Originaltitel: Avengers: Infinity War__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Anthony Russo, Joe Russo__Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Hemsworth, Mark Ruffalo, Chris Evans, Scarlett Johansson, Benedict Cumberbatch, Josh Brolin, Chris Pratt, Zoe Saldana, Dave Bautista, Karen Gillan, Don Cheadle, Tom Holland, Chadwick Boseman, Elizabeth Olsen, Paul Bettany, Anthony Mackie, Danai Gurira, Letitia Wright, Sebastian Stan, Idris Elba, Tom Hiddleston, Pom Klementieff, Peter Dinklage, Gwyneth Paltrow, Benicio Del Toro, Benedict Wong, Carrie Coon u.a.__Sprecher: Bradley Cooper, Vin Diesel u.a. |
Die Post-Credit-Sequenz von „Iron Man“ kündigte anno 2008 das Zusammentreffen der Marvel-Helden an, die 2012 in „The Avengers“ stattfand. Dieser wiederum teaserte eine mächtige Bedrohung in Form des Titanen Thanos, der sich in „Guardians of the Galaxy“ erneut als Gefahr für das gesamte Universum präsentierte – im 19. Film des Marvel Cinematic Universe, „Avengers: Infinity War“, ist dessen große Stunde nun gekommen.
Da „Avengers: Infinity War“ ein Umbruchsfilm für das MCU werden soll, erging sich Marvel nicht nur in beispielloser Geheimniskrämerei, sondern zeigt auch gleich in der ersten Szene, dass es hier ernst wird. Wie bereits in der Mid-Credit-Sequenz von „Thor: Ragnarok“ zu sehen, machen Thor (Chris Hemsworth), Loki (Tom Hiddleston), Bruce Banner (Mark Ruffalo) alias Hulk und die Überlebenden der Zerstörung Asgards unangenehme Bekanntschaft mit Thanos (Josh Brolin), der das Schiff überfällt, für Unmengen von Toten sorgt und sogar den Hulk mit Leichtigkeit besiegt. Auch wenn einige Protagonisten entkommen können, macht „Avengers: Infinity War“ hier schon klar, dass in diesem Film Konsequenzen drohen, unter Umständen sogar schwere bis einschneidende.
Thanos ist nämlich auf der Suche nach den Infinity Stones, von denen er zu Beginn des Films bereits jenen aus „Guardians of the Galaxy“ in seine Gewalt gebracht hat. Sollte er es schaffen alle sechs Infinity Stones in seinem speziellen Handschuh, dem Infinity Gauntlet, zu vereinen, so könnte er mit dieser Macht mittels eines Fingerschnippens Millionen von Leben auslöschen. Viele der Infinity Stones sind dem geneigten Zuschauer schon als Artefakte aus vorigen Marvel-Filmen bekannt, sei es der mehrfach aufgetauchte Tesseract oder der rote Äther aus „Thor 2“. Insofern ist Vorwissen für „Avengers: Infinity War“ nicht nur empfehlenswert, sondern nahezu essentiell: Ließen sich frühere Marvel-Filme oder -Franchises ohne Kenntnis des restlichen MCU meist ohne große Erkenntnisverluste ansehen, so baut „Avengers: Infinity War“ auf das Wissen der Zuschauer, liefert nur ein paar grundlegende Informationen zu bisherigen Ereignissen und sieht vor allem die Figuren als gesetzt an. Zudem gibt es unzählige In-Jokes und Verweise, etwa wenn bei der Suche nach einem Infinity Stone ein alter Bekannter aus „Captain America: The First Avenger“ einen Gastauftritt hat.
Während Thanos im All nach weiteren Infinity Stones sucht, machen sich seine Handlanger zur Erde auf, wo zwei der Steine zu finden sind. Dabei stellen sich sowohl auf der Erde als auch im All die Avengers, die Guardians und weitere Marvelhelden den übermächtigen Aliens entgegen, doch das ist keine leichte Aufgabe…
httpv://www.youtube.com/watch?v=wMTH-CU9WlY
„Avengers: Infinity War“ hat genau jene Schwierigkeiten, die sich aus dem Stoff ergeben – und geht mit diesen überraschend souverän um. Vor allem ist natürlich die Menge an Protagonisten ein hemmender Faktor, denn hier gibt es mehr alte Bekannte als in jedem „The Expendables“-Film, die Gefahr laufen zu kurz zu kommen. Doch für fast jeden findet sich eine einprägsame Szene, sei es ein Date von Vision (Paul Bettany) und Wanda Maximoff (Elisabeth Olsen) alias Scarlet Witch, eine Kampfszene, in der Natasha Romanoff (Scarlett Johansson) alias Black Widow und Okoye (Danai Gurira) gemeinsam gegen eine mächtige Thanos-Schergin antreten oder die Bad-Ass-Einführung von Steve Rogers (Chris Evans) alias Captain America in den Film. Jedoch kommen einige, darunter eben der Captain, Black Widow, T’Challa (Chadwick Boseman) alias Black Panther und Sam Wilson (Anthony Mackie) alias Falcon trotz solcher Momente etwas zu kurz, was vermutlich nicht zu vermeiden war. Etwas schade ist nur, dass Heldenzerwürfnis aus „Captain America: Civil War“ eine eher untergeordnete Rolle spielt und dass auf die Beziehung von Natasha und Bruce aus „Avengers: Age of Ultron“ so gut wie gar nicht eingegangen wird.
Thanos ist bei dem bunten Treiben der Pol, der alles zusammenhält und sich darüber hinaus als einer der besten Schurken des MCU erweist. Nicht nur ist der hünenhafte Titan mit den magischen Kräften ein Gegner, dem man seine Macht sofort abkauft, auch das Motiv hinter seiner mörderischen Schlächtertour durchs Universum ist erfreulich gut ausgearbeitet – auch wenn man es (sonst in kleinerem Rahmen) schon mal in anderen Filmen gesehen hat. Er hat vier illustre Superwesen-Handlanger dabei, ähnlich wie Gamora (Zoe Saldana) und Nebula (Karen Gillan) seine Ziehkinder, denen man zwar keinen Background gönnt, die aber mit ihren Fähigkeiten und ihrem Design gelungene wie würdige Gegenspieler für die zahlreichen Helden abgeben.
Besagte Helden werden – ähnlich wie in diversen „Star Wars“-Sequels – erst einmal voneinander getrennt und arbeiten verschiedene Quests ab: Bei den einen ist es der Schutz eines Infinity Stones, bei den anderen die Beschaffung einer Waffe, die Thanos gefährlich werden könnte usw. Bei dem Wechsel zwischen verschiedenen Storylines und Grüppchen ist „Avengers: Infinity War“ so erfreulich souverän, dass nie die Übersicht oder der Drive verlorengeht, auch wenn es den Film an Geschlossenheit kostet. Vor allem aber geben die verschiedenen Missionen, welche die Heldengruppen durcheinander würfeln, Raum für oft humorvolle, manchmal emotionale Interaktionen der Marvel-Protagonisten: Da verstehen sich Thor und Rocket auf Anhieb gut, während Peter Quill (Chris Pratt) alias Star-Lord den Sprachduktus des vermeintlichen Rivalen nachahmt um männlicher zu wirken. Da beantwortet der Film die Frage, was wohl passiert, wenn die ähnlich gearteten Egomanen Tony Stark (Robert Downey Jr.) alias Iron Man und Doctor Steven Strange (Benedict Cumberbatch) aufeinandertreffen – während sie Sprücheklopfer Peter Parker (Tom Holland) alias Spider-Man im Schlepptau haben. Mit der Lockerheit sind die Gebrüder Russo nicht ganz so souverän wie „The Avengers“-Macher Joss Whedon oder „Guardians of the Galaxy“-Regisseur James Gunn, doch es trifft sich gut, dass dies nur eine Beigabe ist, da „Avengers: Infinity War“ ernster und schwerer daherkommt, ähnlich wie vorigen Marvel-Filme der Russos, „Captain America: The Winter Soldier“ und „Captain America: Civil War“.
Natürlich bleibt ein Gegensatz zwischen den Witzeleien und flotten Sprüchen und dem apokalyptischen, mörderischen Endspiel, das Thanos auslöst. Doch auch das Lösen die Macher recht souverän, etwa wenn ein Geständnis Thors offen zeigt wie nah beieinander Lachen und Weinen im Moment der Verzweiflung sein können. Als Schlacht aufs Ganze kommt „Avengers: Infinity War“ auch mit mehr Konsequenzen daher – zumindest vorerst. Denn am Ende sind diverse Verluste auf Seiten der Helden zu beklagen, nur bleibt die Frage, wie viele der Tode endgültig sein werden. Nicht nur, dass Fantasy- und Sci-Fi-Filme da immer mehr Hintertürchen haben als andere Genres, (potentielle) Franchise-Pläne legen die Vermutung nahe, dass mancher Held doch nicht ganz weg vom Fenster ist. Und natürlich ist klar, dass noch ein „Avengers“-Film kommt, der sehr nah an diesen anschließen wird. Damit steht „Avengers: Infinity War“ vor einem Dilemma, das spätestens seit „Das Imperium schlägt zurück“ im Blockbusterkino angekommen ist: Einerseits endet er auf einer düsteren Note, da die Helden keinen Sieg davongetragen, sondern bestenfalls das Schlimmste verhindert haben. Das Ende könnte auch so stehen bleiben, doch es ist klar, dass das Blockbusterkino größere Triumphe verlangt, dass da doch noch etwas kommen muss. Dieses Danach wird nicht so stark angeteasert wie etwa in „Fluch der Karibik 2“ oder „Matrix Reloaded“, aber „Avengers: Infinity War“ erweist sich auch als nicht ganz so eigenständig wie „Das Imperium schlägt zurück“.
So wird man den endgültigen Einschlag von „Avengers: Infinity War“ wohl erst nach dem folgenden Ensemblefilm einschätzen können – erst dann wird klar sein wie endgültig manche Veränderungen sind, wie groß die Wirkung des Films an sich ist. Nicht, dass der Film sonst ohne eindrucksvolle Momente wäre. Die emotionalen Szenen sitzen, gerade jene zwischen Vision und Scarlet Witch oder alle um Gamora. Jene hat nämlich mit Peter nicht nur jemanden, den sie verlieren könnte (und umgekehrt), sondern auch das komplizierte Verhältnis zu ihrem Ziehvater Thanos und ihre Vergangenheit werden näher beleuchtet. Auf der anderen Seite sind da visuell beeindruckende Momente, gerade in der Bebilderung fremder Welten und Planeten, mit All-Panoramen und ungewohnter Architektur, welche die Effektspezialisten hier bildgewaltig auf die Leinwände bringen.
In der Natur der Sache liegt es dann natürlich auch, dass die Action weniger bodenständig und mehr effektgeladen als bei den vorigen Marvel-Filmen der Russos ist. Die Brüder machen jedoch das Beste daraus, versuchen auch den Kloppereien von Superwesen noch eine gewissen Gravitas und mehr physikalische Glaubwürdigkeit zu verpassen, was ihnen auch gelingt. Dabei wird so gut es geht auf Variation geachtet: Superhelden kämpfen Mano-a-Mano oder zu mehreren gegen Thanos oder seine Handlanger, während die Schurken am Ende eine Horde wesentlich kleineren Kanonenfutters loslassen, die in einem Schlachtenpanorama Marke „Herr der Ringe“ bekämpft wird. Wie schon in ihren vorigen Marvel-Filmen gelingt den Regisseuren zusammen mit Stunt Coordinator Sam Hargrave („Wolf Warrior 2“) und Fight Choreographer Daniel Hernandez („John Wick: Chapter 2“) ein Kampfgetümmel, das trotz Inszenierung im Bourne-Stil nicht die Übersicht verlieren lässt und spektakuläre Konfrontationen zeigt, auch wenn weniger Handgemachtes zu sehen ist. Doch das Bemühen um Erdung ist selbst den Space-Kloppereien anzumerken, womit sich „Avengers: Infinity War“ wohltuend von beispielsweise „Black Panther“ abhebt, der selbst Autojagden und Nahkämpfe mit CGI-(Über)Einsatz zukleisterte.
Da hier – mit Ausnahme von Paul Rudd als Ant-Man und Jeremy Renner als Hawkeye – quasi das gesammelte Heldenensemble der Vorgängerfilme vereint ist, fällt es für einzelne schwer herauszuragen. Selbst große Marvel-Nummern wie Chris Evans („Final Call“) und Scarlett Johansson („Hail, Caesar!“) kommen etwas zu kurz. Da trifft es sich gut, dass viele ihre Paraderollen spielen, in denen sie schnell warm werden und mit denen die Zuschauer vertraut sind – Robert Downey Jr. („Kiss Kiss Bang Bang“) feuert die sarkatischen Sprüche ab, Benedict Cumberbatch („Star Trek: Into Darkness“) steht als arroganter Magier über den Dingen und Chris Pratt („Jurassic World“) erweist sich als nicht ganz so heldenhafter und nicht immer smarter Held erneut als Charmebolzen. Den meisten Raum zum Glänzen erhalten unter den alten Hasen Zoe Saldana („The Losers“) und Chris Hemsworth („12 Strong“), was sie auch dankbar ausnutzen, Elizabeth Olsen („Wind River“) und Paul Bettany („Priest“) können trotz kleinerer Rollen starke Akzente setzen. Vor allem grandios ist die Leistung von Josh Brolin („Gangster Squad“), der seinen via Motion Capturing verkörperten Schurken zur glaubhaften Bedrohung macht. Die restlichen Neuzugänge, darunter etwa Carrie Coon („Gone Girl“) als Handlangerin von Thanos, sind dagegen nicht so sehr gefragt, mit Ausnahme von Peter Dinklage („X-Men: Days of Future Past“) in einer ganz besonderen Nebenrolle.
Unterm Strich ist „Avengers: Infinity War“ somit der erwartete Film geworden: Souverän inszeniert, mit einer stimmigen Mischung aus Ernst und humoristischer Auflockerung sowie mit bildgewaltiger, stark choreographierter Action gesegnet. Aber er hat auch die erwartbaren Schwächen, gerade was die (mangelnde) Austarierung der Screentime der zahlreichen Protagonisten angeht. Und so sehr das Thema Verlust hier sowohl im Mainplot als auch in diversen Nebenhandlungen angesprochen wird – die Franchise-Logik lässt abwarten, ob das Ende und seine Veränderungen wirklich so radikal bleiben, wenn der nächste „Avengers“-Film durch ist.
Kritik von Vince:
Der Fußballgegner pflegt das Spiel gerne aufs Banalste zu reduzieren, um seinen Punkt zu machen. Es gehe letztlich darum, so seine Argumentation, dass 22 erwachsene Männer einem Ball hinterherjagen. Zwei Fußballmannschaften mitsamt etlicher Ersatzspieler schickt nun auch Marvel in sein bis dato drittes Omnibus-Abenteuer unter dem Banner “The Avengers”. Ach, könnte man das Marvel-Universum doch auch so bequem zusammenfalten wie den Fußball. Aber so einfach ist es nicht.
Zwar treten hier Superhelden und Supervillains im Kampf um bunte Steine gegeneinander an, die in diesem Fall eben in den Handschuh sollen statt ins Tor. Mit ihren besonderen Superkräften (Netze statt Haxen schwingen, Thanos rupfen statt Bälle lupfen) verschaffen sie ihren jeweiligen Teams Vorteile, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Das Objekt der Begierde bleibt wie schon bei der initialen Jagd um den Tesserakt in “The Avengers” (2012) ein MacGuffin, der sich grundsätzlich sehr wohl auf seinen Aggregatzustand als geometrisches Objekt reduzieren lässt. Die eskapistische Natur der Comic-Action wird damit offenlegt, denn wenn der Superwürfel schon nicht um seiner selbst Willen als physische Tatsache existiert, ist er nicht mehr als ein Fantasiegebilde, das man, puff, aus der Gleichung streichen kann, bis nur noch der Träumer ferner Welten übrig bleibt.
Um aber mit der vereinfachenden Formel “zwei Teams, ein Spielzeug” in die Analyse zu gehen, ist der Schneeball in der vergangenen Dekade Marvel viel zu weit gerollt. “Infinity War”, dieser fette Otto-Katalog von einer Comicverfilmung, ist mit seiner pedantischen Katalogisierung von unzähligen Charakteren nur aus zweierlei Gründen überhaupt dazu in der Lage, zu existieren: Erstens, weil er auf den geteilten Wissenskonsens aus 18 (!) Vorgängerfilmen zurückgreifen und deren Ereignisse als bekannt voraussetzen darf (hoffentlich hat jeder brav seine Marvel-Filme geguckt). Zweitens, weil er nach hinten heraus weitere Entwicklungen auslagern kann, die wir dann in gut einem Jahr in Bild und Ton bestaunen können. Wären diese Voraussetzungen nicht gegeben, würden diese armseligen zweieinhalb Stunden platzen wie ein Kondom über dem geschwollenen Ego des Tony Stark.
Schon jetzt ist “Infinity War”, selbst wenn man ihn als unvollendetes Werk betrachtet (das er als bombastische Action-Tragödie mit offenem Abbruch zweifellos ist), dem Platzen mehr als nahe. Dass dies nicht passiert, ist lediglich der völligen Abkopplung von allem Irdischen zu verdanken. Die Erde, wie wir sie kennen, ist nur noch eine nach Belieben deformierbare Play-Doh-Plattform von vielen, das Weltall als solches ist längst das eigentliche Handlungszentrum. In Filmen, in denen Monde als Wurfgeschosse verwendet werden, kann man eben keinen Tee mit Freunden im Sommergarten erwarten, hier ist die Normalität, auch Alltag genannt, Äonen entfernt. “Man könnte meinen, ihr habt noch nie ein Raumschiff gesehen”, wundert sich Stan Lee in einem Cameo als Busfahrer über seine Schüler völlig standesgemäß. Die von der freundlichen Spinne gerne zitierte Nachbarschaft kommt nur noch in einem Nebensatz von Peter Parker zur Erwähnung… während er gerade in einem riesigen Metalldonut durchs All schwebt.
Wenn man schon in solchen Dimensionen auftischt, ist Struktur einfach alles. In mundgerechte Stücke werden die vielen versponnenen Ereignisketten vom Regiegespann Anthony und Joe Russo portioniert, indem das verfügbare Arsenal an Figuren wie ein Strom von Uni-Studenten am Einführungstag in kleine Grüppchen aufgeteilt wird. Man lässt sie jeweils ihre eigenen Eier ausbrüten, die später dann in der Schüssel aufgeschlagen und miteinander verrührt werden können. Die Paarungen entstehen dabei nicht von ungefähr: Spider-Man und Iron Man, Jugend und Erfahrung, Schüler und Mentor, das hat ja schon in “Spider-Man: Homecoming” die gewünschte Würze gebracht, zum Dreieck mit Doctor Strange austariert wird allerdings erst recht eine Gaudi draus. Der mystische Strange und der pragmatische Eiserne beharken sich mit äußerst humorvollem Abgang, und man merkt vor lauter Bespaßung gar nicht, wie gerade in diesem Handlungsstrang nebenbei äußerst wichtige Handlungsschlüssel ausgelegt werden, die später einen unermesslichen Impact auf folgende Ereignisse haben werden. Ähnlich gut, aber völlig anders funktioniert die Konfrontation von Thor mit Star-Lord. Man hat sich im Vorfeld oft gefragt, wie sich die stets als etwas abseitig empfundene “Guardians Of The Galaxy”-Saga in den Konsens eingliedern würde. Die Russos suchen einfach nach Ähnlichkeiten und finden sie nicht nur im Vornamen von Pratt und Hemsworth, die sich bei der gegenseitigen Spiegelung zur etwas anderen Buddy-Comedy zusammenraufen, stets zuverlässig mit angemessenem Echo kommentiert von einem Drax (Dave Bautista), der das Publikum treffend reflektiert, indem er Popcorn-Entertainment als hohe Kunst begreift, die mit Geraschel und Geschlürfe honoriert gehört.
Natürlich hat ein solcher Partitionsaufbau einen sehr synthetischen Charakter zufolge, der auch dem Zuschauer nicht verborgen bleibt. Der demgemäß absolvierte Häppchen-Dreh dürfte auch etwas mit logistischen Überlegungen zu tun gehabt haben; schließlich darf man sich nicht vorstellen, dass hier mehrere Dutzend gut bezahlter Stars brav am Set zugucken und applaudieren, wenn die Anderen ihre Szenen abdrehen.
Gemessen an dem eigentlich unvorstellbaren logistischen Irrsinn allerdings gelingt den Russos Bemerkenswertes bei der Kombination und Montage der Einzelepisoden. Sie müssen zwar dicht an dicht Spezialeffekte aneinanderreihen, die aus Filmen mit teils unterschiedlicher Mythologie stammen, was gerade auf lange Sicht einen visuellen Overkill zur Folge hat; manchmal, da wünscht man sich, Strange oder sein Begleiter Wong würden doch einfach mal ihre Funken schlagenden Dimensionsportale stecken lassen und die gegebene Realität Realität sein lassen. Aber wie die Effekte kombiniert werden, das hat schon was von der Virtuosität, mit der einst Guybrush Threepwood hinter einer Wand sonderliche Dinge kombinierte, um an das “sagenhafte Idol” zu gelangen. Anstatt witziges Konfetti an einen schwer bewaffneten Clown zu überreichen, Wachslippen ins Feuer zu werfen oder Feilen auf Nashorn-Fußnägel anzuwenden, werden nun eben Avengers-Kollegen durch Portale gefeuert, Spinnenanzüge am Äußeren einer Raumstation getestet und Star-Wars-ähnliche Kriege auf Wakandas saftigen Wiesen ausgetragen. Und wenn man sich einmal in Erinnerung beruft, welche Krämpfe das Kombinieren von nur sechs Kampfstilen in DCs „Justice League“ verursachte, ist die fließende Verschmelzung der Akrobatik der unterschiedlichsten Avengers reinster Wahnwitz.
Zwar nimmt der visuelle Overkill bisweilen schon Atompilz-Ausmaße an, was aber nicht bedeutet, dass die Spielzüge nicht nachvollziehbar sind. In dem Gewusel aus Dauerattacken und flapsigen Sprüchen kann das Drehbuch trotz manch vorhersehbarer Entwicklung immer wieder überraschende Wendungen setzen und Andeutungen bezüglich zukünftiger Entwicklungen einbringen, die einfach verständlich sind, ohne platt zu wirken. Äußerst hilfreich ist es dabei, dass man endlich mal eines der größten Probleme im Marvel-Kosmos an der Wurzel gepackt und in einem radikalen Schritt ausgebessert hat. Man kann nämlich glatt behaupten, die Perspektive, aus der die Zerstörung eingefangen wird, ist diejenige des Verursachers. Thanos mag nicht der hübscheste Kerl unter der Sonne sein und trotz porentiefer Animation hängt auch ihm der Makel des Avatar-Kunstmenschen an. Allerdings wird der von Josh Brolin typisch erdig gespielte Ultra-Zerstörer mit reichlich Screentime so komplex gezeichnet, dass er glatt der Kritik entgeht, der sich andere omnipotente Super-Wesen wie Superman oder Apocalypse aus „X-Men“ stellen müssen.
Das mag auch damit zu tun haben, dass „Infinity War“ in seinem letzten Drittel einen Wandel der Gezeiten nicht mehr länger nur andeutet, sondern mit harten Bildern belegt. Schon in der ersten Szene, die hektisch mittendrin beginnt und den seriellen Charakter der Marvel-Filme nochmals untermauert, wird der Ernst der Lage mit harten Bandagen unterstrichen, zum Ende hingegen macht sich sogar eine Stimmung irrealer Melancholie breit. Abgefedert wird sie durch allerhand Eventualitäten, legitimiert durch den Fantasy-Unterbau, der schlicht alles ermöglicht. In diesem Moment bewegt sich nicht nur dieser Film, sondern das gesamte Universum auf einem schmalen Grat: Man scheint nun endgültig am Ende des Machbaren angekommen zu sein. Noch mehr Bombast, noch mehr Bildgewalt geht einfach nicht, ohne enorme Schäden in Kauf zu nehmen, was das Gesamtgelingen angeht.
Man entlässt die Zuschauer Blicke tauschend und angeregt murmelnd in den Abspann (auch wenn diesmal ein solcher ohne After-Credits-Szene angemessen gewesen wäre: Sitzen bleiben!), weil es so etwas selbst in der vor Superlativen strotzenden Marvel-Welt noch nie gegeben hat. Nachdem „The Avengers“ erstmals ein ähnlich erschlagendes Gefühl hinterließ und „Avengers: Age Of Ultron“ in vielerlei Hinsicht ein Rückschritt war, geht der dritte Teil mit aller Macht nach vorne, lässt staunen und reißt phasenweise mit. Er macht neugierig auf den vierten Einsatz. Nicht aber ohne diese kleine Stimme im Hinterkopf, die dir einflüstert: Ist es nicht unbefriedigend, zu wissen, dass man höher eigentlich nicht hinaus kann?
Walt Disney bringt „Avengers: Infinity War“ am 26. April 2018 in die deutschen Kinos. Von der FSK gab es die erwartete Freigabe ab 12 Jahren. Die Pressevorführung war in 2D; aufgrund des schnelles Schnitts dürfte das 3D allerdings eher deplatziert sein, weshalb man besser nach 2D-Vorstellungen Ausschau halten sollte.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Walt Disney__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 26.4.2018 in den deutschen Kinos |