Originaltitel: The Boys Next Door__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1985__Regie: Penelope Spheeris__Darsteller: Maxwell Caulfield, Charlie Sheen, Patti D’Arbanville, Christopher McDonald, Hank Garrett, Paul C. Dancer, Richard Pachorek, Lesa Lee, Kenneth Cortland, Moon Unit Zappa, Dawn Schneider, Grant Heslov u.a. |
Ehe sich Regisseurin Penelope Spheeris („Wayne’s World“) in den 1990ern der familienfreundlichen (und oft belanglosen) Komödie zuwandte, trat sie als Beobachterin jugendlicher Subkulturen, vor allem in Kalifornien, auf. Hierzu gehört auch das derbe Crime-Drama „The Boys Next Door“, das in Deutschland unter den Titeln „Blind Rage“ und „Blinder Hass“ veröffentlicht wurde.
Die Bedeutung des Originaltitels stellt die Credit-Sequenz heraus, in der man mehrere berühmt-berüchtigte Serienkiller, darunter Henry Lee Lucas und der Hillside Strangler, sieht, während Off-Kommentare (vermutlich von angeblichen Nachbarn) immer wieder betonen, dass sie demjenigen diese Taten gar nicht zugetraut hätten. Am Ende werden die Portraits zusammengesetzt, nur für zwei weitere bleibt Platz. Für die beiden Jungs von nebenan, Bo Richards (Charlie Sheen) und Roy Alston (Maxwell Caulfield), womit der Film schon einen Ausblick auf kommendes Unheil gibt: Bei jeder Interaktion mit einer anderen Figur ist nicht klar, ob nicht einer der beiden mörderisches Verhalten an den Tag legt.
In der Schule sind Bo und Roy Außenseiter, die wegen ihrer Muskeln und ihrer raubeinigen Art eher gemieden als direkt angefeindet werden. Zur großen Abschiedsfeier zum Schulende lädt man sie nicht ein, weshalb sie die Party rüde crashen. Bo will dabei Bonnie (Dawn Schneider) näherkommen, die aber eher genervt als angezogen von ihm ist. Noch dazu ist klar, dass sich die Wege der Schüler deutlich trennen werden, dem amerikanischen Klassensystem folgend: Während einige zukunftsfähige Disziplinen an Colleges studieren und Karriere machen werden, wartet auf Roy und Bo nur die Maloche in der örtlichen Fabrik nach dem Schulabschluss.
Aber mit einem Geldgeschenk an Bo zum Abschluss und Roys Auto machen sie einen Wochenendtrip nach L.A., wo sie vor dem Start ins Arbeitsleben nochmal richtig einen draufmachen wollen. Doch dort offenbaren sich schon bald Roys gewalttätige, nicht mehr im Zaum gehaltene Impulse…
httpv://www.youtube.com/watch?v=vno5JCCDKIA
„Blinder Hass“ ist zwar ein Film über Jugendgewalt, aber versucht sich nicht groß an Ursachenforschung oder Erklärung, sondern hat eher etwas Beobachtendes. Natürlich gibt es Anhaltspunkte für das Ausrasten der Teenager – Anhaltspunkte, die sich im Nachhinein mit Blick auf Gewalttaten wie Littleton als durchaus treffende Analyse erweisen. Das Eigenbrödlertum der Jungs, das Hereinsteigern in jugendliche Phantasien von Omnipotenz und Gewalt, ein kaum erkennbares soziales Umfeld. Roys Vater kann noch nicht einmal die Augen vom Fernseher abwenden, als sein Sohn ihm eröffnet, dass er übers Wochenende nach L.A. fährt und dabei seinen kompletten Besitz in eine Papiertüte packt, ehe er das trostlose Trailerparkheim verlässt. Aber Spheeris und die Drehbuchautoren Glen Morgan und James Wong, die später unter anderem „Final Destination“ schrieben, geben keine eindeutigen Antworten, sondern liefern eben nur Denkanstöße.
Bei der Darstellung seiner Gewalttäter profitiert „Blinder Hass“ von seinen Hauptdarstellern. Maxwell Caulfield („Spaceshift – Waxwork II“) blieb zwar eine größere Karriere verwehrt, aber er ist schon beeindruckend als hasserfüllter Jungmann, dessen bubihaftes Gesicht einen Gegensatz zu seinem extrem muskulösen Körper bildet und der seine Wut auf alles und jeden nur mühsam unter Kontrolle hat, der förmlich nur nach einem Ventil sucht. Charlie Sheens („Machete Kills“) Bo dagegen erscheint wie ein ins Negative gesteigertes Zerrbild eines der schwanzgesteuerten Jungs aus den zahlreichen Teenagerkomödien jener Jahre: Ständig auf der Suche nach einer Sexualpartnerin gräbt er überall rum, bezeichnet aber jede, die ihn abblitzen lässt, als dumme Kuh und hält Frauen allgemein für Schlampen. Und bei seiner Suche nach Sex übersieht er glatt die psychopathischen Impulse seines Kumpels. Es ist schon eine bittere Ironie des Films, dass sich Roy über seine Defizite mehr gewahr ist als Bo: Er überlegt zur Armee zu gehen, um seinen inneren Drang dort zu kanalisieren, spricht von seinen Tötungswünschen, doch Bo ignoriert dies geflissentlich.
So erzählt der Film dann einfach nur von einem Trip, der immer gewalttätiger wird, setzt nicht auf große Twists oder Überraschungen, sondern ist einfach nur mit seiner Kamera immer nah bei den Protagonisten, wobei gelegentliche Zoom-Ins dieses Gefühl nur verstärken. Schwenkt die Handlung nur mal kurz zu den Cops Mark Woods (Christopher McDonald) und Ed Hanley (Hank Garrett), dann unterstreicht dies nur die Fixierung auf die Jungs von nebenan: Sie sehen umso deutlicher die Folgen des Handelns der Gewalttäter, von denen der Zuschauer ja von Anfang an weiß, dass sie am Ende mehrere Leute auf dem Gewissen haben werden. Dieses Vorwissen sorgt für eine perfide Art von Suspense: Wenn etwa auf der erwähnten Party der kleine Schoßhund der Mutter von Joe Gonzales (Grant Heslov) auftaucht und von dem Duo argwöhnisch betrachtet wird, dann schwant dem Zuschauer Übles, was mit dem Tier passieren könnte. Doch markante Gesichter wie jene von Christopher McDonald („Backtrace“), Hank Garrett („Sniper – Der Scharfschütze“) und Grant Heslov („The Scorpion King“) bieten nur Orientierungsmarken, ansonsten beschränkt sich Spheeris auf ihre Protagonisten. Zudem untermalt sie den Film mit rockigen und punkigen Songs von meist eher unbekannten Künstlern (die Ausnahme ist Iggy Pop), womit sie ihrem Stil treu bleibt: Sie drehte nicht nur Filme über musikgeprägte (Jugend-)Kulturen, sondern auch Videos für Bands wie Megadeth.
Zu diesem Sound gehen Bo und Roy mit einer seltsamen Mischung aus Naivität und Gewalttätigkeit vor – die deutschen Titel „Blind Rage“ und „Blinder Hass“ sind da durchaus treffend. Denn einerseits sind die beiden blind im Sinne von naiv: Sie merken nicht, dass ihr Verhalten nicht cool, sondern nervig und peinlich ist, sie merken erst spät, dass die Bar, in der sie etwas trinken wollen, ein Schwulenclub ist und der Mann, der ihnen Bier kauft, andere Motive als kumpelhaftes Aushelfen im Sinn hat. So wie Bo auch lange Zeit blind für die wahre Natur seines Freundes ist. Andrerseits sind die Gewaltausbrüche, die in erster Linie von Roy ausgehen, ein Ausdruck von Wut über ein trostloses Leben, das ihnen bevorsteht. Sie haben das Gefühl, das man ihnen Geld, Spaß und Sex vorenthält, dass andere dafür büßen müssen, dass es ihnen besser geht als Roy und Bo. Roy kann noch nicht einmal für seinen Freund glücklich sein: Als Bo tatsächlich bei einer Barbesucherin landen kann, brandet eine Form der Eifersucht in Roy auf, die ungute Konsequenzen hat.
So ist „Blinder Hass“ kein Thriller, der auf eine raffinierte Handlung oder einen allgemein gültigen Kommentar zum Psychopathentum abzielt. Roh und unbehauen, manchmal auch so inszeniert, ist es eher eine Studie zweier frustrierter Teenager, die zu Verbrechern werden und denen man bei einem Gewalttrip zuschaut – und in seiner beobachtenden Art ist „Blinder Hass“ dabei schon effektiv.
Zuerst erschien „The Boys Next Door” unter dem Titel „Blind Rage“ in Deutschland auf VHS, war aber trotz FSK-18-Freigabe leicht gekürzt. Seit 2007 gibt es den Film mit gleicher Freigabe, aber ungekürzt auf DVD von Black Hill in Deutschland. Das Bonusmaterial besteht lediglich aus ein paar Filmographien.
© Nils Bothmann (McClane)
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