ansteigenden Spannungs- und Adrenalinkurve verbunden ist, zeigt auch die größte Stärke des Filmes: Denn wenn der Film gefühlt auf die Zielgerade einbiegt, ist man als Zuschauer noch gar nicht bereit, die Welt von Alita bereits zu verlassen. Plötzlich merkt man, wie krass man in dem Film drin ist.
Dabei lanciert Robert Rodriguez selbst immer wieder Momente, bei denen er einen fast schon provokativ aus dem Film zu werfen versucht. So ist es im Nachhinein schon eine mutige Entscheidung, bei Alita die großen Manga-Augen beizubehalten. Immer wieder wird ausgerechnet die Hauptfigur so ins Uncanny Valley geschickt. Wirkt unreal. Und schafft es zugleich mit ebenjenen riesengroßen Augen den Zuschauer immer wieder gefangen zu nehmen. Das feinfühlige Spiel von Rosa Salazar („Submerged“), die via Motion Capturing ihr Schauspiel auf die Kunstfigur überträgt, verleiht der Figur Herz und Seele. Macht sie greifbar und angenehm menschlich. Im Grunde ja ein Widerspruch in sich.
Und ein riesengroßer Verdienst der Tricktechnik hinter „Alita: Battle Angel“. Ebenso ein Triumph der Tricktechnik sind die Gestalten, mit denen Alita immer wieder aneinandergerät. Vor allem die Kopfgeldjäger sind in ihren abgefahrenen Designs und perfekten Verschmelzungen menschlicher und mechanischer Bauteile ein einziger Augenschmaus.
Und sie sind so gut wie immer für die starken, enorm druckvollen Actionszenen verantwortlich. Zwar schafft es „Alita: Battle Angel“ nicht, irgendwie innovative Momente zu kreieren, mitreißend und wuchtig umgesetzt sind die Actionszenen aber allemal. Eine großartig aufgebaute Barprügelei, die Motorball-Szenen und diverse Konfrontationen Alitas mit den Kopfgeldjägern krachen angenehm und haben auch ein paar derbere Effekte im Handgepäck, die, wären die Figuren auch nur ansatzweise menschlicher gewesen, dem Film eine FSK 12 Freigabe mühelos versaut hätten.
Als wesentlicher Kritikpunkt in Sachen Action muss angemerkt werden, dass gerade die Motorball-Einlagen durchweg zu künstlich rüberkommen und zu offensichtlich komplett aus den Rechenknechten diverser Trickstudios stammen.
Was des Weiteren gerade in der Action auffällt, ist, dass dem Film ein echter Bösewicht fehlt. Nova beispielsweise bleibt zu geisterhaft, um zu zünden. Der von Mahershala Ali („Free State of Jones“) gegebene Vector ist zwar irre cool, aber null bedrohlich. Und Ed Skrein („Deadpool“) macht zwar Laune als fieser Kopfgeldjäger, ist aber bald auch nur noch einer unter vielen. Dann wären da noch Grewishka und dessen Kumpane. Und und und. So verteilt sich das Bedrohungspotential gefühlt auf zu viele Schultern und erreicht den Zuschauer nie so wirklich. Sorgt auch nicht für zusätzliche Spannung.
Was gefällt, ist, dass Robert Rodriguez seine B-Wurzeln nicht vergisst. In der Folge bekommt man hier neben dem stark aufspielenden, mit einem Dampfhammer kämpfenden Christoph Waltz („Spectre“) und der verschenkten, obschon angenehm ambivalent rüberkommenden Jennifer Connelly („Spider-Man: Homecoming“) auch Darsteller wie Marko Zaror („Savage Dog“), Jeff Fahey („Operation Rogue“) oder Casper Van Dien („Thrill Seekers“) geboten. Andere größere Namen wie Jai Courtney („Terminator: Genisys“), Michelle Rodriguez („Fast & Furious 8“) und Edward Norton (letzterer gar ohne Abspann-Credit) haben derweil so kurze Szenen, dass auch hier direkt klar wird, dass Rodriguez tatsächlich den von Cameron vorgesehen Ansatz fährt, nur die ersten zwei Bände der Manga-Vorlage zu verarbeiten und darauf zu bauen, irgendwann weiter erzählen zu dürfen.
Es darf gerne weitergehen mit “Alita: Battle Angel”
Genau diese Vermutung bestätigt sich dann auch am Ende. Rodriguez bringt einige angerissene Storyfäden zu einem Ende, hat aber mindestens genauso viele Fragen unbeantwortet gelassen. Darum mutet eine Fortsetzung in der Folge fast schon wie eine Pflicht an. Das dürfte all jene enttäuschen, die sich von „Alita: Battle Angel“ ein geschlossenes, komplettes Filmerlebnis wünschen. Doch meiner Meinung nach dürfte eine Fortsetzung nur zu gerne kommen.
Denn „Alita: Battle Angel“ schafft es trotz erzählerischer Schwächen gegen Ende vor allem aufgrund seiner grandiosen Hauptfigur perfekt, den Zuschauer in seine Geschichte von der Genesis einer Heldin zu involvieren. Diese ist ein Wunderwerk moderner Technik, die von dem Drehbuch und der großartigen Rosa Salazar ganz viel Herz und Seele eingehaucht bekommen hat, wodurch der Film nie zur stumpfen Rechenpower-Leistungsschau im Sinne manch anderer aktueller Blockbuster wird.
Was am Ende bleibt, ist Blockbuster-Kino im besten Sinne. Unterhaltsam, spannend, witzig, gut gespielt, tempomäßig gut getaktet, weitgehend schlüssig erzählt und in Sachen Schauwerten mit vielen Bildern zum Nichtsattsehenkönnen gesegnet.
In diesem Sinne:
freeman
…
Schon einige Jahre nach „Titanic“ wurde angekündigt, dass James Cameron als nächstes eine Umsetzung des Manga-Klassikers „Battle Angel Alita“ für die Großleinwand plane. Bis das Ergebnis dann tatsächlich die Kinos erreichte, dauerte es fast 20 Jahre (bereits im Jahr 2000 sicherten sich Cameron und 20th Century Fox die Webdomain battleanglealita.com), Cameron war wegen anderer Projekte als Regisseur heraus und übergab stattdessen an seinen Kollegen Robert Rodriguez („Faculty – Trau keinem Lehrer“).
Als Drehbuchautor und Produzent ist Cameron dem Film allerdings treu geblieben und drückt „Alita: Battle Angel“, wie das Ergebnis nun heißt, seinen Stempel auf, gerade in Sachen Weltenerschaffung. Dabei ist die Prämisse des Films keine besonders neue: Mal wieder hat ein großer Krieg in der fernen Zukunft die Erde verwüstet, weshalb die Bevölkerung sich in einer einzigen, überfüllten Stadt rudelt. Eigentlich zwei: Unten Iron City für das verarmte Fußvolk, darüber schwebend und streng bewacht Zalem für die Wohlhabenden. Normale Menschen gibt es auch noch, aber viele haben sich durch maschinelle Ersatzteile pimpen lassen oder laufen direkt als Cyborgs durch die Gegend. Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz) repariert Cyborgs und sucht auf den Schrottplätzen um Iron City nach Ersatzteilen, wo er die Reste eines weiblichen Cyborgs findet. Das hat alles in Sachen Story und Gestaltung der Welt einige Vorbilder, gerade die Idee der gleichzeitig hochtechnologisierten und verarmten Riesenstadt gab es in den letzten Jahren in Werken wie „Elysium“, „Divergent“ und „Ready Player One“ immer wieder zu sehen, von Klassikern wie „Blade Runner“ ganz zu schweigen.
Ido gibt dem Cyborg-Kern einen neuen Körper, ein Heim und einen Namen: Alita (Rosa Salazar). Diese leidet unter Amnesie und muss deshalb praktischerweise zusammen mit dem Zuschauer in die Regeln dieser Zukunftswelt eingeführt werden. Eine Reise nach Zalem ist unmöglich, die Bewohner von Iron City schlagen sich oft als Gangster, Kopfgeldjäger oder Motorball-Spieler durch. Letzteres heißt nicht nur so ähnlich wie Rollerball aus dem gleichnamigen Film, sondern ist auch ein ähnlich derber Sport zur Volksbelustigung, bei dem zwar ein Ball ins Ziel gebracht werden muss, sich die Kontrahenten vor allem aber während des Rennens gegenseitig zerlegen. Als potentielles Love Interest für Alita steht auch gleich der verwegene Jungmann Hugo (Keean Johnson) parat, der cool mit Lederjacke auf einem Einrad-Motorbike durch die Gegend schraddelt und Dr. Ido öfter Ersatzteile besorgt.
Während sich Alita eingewöhnt und ihren Wurzeln nachspürt, geht ein Killer um, der Jagd auf Cyborgfrauen macht. Außerdem scheinen sich zwielichtige Subjekte für sie zu interessieren – und von denen gibt es in Iron City so einige…
„Alita: Battle Angel“ ist gewissermaßen ein perfektes Beispiel für ein Problem des modernen Blockbusterkinos, nämlich jeden Film gleich als Franchise-Starter mit Anknüpfungspunkten für ein bis drölfzig Sequels hinzustellen. Das ist nicht verwerflich, aber andere Filme haben das besser hinbekommen. Man denke an „Matrix“, der bei einem Misserfolg auch als Einzelfilm mit einer Episode aus dem Krieg zwischen Menschen und Maschinen hätte stehen bleiben können. „Alita: Battle Angel“ hingegen fühlt sich unfertig an, wenn am Ende nur einzelne Handlanger besiegt sind, die Heldin erst gerade ihre Herkunft erfahren hat und sich eine lebensbestimmende Mission andeutet. Vielleicht ist es aber auch weniger das Ende an sich, sondern der Film, der dorthin führt, der dieses Gefühl verstärkt: Rodriguez‘ Werk wie eine lange Exposition, aus der sich bei allen Plotsträngen erst nach und nach eine Geschichte und ein Ziel herausschälen – und das, obwohl fast jeder Plotstrang miteinander verbunden ist. Doch Einzelaspekte, etwa die Motorball-Turniere und der dort zu erringende Hauptgewinn des Zalem-Zutritts, scheinen in erster Linie Vorarbeit für potentielle Sequels zu sein und an diesen Stellen riecht „Alita: Battle Angel“ schon nach faulem Zauber.
Aus dieser Faserigkeit ergibt sich ein zweites großes Problem: Es gibt keinen vernünftigen Schurken. Nova schwebt über allem, bleibt aber eine geisterhafte Präsenz, die wohl erst in geplanten Sequels richtig zum Zuge kommen soll und daher nur ganz kurz in Person zu sehen ist. Kingpin und Motorball-Veranstalter Vector (Mahershala Ali) ist unterschiedlich stark präsent in verschiedenen Phasen des Films, bei seiner Gespielin, Idos Ex-Frau Chiren (Jennifer Connelly), ist man sich nicht sicher, ob sie nun böse ist oder nur fehlgeleitet. Cyborg-Schläger Grewishka (Jackie Earle Haley) bleibt ein Mann fürs Grobe, Zapan (Ed Skrein) ein geckenhafter Kopfgeldjäger-Rivale, des Rest des Feldes sind Handlanger, die man klar als solche erkennt. Aber immerhin cool designte Handlanger, denn die Vorzüge von „Alita: Battle Angel“ sind klar optischer Natur, vor allem in Sachen Charakterdesign: Die Cyborgs als Mensch-Maschinen-Vermischung, mal mehr zum einen, mal mehr zum anderen hinneigend. Da gibt es Kampf-und-Renn-Maschinen, die nur ein menschliches Gesicht von einem Roboter trennt, auf der einen Seite, da gibt es weitestgehend humanoide Figuren wie Alita auf der anderen. Dass Rodriguez und Cameron sich mit ihrem Design dem Mangastil annähern und ihr entsprechend große Augen verpassen, ist ein Wagnis, aber eines, das sich auszahlt: In Rekordzeit ist man in dem Film drin und nimmt die Augen als gegeben wahr, als Teil einer neuen Ästhetik.
In Sachen Ästhetik punkten auch die Actionszenen, die natürlich reichlich CGI-gepimpt sind, aber oft auf Motion Capturing beruhen. Will heißen: Da springen tatsächlich Kampfkünstler und Stuntleute durch die Gegend, auch wenn ihre Bewegung auf computergenerierte Figuren übertragen wird. Aber das tut der physikalischen Glaubwürdigkeit der Fights gut, lässt sie wesentlich plastischer und druckvoller wirken. Die paar Szenen, in denen man auf diese Bodenhaftung verzichtet, fallen dann auch negativ auf. Ebenso stark sind die Motorballspiele, in denen reichlich Spezialwaffen und -fähigkeiten zum Zuge kommen, auch wenn der Film sich hier noch zurückhält – man spart sich auch hier wohl noch einiges für ein angedachtes Sequel auf.
Ähnlich sieht es bei den Darstellern aus, von denen der eine oder andere vielleicht erst später zum Zug kommen wird. Oder Rodriguez und Cameron konnten einfach wegen der Zugkraft des Projekts manchen Bit-Part mit einem bekannten Namen oder Gesicht besetzen, darunter einige Weggefährten Rodriguez. Also sind Jeff Fahey („Parker Kane“), Rick Yune („The 5th Commandment“) und Marko Zaror („Machete Kills“) in Einzelszenen als Kopfgeldjäger zu sehen, Casper van Dien („Showdown in Manila“) und Michelle Rodriguez („Widows“) in Rückblenden, welche die Vergangenheit von Alita oder Ido ausgestalten, Edward Norton („Moonrise Kingdom“) ultrakurz als Nova und Jai Courtney („Jack Reacher“) als Motorballchampion. Rosa Salazar („Maze Runner – Die Auserwählten in der Todeszone“) dagegen hat reichlich zu tun und meistert die Motion-Capturing-Hauptrolle mit Bravour. Christoph Waltz („Die drei Musketiere“) als Schauspielschwergewicht veredelt den Film, ganz CGI-unverdeckt, und hat die vielschichtigste Rolle abbekommen: Sein Dr. Ido ist ein stets freundlicher Mann, der hinter seiner sanften Fassade jedoch genug Schmerz und Abgründe verbirgt, die der Film erst nach und nach zu Tage fördert. Mit Jennifer Connelly („Blood Diamond“) und Mahershala Ali („The Place Beyond the Pines“) stehen zwei charismatische Gegenspieler zur Verfügung, die das Beste aus ihren vom Drehbuch etwas unterentwickelten Rollen machen, während Ed Skrein („In Darkness“) und Jackie Earle Haley („Der dunkle Turm“) dagegen wenig aus ihren Parts machen können, bei denen sie als Gesichter für wesentliche eindrucksvollere CGI-Körper dienen. Die einzige darstellerische Schwachstelle ist Keean Johnson („Low Tide“) als Alitas Love Interest: Eine eh schon blasse Rolle, die von dem ausdrucksarmen Johnson nicht aufgewertet wird, eher im Gegenteil.
So strauchelt der Film auch dann, wenn er Hugo ein paar dunklere Seiten andichten will, die aber kaum funktionieren, da dieser eine ziemliche Flachzange ist, deren Bedrohlichkeit sich in Grenzen hält, zumal er sich oft himmelschreiend naiv und doof verhält – gerade eingedenk der Tatsache, dass er sich schon jahrelange in Iron City durchschlägt. Wesentlich interessanter ist da die Erforschung von Idos dunklen Seiten und Geheimnissen, bei welcher dem Film eine wesentlich größere Ambivalenz gelingt. Gleiches gilt für Chiren: Die mag die Schurken unterstützen, erscheint aber auch immer wieder als Getriebene der Umstände, weshalb man sie nicht eindeutig veroten kann. Solche Momente peppen das sonst nach bekannten Mustern funktionierende Gute-geknechtete-Lebenskünstler-gegen-mächtige-Dunkelmänner-Spektakel auf, das ganz bewusst nicht auf den ironischen Duktus heutiger Blockbuster setzt. Eine Szene unterläuft auf amüsante Weise eine pathetische Ansprache Alitas, hin und wieder gibt es ein paar nette Oneliner, aber Rodriguez und Cameron erzählen „Alita: Battle Angel“ als Spektakel, das dem Ernst seiner Geschichte vertraut, auch mal Mut zur Naivität hat: Das ist durchaus mal eine Abwechslung inmitten der augenzwinkernden Kinolandschaft, in der Dauerironie manche Fallhöhe abschwächt.
Insofern muss man „Alita: Battle Angel” seinen Stilwillen lassen: Mit einer atemberaubenden Ästhetik und einem famosen Design zaubern Robert Rodriguez und James Cameron als treibende Kräfte einen Blockbuster auf die Leinwand, der Mut beweist, trotz hohem CGI-Einsatz noch auf eine körperliche Dimension in den Actionszenen achtet und fast durchweg stark besetzt ist. Würde das Duo noch mehr auf Singularität achten, wäre „Alita: Battle Angel“ allerdings noch besser: So wirkt der Film nur wie ein Auftakt, der manchen Plotstrang in der Luft hängen lässt und keinen richtigen Schurken etabliert, da es zu viele davon gibt. Das verprellt in seinem offensichtlichen Schielen auf Sequels, die es bei Misserfolg leider nicht geben wird. Das wäre nicht nur angesichts der ästhetischen Möglichkeiten schade, sondern auch weil es erzählerisch noch Luft nach oben gibt.
© Nils Bothmann (McClane)
„Alita: Battle Angel“ ist ab dem 14. Februar 2019 in den deutschen Kinos zu sehen. Der Film kommt von Twentieth Century Fox und ist mit einer FSK 12 Freigabe ungeschnitten.
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Twentieth Century Fox__Freigabe: FSK 12__Geschnitten: Nein__ Blu-ray/DVD: Nein/Nein, ab 14.02.2019 in den Kinos |