Unser Mitglied Sir Jay, ein ausgewiesener Anime Fan, stolperte beim Genießen diverser Animeserien immer wieder über Handlungselemente und Bilder, die ihn an die ganz großen Actionklassiker vergangener Tage erinnerten. Anhand der beiden Serien “Cowboy Bebop” und “City Hunter” stellt er einmal heraus, wie derartige japanische Hommagen an Filme wie “Phantom Kommando“, “Desperado” und Co. aussehen …
City Hunter
Nicht nur die “Simpsons” nehmen sich gerne Motive aus dem amerikanischen Actionfilm her und parodieren diese. Auch an den Japanern ist die Actionära der goldenen 80er nicht spurlos vorbeigegangen und so wussten auch die Comiczeichner aus dem Osten das populäre Actionfilmmaterial in ihren Werken gekonnt zu verewigen. Als riesiger “City Hunter” Fan möchte ich an dieser Stelle einmal all die Anspielungen auf die Actionfilmindustrie in dieser genialen Action-Comedy Serie den anime-muffligen Actionfreunden näher bringen.
Da die Serie nicht ganz so satirisch angelegt ist wie etwa die Simpsons, parodiert sie weniger, zitiert aber dafür umso mehr. Hier einmal alle direkten Anspielungen und Querverweise, die mir so aus dem Stegreif einfallen.
“Das Wiedersehen” mit Arnold Schwarzenegger
In der Folge “Das Wiedersehen” hat Ryo Saeba (Hauptfigur von City Hunter) den Auftrag, einen flüchtenden Jungen und dessen Lehrerin vor Beauftragten einer fiktiven Regierung zu beschützen, denn der Junge ist der Sohn eines gefürchteten Regierungskritikers, den man zur Aufgabe zwingen möchte, indem man den Jungen gefangen nimmt.
Unter diesen Beauftragten tummelt sich ein auffallend ins Auge stechender Koloss, der mit seinem Gesicht nicht nur zufällig einem gewissen Arnold Schwarzenegger ähnelt.
Aus dieser Ähnlichkeit wird in einer comichaft überzeichneten Szene ein eindeutiges Portrait.
Apropos 4-läufiger Raketenwerfer: Kein Waffenhersteller der Welt hat jemals solch ein skurriles Gerät gebaut, er ist also fiktiv und damit eine Erfindung des Films “Phantom Kommando”. Grund genug für den Anime, diesen nochmals extra zu würdigen, wie in der Folge “Ein heißer Fall – Teil 2” geschehen.
“Ein heißer Fall – Teil 2” und Arnolds Raketenwerfer
Hier darf Umibozu, ein offensichtlicher Schwarzenegger Verschnitt (nur mit Glatze und Schnurrbart), diese “Kultwaffe” abfeuern, um sich gepanzerte Gegnerscharen vom Leibe zu halten.
Der Manga zur Serie erschien übrigens 1985, also im selben Jahr wie der hier besprochene Kinofilm von Arnold Schwarzenegger. Bereits in dieser Heftreihe waren diese Querverweise (in Schwarz-Weiß) vorhanden. Und auch im zwei Jahre später erschienenen Anime wurde nach wie vor auf diese Ehrung nicht verzichtet.
“Phantom Kommando” war aber nicht das einzige Vorbild für “City Hunter”.
“Bay City Wars” und “Stirb Langsam”
In dem 44-minütigen OVA-Special “Bay City Wars” bekommen es Ryo und Umibozu mit Terroristen zu tun, die ein Hochhaus einnehmen, um von dort aus zu versuchen, sich mithilfe des hier installierten Zentralcomputers in das US-Sicherheitssystem einzuhacken. Das Ziel: Zugriff auf atomare Sprengköpfe erhalten.
“Bay City Wars” ist damit eines von vielen (wenn auch durch das Erscheinungsjahr von 1990 eines der ersten) “Die Hard” Rip-offs. Nun ist das ja nicht gleich ein Grund, den Anime hier auf der Actionfreunde.de Seite zu erwähnen. Doch es tummelt sich eine entscheidende Szene im Film, die so dreist den großen Bruce Willis Film kopiert, dass das einfach nicht unerwähnt bleiben darf.
John McClanes Sprung vom Hochhaus mit einem um die Taille gewickelten Wasserschlauch ist unumstritten das große Highlight des Filmes – und eine der größten Sternstunden im internationalen Actionkino. Man beachte nun, mit welcher Konsequenz und Detailfreude diese Szene fast 1:1 in “City Hunter” kopiert wurde:
Ganz schön kess, was sich da die Drehbuchautoren “ausgedacht” haben! Da die Szene im Anime jedoch äußerst spektakulär inszeniert wurde (auch wenn sie nicht ganz so dramatisch rüberkommt, da Ryo wesentlich unkaputtbarer ist als John McClane und sich unrealistischerweise mit bloßer Hand an einem Seil festhält, an welchem er sich nach der “Straffung” gar nicht mehr halten können dürfte) und objektiv betrachtet keinen Grund zum Meckern gibt, sage ich: Lieber gut geklaut, als schlecht ausgedacht! Und damit zur zweiten Animeserie meiner Betrachtung …
Cowboy Bebop
“Cowboy Bebop” ist allseits dafür bekannt, sich aus den verschiedensten Bereichen der Popkultur, seien es Film, Musik, Buch oder Prominenz, kleinste Elemente herauszunehmen, um mal mehr, mal weniger deutlich zu zitieren.
Bruce Lee, John Woo und Jazzmusik bilden dabei die wichtigsten Vorlagen der Serie. In den meisten Fällen jedoch wurde zwar Bezug auf eine berühmte Filmszene genommen, jedoch so vielseitig neu interpretiert, dass offensichtliche Kopien außen vor bleiben.
“The Killer” und “Con Air” in “Cowboy Bebop”
So zum Beispiel in Folge 5, “The Ballad of Fallen Angels”, wo ein Shootout in einer Kirche geboten wird, wofür John Woos “The Killer” als Vorlage herhielt. Richtig eindeutig und auffällig zitiert wurde aber nicht. Ebenso in der Folge “Black Dog Serenade”, die sich inhaltlich an den Film “Con Air” anlehnt, aber auch hier auf detailreichere Gemeinsamkeiten verzichtet.
Für Actionfreunde.de wesentlich interessanter sind die Folgen “Asteroid Blues”, eine andere Szene aus “The Ballad of Fallen Angels” sowie “The Real Folk Blues – Part 2”.
“Asteroid Blues” und “Desperado”
“Asteroid Blues”, die erste Folge der Serie, nahm sich Robert Rodriguez’ Ballerspektakel “Desperado” zur Vorlage und bot neben einem fetzigen Bar Shootout auch eine Bar, die verdächtig selbiger aus “Desperado” ähnelt. Und auch das von den beiden Kopfgeldjägern Spike Spiegel und Jet Black gesuchte Gangsterpärchen bildet das Anime-Gegenstück zu Antonio Banderas und Salma Hayek.
“The Ballad of Fallen Angels” und “The Crow”
In “The Ballad of Fallen Angels” endet der besagte Shootout in der Kirche mit einem kurzen Zweikampf zwischen Spike und Vicious. Vicious erweist sich als der Geschicktere und kann Spike aus dem runden Fenster stoßen. Und genau diese Szene wurde aus dem ersten “The Crow” Film entlehnt. Die Gemeinsamkeiten sind mehr als eindeutig:
“The Real Folk Blues – Part 2” und “A Better Tomorrow II”
Zum Schluss ist da dann noch die letzte Folge “The Real Folk Blues – Part 2”, deren Showdown sich das Finale aus John Woos “A Better Tomorrow II” als Vorlage her nimmt und Spike Spiegel im Alleingang das Hauptquartier des Verbrechersyndikats “Red Dragon” stürmen lässt.
In “A Better Tomorrow II” lässt sich gegen Ende des Finales auch ein spannender Standoff zwischen Ken und dem mysteriösen Killer bewundern: Sie stehen sich gegenüber und im entscheidenden Moment werfen sie sich gegenseitig die Waffen zu, um den jeweils anderen umzunieten.
Eine entsprechende Szene findet sich im alles entscheidenden Standoff zwischen Spike und Vicious, wobei Vicious statt einer Pistole bevorzugt ein Katana verwendet und selbiges von Spike zugeworfen bekommt.
Aber auch das Katana wurde in “A Better Tomorrow II” von dem Charakter Ho als Waffe eingesetzt und den mehr oder weniger selben Hieb wendet auch Vicious an.
“Cowboy Bebop” und Bruce Lee
Neben den Anlehnungen an John Woo Filme bietet “Cowboy Bebop” mit Spike Spiegel auch einen stark von Bruce Lee geprägten Charakter. Spikes Kampfstil weist viele wesentliche Züge von Bruce Lees Jeet Kune Do auf. In “Stray Dog Strut” schwingt Spike kurzzeitig Nunchakus und erwähnt dabei (zumindest im japanischen O-Ton) “Way of the Dragon”. Er hat es hier auch mit einem riesigen Afroamerikaner namens “Abdul Hakim” zu tun, der eine Anlehnung an den von Kareem Abdul Jabber gespielten “Hakim” sein soll (welcher in “Game of Death” gegen Bruce Lee kämpfte). Und in “Waltz for Venus” lehrt Spike seine (bzw. Bruce Lees) Philosophie über das Wasser.
Es gibt viele weitere popkulturelle Bereiche, aus denen sich dieser Animeklassiker bedient, diese sind jedoch zumindest im Actionfreunde.de Rahmen eher uninteressant.
Actionklassiker zitieren Animes!
Doch der eingangs erwähnte “City Hunter” hat sich nicht nur an der zeitgenössischen Popkultur bedient, sondern wurde auch selbst zahlreich zitiert. Mal abgesehen von den Realverfilmungen mit Jackie Chan und Michael Chow-Man Kin (sowie einigen Andeutung in diversen anderen Animes, u.a. “Conan”), bediente sich John Woo persönlich an dem Artwork des 1985 erschienenen Mangas, und hat seinen von Chow Yun-Fat dargestellten Mark Lee (bzw. Ken) in “A Better Tomorrow 2” ganz im Stile von Ryo Saeba zeichnen lassen … und dabei auf einen beachtlichen Detailgrad geachtet. In “A Better Tomorrow 2” betritt Ho (Ti Lung) demzufolge einen Raum, in dem auffällig viele Zeichnungen hängen, die Mark Lee (oder auch Ken Lee) darstellen sollen:
© Sir Jay
© das Copyright der verwendeten Bilder liegt bei den jeweiligen Verleihern!
The Crow: Eurovideo
Stirb Langsam: Twentieth Century Fox
A Better Tomorrow: Laser Paradise
Desperado: Sony Pictures Home Entertainment
Cowboy Bebop: Dynamic Visions
City Hunter: Anime Virtual