Originaltitel: Antiviral__Herstellungsland: Kanada__ Erscheinungsjahr: 2012__ Regie: Brandon Cronenberg__ Darsteller: Caleb Landry Jones, Sarah Gadon, Nicholas Campbell, Malcolm McDowell, Joe Pingue, Wendy Crewson, Douglas Smith, Reid Morgan, … |
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Der dramatisch-satirische Arthouse-Horror-Thriller „Antiviral“ markierte 2012 das Spielfilm-Regiedebüt des Kanadiers Brandon Cronenberg – seines Zeichens Sohn von David, dem Schöpfer gleich so einiger thematisch verwandter Genre-Kult-Movies (á la „Shivers“, „the Brood“, „Scanners“ und „Videodrome“). Aus diversen Gedankengängen resultierend, die ihm beim Durchleiden einer Unpässlichkeit vor einigen Jahren mal durch den Kopf gingen, sowie zusätzlich angereichert seitens eines bestimmten Auftritts von Sarah Michelle Gellar in der „Jimmy Kimmel Live!“-Show, formte er im Folgenden genau daraus das wesentliche Konzept des hier nun zur Besprechung vorliegenden Werks, welches dem Zuschauer eine nicht allzu weit entfernte Zukunftsvision darbietet, in der „Celebrity Worship“-Ausprägungen zunehmend extremere bzw. absonderlichere Züge angenommen haben. Gegen einen entsprechenden Preis ist es gewillten Fans inzwischen etwa problemlos möglich, sich mit den „Original-Krankheiten“ ihrer Idole zu infizieren oder gar aus der „leibeigenen DNA“ des jeweiligen Prominenten hergestellte Steaks zu erwerben: Es handelt sich dabei um aus entnommenen Zell- oder Blutproben künstlich geschaffene „Erzeugnisse“, für die es innerhalb der aufgezeigten Gesellschaft sowohl Angebot als auch Nachfrage gibt – und das zum größten Teil völlig legal sowie öffentlich angepriesen, mit schicken Werbekampagnen und exklusiven Verträgen zwischen den gefragtesten Stars und der betreffenden Industrie…
Eines dieser Unternehmen ist die renommiert am Markt positionierte „Lucas Clinic“, welcher es gelungen ist, ihre Produkte mit einem speziellen Kopierschutz zu versehen, wodurch sie nach der „Weitergabe“ an die Käufer nicht mehr auf andere Personen übertragbar sind. Eines Tages geschieht es, dass einer der Mitarbeiter (Reid Morgan) des Diebstahls von Firmeneigentum überführt wird – worauf sein Kollege Syd March (Caleb Landry Jones) die Betreuung seiner bester Klientin anvertraut bekommt: Der in den Medien gerade überaus angesagten Schauspielerin Hannah Geist (Sarah Gadon). Die Sache ist nur, dass Syd ebenfalls in illegale Geschäfte verstrickt ist. Als Hannah eine seltsame schwere Erkrankung befällt und man ihn zu ihr schickt, um diese für seinen Arbeitgeber „zu sichern“, spritzt er sich einige Milliliter des entnommenen Blutes jedoch kurzerhand selbst, um es später dann erneut zu extrahieren sowie über einen Mittelsmann (Joe Pingue) zu veräußern – allerdings schlägt der Erreger bei ihm viel zu schnell an und stellt sich obendrein (zu allem Überfluss) auch noch als tödlich heraus. Fortan beginnt er physisch immer weiter abzubauen und gerät aufgrund des in sich getragenen Virus überdies ins Visier der Konkurrenz sowie einiger privater Sammler, die in jener Hinsicht offenkundig „zu allem bereit“ sind – was wiederum zu anwachsender Verzweiflung und Paranoia führt, während er sich u.a. um eine Heilung bemüht sowie im Zuge dessen einer perfiden Verschwörung auf die Spur gelangt…
In etlichen seiner Szenen verfügt „Antiviral“ über einen sterilen, des Öfteren geradezu blendend weißen Look: Syd´s Arbeitsplatz (z.B.) ist ebenso modern wie kühl anmutend eingerichtet – inklusive riesiger Bilder der makellos-strahlenden Antlitze eben jener Persönlichkeiten, denen sich die zahlungskräftigen Kunden auf diese ganz besondere Weise „naher fühlen“ wollen. Diese von vornherein existente sehnsüchtig-obsessive Anschauung der Interessierten bewirkt zugleich, dass seine Verkaufsgespräche nie allzu herausfordernder Natur sind – im Prinzip reicht stets derselbe vorgetragene (banale) Inhalt aus, um den Deal letztendlich zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Mit Hilfe einer Maschine werden die erworbenen Viren zudem derart alteriert, dass sie eine patentierbare, unansteckende Beschaffenheit erhalten – sie sich also weder weiter verbreiten können noch lassen, nachdem sie dem neuen Träger injiziert wurden. Ferner ordnet das Gerät dem „Produkt“ im Rahmen der erwähnten Aufbereitung eine „individuelle bildliche Visualisierung“ in Form eines verzerrt-verschwommenen Gesichts zu: Echt unheimlich. Verbotenerweise hält Syd ein älteres Modell dieser Technik bei sich daheim verborgen. Es ist nämlich so, dass er regelmäßig Krankheiten (in seinem eigenen Körper) aus der Klinik herausschmuggelt, um sie anschließend auf dem örtlichen Schwarzmarkt abzusetzen: Ein gewagtes, mit hohen Risiken „für Leib und Leben“ verbundenes Vorgehen…
Die aufgezeigte Gesellschaft, in der sich Syd bewegt, offenbart sich als eine Weiterführung Schrägstrich Zuspitzung der heutigen Verhältnisse auf diesem Gebiet: Wahres Talent oder positive Errungenschaften erscheinen einem in Anbetracht der medialen Schwerpunktsetzung auf privaten Klatsch&Tratsch, Auffälligkeiten oder Fehltritte irgendwelcher Starlets, auf möglichst intime Paparazzi-Fotos, Sex-Tapes, inhaltsleere „Twitter“-Feeds oder sonstwie geartete Skandale fast schon komplett nebensächlich – doch wollen es die Leute nunmal so, und das aus gleich mehreren soziologisch-psychologischen Gründen. Per se sei es vollkommen zwecklos, über den „konkreten Verdienst“ dieser Promis zu diskutieren, meint Syd´s Chef unmittelbar zu Beginn: Umfang und Stärke ihrer Anhängerschaft würden ihren „Wert“ definieren – man könne sie quasi als „Group Hallucinations“ bezeichnen. Im Vorliegenden präsentieren entsprechend ausgerichtete TV-Sender 24 Stunden pro Tag jede herausfindbare Einzelheit eben jener „Auserwählten“ – ärztliche Koloskopie-Aufnahmen einer jungen Dame mit inbegriffen – und wer es denn will, der kann in bestimmten Läden sogar gräulich-weiße Fleischprodukte aus gezüchteten Celebrity-DNA-Strängen kaufen: In meinen Augen eine arg abstoßende Vorstellung. Die Botschaften dahinter sind unverkennbar – u.a. dass manche Fans „ihre Lieblinge“ buchstäblich (umfassend) „für sich vereinnahmen“ wollen sowie gewisse Auswüchse unserer Kultur einfach nur „krank“ sind…
Der Film wartet mit verschiedenen „kritisch-satirischen Spitzen“ auf – bleibt dabei in vielen Bereichen aber genauso oberflächlich wie die betreffenden (angegangenen bzw. im Fokus stehenden) Gegebenheiten: Abgesehen von dem Reiz der Vorstellung, dass sich auf diesem Wege die Zellen zweier Individuen miteinander verbinden, wird beispielsweise nur bedingt nachvollziehbar dargelegt, warum sich jemand tatsächlich mit Herpes oder der Grippe eines umschwärmten Models anstecken lassen wollen würde. Auch die Stars selbst erfahren nahezu keinerlei „Vermenschlichung“ – was ein gutes Stück weit kontraproduktiv für das Werk an sich ist, da alle übrigen hier (wie ihre seligen Anhänger, Manager oder anderweitige Vertreter wirtschaftlicher Begehren) nicht nur strikt im übertragenen Sinne entweder als „Kannibalen“ oder „Vampire“ portraitiert werden: Gegen Ende etwa trinkt Syd Blut direkt aus einer zuvor geschnittenen Wunde. Unabhängig der grässlichen Entwicklungen vollzieht sich bei ihm jedoch keine echte Läuterung – wahre Sympathieträger sucht man demgemäß vergebens. In der Hauptrolle liefert der talentierte Texaner Caleb Landrey Jones ein erneutes Mal (u.a. nach „the Last Exorcism“ und „Byzantium“) eine gleichermaßen glaubwürdige wie tolle Performance ab: Bereits allein seine ganze „schwächlich-kränkliche Ausstrahlung“ fügt sich perfekt in den Kontext des Streifens ein, welcher rein von seiner Mitwirkung her ungemein profitiert…
Nach einem starken Einstiegsdrittel lässt das Gebotene leider ein wenig (nichtsdestotrotz aber spürbar) nach, als immer mehr Facetten einer einigermaßen vertrackten Verschwörung zutage treten – einschließlich einzelner (kleinerer) Überraschungen plus Story-Elemente á la Verrat, Grenzen der Moralität sowie dem unerbittlichen Streben nach Ansehen, Macht und Profit. Da Syd sozusagen „den heiligen Gral der Promi-Viren“ in sich trägt, führt das prompt dazu, dass auf einmal u.a. Schwarzmarkt-Händler, Mitarbeiter der „Lucas Clinic“ sowie Entsandte von Konkurrenz-Unternehmen hinter ihm her sind: Die jeweiligen Parts werden von Joe Pingue („Repo Men“), Nicholas Campbell („Goon“) und Wendy Crewson („the Vow“) allesamt solide gespielt. Irgendwann in dieser Phase trifft er dann auch wieder auf die im Sterben liegende Hannah Geist – rundum anständig verkörpert seitens der attraktiven Sarah Gadon, welche bei „A Dangerous Method“ und „Cosmopolis“ ebenfalls schon mit Brandon´s Dad gedreht hat. Für ihre Beaufsichtigung und Betreuung sorgt indes ihr von Malcolm McDowell („Halloween“) gemimter Leibarzt Dr. Abendroth: Ein zwielichtiger Mann, der sich u.a. vier Hautstreifen ethnisch unterschiedlicher Personen auf seinen Unterarm hat transplantieren lassen. Obgleich weiterhin keineswegs uninteressant, verliert die Handlung ab der Halbzeitmarke jedoch merklich an „Energie“ – was vorrangig einigen inhaltlichen Wiederholungen sowie einem etwas zu trägen Tempo zuzurechnen ist…
Nach seiner Premiere in der „Un Certain Regard“-Sparte des 2012er Cannes Film Festivals hatte Cronenberg die Laufdauer (im Vorfeld des nächsten Screenings in Toronto) um knapp sechs Minuten gestrafft – allerdings entfaltet sie sich auch in der finalen Schnitt-Fassung noch immer „ziemlich ruhig“. Obwohl bei mir keinerlei Langeweile aufkam, hätte ich mir letzten Endes (speziell im Mittelteil) doch zumindest eine reichhaltiger ausgestaltete Geschichte gewünscht. Das Skript verfügt dabei über eine Vielzahl an Ehrerweisungen und Anspielungen – hauptsächlich auf das Schaffen David Cronenbergs bezogen: Abgesehen von der „Body Horror“-Zugehörigkeit sowie dem grundlegenden (unheilschwanger-unangenehmen) „Vibe“ der Materie rufen einem einige der Verstrickungen jene in „Videodrome“ in Erinnerung, wird Hannah eine „vaginale Deformierung“ nachgesagt (siehe „Dead Ringers“), trägt Syd stets dieselbe Kleidung (so wie Seth Brundle seinerzeit in „the Fly“) und ließen mich die „Zell-Züchtungen“ unweigerlich an „eXistenZ“ denken, da sie vom Aussehen her der dort (von Jude Law´s Figur) aus Essensresten zusammengefügten Waffe ähneln. Der Basis-Ton wurde unterdessen durchweg ernst gehalten – und so kommen selbst die in die Geschehnisse eingewobenen (an sich insgesamt unglücklicherweise aber leicht eindimensional und repetitiv wirkenden) Satire-Ausprägungen in keinem Moment wirklich „zum Schmunzeln humorvoll“ daher…
Von Cinematographer Karim Hussain („Hobo with a Shotgun“) exzellent bebildert sowie mit einem unaufdringlichen Score E.C. Woodleys („the Dark Hours“) unterlegt, wurde eine umfassend dichte ungemütlich-kühle Atmosphäre erschaffen – welche in aseptisch-hellen Kulissen ihren Anfang findet, bevor im Zuge der fortschreitenden Entwicklungen zunehmend stärker „das Schmutzige“ an die Oberfläche tritt: Kräftig-rotes Blut an den Lippen einer schönen Frau oder auf strahlend weißem Bettzeug ist ja noch relativ ansprechend anzusehen, ausgespucktes bräunliches an Wänden und auf Böden dagegen weit weniger – von seltsamen Exanthemen mal ganz zu schweigen. Regelmäßig werden Nadeln unter Hautpartien gestoßenen, allein der Anblick des künstlichen DNA-Fleisches dürfte ausreichen, um bei manchen einen gewissen Grad an Übelkeit zu erzeugen – und an einer Stelle gibt es obendrein noch eine überaus bizarre, alles in allem aber irgendwie „selbstzweckhaft“ anmutende Traum- bzw. Halluzinationssequenz zu bestaunen. Eigentlich ist nichts des Dargebotenen wahrhaft explizit oder herausragend widerlich: Vielmehr sind es die mit den gezeigten Gegebenheiten und Praktiken verbundenen Vorstellungen, die bei einem „unbehagliche Empfindungen“ entstehen lassen – und so mündet „Antiviral“ schließlich in einem ebenso albtraumhaften wie grotesken Finale, welches mir persönlich (gerade nach der uneben-schwächeren zweiten Verlaufshälfte) absolut vortrefflich zu gefallen wusste. Generell darf man auf weitere Projekte Brandons also durchaus gespannt sein – bei diesen sollte er sich dann allerdings um einen eigeneren (individuelleren) Stil bemühen…
knappe
Hierzulande ist “Antiviral” auf DVD und BluRay erhältlich.
Stefan Seidl
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