Originaltitel: Armed__ Herstellungsland: USA_ Erscheinungsjahr: 2018__ Regie: Mario van Peebles__ Darsteller: Mario van Peebles, Ryan Guzman, Jemma Dallender, William Fichtner, Columbus Short, Van Jones, Geoffrey Ross, Folake Olowofoyeku, Brad Carter, Lane Garrison, Sam Littlefield, Michael S. Garcia, Melvin van Peebles, Dionne Warwick, … |
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Ursprünglich war ich fest davon ausgegangen, bei “Armed” (2018) würde es sich um eines dieser typischen ambitionsarm konzipierten und in Szene gesetzten B-Movies handeln, von denen ja unzählige existieren – doch hat sich der Streifen letzten Endes relativ zügig als ein überraschend eigenwillig-ungewöhnliches Werk herausgestellt, das zwar fern von “gelungen” einzustufen ist, auf eine gewisse Weise aber zumindest Anerkennung dafür verdient, in der vorliegenden Form überhaupt realisiert worden zu sein. Niemals hätte ein Hollywood-Studio diesem Projekt “grünes Licht” gegeben – und das aus ganz unterschiedlichen, vom konkreten Inhalt bis hin zu dessen Qualität reichenden Gründen. Ziel seines Regisseurs, Drehbuch-Autors, Produzenten und Hauptdarstellers Mario van Peebles (“USS Indianapolis: Men of Courage“) war es, in Gestalt dieses wüsten Genre-Mixes aus Drama, Action, Thriller und Sozial-Satire ein “persönliches Statement” zur derzeitigen Lage in den Vereinigten Staaten abzugeben – vorrangig auf die medizinische Versorgung von ehemaligen Staatsbediensteten, das angespannte “politische Klima” in der “Trump-Ära” sowie die (insbesondere nach tragischen Amokläufen) regelmäßig neu aufflammende “Waffen-Debatte” bezogen…
Betrachten wir erst einmal die zwei amerikanischen Poster- bzw. Covermotive, auf denen jeweils van Peebles’ Kopf zentral platziert wurde: Man erkennt, dass er ein weißes Hemd mit dunkler Krawatte trägt, sowie eine US-Flagge seine Schultern bedeckt, auf einer derer wiederum eine Kakerlake sitzt. Per Photoshop hat man seine Schädeldecke quasi “explodieren” lassen sowie inmitten der Flammen mehrere Personen abgebildet – unter ihnen William Fichtner, ein Mann und eine Frau mit großkalibrigen Gewehren, ein “Bikini-Babe” sowie abermals Mister van Peebles, dieses Mal mit skelettiert geschminktem Antlitz. Im unteren Bereich ist überdies Binärcode auszumachen. Durchaus treffend kreiert, das muss ich im Nachhinein bestätigen – obgleich der Film noch mit einer Fülle weiterer Elemente und Images aufwartet, die man da ebenso gut hätte hinzufügen können. Mit Sicherheit wäre das Ergebnis dann “überfrachtet” ausgefallen – allerdings ist das exakt der Eindruck, den dieser geradezu “irritierend unfokussiert” anmutende “Indie” im Laufe seiner (viel zu langen) rund 120-minütigen Spieldauer heraufbeschwört. Es ist fast so, als hätte van Peebles alle Ideen einer “hitzigen Brainstorming-Session” in sein Skript mit reingeschrieben, ohne einzelne vielleicht doch besser zu verwerfen…
In “Armed” portraitiert van Peebles den von allen bloß Chief genannten ehemaligen U.S. Marshal Jason Pratt. Seit einem von ihm kommandierten Einsatz, bei dem einige seiner Team-Mitglieder getötet wurden, übt er jenen Job nicht mehr aus und versucht sich inzwischen als Barbier. Erstaunlich selbstsicher buhlt er eines Tages darum, in Vertretung eines Kollegen einem in der Gegend berüchtigten jungen “Gangster” (Michael S. Garcia) die Haare zu trimmen – im Zuge der Durchführung er plötzlich aber immer nervöser zu werden sowie gar ekelhafte Insekten um sich herum zu sehen beginnt. Dabei geschieht es, dass er dem Teenager mit seinem Rasiermesser ein Ohr abschneidet: Blut spritzt in einem hohen Bogen aus der Wunde, “Flashbacks” vom erwähnten grausamen Hinterhalt blitzen vor seinem “inneren Auge” auf – und das alles in Slow-Motion sowie mit Opernklängen unterlegt. Die Sequenz ist absolut “over the Top” – bevor sich das Gebotene schlagartig als “nicht echt” entpuppt, denn Chief ist an “PTSD” (Post Traumatic Stress Disorder) erkrankt. Wütend über das seltsame Gebaren sowie die nun misslungene Frisur, nehmen die “Schlägertypen” des Kunden prompt die Verfolgung Chiefs auf, der zur Hintertür hinausgerannt war…
Chief´s Flucht durch diverse Gassen und Hinterhöfe weist eine unkonventionelle Musik-Untermalung auf und endet schließlich an einer Straßen-Einmündung, an welcher er mit der just auf ihrem Rad vorbeifahrenden Grace (Jemma Dallender) kollidiert – ihres Zeichens eine “DJane”, Yoga-Anleiterin, Veganerin und “Erotik-Künstlerin” ungefähr halb seines Alters, mit der er später nach und nach eine (eher unglaubwürdige) Freundschaft aufbaut. Wieder daheim in dem schicken Haus seines erfolgreichen Bruders (Laz Alonso), in dem er wohnt, während jener nicht in der Stadt ist, erhält er unerwarteten Besuch von seinem früheren Kameraden Jonesie (Ryan Guzman), der einst ein Sprengstoff-Experte war, aktuell allerdings hochgradig “psychisch instabil” (u.a. paranoid wilde Verschwörungs-Theorien äußernd) auftritt sowie Chief flugs davon zu überzeugen bemüht, sich an den Behörden und Pharma-Konzernen zu rächen, die ihnen und den anderen Überlebenden der Truppe nicht genügend bei der Behandlung ihrer Leiden geholfen hätten. Er ist der Auffassung, sie wären allesamt einer Art “Nervengas” ausgesetzt gewesen – und nun sei es endlich an der Zeit, sich mit Waffengewalt “Gehör” (sowie im Rahmen dessen natürlich auch “Gerechtigkeit”) zu verschaffen…
Zusätzlich zu diesem unbefriedigend vage gestrickten Story-Strang hat “Armed” noch eine Reihe weiterer Sub-Plots zu bieten, die eine Menge “Raum” innerhalb der Geschichte einnehmen und deren Eindrücke primär mit den Worten “oberflächlich” und/oder “unnötig” auf den Punkt gebracht werden können. Da ist z.B. der Wunsch Chiefs, sich mit seiner Ex-Frau (Anna Talakkottur) zu versöhnen – welche allerdings schon bald neu zu heiraten gedenkt – sein Herantreten (zwecks Informations-Gewinnung) an seinen alten Kumpel Richard (Fichtner), der noch immer “für die Regierung” tätig ist und ihn unverkennbar argwöhnisch betrachtet, sowie Nachrichten-Meldungen über ein vermisstes, eventuell entführtes Mädel. Hinzu kommen verschiedene weitere Themen, die van Peebles wohl unbedingt mit einbinden wollte. Obgleich einiges an sich brisant, relevant sowie eine “Aufarbeitung” wert ist, ist nichts von dem Abgelieferten “präzise genug” verfasst worden – so als hätte man eher das “Abhaken” möglichst vieler “Talking Points” angestrebt, anstatt die bedeutsamsten vernünftig zu “vertiefen”. Das Skript wirkt förmlich wie in einem “Entwurfs-Stadium” verblieben: Es hätte nicht geschadet, wenn van Peebles es vor Drehbeginn noch jemandem zum Nachbessern gegeben hätte…
Unabhängig dessen, dass Chief ein positiv denkender, gute Entscheidungen treffen wollender, nicht uncharmanter Mensch ist, dem Schreckliches widerfahren ist und der sein Leben aufrichtig wieder “auf die richtige Spur lenken” möchte, fällt es einem schwer, wahre Sympathien für ihn zu empfinden. Fiese, u.a. durch “Survivor´s Guilt” genährte Albträume und Visionen suchen ihn heim – worüber hinaus das ihn anekelnde “Sehen” von Insekten daher resultiert, dass ihm in seiner Kindheit mal eine Kakerlake ins Ohr gekrabbelt war und dort Eier abgelegt hatte. Um sich zu beruhigen und zu konzentrieren, greift er häufig auf “Self-Help-Tapes” zurück, liest und rezitiert Prosa und hört klassische Musik via Kopfhörer. Er steht auf der “No-Fly”-Liste und man hat ihm Medikamente verordnet – welche er allerdings eigenmächtig absetzt. Der Mann braucht eindeutig therapeutische Behandlung. Nichtsdestotrotz mangelt es der Figur insgesamt an Komplexität und “emotionaler Connectability”. Lobenswert dagegen ist die Performance van Peebles’ (“Red Sky“), dessen Charisma und Engagement dem Werk klar zuträglich ist. Imposant übrigens, über welch ansehnliche physische Verfassung der 1957 geborene Herr weiterhin verfügt – beinahe so, als wäre “Solo” (1996) erst vor rund 10 Jahren entstanden…
In “Armed” verwehren surreale, den Geisteszustand Chiefs veranschaulichen bzw. vermitteln sollende Elemente und Situationen dem Publikum des Öfteren die Gewissheit, was von dem Gezeigten gerade tatsächlich passiert und was nicht – allerdings kann man das in der Mehrzahl der Fälle schon auseinander halten, wenn man etwas bewusster darauf achtet. Grelle Farben und eine sonderbare Song-Auswahl ergänzen die “fahrige Atmosphäre” ebenso wie so manche “unorthodoxe” Schnitt-Folgen und Kamera-Perspektiven von Editor Stephen J. Murray (“Kill Game”) und Cinematographer Anthony J. Rickert-Epstein (“Vigilante Diaries“). Die “PTSD-Episoden” wurden indes in für solche Momente gängiger Weise “desorientierend-chaotisch” (samt “Shaky-Cam”-Verwendung) arrangiert. Die Sache ist bloß, dass der Streifen weder eine spürbare “Energie” noch einen anständigen “Rhythmus” entwickelt. Er ist einfach zu lang – und es wird beileibe nicht wenig geredet. Letzteres wäre in Ordnung, wenn die meisten Dialoge so clever-gewitzt wären wie bei der anfänglichen “Barbershop-Szene” – doch sind sie es nicht. An und für sich hätte man die Verlaufs-Entfaltung zugunsten eines “erquicklicheren Flows” problemlos um zirka 20 Minuten “straffen” können…
Im Grunde komplett wäre gar auf den Part der jungen Bekanntschaft Chiefs – also Grace – zu verzichten gewesen: Ja, sie sorgt in seinem Alltag für Abwechslung, ist verständnisvoll, nett, steht ihm bei und wird für ihn zu einer “erdenden und aufbauenden” Bezugsperson – doch bis auf ein paar flüchtige Gesprächsinhalte erweckt nahezu alles mit ihr in Zusammenhang stehende einen “seichten” oder überflüssigen Eindruck (bspw. als Chief ihr spontan mal als Beleuchter bei einem Strand-Shooting aushilft oder sie sich allein im Wald auf einem Baumstumpf tanzend per um sie herum schwirrender Drohne filmt). Sexy sowie mit einem kräftigen britischen Akzent sprechend, verkörpert Jemma Dallender (“I spit on your Grave 2“) sie zumindest solide: Keine Notwendigkeit zur Klage. Derweil mimt Ryan Guzman (“Backtrace“) Jonesie in dem seitens der Vorlage vorgegebenen Maße kontinuierlich nervös und angespannt sowie ständig knapp davor, irgendeine “Dummheit” (á la eine Werbetafel in die Luft zu sprengen) zu begehen. Statt Mitleid zu erzeugen, nervt er einen eher. Es hätte echt nicht sein müssen, die Figur derart “überzogen” zu konzipieren. Einmal hat er sogar einen Hut aus Alufolie auf, um seine “Gedanken abzuschirmen” – und der mit ihm verknüpfte “Twist” dürfte/sollte eigentlich keinen ernsthaft überraschen…
Mit Chief´s Team in “Armed” verhält es sich ähnlich: Die wiedervereinte Runde kommt einem wie “ein Haufen Durchgeknallter” vor – nicht wie an “PTSD” erkrankte Veteranen. Überdies sind sie extrem “Waffen-vernarrt”. Als Chief sie dazu zu bewegen versucht, das ganze Zeugs (u.a. Pistolen, Explosivstoffe und einen Granatwerfer) “zur Sicherheit aller” in eine Truhe zu packen, gibt es einen kurzen “Meinungsaustausch” über die jedem Amerikaner ja durch den 2. Zusatzartikel der Verfassung zugesicherten betreffenden Rechte und entgegnet ihm eine von ihnen (Shakira Barrera) obendrein den (nicht nur dank Charlton Heston) prominenten “NRA”-Slogan “…from my cold, dead hands!”. Anteilnahme konnten mir diese Typen jedenfalls keine entlocken. Und William Fichtner (“Elysium“)? Der agiert gewohnt kompetent und cool in seiner ihn kaum fordernden Nebenrolle. Generell hat van Peebles eine “ethnisch vielfältige” Besetzung zusammengetrommelt, zu der etwa noch sein Vater Melvin (“Hard Luck“), Columbus Short (“Whiteout“), Van Jones (“the First Purge“), Geoffrey Ross (“Misfire“), Folake Olowofoyeku (“Female Fight Club“), Brad Carter (“Swelter“), Lane Garrison (“Shooter“) sowie Sängerin Dionne Warwick (“Slaves”) zählen…
Mit diversen realisierten Projekten seit seinem beeindruckenden 1991er Kino-Debüt “New Jack City” ist van Peebles inzwischen ein gestandener Profi als Regisseur, der (von punktuell erkennbaren Budget-Limitierungen mal abgesehen) hier “handwerklich solide B-Movie-Kost” geschaffen hat. Nein, was dieser Veröffentlichung ohne jeden diskutierbaren Zweifel “das Genick bricht”, ist das “zügellos-wirre” Drehbuch, auf dem sie basiert. So richtig “zum Augenrollen” wird es schließlich im finalen Drittel, als Chief von Grace zu einem Wochenende in den Wäldern außerhalb der City eingeladen wird, um in der dortigen Ruhe abseits des Großstadt-Trubels zu entspannen und “zu sich selbst zu finden”. Dennoch plagen ihn Visionen und wird er plötzlich von zwei “Pro-Trump-Hillbilly-Privatmiliz-Angehörigen” verschleppt – rotes “MAGA”-Basecap inklusive, auf dem (vermutlich aus rechtlichen Gründen) im Vorliegenden aber “Make America Late Again!” (!) zu lesen ist – welche außerdem das gesuchte Mädel in ihrer Gewalt haben. Und ja, “natürlich” gerät auch Grace in ihre Fänge. Dazu geht im Folgenden irgendwann noch eine Granate hoch und löst einen Waldbrand aus – denn hey: Warum nicht? Ist bekanntlich ja ebenfalls ein wiederkehrendes “Thema” in Kalifornien…
“Armed” lässt sich als ein “heilloses Durcheinander” beschreiben. Fraglos war das mitunter genau so Absicht – bspw. um auf jenem Wege “den Wahnwitz der heutigen Gesellschaft und Zeit” zu veranschaulichen – allerdings führte das Fehlen eines “schärferen Fokus” letztlich zum “Scheitern” dieser von der Intention her löblichen, nicht unambitionierten Produktion. Weder überzeugt der Streifen als Drama, Thriller oder Satire noch als Action-Flick mit “Exploitation”-Anleihen – und schon gar nicht als ein Mix all dieser Genres. Das Ergebnis ist nicht clever oder “schlagfertig”, nicht spannend oder “aufregend”; der hauptsächlich ernste “Ton” gleitet gelegentlich ins “Trashy-Alberne” ab. Van Peebles will uns mitteilen, dass nicht alles bloß “Schwarz oder Weiß” (Gut oder Böse, Republikaner oder Demokrat etc.) ist. In diesem Sinne trägt Chief, der übrigens am “4th of July” Geburtstag hat, an einer Stelle “Totenkopf-Make-up” – hat dabei aber eine Clowns-Nase auf – und am Ende wird er, der stets gegen die Nutzung von Waffen argumentierte, von den Ärzten zuvor als “Risiko” eingestuft sowie von seiner Umgebung “abschätzig betrachtet” wurde, als Held gefeiert, der in einem Interview u.a. meint: “Killing those badguys felt like the right thing to do.” Ja, darüber könnte man durchaus nachdenken. “Verdient” hat sich der Film das allerdings nicht…
Während “Armed” u.a. in Frankreich und den USA auf DVD zu haben ist, sind mir bis heute (05/2020) indes noch keine Veröffentlichungspläne für Deutschland bekannt...
Stefan Seidl
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