Originaltitel: Avengement__Herstellungsland: Großbritannien__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Jesse V. Johnson__Darsteller: Scott Adkins, Craig Fairbrass, Thomas Turgoose, Nick Moran, Kierston Wareing, Leo Gregory, Beau Fowler, Louis Mandylor, Terence Maynard, Ross O’Hennessy, Daniel Adegboyega u.a. |
Hatte Scott Adkins in der Vergangenheit viel mit Regisseur Isaac Florentine gearbeitet, so setzte ihn Jesse V. Johnson in den Jahren 2017 bis 2019 in schneller Folge gleich fünf Mal in Szene, wobei die Kooperationen stilistisch unterschiedliche Wege gehen und auch „Avengement“, der bisher letzte der gemeinsamen Serie, auf eigene Weise zu bestehen weiß.
„Avengement“ setzt ein, als der Häftling Cain Burgess (Scott Adkins) seine Mutter im Londoner Krankenhaus besuchen soll, jedoch zu spät eintrifft: Die alte Dame ist dem Krebs kurz vor seiner Ankunft aus dem Knast erlegen. Cain darf die Leiche noch sehen, ehe wir elliptisch das Resultat seines emotionalen Aufruhrs sehen: Er hat seine Bewacher überwältigt und flieht nun während des Freigangs. Es ist nicht nur eine Vorstellung der regelrecht animalischen, kaum beherrschten Hauptfigur, sondern auch des erzählerischen Stils: Zeitsprünge, Aussparungen und Rückblenden kennzeichnen der Plot, der sich erst später zu einer Geschichte zusammensetzt, der manche Information quasi erst nachreicht.
Der geflohene Cain hat ein Ziel: Einen Pub, der eigentlich nur für Mitglieder ist, dessen Türsteher seinen Fäusten aber nur wenig entgegenzusetzen haben. Und Cain ist nicht zufällig in der Kneipe, die ein Treffpunkt für eine Gang ist: Zwar gönnt er sich ein Bier, doch dann nimmt er die Anwesenden in Geiselhaft und verlangt nach deren Chef – seinem Bruder Lincoln (Craig Fairbrass)…
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Mit dem Pub, den unglamourösen Gangstern und der körnigen Straßenoptik kann man Parallelen zu Guy Ritchies Frühwerk ziehen, von der Anlage her erinnert „Avengement“ aber zumindest teilweise mehr an Quentin Tarantinos „Reservoir Dogs“. Ein Pub anstelle einer Lagerhalle, aber wieder sind es Erzählungen und Rückblenden, die für Zuschauer und Figuren erst ein Bild zusammenfügen. Wobei Johnsons Film einen großen Unterschied zu den Werken Tarantinos und Ritchies besitzt: Das hier ist trotz gelegentlicher lockerer Sprüche nicht besonders cool oder komödiantisch angelegt, Popkulturreferenzen muss man mit der Lupe suchen, stattdessen bekommt der Zuschauer einen wahrhaft grimmigen Mix aus Rachethriller und Actiondrama präsentiert, dessen Gewaltspitzen nicht von schlechten Eltern sind und in ihrer rohen Härte (zumindest in der Uncut-Version) leichte Verwandtschaft zu „Brawl in Cell Block 99“ erkennen lassen: Hier werden auch bereits am Boden liegende Gegner noch bearbeitet, etwa wenn man ihnen die Zähne mithilfe einer metallenen Treppenstufe heraustritt, es werden Knochen mit lautem Knacken gebrochene, Kauleisten eingedellt und die Trefferwirkung einer Schrotflinte aus nächster Nähe wird zu Anfang (in ein Bein) und gegen Ende (in einen Kopf) im Detail vorgeführt.
Dabei sieht man auch schon einen Unterschied in den Kampfchoreographie. Wurde diese bei den akrobatischen Johnson/Adkins-Actionfesten „Accident Man“ und „Triple Threat“ von Tim Man erledigt, so zeichnet hier Dan Styles verantwortlich, der bei ersterem sowie bei „Eliminators“ Stunt Coordinator für Adkins-Filme war. So wird hier weniger gesprungen und hoch gekickt, aber schon spektakulärer zugelangt als in „The Debt Collector“. Durch die Erzählweise sind es meist kleine Vignetten, die entweder von Cains Überlebenskampf im Knast erzählen oder Rangeleien in der Gegenwart beschreiben. Aber egal wo: Derbe hingelangt wird immer, gehobene Hausmannskost sind die Prügeleien (mit gelegentlichem, sehr kurzem Schusswaffeneinsatz) auch, aber es ist eben nicht die Adkins-Königsklasse, die dem Fan ob seiner akrobatischen Darbietung den Mund offen stehen lässt.
Dafür verfolgt die Action ein anderes Ziel, das durchaus gelungen ist. Denn „Avengement“ ist zu gewissem Teil auch ein Drama, das die Verrohung Cains zeigt. Der ist anfangs nur ein verschuldeter Typ mit großen Plänen, der nach einem Job für seinen Bruder in den Knast kommt, wo ihm jeder ans Leder will. Parallel zu Cains körperlicher Entstellung (künstliche Zähne, Narben im Gesicht usw.) schreitet auch dessen seelischer Verfall voran, der aus dem netten Jungen eine regelrechte Bestie macht, wofür Johnson und sein Kameramann Jonathan Hall („Zombiber“) teilweise sehr starke Bilder finden, etwa wenn sich Cain wie eine Art Ein-Mann-Gefängnisaufstand einem ganzen Aufgebot behelmter Wachen gegenübersieht. So hat der Film auch ein nihilistisches Flair, denn schon bald wird klar, dass Cain anscheinend nur noch eine letzte Sache in diesem Pub erledigen will, koste es was es wolle.
Problematisch ist an „Avengement“ dann eher, dass die Erzählstruktur zwar gut Akzente setzen kann, es aber an Finesse mangelt. Es gibt eigentlich keine unterschiedlichen Perspektive auf Ereignisse, sondern Cain erzählt halt seine Geschichte achronologisch, weshalb mancher Aha-Effekte eher forciert wirkt. Die Enthüllungen sind auch nicht super überraschend und manchmal wirkt es so, als zögere der Film einfach nur jene Konfrontation hinaus, von der man spätestens nach 30 Minuten weiß, dass sie am Filmende kommen muss. Zudem verhalten sich die Gangster nicht immer ganz glaubwürdig, denn auch als vermeintlich harte Unterweltgröße würde man es sich vermutlich zweimal überlegen, ob man andauernd einen Wüterich provoziert, der einen mit einer Schrotflinte bedroht und keinerlei Skrupel hat diese einzusetzen.
Unter den Schergen kann man auch „This Is England“-Star Thomas Turgoose entdecken, dessen großmäuliger Straßendealer als Nebenfigur noch echte Akzente setzt. Nick Moran (der übrigens schon in Guy Ritchies Erstling „Bube, Dame, König, grAs“ mitspielte) als rechte Hand Lincolns sowie Louis Mandylor („Daylight’s End“) als Cop bleiben ebenfalls im Gedächtnis, während Craig Fairbrass („Hijacked“) souverän, aber etwas unterbeschäftigt seine Schurkennummer durchzieht. Aber der Film gehört darstellerisch eh in erster Linie Scott Adkins („Incoming“) und der beweist sich auch als Schauspieler hier, der die Wandlung des seiner Hauptfigur vom netten Nobody zur brutalen Bestie überzeugend zu verkörpern weiß. Ein Bruderdrama, in dem Adkins‘ Figur nicht ganz unbeabsichtigt den Namen Cain trägt – aber ist Lincoln wirklich Abel?
Insofern mag „Avengement“ erzählerisch nicht ganz so clever sein wie etwa „Reservoir Dogs“ und als Thriller daher nicht ganz so spannend, doch als Charakterdrama der B-Klasse ist das Ergebnis durchaus respektabel. Hinzu kommt äußerst derbe Action fürs Zielpublikum, gelungen umgesetzt ohne zur Creme de la Creme des B-Actionfilms zu gehören – somit ist „Avengement“ ein mehr als solider Genrevertreter. Und im Zusammenspiel mit den anderen Adkins/Johnson-Vehikeln durchaus ein Beweis, dass B-Actionfilme unterschiedliche Facetten und Subgenres ausbilden können.
Black Hill bringt „Avengement“ hierzulande auf Blu-Ray und DVD heraus, scheiterte aber dreimal bei der FSK, weshalb der Film nur in einer um 73 Sekunden gekürzten Fassung mit 18er-Freigabe erscheint. „Avengement“ hat durchaus einige sehr harte Szenen (Schrotflintentreffer, das Heraustreten von Zähnen), aber wenn man den Film mit „Sabotage“ oder den „The Raid“-Teilen vergleicht, ist er nicht unbedingt derber. Diese Besprechung basiert auf den ungekürzten US-Fassung.
© Nils Bothmann (McClane)
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