Originaltitel: Blood Drive__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2017__Creator: James Roland__Regie: David Straiton, Lin Oeding, Roel Reiné u.a.__Darsteller: Alan Ritchson, Christina Ochoa, Thomas Dominique, Marama Corlett, Colin Cunningham, Sean Cameron Michael, Darren Kent, Aidan Whytock, Carel Nel, Andrew Hall, Alex McGregor u.a. |
Eigentlich sah es nach einer guten Idee aus: Die von Robert Rodriguez und Quentin Tarantino mit ihrem gleichnamigen Projekt gestartete Grindhouse-Welle zeigte immer noch Ausläufer, von „Death Race“ kamen weiter fleißig Direct-to-Video-Sequels, also hätte das Konzept von „Blood Drive“ ziehen können. Tat es aber nicht, weshalb nach einer Staffel Schluss für die Serie war.
Die Vorbilder sind der Produktion des Senders schon anzumerken: Der Look, vor allem im Vorspann, ist schrammelig retro wie bei „Planet Terror“, „Machete“ und Co., die Prämisse bedient die Idee von Brot und Spielen. In der Zukunft von „Blood Drive“ (angesiedelt in einem alternativen Jahr 1999) ist Menschheit zwar noch nicht komplett im „Mad Max“-Postapokalypse-Stadium angekommen, Fracking hat allerdings einen toxischen Riesenriss entstehen lassen, dessen Auswirkungen das ländliche Amerika schon zum harten Dog-Eat-Dog-Pflaster haben verkommen lassen. Genau durch diese Gefilde führt das titelgebende Rennen, genannt Blood Drive, das Showmaster Julian Slink (Colin Cunningham) für die Fernsehkanäle des Konzerns Heart Enterprises veranstaltet. Dem gehört mehr oder weniger alles, darunter auch die Polizei, die in den Großstädten noch die verarmten Massen in Schach hält, was die eine oder andere Erinnerung „RoboCop“ hochkommen lässt.
So ist der Held der Geschichte auch ein aufrechter Cop: Arthur Bailey (Alan Ritchson), der mit seinem Partner Christopher Carpenter (Thomas Dominique) eine Ahnung erhält, dass Heart wohl reichlich sinistere Dinge mit Menschen anstellt. Dazu gehört auch Blood Drive, denn in der rohstoffarmen Welt der Serie werden die Karren für das Rennen mit Blut betrieben, für dessen Gewinnung man auch mal ganze Menschen in den Motor stopft. Als Arthur die grausige Betankung bei Rennstart stoppen will, lässt Slink ihn kurzerhand gefangen nehmen und der Fahrerin Grace D’Argento (Christina Ochoa) als Co-Piloten zuteilen. Mit Sprengladungen im Kopf, die es unmöglich machen sich zu weit voneinander zu entfernen, nehmen die beiden Partner wider Willen am Rennen teil, während Christopher Nachforschungen in Sachen Heart anstellt…
httpv://www.youtube.com/watch?v=tk3cHuIsQoQ
Die Vorbilder von „Blood Drive“ sind klar erkennbar, aber analog zu Werken wie „Machete“, „Turbo Kid“ oder „Kung Fury“ versteht sich die von James Roland kreierte Serie als bewusstes Retro-Grindhouse-Entertainment mit Zitat-Charakter. So dürfte Grace‘ Nachname nicht zufällig gewählt sein, während einzelne Stationen der Reise Standardsituation der Genrevorbilder durchspielen: In einer Folge gerät man an Mutanten im Stil diverser Endzeitreißer, in einer anderen betreiben kannibalistische Hinterwäldler einen Imbiss und verwursten Leute analog zu Werken wie „Motel Hell“ oder TCM zu Speisefleisch, während die Prämisse mit den Sprengladungen im Kopf und den so aneinandergeketteten Partner Erinnerungen an Actioner wie „Wedlock“ oder „Transporter 3“ hervorruft. Der Style orientiert sich an den Billigschinken und B-Movies vergangener Tage, peppt das Ganze allerdings mit schrillen Farben und lauten Tönen auf, denn die Fans des intradiegetischen Blood Drive feiern ausschweifende Orgien mit Alkohol, Drogen und Rumgevögel. Letzteres stets durch Balken verdeckt, die im Sinne des selbstironischen Gestus aber gern mal übertrieben lang sind, gerade wenn Arthur blankzieht.
Und gerade zu Beginn funktioniert das Konzept gut: Jede Folge ist eine Rennetappe, die mal wieder eine andere Spielart des B-Films zitiert, mit Highlights wie dem mutantenverseuchten Gefilde und dem Besuch in einer Irrenanstalt, in der anscheinend Personal und Insassen nicht ganz richtig im Kopf sind. Dazu gibt es das eigentliche Rennen mit gelegentlicher Autoaction, klar definierten Opponenten und einem ethischen Grundproblem: Im Gegensatz zur toughen Grace will Arthur eigentlich keine Leute in den Motor stopfen, irgendwie muss die Karre aber am Laufen gehalten werden. Das macht Laune und wird durch gelegentliche Actioneinlagen anderer Art aufgepeppt – meist müssen sich die Helden mit Fäusten oder Waffen irgendwelche Freaks vom Leib halten, die ihnen ans Leder wollen und letztendlich als Treibstoff enden.
Parallel dazu laufen zwei weitere Handlungsstränge ab. Zum einen ist da jener um Slink, der mehr als komödiantische Beilage dient. Der Showmaster, der makabre Sprüche reißt als sei er der uneheliche Bruder von Freddy Krüger, muss sich mit den Vorgesetzten bei Heart rumschlagen, die alle in sein „Blood Drive“-Konzept hereinquatschen. Das ist ein ganz amüsanter Meta-Gag, da es ja quasi den Sendereinfluss auf ein TV-Format (und dessen eventuelle Verwässerung oder Verschlimmbesserung) darstellt, wenn auch hier auf blutigere Weise: Slink killt schon mal nervige Executives. Parallel dazu folgt man Christophers Abenteuern, der schnell in die Fänge von Heart gerät und von der Androidin Aki (Marama Corlett) zum Heart-Schergen konditioniert werden soll. Dieses eigenwillige Geplänkel von Cop und Maschinenfrau, bei dem es um Sex und Liebe geht, wirkt dagegen eher als Bremser und wird nie so wirklich gut mit dem Mainplot verbunden, trotz all der Dinge, die sich im Planungsstadium vielleicht mal gut angehört haben. Denn ob Aki Christopher nur benutzt, ob sie irgendwann Gefühle für ihn entwickelt oder ob sie ihn am Ende vielleicht sogar gegen seinen besten Kumpel Arthur in Stellung bringt, das interessiert irgendwann nicht mehr.
Leider werden die Probleme bei dieser Erzählstruktur immer offensichtlicher, je weiter die Serie fortschreitet. Wenn der Slink-Part auch noch weitere Handlungsrelevanz bekommt und wenn die drei Stränge miteinander verflochten werden sollen, dann knarzt es schon sehr im erzählerischen Gebälk. Vor allem aber kommt „Blood Drive“ immer weiter von seiner Prämisse weg: Das Rennen ist irgendwann nur noch sekundär, die Renngegner verabschieden sich aus der Handlung und spielen kaum noch eine Rolle, ebenso wie der Part um die Bomben, die nebenbei den Verlierer der jeweiligen Tagesstrecke endgültig aus dem Verkehr ziehen. Stattdessen setzt „Blood Drive“ auf immer durchgeknalltere Anything-Goes-Episoden, in denen Grace den verletzten Arthur etwa zu China-Restaurant bringt, wo seine Heilung mit Mystik-Mumbojumbo und Martial Arts erkauft werden sollen. Leider sind diese Folgen dann nicht über das Grundszenario hinausgedacht und wiederholen eigentlich nur einen Gag oder eine Idee immer wieder, bis zum Erbrechen. Auch auf anderer Ebene wird es immer abgedrehter, da diverse Figuren sogar den Tod besiegen können, doch je mehr möglich ist, desto egaler wird einem die Serie leider auch.
Was angesichts der Verpflichtung von actionversierten Regisseuren wie Roel Reiné („Im Fadenkreuz – Seal Team 8“) und Lin Oeding („Braven“) besonders schmerzt, ist die Tatsache, dass auch die Action immer egaler wird. Gerade Reiné, geradezu prädestiniert für schickes Spektakel bei schmalem Budget, muss die actionarme, eher langweilige Folge „The F…ing Dead“ inszenieren, in der es die Blood-Drive-Fans mit einem tödlichen, durch Sex übertragenen Virus zu tun bekommen. Geradezu enttäuschend ist die Finalfolge, die anstelle eines zünftigen Showdowns lediglich mau choreographiertes Gerangel zwischen wenigen Figuren bietet, unterbrochen von langen Gefaselpassagen.
Das ist irgendwie schade, denn vieles an „Blood Drive“ macht Spaß, eben wie ein guter Grindhouse-Film. Der Humor ist böse und schräg, das Experimentelle der einzelnen Folgen ist durchaus unterhaltsam, ehe es jede Bodenhaftung verliert. Auch die Geschichte hinter den Hauptfiguren weiß zu überzeugen: Arthur als letzter guter Cop in einer durchgeknallten Welt, Grace als toughe Amazone, die vor allem ihre verschollene Schwester Karma finden will und beim Blood Drive nach Spuren von ihr sucht. Sogar die Liebesgeschichte der ungleichen Partner weiß inmitten des schrägen Rests zu funktionieren und dient im späteren Verlauf als Anker. Es ist interessant, was eine eventuelle zweite Staffel wohl daraus gemacht hätte – falls sie etwas daraus gemacht hätte, denn der Cliffhanger nach dem (zugegebenermaßen ziemlich ungewöhnlichen) Ende des Finales ist in alle Richtungen offen.
Dass die Interaktion der Hauptfiguren so gut gelingt, liegt auch an den Darstellern. Alan Ritchson („Office Uprising“) gibt den kernigen Kerl, der einfach zu gut für die „Blood Drive“-Welt ist, aber dennoch ordentlich zulangen kann, als Actionhelden mit Herz. Christina Ochoa („Animal Kingdom“) punktet als toughe Fahrerin, die hinter ihrer beinharten Fassade zu verbergen versucht, dass sie letztendlich auch nur ein Mensch mit Gefühlen und sogar einem Moralcode ist. Das große darstellerische Highlight ist allerdings Colin Cunningham („USS Legacy“) als diabolischer Sprücheklopfer im Paradiesvogeloutfit, dessen exzessive wie expressive Performance ordentlich Leben in die Bude bringt. Dagegen wirken Thomas Dominique („Undercover“) und Marama Corlett („Guardians of the Galaxy“) leider beide ziemlich steif und der Rest der Darsteller ist eh kaum der Rede wert, die sie kaum richtig in der Serie ankommen.
So macht „Blood Drive“ durchaus Laune und startet in seinen ersten vier Folgen sogar richtig gut als abgedrehtes, selbstreferenzielles Retro-Grindhouse-Entertainment der rotzigen Sorte. Leider verlieren die Macher Bodenhaftung und Faden im weiteren Verlauf, verzetteln sich mit ihren Handlungssträngen und werden mit ihrer Anything-Goes-Mentalität letztendlich egal. „Blood Drive“ ist schon ganz okay, aber für einen echten Knaller wäre stringentere Grindhouse-Rennaction im Stile der ersten Folgen vermutlich besser gewesen.
Auf DVD oder Blu-Ray ist „Blood Drive“ in Deutschland bisher nicht erschienen, dafür man z.B. zur US-Variante von Viavision/Madman greifen. Dafür ist die Serie digital bei Amazon als Video on Demand gegen Bezahlung erhältlich. Dort ist die Serie ab 18 Jahren freigegeben und enthält sowohl O-Ton als auch deutsche Synchro.
© Nils Bothmann (McClane)
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