Originaltitel: Schizo__Herstellungsland: Großbritannien__Erscheinungsjahr: 1976__Regie: Pete Walker__Darsteller: Lynne Frederick, John Leyton, Stephanie Beacham, John Fraser, Jack Watson, Queenie Watts, Trisha Mortimer, Paul Alexander, Robert Mill, Colin Jeavons, Victor Winding, Raymond Bowers, Pearl Hackney, Terry Duggan, Lindsay Campbell, Diana King, Wendy Gilmore u.a. |
Beiger Trenchcoat, wirr vom Kopf stehendes Kraushaar und ein Gesichtsausdruck wie ein desorientiertes Schwein im Viehtransport auf der Autobahn… dieser Mann, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und sich nun einsam seinen Weg durch die Großstadt bahnt, versucht nicht einmal, für sein Umfeld den Schein der Normalität zu wahren. Blitze der Erinnerung schlagen in sein Gehirn ein. Blut, Schreie, Chaos. Er nimmt die Eindrücke wie mit fremden Augen wahr. Schweißgebadet schließt der Mann die Augen und schüttelt den Kopf. Nein, er muss sich auf sein neues Ziel konzentrieren, die berühmte Eiskunstläuferin Samantha…
Schizo, das ist in erster Linie eine umgangssprachliche Abwandlung eines wissenschaftlichen Begriffs, die abwertende Bezeichnung für jemanden, der schizophrenes Verhalten an den Tag legt. Nicht zuletzt ist es aber auch ein unverhohlener Parallelismus auf einen der berüchtigtesten Psychothriller überhaupt, Alfred Hitchcocks „Psycho“ (1960). Aus dem seither wieder ganz neu aufkeimenden cineastischen Interesse an menschlichen Abgründen entwickelte sich schlussendlich ein Regelhandwerk, zunächst das des Giallo, dann des reinrassigen Slasherfilms. Es nährte sich hauptsächlich aus einer speziellen Veranlagung des Publikums, die man ironischerweise selbst als schizophren bezeichnen könnte: jene des Ekels und der gleichzeitigen Faszination, so widersprüchlich und doch einander bedingend. Das Gesicht wendet sich ab, während das Auge hinsieht.
„Amok“, so die recht eigenwillige deutsche Schlussfolgerung aus dem Originaltitel, erschien unmittelbar im Anschluss an das Herzstück der Kollaboration zwischen Drehbuchautor David McGillivray und Regisseur Pete Walker. Gerade erst hatten sie mit scharfer Schneide die Justiz („Haus der Peitschen“, 1974), die Psychologie („Frightmare“, 1974) und die Kirche („Haus der Todsünden“, 1976) seziert, drei lebenswichtige Organe im Körper des britischen Patienten, der da anästhetisiert auf ihrem Tisch lag. Es ist unwahrscheinlich, dass sich das Duo dabei von der Slasherwelle, die unter anderem von Mario Bava („Im Blutrausch des Satans“, 1971) initiiert wurde, nicht hat beeinflussen lassen. Walker und McGillivray waren damals aber auf der Höhe ihres Schaffens, weil sie nicht etwa Genre-Elemente im Selbstzweck zelebrierten, sondern vielmehr wie Instrumente bedienten, um ihren eigenen Zweck zu verfolgen. Der wiederum bestand hauptsächlich darin, die Schwächen des britischen Gesellschaftssystems mehr als nur aufzudecken, bisweilen nämlich bloßzustellen.
„Amok“ könnte man rein zeitlich noch zu dieser Hochphase der beiden Filmemacher zählen, erschien er doch nur neun Monate nach dem Vorgänger „Haus der Todsünden“ und hat sich, wenn schon nicht an den Kinokassen, zumindest über die Jahre hinweg einen gewissen Ruf erarbeitet. Tatsächlich spürt man immer noch diese Schärfe im Ausdruck, die so typisch ist, wenn der paranoide Inszenierungsstil Walkers auf den subversiven Schreibstil McGillivrays trifft. Diesmal allerdings scheint es in der Hauptsache nicht mehr länger darum zu gehen, den kranken Körper des eigenen Heimatlandes zu durchleuchten, sondern eher darum, ganz ungezwungen mit den Mechanismen des psychologischen Horrorfilms zu spielen und sie so weit wie möglich zu verbiegen.
Schaut in den Wicked-Vision-Trailer zur deutschen Blu-ray-Premiere
Wie ein mäßig begabter Bechermagier von der Straße lässt Walker dazu von Minute 1 seine Hände kreisen, um den Ort des Balls zu verschleiern, aber der Betrachter lässt sich durch die wenig raffinierten Rochaden nur schwerlich täuschen. Ehemänner, beste Freundinnen, gute Freunde, Haushälterinnen und ihre spirituell veranlagten Töchter… das Repertoire an Figuren im Umkreis der Hauptdarstellerin scheint komplex, doch wer sich von den Handbewegungen nicht täuschen lässt, wird seine Augen immer auf Lynne Frederick gerichtet haben. Die Darstellerin, die kurz zuvor noch im oscarnominierten Schifffahrtdrama „Reise der Verdammten“ zu sehen war, muss sich nun nackt unter der Dusche schrillen Hitchcock-Reverenzen erwehren. Sie meistert den Spießrutenlauf durch etliche Tropes aus den Bereichen Thriller und Horror aber elegant und nimmt den Zuschauer nicht zuletzt dank ihrer natürlichen Schönheit mühelos für sich ein. Wenn man übrigens Hitchcock eine Schwäche für einen gewissen Frauentyp nachsagen kann, dann wohl auch Walker, der mit Susan Penhaligon und Penny Irving bereits auf ähnliche Typen von Schauspielerinnen zurückgriff. Jack Watson wiederum ist als Stalker ein wahres Nervenbündel und eine Irritation für jede Szene, in der er auftritt. Nie passt er so ganz in die Konturen, die Anthony Perkins oder auch Karlheinz Böhm („Augen der Angst“, 1960) einst vorgaben, was durchaus für spannende Abweichungen sorgt, manchmal aber auch für hysterische Komik (Stichwort Fensterscheibe).
Während man vor allem Lynne Frederick noch mit den Augen nachjagt, gerät „Amok“ im Hintergrund zum küchenpsychologischen Experiment, das dank auffälliger Symbole wie blutiger Messer, gelber Regenjacken und gehackter Metzgerware wie ein Puzzle mit leuchtend bunten Teilen aufgebaut ist. Filme wie „Ich kämpfe um dich“ (1945), „Vertigo“ (1958) oder „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ (1973) haben zweifellos ihre Spuren hinterlassen, sie öffnen sogar das Tor für das Übernatürliche, das Walker eigentlich so fremd ist. Einige Sequenzen sind in Aufbau und Wirkung für sich genommen durchaus bemerkenswert geraten, gleichwohl sie einen Teil ihrer Magie verlieren, sobald man sie in den größeren Kontext eingebettet betrachtet; dann nämlich entpuppen sie sich wieder bloß als Taschenspielertrick, um die Spuren des plumpen Kerns der Geschichte notdürftig zu verwischen. Auch mit Fragen nach Logik kommt man nicht weit; manchmal muss man die Kanten ein wenig verbiegen, damit die Puzzleteile ineinandergreifen.
Wenn dann das Trauma der Vergangenheit näher beleuchtet wird, entgleisen Walker die Zügel auch mal um ein oder zwei Halbstufen auf der Tonleiter. Nacktes und Blutiges ist man von ihm ja durchaus gewohnt, allerdings wirkt der Rahmen diesmal durchaus auf ein breiteres Publikum zugeschnitten, wohingegen gerade die Rückblenden eine schmuddelige Atmosphäre wie aus einigen amerikanischen Low-Budget-Nasties der frühen 80er erzeugen, wie Romano Scavolinis „Nightmare“ (1981) oder William Lustigs „Maniac“ (1980). Das sind allerdings nur Fragmente in einem Film, der hauptsächlich der Bildsprache gehobener Psychothriller wie „Images“ (Robert Altman, 1972) nachjagt, die lediglich hier und da mit grafischen Details ergänzt werden. Der Bodycount ist insgesamt gering, doch wenn er sich steigert, dann mit drastischen und durchaus kreativen Mitteln.
Psychologisch betrachtet erweist sich „Amok“ als reinstes Tohuwabohu. Auch in Bezug auf den gesellschaftlichen Status Quo weiß die vierte und letzte Zusammenarbeit zwischen Pete Walker und David McGillivray weniger beizutragen als bisher gewohnt. Der gesamte Film ist ein einziges langes Ablenkungsmanöver, und wenn man einmal herausgefunden hat, wie der Hase läuft, birgt der Twist am Ende kaum mehr Überraschungen. Unterschlagen werden darf bei alldem aber nicht der beachtliche Unterhaltungswert, der sich aus der spielfreudigen Variation bekannter Motive des psychologischen Horrorfilms ergibt. Von der Frage, was zur Hölle da vor sich geht, lässt man dann nur zu gerne ab, um sich ganz auf das „wie“ einzulassen.
Informationen zur Veröffentlichung von “Amok”
Pete Walker Collection #7
Jaja, die Pete Walker Collection. Eine Sammlerreihe mit ziemlich langem Atem, wenn man bedenkt, dass sie sich um einen Regisseur dreht, der über einen Zeitraum von gerade mal 15 Jahren als Regisseur aktiv war. Jetzt, da wir bei der siebten Ausgabe der Kollektion angelangt sind, möchte man meinen, dass die Highlights langsam alle abgearbeitet sind. Aber die Kreuz-und-Quer-Taktik, mit der Wicked Vision die Entstehungsjahre der Filme als Sortierkriterium ignoriert, führt zu einem reizvollen Sprung zwischen den verschiedenen Phasen Pete Walkers als Filmemacher… und vielen späten Überraschungen der oftmals positiven Sorte.
Nach der Frühwerk-Retrospektive „Männer der Gewalt“ / „Die Sexparty“, die in der sechsten Ausgabe an der Tagesordnung stand, geht es nun wieder zurück zum Spätwerk. „Amok“ erschien in Deutschland zuerst mäßig erfolgreich im Kino und in den 80ern dann auf Kassette, wo ihm doch noch späte Würdigung zuteil wurde. Den Sprung auf die DVD schaffte er aber nie. In Nordamerika wurde der Psychothriller zu Beginn der 2010er Jahre einzeln und in einer Pete-Walker-Edition von Redemption ausgewertet. Für die deutsche Blu-ray-Premiere wird der alte Videoschinken aber noch einmal so richtig herausgeputzt und auf Hochglanz poliert – zumindest, was die Kuration angeht.
Die Verpackung
Sogar die Oberflächen der Mediabooks spiegeln dank des Hochglanzdrucks wieder wie in den guten alten Zeiten, um das einheitliche Bild der Reihe zu wahren, obwohl sich die Standard-Mediabookproduktion des Labels inzwischen hin zum Mattdruck verschoben hat. Die reichhaltige Auswahl an fotogenen Original-Artworks sorgt dafür, dass diesmal satte fünf (!) Motive zur Auswahl stehen – das könnte ein hauseigener Rekord sein, der bis dato allenfalls noch durch „Der Mann, der lacht“ gehalten werden kann. Zur Ansicht liegt Cover A vor, das auf dem deutschen Kinoplakat basiert. Ein wenig unglücklich für Käufer dieser Edition ist es, dass das gleiche Motiv (diesmal mit Posterfalten) auch auf der Vorderseite des Booklets verwendet wird, eine Dopplung, die bei den anderen Varianten wohl nicht zu befürchten ist. Dafür überzeugt das Artwork aber durch das Zusammenspiel aus kontrastreichem Schattenwurf und Lila-Gelb-Orange-Farbverläufen. Die spitzkantigen Konturen des fetten roten „AMOK“-Schriftzugs machen sich ebenfalls gut auf dem schwarzen Rahmen, der das Motiv umgibt, auch der Originaltitel „Schizo“ ist als kleine Fußnote noch im unteren rechten Eck zu finden.
Cover B zeigt das Originalposter, das den Film auch auf imdb & Co. repräsentiert. Die Handschuhe lassen das Motiv gialloesk erscheinen, auch in der abgebildeten Schublade befindet sich etwas Scharfkantiges, das dem Giallo nicht allzu fremd ist. „Giallo“, also gelb sind auch die Buchstaben des Originaltitels „Schizo“, der mit Blick auf den Filminhalt dargestellt wird wie durch fragmentiertes Spiegelglas. Abgesehen von diesen schrillen Zutaten ist das Cover vollkommen stockduster und eignet sich somit für die „Amici della Notte“, die Freunde der Nacht, die nichts über reines Schwarz kommen lassen.
Das Kontrastprogramm wird mit Cover C geboten, denn hier ist der Hintergrund konsequent weiß. Der Titelschriftzug ist derselbe wie auf Cover A (inklusive dicker schwarzer Umrandung), das Hackbeil mit Spiegelung einer schreienden Frau stammt jedoch von einem italienischen Poster. Die Strichführung ist grob expressionistisch und typisch für seine Entstehungszeit. Minimalistisch, aber effektiv.
Cover D wiederum ist eine kroatische Kreation. Hier dominiert wieder tiefes Schwarz, in dessen Schatten eine Collage aus gezeichneten Motiven in Form eines umgedrehten L eingearbeitet ist. Der gelbe „Schizo“-Schriftzug von Cover B liegt diesmal am oberen Rand der Fläche.
Cover E zuletzt wurde bereits auf der deutschen VHS-Kassette verwendet. Auf die frisch geduschte Lynne Frederick mit schreckverzerrtem Mund lässt sich nur schwerlich verzichten, weshalb sie auch hier wieder zugegen ist, ebenso wie die Schublade vom Originalposter, die gleich unterhalb ihrer Büste platziert ist. Mit Hintergründen hatte man es wohl generell damals nicht so, diesmal wird er von einem himmelblauen Verlauf gefüllt, der nach unten hin blasser wird. Das besondere Video-Flair kommt dadurch zustande, dass man die Angaben zu Stab und Besetzung am linken Rand wie auf der Kassette belassen hat, nur auf das breite „Warner Home Video“-Banner hat man verzichtet. In Anbetracht der breiten Auswahl wird wohl jeder etwas finden, abgesehen vielleicht von Freunden aufwändiger Neuanfertigungen, denn alle verfügbaren Cover überzeugen eher durch ihr Retro-Flair als durch ihre kompositorische Finesse.
Das Booklet
Während das Booklet beharrlich seinen 24-Seiten-Umfang verteidigt, muss im Inneren diesmal ein wenig experimentiert werden, um die Seiten allesamt zu füllen. Nun ist mit Christoph N. Kellerbach nicht gerade der wortkargste Schreiberling am Werk, aber diesmal scheint ihm nicht so schrecklich viel eingefallen zu sein, denn sein Text endet bereits auf Seite 14. Es dauert außerdem bis Seite 9, bevor er überhaupt auf „Amok“ zu sprechen kommt; die Fläche zuvor wird mit einer weiteren Biografie Pete Walkers gefüllt. Eine fragwürdige Entscheidung, wenn man bedenkt, dass dies bereits die siebte Ausgabe der Reihe ist und auch Kellerbach selbst bereits zum dritten Mal mit an Bord ist. Neben der Biografie wird in diesem Teil auch ein wenig die Kulturgeschichte Großbritanniens von den Kriegszeiten der 40er bis in die 70er hinein angerissen, um die Nachfrage nach menschlichen anstatt übernatürlichen Monstern im Film zu erklären. Die Ausführungen im Hauptteil allerdings gestalten sich durchaus interessant. Hier geht es hauptsächlich um die Idee für das Skript, die ursprünglich von Murray Smith stammte und von Walker an David McGillivray weitergegeben wurde. Die Differenzen, die daraufhin zwischen den Geschäftspartnern entstanden, lesen sich nicht nur spannend, sie erklären auch so einiges, was man im fertigen Film zu sehen bekommt. Bei der schließlich folgenden Abhandlung der beteiligten Schauspieler sticht die Information heraus, dass ursprünglich Sheila Keith, Walkers charismatische Stammschauspielerin aus seinen besten Filmen, die Rolle der Haushältern übernehmen sollte, eine Option, die einem in der Tat auch bei der Sichtung des Films durch den Kopf gehen kann, bedienen Keith und die letztlich für die Rolle in Betracht gezogene Queenie Watts doch einen sehr ähnlichen Typ. Den Abschluss machen einige Fakten zur Zensurgeschichte des Films, was bei diesem Regisseur immer ein heißes Eisen ist, und zu seiner Kino- und VHS-Auswertung. Ab Seite 15 folgen dann mehrere Szenenbilder und Aushangfotos, immer je zwei pro Seite, bevor das spanische Filmplakat, eine Abwandlung des italienischen Mediabook-Covers, neben den Credits den Deckel drauf macht.
Der Audiokommentar
Der Verdacht liegt allerdings nah, dass der Booklet-Autor auch den Audiokommentar zu seinen Quellen zählt, denn viele der oben genannten Punkte und weit mehr findet sich im Laufe der Unterhaltung zwischen Dr. Gerd Naumann, Matthias Künnecke und Christopher Klaese wieder, die laut Naumanns Einführung an einem geselligen zweiten Advent stattgefunden hat. Welchen Jahres, das wird nicht ganz deutlich, scheint die Aufnahme doch noch vor dem Kommentar zu „Zeuge des Wahnsinns“ angefertigt worden zu sein, dessen Blu-ray – inklusive Naumann/Künnecke/Klaese-Kommentar – bereits im September 2021 erschien. Das Trio arbeitet sich über die populäre und die wissenschaftliche Definition von „Schizophrenie“ zur Entwicklung des Slasherfilms, unter anderem mit einem ausführlichen Exkurs Richtung Giallo, und nimmt sich anschließend insbesondere das Drehbuch von „Amok“ vor, obgleich auch andere, sonst weniger beachtete Faktoren wie der Soundtrack zur Sprache kommen. Interessant ist dabei, dass der Film trotz seiner offensichtlichen Defizite in Sachen Drehbuch und Story sehr dazu einzuladen scheint, Vergleiche ziehen und Interpretationen anbringen zu wollen. Es sind jedenfalls keine Vorbehalte zu spüren, sich intensiv und ernsthaft mit dem Stoff auseinanderzusetzen, im Gegenteil, eine gewisse Freude am Sujet ist hörbar. Insofern mal wieder ein durchaus lohnenswert investierter zweiter Durchlauf mit fachkundiger Begleitung.
Die Extras
Naumann, Künnecke und Klaese sind aber nicht die einzigen Experten, die auf dieser Edition zur Sprache bekommen. Wir hätten da nämlich noch die Einführung von Prof. Dr. Marcus Stiglegger zu bieten. Der Monolog läuft unter dem Titel „Global Giallo“, was letztlich einen Versuch Stigleggers beschreibt, „Amok“ in den übergeordneten Bereich des Giallo-inspirierten Weltkinos einzuordnen, das nicht zwangsläufig in Italien realisiert wurde, von dessen Ursprüngen jedoch inspiriert wurde. In einem mühelos wirkenden, fließenden argumentativen Aufbau bringt er dabei weit mehr Aspekte zusammen, als man glauben würde, dass sie in ein 11-Minuten-Fenster passen. Insofern stellt sich die Frage, ob man den Beitrag wirklich als Einführung konsumieren möchte, was dank des Ausbleibens von Spoilern durchaus möglich ist, oder nicht doch lieber als Nachbetrachtung, um das soeben Gesehene absacken zu lassen.
Doch auch der Filmemacher selbst kommt noch zu Wort. „My Sweet Schizo“ ist ein Interview mit Pete Walker, das von der alten amerikanischen Redemption-Blu-ray übernommen wurde. Und Walker zuzuhören, das ist immer wieder ein unheimlich angenehmes Erlebnis, weil er dazu in der Lage ist, selbst seine eigenen Filme so reflektiert zu betrachten, wie es viele Kritiker nicht zustande bringen. Schaut euch zehn Youtube-Videokritiken über „Amok“ an (sofern ihr überhaupt so viele zu einem so alten Film zusammenbekommt), und ihr werdet nur ein Bruchteil dessen erfahren, was ihr in diesen zwölf Minuten mit Pete Walker über den Film erfahrt. Die Zeit ist ohne Zweifel ähnlich gut investiert wie diejenige mit Stiglegger.
Obligatorisch sind der deutsche Trailer, hier noch ergänzt um einen zusätzlichen Teaser, sowie die musikalisch untermalte Bildergalerie, die innerhalb von sechs Minuten diverse Poster, Lobby Cards, Promo-Materialien und Mediencover zu bieten hat.
Das Bild
Bevor wir nun den Hauptfilm vergessen, auch noch ein paar Worte zu Bild und Ton. Viele Informationen zum genutzten Master sind nicht bekannt, es wäre also möglich, dass es direkt von der zehn Jahre alten US-Disc übernommen wurde. Kurz nach Einblendung des Warner-Brothers-Logos ist erst einmal ein kleiner Schock zu verdauen… die ersten Szenen sind mit einem dichten Schleier aus Kornhagel überzogen, der auch noch dazu tendiert, digitale Artefakte zu bilden. Hinzu kommen leichte Bildverschmutzungen und vor allem ein extremer Blooming-Effekt, durch den an Lichtquellen angrenzende Objekte eine Art Heiligenschein bekommen. Glücklicherweise mildern sich diese Effekte spätestens nach knapp zehn Minuten deutlich ab, zugunsten der Bildschärfe, die in der Zwischenzeit sehr annehmbar ausfällt. Trotzdem bleibt das Seherlebnis wechselhaft; in besonders dunklen Szenen, etwa der Attacke im Auto, werden etwa viele Details verschluckt, und im Finale kehrt das massive Rauschen stellenweise wieder zurück. Das Color Grading wiederum ist typisch für die Filme Pete Walkers; viele Beige- und Brauntöne, schmutzig und authentisch 70er, so kennt man seine Filme.
Der Ton
Originalton und deutsche Synchronisation liegen jeweils im Wicked-Vision-Standardformat DTS-HD Master Audio vor, wobei der Monoton über zwei Kanäle übertragen wird. Die Synchro fällt in einigen Momenten etwas eigenwillig aus, wenn sie Abschiedsformeln etwa mit einem satten deutschen „Tschüss“ übersetzt oder wenn die Radioübertragung auf einmal einen 2:1-Sieg des FC Bayern München mit Müller und Beckenbauer verkündet. Stimmen, Musik und Effekte ertönen gleichermaßen blechern, insbesondere die Dialoge neigen zu Zischlauten. In ruhigen Szenen ist im Hintergrund auch ein konstantes Rauschen zu vernehmen. Der O-Ton ist nicht nur der Authentizität wegen die deutlich bessere Wahl, hier lassen sich die unterschiedlichen Geräuschquellen auch deutlich besser voneinander differenzieren. Darüber hinaus bleibt es im Hintergrund rauschfrei.
Die DVD ist übrigens abgesehen von der Bildauflösung und dem Tonformat (Dolby Digital statt DTS-HD Master Audio) wieder inhaltsgleich mit der Blu-ray – abgesehen von einem Easter Egg, das ausschließlich auf der Blu-ray enthalten ist. Wie ihr es findet und worum es sich handelt, könnt ihr auf Seite 2 unserer Besprechung nachlesen.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie
Sascha Ganser (Vince)
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