Originaltitel: Gunhamdo__Herstellungsland: Südkorea__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: Ryoo Seung-wan__Darsteller: Hwang Jeong-min, So Ji-sub, Song Joong-ki, Lee Jung-hyun, Kim Su-an, Lee Kyeong-yeong, Kim Min-jae, Park Seong-il, Kim In-woo, Sin Seung-hwan u.a. |
Hashima ist eine 320 Meter lange und 120 Meter breite Insel unweit von Nagasaki. Seit 1887 wurde hier der Abbau unterseeischer Kohle betrieben. Über die Jahre entstanden auf Hashima immer größere Gebäude, damit die in den Minen schuftenden Arbeiter ein Heim über den Kopf bekamen. Diese Gebäude und die allgemeine Form der Insel brachten ihr bald den Spitznamen Battleship Island ein. Erst 1974 wurden die unter der Insel befindlichen Minen für immer geschlossen.
2015 folgte die Ernennung der Insel zum UNESCO-Weltkulturerbe. Eigentlich wichtige Bedingung dafür: Japan sollte sämtliche Aufzeichnungen zum Thema Zwangsarbeit auf der Insel offenlegen. Denn während des Zweiten Weltkrieges schufteten vor allem chinesische und koreanische Zwangsarbeiter auf der Insel, deren „Bodenschätze“ eine wichtige Grundlage für die japanische Armee und deren Kriegsmaschinerie darstellten. Die zugehörigen Unterlagen wurden allerdings nie veröffentlicht. Trotzdem trat der Status als Weltkulturerbe in Kraft.
Doch warum weiter auf die Japaner warten und nicht einfach einen Blockbuster auf die Beine stellen, der ein Schlaglicht auf das unrühmliche Kapitel von Hashima wirft? Dementsprechend wurde einer der aufwändigsten Filme Koreas aus der Traufe gehoben. Herzstück ist ein gewaltiges, binnen sechs Monaten errichtetes Abbild der echten Battleship Island. Mithin das größte Filmset Südkoreas, in dem sich folgende Geschichte entfaltet.
Schaut in den Trailer des Historien-Actionfilmes hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=6MKrc-6Sj6s
Musiker Lee Gang-ok ist ein echter Schlawiner. Als er aber mal wieder eine Frau eines wichtigen Koreaners verführt, scheint sein Glück aufgebraucht. Dementsprechend ist guter Rat teuer. Ein vorgeblicher Freund verhilft ihm, seiner Tochter So-hee und seiner Band zu einem Ticket gen Japan. Hier soll die Band mithilfe eines Empfehlungsschreibens neu durchstarten und mit weißer Weste befreit aufspielen. Doch der Freund von Lee Gang-ok erweist sich als Scharlatan.
Kaum in Japan angelandet, werden Lee Gang-ok und seine Band infolgedessen vom japanischen Militär eingezogen. Sogar So-hee trifft dieses Schicksal. Alle werden sie auf Battleship Island verfrachtet, um hier unter Tage Kohle für das Japanische Kaiserreich abzubauen. Unsere Helden geraten in eine Art Parallelwelt, in der sich Schlitzohr Lee Gang-ok am besten zurechtfindet. Alsbald hat er einen florierenden Schwarzmarkt am Laufen. Um ihn herum regiert jedoch der Tod. Historisch überliefert sind aus dieser Zeit knapp 1300 Tote aufgrund der unmenschlichen Bedingungen in den Minen und auf der Insel.
Doch den Japanern geht im Laufe des Zweiten Weltkrieges mehr und mehr die Puste aus. Als die Amerikaner Hashima bombardieren und die Niederlage immer näher rückt, beschließen die Japaner, die Vorgänge auf der Insel zu vertuschen. Sie wollen alle Koreaner in einer der gewaltigen Minen versammeln und töten. Doch die Koreaner planen längst eine spektakuläre Flucht.
Regisseur Seung-wan Ryoo („City of Violence“) hat von „Battleship Island“ zwei Fassungen erstellt. Einen kürzeren Korea-Kino-Cut mit 132 Minuten Laufzeit und seinen Director’s Cut mit 150 Minuten. Koch Media veröffentlicht in Deutschland dankenswerterweise direkt den Director’s Cut. Dieser ermöglicht es Seung-wan Ryoo, seinen Film in epischer Breite zu erzählen.
Und das gerät vor allem bei der Schilderung der Abläufe auf Battleship Island zum einzigen Triumph. Dieses Setting ist einfach nur unfassbar faszinierend. Von mehr als 1000 Meter tief liegenden, engen, kreuzgefährlichen Minen bis zu den mehrstöckigen Wohnhäusern über dem Meeresspiegel kann man sich einfach nicht sattsehen an der Insel. Unter Tage explodieren andauernd Gasblasen und liegen die Nerven ob der Enge, der Hitze und dem Hunger blank.
Über Tage tost ständig Wasser über die scharfgeschnittenen Mauern der ehedem sehr scharfkantig ausgeformten Insel und herrscht ein einziges Gewimmel. Die Insel ist in mehrere Sektionen unterteilt. In jeder tobt das Leben. Ein elendes, von Hunger und Entbehrungen gezeichnetes Leben, mit ständig verdreckten Einwohnern. Die sind sich zumeist selbst am nächsten, unterdrücken und berauben andere „Mitgefangene“ – und leben typische Knastfilmklischees mit fiesen Japanern als Wärter.
Und von Weitem sieht das Ganze tatsächlich aus wie ein gewaltiges Schlachtschiff. Unglaublich. Sind alle Figuren verortet und wurde die Insel ausreichend vorgestellt, legt „Battleship Island“ an Komplexität zu. Bringt einen von Amerikanern trainierten Agenten ins Spiel, der einen besonders wichtigen Gefangenen von der Insel herunterholen soll und dabei in ein Wespennest aus Korruption sticht. Parallel werden Fluchtpläne geschmiedet, rücken die Amerikaner immer näher und ist von einer besonders mächtigen Bombe die Rede.
Das mutet so ausformuliert überladen an, aber Seung-wan Ryoo nimmt sich die notwendige Zeit. Er behält seinen Film immer im Griff und führt ihn zu einem unfassbaren Ende. Einem Ende, wie es aktuell nur die Südkoreaner hinbekommen. Die entfesseln hier einen mit einem Musikstück von Ennio Morricone grandios eingeleiteten Showdown, der ganze 20 Minuten über den Zuschauer hinwegfegt und ihn mit einem fantastisch orchestrierten Chaos überrollt.
Japaner und Koreaner schlachten sich hier ultrablutig gegenseitig ab. Menschen werden verbrannt, erschossen, erstochen, aufgespießt, in der Mitte durchgebrochen und in die Luft gejagt. Helden sterben Heldentode und Lumpen sterben Lumpentode. Zwischengemischt eine Menge Pathos, das auf den Punkt sitzt. Und typisch für die südkoreanische Filmlandschaft wird es auch vermehrt melodramatisch. Aber, es reißt halt mit – und wie.
Einen großen Anteil daran haben die Darsteller. Vor allem die koreanischen Helden werden unter anderem von dem immer großartig zwischen Ernst und tollem Witz changierenden Jung-min Hwang („New World“) und dem für die Actionszenen ungeheuer wichtigen Joong-Ki Song („Blood & Flowers“) mit Leben erfüllt. Ebenfalls nicht ganz unschuldig an der Wirkung des Filmes ist der Regisseur selbst.
Der steigt zunächst mit Schwarz-Weiß-Bildern von unter Tage in seinen Film ein und präsentiert danach im gewohnten Südkorea-Hochglanz-Look seine eigentliche Story. Mit dynamischer Kamera fliegt er durch sein Set, ordentliche CGIs bebildern stürmische Seefahrten sowie die Insel in der Gesamtansicht und ruhige Einstellungen lassen in die Charaktere eintauchen. In der Action findet er immer genau die richtigen Winkel, um nichts von dem Spektakel zu verpassen. Sein originalgetreu nachgebautes Setting nutzt er zudem für handgemachte Zerstörungen, die spitze ausschauen. Und am Ende steigt er genau beim Zünden der Atombombe über Nagasaki (keine Sorge, kein Spoiler!) wieder in den Schwarz-Weiß-Modus um und lässt einen Charakter mit gänsehauterregender Wirkung die 4. Wand durchbrechen.
Der Anlass für den Film und die stolze koreanische Seele sorgen dann für die größten Schwachpunkte des Filmes. Das sind zum einen ein spürbarer Patriotismus und zum anderen gnadenlos overactete Japaner, die Comicfiguren gleich durch den Film irrlichtern und Abziehbilder von brutalen Verbrechern geben. Spätestens wenn die teuflische Fratze des Inselkommandanten über die Fluchtszenerie projiziert wird, ist „Battleship Island“ wirklich total drüber.
Und da sprechen wir noch nicht einmal über die absolut unangenehm mitzuerlebenden Andeutungen, die Japaner würden sich nur zu gerne mit 11-jährigen Mädchen vergnügen. Relativierend gestehen die Koreaner zumindest ein, dass es auch koreanische Sauhunde unter den Inselbewohnern gab. Das ist aber auch wirklich alles, was die Japaner hier an Entgegenkommen erwarten dürfen.
„Battleship Island“ erzählt ein faszinierend unbekanntes Geschichtskapitel
Als 1974 die Stilllegung der Minen unter Hashima beschlossen wurde, verließen die Japaner eilig das Eiland, das 1959 die weltweit höchste jemals aufgezeichnete Bevölkerungsdichte pro Quadratmeter besaß. Heute ist die Insel Hashima verlassen und gilt den Japanern als Mahnmal für rücksichtslose Industrialisierung und die Ausbeutung von Mensch und Natur. Letzterem setzten die Macher von „Battleship Island“ nun ihr ganz eigenes Denkmal.
In einem wuchtigen Epos, das mal wieder eine bislang unbekannte Story aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges erzählt. Und das mit einer überraschend gelungenen Mischung aus komödiantischen und sehr ernsten Momenten arbeitet. Dabei legt die stark gespielte Story im grandios einmaligen Setting im Verlauf der beachtlichen Laufzeit immer mehr an Komplexität zu und mündet in einen wahrhaft übergroßen Showdown. Insgesamt entsteht so eine begeisternde und mitreißende Geschichtsstunde, die aber nicht verhehlen kann, dass die 150 Minuten Laufzeit nicht bar kleinerer Längen daherkommen, hier und da kräftig overactet wird und die Japaner teils dermaßen überzeichnet wirken, dass der Film gehörig Schlagseite in Richtung Groteske bekommt.
Am 27. November 2020 erscheint „Battleship Island“ im Director’s Cut von Koch Media auf DVD und Blu-ray. Diese kommen ungeschnitten und mit einer wohlverdienten FSK 18 Freigabe. Als Extras warten ein Interview mit dem Regisseur, Grüße vom Cast, Trailer und mehrere zu einem Making-Of vereinte Featurettes auf euch.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Koch Media__Freigabe: FSK 18__Geschnitten: Nein__Blu-ray/DVD:Ja/Ja |