„Annabelle 2“ ist das Prequel zum Spin-Off von „The Conjuring“ und erforscht die Ursprünge der titelgebenden Gruselpuppe, die 1943 von einem fähigen Handwerker gefertigt wird, der seine Tochter verliert. Zwölf Jahre später nehmen der Spielzeugmacher und seine Frau eine Gruppe Waisenmädchen in ihrem Landhaus auf, doch bald häufen sich die Anzeichen, dass noch mehr in den Wänden des Gebäudes wohnt.
Originaltitel: Annabelle: Creation__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: David F. Sandberg__Darsteller: Talitha Eliana Bateman, Lulu Wilson, Stephanie Sigman, Anthony LaPaglia, Miranda Otto, Grace Caroline Currey, Philippa Coulthard, Tayler Buck, Lou Lou Safran, Mark Bramhall, Samara Lee, Joseph Bishara u.a. |
Das Prequel zum Spin-Off von „The Conjuring“, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Im Original dann auch treffend als „Annabelle: Creation“ betitelt, anderswo eher semi-glücklich als Fortsetzung „Annabelle 2“ verkauft, so auch hierzulande.
Dabei spielt der vermeintliche zweite Teil deutlich vor dem ersten und beginnt tatsächlich mit der Erschaffung der titelgebenden Puppe durch den fähigen Handwerker Samuel Mullins (Anthony LaPaglia) im Jahr 1943. Der lebt mit seiner Frau Esther (Miranda Otto) und seiner Tochter Bee (Samara Lee) eines jener einfachen, aber glücklichen Leben, die im Horrorgenre traditionell unter keinem guten Stern stehen. Es kommt wie es kommen muss, die Katastrophe bricht hier in Form eines Autounfalls herein, mit dem die Exposition dann abgehakt ist.
Zwölf Jahre später dient das Haus der Mullins‘ als neue Heimstatt für eine Gruppe von Waisenmädchen, die von Schwester Charlotte (Stephanie Sigman) beaufsichtigt werden. Samuel und Esther leben noch dort, Samuel als zupackender Verwalter, Esther komplett in ihrem Zimmer eingeschlossen. Aus dem Mädchensextett stechen vor allem die besten Freundinnen Janice (Talitha Eliana Bateman) und Linda (Lulu Wilson) hervor. Janice, durch Krankheit auf eine Krücke angewiesen, erscheint als potentielle Hauptfigur, doch legt der Film auch viel Wert auf Linda, sodass Regisseur David F. Sandberg („Lights Out“) hier schon eine leichte Verunsicherung aufkommen lässt: Wessen Geschicken soll man folgen, muss man sich vielleicht von einer vermeintlichen Hauptfigur verabschieden?
Irgendetwas scheint mit dem Haus nicht zu stimmen, was vor allem Janice auffällt, als sie des nächtens durch seltsame Vorkommnisse geweckt wird und ein Zimmer betritt, das auf Samuels Anweisung eigentlich immer verschlossen ist. Dort findet sie die Annabelle-Puppe und setzt damit das Böse frei…
Schaut euch den Trailer zu „Annabelle 2“ an
Es ist ein häufiges Problem von Geisterfilmen, dass es um deren filmimmanente Logik nicht zum Besten steht – so auch in „Annabelle 2“. Dass das Böse zwar einerseits im Kinderzimmerschrank gefangen ist, aber von dort immer noch Zettelchen schreiben und Türen aufschließen kann, das kann man noch irgendwo akzeptieren. Aber zu oft regiert im Script von Gary Dauberman („The Nun“) die Willkür: Manches religiöse Symbol (Kreuz) hält das Böse nicht auf, andere (Rosenkranz) funktionieren im Showdown dann richtig knorke. Manchem Menschlein werden ohne viel Federlesen erst die Finger und danach alle anderen Knochen gebrochen, andere kompliziert gehetzt, indem das Böse in eine Vogelscheuche fährt. Und eine Figur wird bei einer Begegnung mit dem Bösen übel zugerichtet, bei der nächsten von ihm besessen – hätte das Böse sich den Umweg da nicht sparen können, wenn das von Anfang an sein Ziel war? Außerdem kann die Annabelle-Puppe anscheinend an mehreren Orten gleichzeitig sein, wie man im Showdown sieht, obwohl sie ein realer Gegenstand sein soll. Man merkt „Annabelle 2“ an vielen Stellen zu offensichtlich an, dass die Schaffung der nächsten Gruselpassage und des nächsten Set-Pieces Priorität Nummer eins war, worunter die Geschichte an sich leidet.
Dabei ist diese gar nicht schlecht. Natürlich ist schnell klar, dass die Mullins etwas über das Übel wissen, das mit der Puppe verbandelt ist, doch die Hintergründe werden erst langsam entblättert und dann im Showdown enthüllt. Originell ist das Ganze dabei freilich nicht, doch das Figureninventar ist sympathisch und lebendig genug, dass niemand als Kanonenfutter erscheint. Die trauernden Eltern, die aufopferungsvolle Nonne, das schwesterartige Waisenduo Janice und Linda, ja sogar das Quartett der restlichen, etwas tussigen Waisenmädchen – keiner dieser Charaktere ist egal oder so angelegt, dass man ihm den Tod sogar gönnt. Der Aufbau ist dabei klassischer Geisterfilm, fängt mit kleinen Vorboten des Unheils an, zeigt eine immer weiter erstarkende Macht aus dem Jenseits, ehe das Böse im turbulenten Showdown dann so richtig wütet, wobei eine Handvoll von Figuren auf der Strecke bleibt, wobei der Bodycount eher gering ist und man mehr auf Gruselfaktor setzt.
Dabei profitiert der Film von Sandbergs Händchen für gruselige Stimmung und Spannungseinlagen. Unheimliche, kaum erkennbare Gestalten im Halbdunkel, sich bewegende Gegenstände wie eben Annabelle und klaustrophobische Situationen, etwa wenn eine Figur mit einer Inkarnation des Bösen in einem engen Raum gefangen ist, sorgen für schweißtreibende Momente. Auch die obligatorischen Jump Scares sind gut gesetzt und verlassen sich nicht nur auf ein Radau-Sounddesign, um die Zuschauerschaft einfach niederzuknüppeln. Manches von dem, was Sandberg da inszeniert, ist natürlich das pure Klischee und reichlich vorhersehbar, von den Leuten, die trotz Unwohlsein dunkle Zimmer betreten, bis hin zur Vogelscheuchenphobikerin, die im Finale natürlich von einer ebensolchen angegriffen werden muss. Aber es ist meist kompetent inszeniert, das muss man dem Regisseur lassen.
Dabei fällt vor allem auf, wie geschickt Sandberg mit seinem Schauplatz umgeht. Wenn die Waisenmädchen das Landhaus erstmals erkunden und die Kamera mitgeht, erschafft „Annabelle 2“ ein Gefühl für den Raum, in dem der folgende Film stattfinden wird, etabliert die Geographie des Ortes (ähnlich geschickt wie z.B. Jaume Collet-Serra den Flugzeugschauplatz in „Non-Stop“ einführte). Außerdem profitierte „Annabelle 2“ vom Fifties-Feeling und dem relativ unverbrauchten Landhausschauplatz – sonst stehen die Geisterhäuser im amerikanischen Gruselfilm ja bevorzugt in der Vorstadt, während auf abgelegenen Farmen lieber das Backwood-Böse durch die Heide krajohlt. Der Look erweckt die vergangene Dekade stimmig zum Leben, die Tricks sind überzeugend, wobei „Annabelle 2“ weniger auf digitalen Budenzauber, sondern lieber auf Andeutungen und handgemachte Effekte, was dem Film ebenfalls zugutekommt.
Überraschenderweise sind die bekannteren Namen im Cast, Anthony LaPaglia („Cold Steel“) und Miranda Otto („Talk to Me“), eher Nebenfiguren. LaPaglia hat etwas mehr zu tun und verkörpert den schroffen, aber wohlmeinenden Gastgeber überzeugend, Otto hingegen ist nur in wenigen Szenen zu sehen und dann teilweise unter einer Porzellanmaske verborgen. Stephanie Sigman („Once Upon a Time in Venice“) sammelt Punkte als Sympathieträgerin, während vor allem Talitha Eliana Bateman („Geostorm“) und Lulu Wilson („Becky“) Respekt für ihre einnehmenden, nicht nervenden Kinderdarstellungen verdienen. Als älteres Waisenmädchen ist Grace Caroline Currey („Fall“), damals noch Grace Fulton, zu sehen, die Sandberg später auch in seinen „Shazam!“-Filmen besetzte.
Am Ende des Tages findet „Annabelle 2“ sogar eine gute Überleitung zum Vorgänger, denn eigentlich war es ja so, dass das Böse erst im zeitlich später angesiedelten „Annabelle“ in die Puppe fuhr. Zwingend nötig oder sonderlich innovativ ist das Prequel nicht geraten, oft ist es in erster Linie auf die nächste Spannungspassage und nicht auf eine kohärente Geschichte bedacht, aber handwerklich sauber und mit überzeugenden Figuren umgesetzt ist das Ganze schon. Nicht so gut wie die Beiträge von „Conjuring“-Initiator James Wan, aber besser als die anderen Filme dieses Gruseluniversums.
„Annabelle 2“ wurde hierzulande von Warner auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. Als Bonusmaterial gibt es auf der DVD entfallene Szenen, auf der Blu-Ray zusätzlich einen Audiokommentar des Regisseurs, zwei Featurettes und zwei Kurzfilme.
© Nils Bothmann (McClane)
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